Ranking aller Blumentopf-Alben [Abgeschlossen]

Daffy Griswold

Gold Status
Registriert
23. Januar 2017
Beiträge
6.071
1997 Kein Zufall - 6/10
1999 Großes Kino - 10/10
2001 Eins A - 5,5/10
2003 Gern Geschehen - 5/10
2006 Musikmaschine - 2,5/10
2010 Wir - 5/10
Nieder mit der GbR - 5,5/10 (5/10 Deluxe Edition)


evtl noch:
2002: Kaleidoskop (mit Texta und Total Chaos)

erste Wertung vorweg: Großes Kino: 10/10
 
Zuletzt bearbeitet:
Und die B-Seiten und Raritäten

Und machste abhängen ep auch?
 
Bin da voll gespannt drauf, weil glaub ich hab noch kein Blumentopf Album gehört. Vielleicht krieg ich Bock drauf
 
Ihr frontet SAV während ihr Blumentopf dann gutheißt *kopfschüttel*
 
KEIN ZUFALL (1997)

HipHop/Rap ist eine glokale Kultur - globale Popkultur, die im lokalen Kontext adaptiert wird.
Lange vor Debatten über kulturelle Aneignung wurde im Rahmen der lokalen Interpretation von HipHop die Frage nach der Authentizität aufgeworfen.
In Deutschland gab es grob gesagt zwei Diskurse bezüglich der Frage, wie eine überwiegend von Afroamerikanern etabalierte Subkultur auch in Übersee authentisch gelebt werden kann. Die erste legt den Fokus auf die sozioökonomische Lage: HipHop ist Ausdrucksform marginalisierter Minderheiten - egal ob Schwarze in der South Bronx oder Gastarbeiterkinder im Wedding. Der zweite Diskurs zielt auf die Normen und Werte der HipHop-Kultur: real ist, wer es 'real keept', die vier Elemente respektiert usw.
Als Blaupause der unauthentischen Variante galten in den 90ern die als kommerzielle Blödeltruppe verrufenen Fantastischen Vier - und auf deren Label "Four Music" erschien 1997 das Debut-Album "Kein Zufall" der Freisinger Band Blumentopf.
Blumentopf erfüllten keine der beiden Lesarten von authentischem HipHop und waren dadurch beiden Seiten gleichermaßen ein Dorn im Auge - für die einen waren sie das Synonym für gutbürgerlichen, verweichlichten Mittelstands-Rap, bei den anderen galten sie als Ketzer, die sich nicht den Dogmen der Heidelberger Schule unterwarfen. Ihre Haltung war: es spielt keine Rolle, ob man es real keept, entscheidend ist, selber authentisch zu sein.

Als "Kein Zufall" 1997 veröffentlicht wurde, gab es eigentlich nur zwei relevante deutschsprachige Rap-Alben - "Kopfnicker" von den Massiven Tönen und das aus heutiger Sicht unfreiwillig komische "Fenster zum Hof" von den Stieber Twins.
In musikalischer Hinsicht kann "Kein Zufall" mit diesen Veröffentlichungen nicht mithalten. Das liegt nicht an den Beats - die zeitgenössischen BoomBap-Produktionen mit eingängigen Samples sind solide produziert und das eine oder andere Stück hätte 1997 auch einschlägigen Eastcoast-Rappern gut gestanden. Die Raps hingegen sind größtenteils in dem Mitte der 90er in Deutschland verbreiteten, halb-gebrüllten, theatralischen und übertrieben betonten Stil gehalten und klingen ziemlich aus der Zeit gefallen.
Inhaltlich ist auf dem Debut eigentlich schon alles enthalten, was die Band auch auf ihren nächsten Alben ausmachte - Ironisch-triviale Themensongs, die den Ärzten näher stehen als den meisten anderen deutschsprachigen Rappern dieser Ära ("Man kann nicht alles haben", "Reden ist Schweigen"), Storyteller zwischen kuriosen Alltags- und Fantasiegeschichten ("6m 90", "Dass ich nicht lache", "Irgendwie lieb' ich das II"), Battle-/Rapresenter-Songs, bei denen es mehr um Wortwitz und Reime geht als um harte Punchlines ("Rendevouz", "Props"), etwas ernster gehaltene Beziehungs-Stücke ("Der Anfang vom Ende") und der häufige Einsatz von deutschsprachigen Vocal-Cuts.
Auch wenn viele Lines und Reime - v.a. von Holunder - der Konkurrenz von 1997 weit voraus waren ("Knicks seh'n in den Play Offs/ Tricks steh'n auf dem Skateboars/"), lag das Niveau noch klar unter dem der späteren Topf-Alben. Formulierung und Wortwahl leiden teilweise darunter und die Texte sind nicht so on Point und unverkrampft wie auf "Großes Kino" ff.
Dennoch hat das Album seine Momente, die Kreativität und das Potenzial der Gruppe schimmern überall durch - nur die Umsetzung lässt teilweise noch zu wünschen übrig. Hervor sticht aufjedenfall "6m 90", einer ihrer bekanntesten Songs. Negativ fallen "Schreit nach Neid" und "Ich hab' eine Crew" auf, bei denen die verstellten Stimmen irgendwo zwischen nervig und peinlich anzusiedeln sind. Als Provokation wahrgenommen wurde damals mit Sicherheit "Ich erinner' mich", bei dem die Hook aus dem Torch-Sample "Ich weiß noch genau wie das alles begann" besteht, während in den Parts etwa darauf verwiesen wird, dass man kein interesse an Breakdance hat und statt der eigenen HipHop-Sozialisation die Mittelklasse-Kindheit thematisiert wird.

Hits: 6m 90, Rendevouz, Man kann nicht alles haben
Flops: Schreit nach Neid, Ich hab' eine Crew

Das Album zu bewerten fällt etwas schwer - kreative Ideen und Eigenständigkeit konkurrieren mit den veralteten, häufig hölzernen Flows.
Am Ende sind aber 6/10 drin.
 
Großes Kino (1999)

"Großes Kino" habe ich als Kind auf Kassette überspielt bekommen, es war neben "Bambule" und "Gefährliches Halbwissen" mein erstes deutsches Rap-Album.
Anfang der 2000er habe ich es dann im Netz runtergeladen - da waren die Tracks allerdings nicht nummeriert, ich habe sie seither immer in alphabetischer Reihenfolge gehört und dann heute zum ersten mal seit fast 20 Jahren wieder in der tatsächlichen Abfolge. Geändert hat das allerdings nichts - "Großes Kino" ist ein zeitloses Meisterwerk, egal in welcher Reihenfolge.

Zwei Jahre nach dem Debut-Album ist Vieles beim Alten geblieben, einige entscheidende Dinge haben sich jedoch geändert: die Samples sind teilweise etwas experimenteller sowie die Flows souveräner geworden - und die Fähigkeiten im Texteschreiben nochmal deutlich versierter. Schon einige Jahre bevor Rotzlöffel auf Youtube 8fach-Reime zählten und Wortspiele analysierten, wurde in diesem Bereich die Messlatte ziemlich hoch gelegt - und nun leiden Wortwahl und Formulierungen nicht mehr darunter, die Texte wirken unverkrampft und natürlich.
Wieder nehmen die nicht sonderlich ernsten Themen- und Storyteller-Tracks den größten Raum ein, ergänzt durch einige Rapresenter. Die Features (MC Rene, Manuva, Oh Vocalist (!?)) tragen nix substantielles bei, ziehen die Tracks aber auch nicht herunter.
Zur Zeit der Prouktion wohnte die Band in einer WG, dem sogenannten "Haushalt 2000". Beim hören des Albums kann man sich gut vorstellen, wie man sich dort gemeinsam kreativ austobte, aber auch gegenseitig anspornte, sich noch weiter zu verbressern; alle Tracks wirken sehr rund und ausgefeilt. Auf "Kein Zufall" wechselten sich die Topf-MCs noch häufig während der Parts ab und es gab jede Menge Call and Response, auf dem Nachfolger wurde dies stark zurückgefahren. Recht ungewöhnlich ist, wie mehrfach Themen auf Songs in den verschiedenen Parts ganz unterschiedlich verarbeitet wurden, sodass gleich mehrere Songkonzepte in einem untergebracht werden. Auf "Autos und Frauen" wird sich im ersten Part einmal quer durch die deutsche Landkarte gereimt, während im zweiten dann eine Geschichte erzählt wird, dessen Plottwist am Ende jeden Shyamalan-Film in den Schatten stellt, oder auf "Fuck the System" wird zunächst der eigene jugendliche Kampf gegen das System mit einem Augenzwinkern abgearbeitet, während der zweite Part eine verrückte Geschichte und der letzte abstruse Wortspiele ins Zentrum rückt.
Aus der Masse an Hits einzelne Highlights hervorzuheben ist nicht so einfach. Natürlich ist "Fensterplatz" zu nennen, dessen eigentlich recht monotones "Love Unlimited"-Sample (das wenig später auch von Pete Rock und Masta Ace verwendet wurde) auch heute noch nicht totgehört ist, die schon erwähnten "Autos und Frauen" und "Fuck the System", "Quintessenz" oder "Block und Bleistift". An letzterem lässt sich auch beispielhaft verdeutlichen, wie sich generell an Blumentopf die Geister scheiden: Die einen finden einen Track über Bleistifte, die spitz sind und es ohne Gummi machen, und deren Beziehungen zu Papierbögen, aus denen am Ende der Text des Songs entsteht, furchtbar albern, verkopft und banal und würden dem Streber, der sowas schreibt, gerne in den wohlstandsverwahrlosten Arsch treten - die anderen finden die Idee kreativ und die Umsetzung genial.
Negativ heraus fällt nur ein Track - komischerweise einer der größten Hits von Blumentopf: "Safari", das mit nervigem Sample und dämlicher Hook zum skippen animiert. Der Solo-Track "Das Eine" von Shu würde heutzutage wohl einen Sexismus-Aufschrei auslösen, aber so war das eben damals, im letzten Jahrtausend.

Hits: Fensterplatz, Autos und Frauen, Fuck the System, Quintessenz, Block und Bleistift
Flop: Safari

"Großes Kino" ist es ein in sich stimmiges Album mit stabilen Beats und guten Lyrics, das voller Ideen und Originalität steckt. Klare 10/10.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben Unten