ZEIT ONLINE: Und die 2G-Regelung – war die aus ethischer Sicht, aus heutiger Perspektive fragwürdig?
Buyx: Ich finde es sehr schwierig, Maßnahmen und Entscheidungen rückblickend so zu bewerten. Wer das unbefangen tut, macht es sich zu leicht. Das Wissen, das wir heute haben, färbt unsere Bewertung massiv ein. Deshalb darf man nie ahistorisch auf die Dinge blicken. Das heißt nicht, dass man nicht hinterfragen, analysieren und kritisieren darf. Aber es verfestigt sich gerade ein wenig das Narrativ, dass die ganze Corona-Politik problematisch war. Und das stimmt nicht. Bei aller Kritik muss man redlich bleiben. Nun aber zu 2G. Das ist eine schwierige Maßnahme. Ich habe damals gesagt, dass staatliches und flächendeckendes 2G wenn, dann nur maßvoll und so kurz wie irgend möglich eingesetzt werden sollte, auch andere Ethikratsmitglieder haben das betont. Dabei habe ich immer wieder unterstrichen, dass grundsätzlich 3G, also dass auch Getestete Zugang bekommen, besser ist, weil es mehr gesellschaftliche Teilhabe erlaubt. Ich glaube trotzdem, dass es gerechtfertigt war, 2G phasenweise einzuführen. Denn die Alternative war, alles für alle dichtzumachen, auch für diejenigen mit deutlich weniger Risiken. Da war dann 2G im Vergleich die mildere Maßnahme. Wir dürfen nicht vergessen, dass 2G zu einer Zeit eingeführt wurde, in der die Impfungen die Transmission des Virus noch deutlich reduzierten, nämlich in der Delta-Welle. Und ein Test ist nun einmal kein Schutz. 2G war übrigens auch keine krasse deutsche Erfindung, sondern galt zeitweise in vielen Ländern, auch in der verhältnismäßig liberalen Schweiz.