Ranking aller Morlockk Dilemma-Alben

LanZe

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12. Juni 2004
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Wenn ich schon in der Isolation rumsitzen muss, kann ich die reichlich vorhandene Zeit auch in was Sinnvolles wie ein Ranking über einen MC aus meiner Top 5 investieren. Behandelt werden:

Egoshooter (2004) - 7 /10
Index Finest (2006) - 9 /10
Hang zur Dramatik mit V.Mann (2007) - 8 / 10
Omnipotenz in D-Moll (2008) - 8 / 10
Apokalypse Jetzt mit Hiob (2009)
Postapokalypse Jetzt mit Hiob (2010)
Der Eiserne Besen (2010)
Circus Maximus (2011)
Weihnachten im Elfenbeinturm mit Dexter (2012)
Roh.Kalt mit Syllabil Spill (2013)
Kapitalismus Jetzt mit Hiob (2014)
Kannibalismus Jetzt mit Hiob (2015)
Der eiserne Besen II (2015)
Hexenkessel 1+2 mit Brenk Sinatra (2017)
Herzbube (2019)

Ich will hier überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Besprechung der Diskographie erheben, was vor allem das Samplegame von Morlockko Plus (und auch Hieronymuz) angeht. Deswegen finden auch die Instrumentalreleases hier nicht statt. Auch textlich möchte ich eher meine eigene Meinung einfliessen lassen, als eine objektive Einordnung oder inhaltliche Auslegeordnung des Meisters anzustreben. Aus den NOK-Tapes nach 2003 bastle ich evt. einen Skit o.ä.

Alle sind eingeladen mitzudiskutieren, zu -raten oder zu kritisieren! Auch bin ich dankbar um Anmerkungen und Ergänzungen zu relevanten Hintergründen, die ich vergesse zu erwähnen / gar nicht erst wusste (werde das meiste aus dem Gedächtnis heraus verfassen).
 
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Intro

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(Diese nicht sonderlich vorteilhafte Abbildung entstammt einer Fotostrecke der Leipziger Volkszeitung https://www.lvz.de/Leipzig/Fotostrecken-Leipzig/Leipziger-Persoenlichkeiten/10, in der Dilemma neben eher unbekannten Lokalgrössen wie Goethe oder Kästner erwähnt wird.)

Nach eigenen Aussagen findet Young Falko Luniak Mitte der 90er in seiner Platte in Leipzig-Grünau ersten Zugang zu Hiphop-Kultur, in der zu dieser Zeit und in dieser Stadt Graffiti das prägende Element darstellt. Rap ist dabei nur Beigemüse, weshalb sich Prä-Dilemma zunächst so einen Namen machen will. Laut Dilemma war er selbst eine Zeitlang stark an der Dose, um sich Ende der 90er vermehrt Rap zuzuwenden. Die Szene funktionierte damals ähnlich wie in Berlin, viele Elemente aus der Writer-Szene und kompromissloser Untergrundrap, der auf Tape-Basis existierte und musikalisch ebenfalls ein klarer Gegenentwurf zu den Hiphop-Ideen aus Hamburg oder Stuttgart sein sollte. Dabei verortet sich Dilemma selbst eher als Strassenrapper, da er im Laufe seines bisherigen Lebens viel „Gewalt und Tristesse“ (laut.de) erleben musste, denn als Spassräpper hamburgischen Zuschnitts.

In den ersten Jahren begab er sich mit nicht näher indentifizierbaren Kompagnons v.a. auf lokale und bald regionale und überregionale Freestyle-Turniere. Ende der 90er ergab sich der Zusammenschluss zur NahOstK-Crew, aus deren Dunstkreis auch die ersten zählbaren Tapeveröffentlichungen entstammen. Meines Wissens entstanden daraus die Tapes 1-3 (Snuff, Snuff #2 und A-Sepsis), bei denen gerade die ersten zwei schon sehr bescheidene musikalische und Aufnahmequalität aufweisen. Bei A-Sepsis kann man aber gut mal reinhören:

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Beim ersten Track hört man Dilemmas harten Egoshooter-Flow schon gut raus, auch wenn er noch nicht so ausgereift ist.

Richtig interessant wird es dann einem Tape vom Grünauer DJ Skala (der zusammen mit Maulheld die RoyalMaFuckers bildete), mit dem Morlockk das Dilemma zwei Tracks in annehmbarer Quali recordete:

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V.a. der zweite Track ballert ordentlich, schön stampfender Beat und ein gehetzt klingender Dilemma, der so viele Silben wie möglich in die Lines verpackt und so aggro wie möglich flowt.

Als viertes Release von Snuffproduction erschien 2003 das 50 Hertz-Tape wiederum von NOK. Ich besitze leider keines dieser vier Tapes von Snuffpro, um wirklich was Zählbares über die Aufnahmequalitäten zu erzählen, die musikalische Qualität steigert sich aber mit jedem Release. Auf der A-Seite rappen fast nur Dilemma und LUN, Beats dürften von Minte sein (oder?) und kann man sich gut anhören:

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Allerdings erscheint mir, dass Dilemma zu dieser Zeit besser auf die selbst produzierten Beats passt, die auf dem ersten Solorelease zu finden sein werden.
 
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Egoshooter

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Snuffproduction, Tape, 2004

Wie ich zum Opus von Dilemma gefunden habe, werde ich später bei der Review zum Eisernen Besen sicherlich noch thematisieren. Das Egoshooter-Tape habe ich erst beim anschliessenden Durchkämmen der Diskographie entdeckt und hat mich erst oder v.a. auch wegen der Zeitumstände gepackt: in den USA geht die kommerzielle Boombap-Era ihrem Ende entgegen, Jiggy-Rap im Mainstream ist all over und in Deutschland kippt das Narrativ langsam aber sicher Richtung Strasse. Klar hatte Dilemma bei selbst proklamierten 500er Tape-Auflagen keine kommerziellen Absichten, aber 2004 ein knüppelhartes wie kompromissloses Battle-Album zu releasen, dass er mit Anfang 20 auch fast in Eigenregie auf ein musikalisch vergleichsweise hohes Niveau befördern kann, beeindruckt mich. Insbesondere, da es sich nicht um ein zusammengeschustertes Hobbytape aus der Jugend handelt, sondern es existiert bereits eine musikalische Vision.

Los geht’s mit einem noch etwas entspannten Intro, auf dem Dilemma ohne rumzulabern direkt die Claims absteckt:

Was erwartet dich?
Nichts als die Wahrheit und diese ist hart wie ein Schlag ins Gesicht
Yo, ich weiß es selbst ich könnte freundlicher sein
Freundlicher rappen, mich von meinem Teufel befreien
Doch ich scheiß drauf, denn die Welt macht mich wütend
Und schreibe darüber, verkaufe es und verlange Geld von euch Typen


Geil. Ich bin dabei. Auf dem Opener und einzigen Gastbeat von Maulheld geht’s dann richtig zur Sache. Zwei Klassen besser als auf den bisherigen NOK-Releases wütet Dilemma auf einem asymmetrischen Instrumental völlig atemlos, dass es fast anstrengend wird. «Betritt meine Cypher» und «Leipzig steht in Flammen» sind straighte Boombap-Banger mit weiteren gehetzt, aber technisch astrein gerappten Battletexten und klaren Ansagen: «vergiss den Traum mit Rap Geld zu verdienen, überleg dir lieber einen Fluchtweg, um dich schnell zu verziehen». Einfach, aber funktioniert.

Im weiteren Verlauf des Albums geht es mehrheitlich in derselben Gangart weiter, es folgen einige Featureparts und Solotracks der etwas schwächeren Art wie «Nehmen euch nicht ernst», «Mutprobe» oder «Finishmove» sowie erste Storyteller wie v.a. «MIKE», die zeigen, was Dilemma bereits lyrisch drauf hat und wo es hingehen wird. Gerade bei letzterem Track hört man gut den Classic Dilemma-Flow Ende der 2000er raus.

Da das Ganze bereits jetzt schon in Ordnung ist, dürfen natürlich die Highlights nicht fehlen:

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Wie Dilemma hier flowmässig in seine Parts reinkommt, ist völlig jenseits und verbrennt seine NOK-Homies direkt, obwohl die nicht mal schlecht rappen. „Nichts hat sich geändert, nur die Wackness ist heute professioneller“, um mit einer Line noch den Bogen zum eingangs erwähnten Argument zu schlagen.

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Und wenn du solche Tracks wie diesen oder „MIKE“ auf dein Debüt packen kannst, ist das schon qualitativ sehr erhaben. „Ich schlafe mit offenen Augen, weil ich niemandem traue/ und denke ans Ende aller Dinge, wenn ich Beats baue“, rappt und flowt Dilemma hier vergleichsweise entspannt auf den ziemlich dopen Beat.

Fazit:

Auch als Debüt eines Rappers ist das eine sehr runde, qualititav gute bis hochstehende Veranstaltung. Klar finden hier noch keine irrsten Reimketten oder Samples statt, erste lyrische Geniestreiche sind aber ebenso schon zu erkennen wie seine mehrbödigen Trademark-Punchlines. Ebenso finde ich es persönlich cool, dass es rotziger, sauaggressiver Battlerap in seiner reinsten Form ist, auch wenn nicht jede Silbe perfekt sitzt und jede Line puncht.
Und vor dem eingangs erwähnten Background ist das meiner Meinung nach ein beeindruckendes erstes Release eines 21, 22jährigen Rappers, der es auch noch fast vollständig selbst produziert. Eigentlich würde ich gerne höher raten und einem länderweiten Vergleich würde das Album auf jeden Fall vielen Teilen der Konkurrenz problemlos standhalten, im Gesamtwerk eines überragenden MCs wie Dilemma und v.a. angesichts der Releases, die noch folgen, erscheint mir eine 7 von 10 dennoch gerechtfertigt.

7 / 10
 
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Index Finest

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Snuffproduction, 2006

Da hab ich mir kaum einen Gefallen getan: eigentlich dachte ich, doch einiges an Kritikpunkten am Frühwerk von Dilemma zu finden und hatte gerade den Zweitling als vergleichsweise durchschnittlich in Erinnerung. Nach zwei Tagen Disko pumpen seh ich das dezidiert anders.

Als Erstes fällt mir das irre Cover ins Auge, nicht das der Vinyl-Edition, sondern der CD aus 2006: Dilemma grüsst als über die breite Masse erhobener Anführer in maoistischer Kluft und dem Mic in der Hand auf einem überlebensgrossen Gemälde – wenn das Ganze dann noch mit Index Finest betitelt ist, schlägt die Sickness-Anzeige bereits vor dem ersten angespielten Takt gegen oben aus.

Los geht die Platte mit einem schönen Filmschnipsel, ich mag das einfach (aus Gangster No. 1?). Vor allem wenn Morlockk Dilemma als Artist draufsteht, passt das garantiert zu den nachfolgenden Rants und die Vorfreude auf hasserfüllte Raps steigt. Danach folgt das Rap-Intro mit einem sehr stabilen Beat, schön geflipptes Sample und einem Dilemma, dessen raptechnische Fortschritte im Vergleich zu Egoshooter schon nach einer Line klar werden: Stimme ausgeprägter, etwas entspannterer, aber stilsicherer Flow und perfekt auf den Beat geschriebene, nicht mehr ganz mit Silben zugepackte Lyrics. Das dämliche Geschrei von Staiger blende ich direkt mal aus (keine Ahnung, wo die Verbindung ist und ich habe auch unternull Motivation, das rauszufinden).
Weiter geht es mit dem einzigen Gastbeat der Platte von niemand Geringerem als Roey Marquis und leckmichamarsch, was für ein krankes Brett. Dilemma rollt drüber wie gar nichts Gutes, „sie nicken so stark mit dem Kopf, dass sie mit dem Rollstuhl nach Hause fahren“. Oh ja. Mit „Fernsehjunk“ folgt direkt irrstes Storytelling, wie und weshalb Dilemma total TV-abhängig ist. Kann ich gar nicht viel dazu sagen, dass muss man gehört haben – wenn dann die Chöre am Ende einsetzen, ist alles aus:

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Weiter geht es mit „Du denkst du hast mich durchschaut“ mit einem in allen Bereichen höchstklassigen Representer, bis hierhin würde ich minus Staiger direkt die Höchstwertung zücken.

Bei „Moneten“ nimmt die Qualität dann etwas ab, guter Track, aber die Lyrics sind mir etwas zu sehr im Konzept gefangen – nichtsdestotrotz immer noch dope. „Fuck You“ spielt sogar noch etwas darunter, der Beat atmet schon gut Demotape-Atmo und die Hook, naja. „Nachbar“ glänzt mit einem wutangesken Beat (hat das Sample nicht RZA mal irgendwo um 1997 geflippt?) und einem komplett irren Storytelling, v.a. das Ende lol.
Auf „Open Your Eyes“ treten mit Desert D und V.Mann die ersten Featuregäste auf den Hörer ein, auf einem brutalen Brett – natürlich von Dilemma selbst. An dieser Stelle sei auch sein Beatgame explizit erwähnt, was für ein Talent dieser Morlockk auch hier ist, unfassbar. Ich hatte den Track als Filler in Erinnerung, auch hier Genickbrecher-Gütesiegel. „Blackout“ nächster kränkster Storyteller, der bemitleidenswerte Dilemma steht nur auf und schon liegt ein völlig Fremder tot in seiner Wanne. Unbedingt anhören. Das Choleriker-Feature ist nichts für mich, cooler Track, aber fällt schon etwas ab, auch wenn der Beat sehr dope ist.
Tatsächlich kann das Album das unglaublich hohe Niveau des ersten Viertels wieder aufgreifen und leitet mit einem sehr nicen Interlude „Hass“ ein, was für mich persönlich Dilemma als besten Rapper Deutschlands auszeichnet: wie er Hass in Lyrics beschreiben kann auf der perfekten, hasserfüllten Beatunterlage - geht für mich nicht besser. Da musst du mir den Wuppertaler ranholen, sonst kommt da keiner auf so ein Level. Dass Morlockko hier noch allen Ernstes Radiohead flippt… 11/10. Mit „Nein“ geht es weiter, ohne zu übertreiben einer meiner Lieblingstracks von Dilemma, in allen Belangen knüppelhartes Brett auf irrst geflipptem Sample. Spiel das an einem Hipster-Workshop für Räpinteressierte und die flüchten nach einem halben Part. Danach rappt keiner mehr. Mit „Messias“ kommt der Track zum eingangs beschriebenen Cover, ebenfalls akustisch ruff AF und mit „Willkommen im Club“ gibt es gleich noch die Anleitung zum Massensuizid in der hauseigenen Sekte. Ich packs nicht, wie krank ist der Text. Die letzten 4 Tracks sind nochmals drei gute Battletracks und ein doper Storyteller als Endpunkt, den Rahmen habe ich eh schon gesprengt.



Fazit:

Ob Fanboy oder nicht, wer sich mit ruffem Undergroundrap anfreunden kann und diese Platte noch nicht zu Tode gehört hat, wird sie lieben: zwei Schritte nach vorn im Soundbild im Vergleich zu Egoshooter mit massiv gesteigertem Beatgame seitens Morlockko Plus, in den Lyrics findet sich ab und an noch etwas Zweckreimerei und Flows sitzen noch nicht in jedem Track perfekt, aber viel fehlt nicht mehr. Und was für abgefuckte Storys und Thematiken aufgetischt werden, lässt jedes von Zynismus zerfressene Herz höher schlagen.

Ich bin nach dem erstmaligen Durchhören seit Jahren selbst überrascht, wie hochwertig dieses Album jetzt schon ist: zwei, drei schwächere (Feature-)Tracks streichen und das wäre direkt ein 5 Mics-Classic. Bei fast jedem anderen Deutschrap-Artist wäre dies das "erste" und einzig brauchbare Release, von dem dann 10-15 Jahre gezehrt, dutzendfach "wieder wie früher" gerappt und trotzdem nur abgeklatschter Rotz abgeliefert wird - Dilemma wird sich sogar noch steigern können.

Unbedingt anhören: Sag Ciao, Nein, Hass, Fernsehjunk
Anhören: Intro, Blackout, Open Your Eyes, Messias, Party’s Over

9 / 10
 
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Du hast in der Übersicht "Der eiserne Besen II (2015)" vergessen!

Ansonsten freue ich mich auf die weiteren Rezensionen :)
 
Hang zur Dramatik mit V.Mann

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Snuffproduction, CD, 2007 / Spoken View-Reissue, CD, 2009

Nach dem Cover von Index Finest glänzt auch die Front vom ersten gemeinsamen Projekt von Dilemma und Hiob aka damals noch V.Mann, hier mit einem Versuch, einen Geldautomaten auszunehmen (wenn ich mir das näher überlege, macht Dilemmas Handlung keinen Sinn – sieht aber eimfach gut aus).

Im Zuge der Recherchen zu diesem Album versuchte ich dem ersten gemeinsamen Track auf die Schliche zu kommen, ist es «Nett» von Fragmente?

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Wie auch immer, «Hang zur Dramatik» tut gut daran, das kongeniale Duo direkt zum Start mit jeweils einem eigenständigen, sehr charakteristischen Intro zu präsentieren: Dilemma flowt auf einen straighten Boombap-Beat äusserst smoove seine stabilen Representer-Bars auf die Eins, während Hiob mit seinem ebenfalls unverwechselbaren Flow ein ebenso unverwechselbares Hieronymuz-Instrumental beehrt. Wer hier sich immer noch «über die Stimmen» mokiert und «die klingen doch gleich» meint, soll sich in seine Haiyti-Threads verziehen und da zeitgenössische Kunst feiern. Und auf was für 1 Niveau beide unabhängig voneinander produzieren können, sucht in einer Zweimann-Crew genauso seinesgleichen wie die teils unfassbar dopen gemeinschaftlich produzierten Beats – die ich aber subjektiv eher auf den zwei nachfolgenden Alben ausmache als hier auf «Hang zur Dramatik», bei dem ich Hieronymuz in Sachen Soundbild als etwas prägender einstufen würde. Bzw., im Gegensatz zu den beiden späteren Alben kann man die Beats noch deutlicher dem ausführenden Producer zu ordnen.

Anstatt auf jeden Track nun einzeln einzugehen und den Rahmen wieder unlesbar zu sprengen, wage ich einen Schnelldurchlauf durch Höhen und Tiefen: unverwechselbare Samples und Loops attestieren dem Album Klassikerpotenzial auf Tracks wie «WK8 / LSD», «Evolution», «Macheten» oder dem Hidden Track, ebenso die straight nach vorne gehenden Banger wie «Russisch Roulette», «Kaleidoskop» oder «Dirty» genauso wie die wunderbaren Instrumental-Interludes. Gerappt wird natürlich auch: für mich etwas nervige Konzepttracks wie «Kids» oder «Groupielove» ziehen mir das Album leicht runter, liegt sicher auch an den m.M.n. unpassenden Features (Damion Davis GTFOH).
Was das Duo zum besten des Landes macht, sind die beiden komplett unterschiedlichen, aber auf ihre jeweilige Art ebenso brutal dope MC-Personality: Dilemma als Battlerapper, V.Mann als Geschichtenerzähler, beide mit Strassenhintergrund und gesegnet mit 1A-Lyricism, der Ersterem auf seine Art in Flow und Delivery in gar nichts nachsteht und gemeinsam schaffen sie es auch, die krassesten Songkonzepte durchzuziehen, ohne dass der eine dem anderen etwas nimmt, geschweige denn vermag in den Schatten zu stellen– sie ergänzen sich einfach perfekt, ohne etwas von ihrem jeweiligen Stil abgeben zu müssen. Alleine Killerhooks von V.Mann in allerfeinstem 90er-Zwirn wie auf «Dirty» oder die gemeinsam gerappten Hooks auf «Kaleidoskop» oder «Die Flasche» atmen mehr rotzige Strassenatmosphäre als ein Group Home-Album.

Fazit:

Viel fehlt dem Album nicht, es lässt sich wunderbar am Stück durchhören – fällt aber mit «Kids» und «Groupielove» dann schon etwas, was man dem musikalischen Niveau der beiden Protagonisten durchaus ankreiden darf. Auch wirkt das Album eher wie eine Compilation gemeinsamer Tracks, was die natürlich nicht wirklich runterzieht – ich brauche auch nicht zwingend ein Konzeptalbum, aber m.M.n. darf man zwei MCs dieser Grössenordnung durchaus etwas den fehlenden Faden nachsagen, E: was an dieser Stelle Index Finest trotz ähnlicher Vorzeichen in Soundbild und Verteilung des Inhalts einen Tick mehr aufweisen kann. Nichtsdestotrotz: musikalisch bewegt sich die Veranstaltung auf hohem bis sehr hohem Niveau. Näher an der Neun als an der Acht, aber auch hier steht die Fortsetzung der Disko diesem Release etwas im Weg.

8 / 10
 
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Omnipotenz in D-Moll

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Snuffproduction, CD, 29.02.2008

Zum Start möchte ich auf ein weiteres äusserliches Merkmal von allen bis zu diesem Punkt besprochenen Morlockk Dilemma-Releases erwähnen: abgesehen von einem auch hier erstklassigen Cover von Lettering bis zu Character glänzt auch der Drittling mit einem markigen wie wohlüberlegt erscheinenden Namen, der der Konkurrenz die eigene Chancenlosigkeit bereits vor dem ersten gespielten Takt vorhält.

Los geht’s auch hier mit einem schönen Filmschnipsel mit anschliessendem bedrohlich einsetzenden Sample und darauffolgendem Brett von Beat plus Vocalcuts von D-Fekt – ich liebe es. Damit nicht genug, droppt Dilemma mit zwei Beatswitches noch knüppelharte Battleparts, die im Vergleich zu Index Finest direkt das nochmals gesteigerte Punchline-Game erkennen lassen („Dieses Album (…) ist wie einen Backspin-Redakteur mit einer Juice zu erschlagen.“).

Mit „Bootlegdeath“ lacet Dilemma als Opener direkt den ersten seiner Trademark-Storyteller, düsteres Thema in dichte Atmosphäre verpackt auf einem Brett von V.Raeter. Bis hierhin schon mal 10/10. Leider geht es mit einem ekligen Mike Fiction-Feature weiter, das ich mir trotz gutem Beat und Lyrics von Dilemma nur schwerlich geben kann. „11.09.“ brauch ich keinem zu erklären, absoluter Morlockk-Classic, happy birthday Dilemma. Beissender Zynismus, raptechnisch und lyrisch absolutes Endgame, auf einem selbst produzierten Brett – wer kann das besser. Dasselbe gilt für „Wunderschöner Tag“, wie ich feiere. Was für ein kranker Bastard, man hört die diabolische Freude beim Einrappen mancher Lines direkt raus, herrlich. Nochmals doper Beat von V.Raeter und Gelaber von Falk lol.

Bring den Beat zurück, den Beat zurück, so kann die Geschichte nicht enden Alter (da fehlen noch ein paar Tracks): „AK47“ glänzt mit was für einem Beat. Was Dilemma mittlerweile auch abseits der düsteren Boombap-Schiene raushauen kann, klingt fast, als hätte er gut bei Hieronymuz zugehört und schön was Eigenes draus gemacht. Die Lyrics sind natürlich gut geschrieben, aber hat man vom Prinzip her schon zu oft gehört. „Acht auf dein Mund“ ein ganz böses Brett von Dilemma mit doper Hook und Part von selbigen, Featureparts gehen zwar klar, aber von einem Goretex natürlich schon Besseres gehört und LUNs hektischer Flow will irgendwie nicht so passen – ganz im Gegensatz zu „Ruff Rugged n Raw 2“ mit dopen Parts aus Leipzig von Choleriker und Desert D. Das Damion Davis-Feature zwischen diesen beiden Tracks… Nein. Wenn den jemand gut findet, schön – das ist doch einfach gar nichts und fällt neben einem MC-Schwerstgewicht wie Dilemma noch mehr auf.

„Feuer“ doper Storyteller, „Der Zorn“ startet mit sehr geilem Intro mit einem in eine Radioshow mit Thema „Töten“ via Telefon einrappenden Dilemma und geht weiter auf Dexterbeats mit Hiobs unfassbar dopem Flow, zu gut wie er seine Sprache verpacken kann. Die darauffolgenden „Evolution“ und „Unterwegs“ fast so dope Solo-Tracks, gerade diese zwei Beats zeigen sehr gut Dilemmas gesteigerte Stylevielfalt als Producer. Der Skit:

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Weiss jemand, wer da singt? Nach 30-40 Minuten habe ich die Suche im Keller in den unzähligen Kartons voll mit CDs aufgegeben und den Re-Release auf Platte besitze ich auch nicht, um in einem Booklet nachschauen zu können.
„Assiklatsche“: 2014 hat Dilemma in Aarau das als Zugabe gebracht (mit Hiob, danach folgten Celph Titled und Apathy), dass ich nach einer anschliessenden nächtlichen Schlägerei 1 Woche im Spital zubringen musste, werte ich an dieser Stelle nicht als Karma. Trotzdem: hach. Beat klassisches Boombap-Brett von Dilemma, wunderbar beschriebenes Szenario mit Cops und Wasserleichen und einem Twist in der Geschichte, wie ich ihn noch selten (noch nie?) bei einem Storyteller gehört habe. Die darauffolgende Änderung ist eine einzige ausformulierte Gewaltfantasie. Absoluter Oberclassic von Dilemma, habe ich schon unzählige Male reingezogen und werde ich auch in Zukunft tun.
„Wittenleipzig“ ist ganz nett, finde aber, dass Lakmann und Dilemma akustisch überhaupt nicht zusammenpassen. Ficktracks wie „Gentleman“, naja, wer’s braucht, mir sagt das nichts, hätte den Track vielleicht zu Ende hören sollen. „Nur Worte“ auf einem saudopen Dexter-Beat zeigt nochmals abschliessend die lyrische Klasse des Meisters, nochmals 6-Kronen-Track. Das Outro und der „Nachtrag“ weisen dann schön in die Besen-Richtung.

Fazit:


Wie schon viele Male zuvor hinterlässt die „Omnipotenz in D-Moll“ mir nach dem Durchhören am Stück einen etwas zwiespältigen Eindruck: auf allen lyrischen, moralischen, musikalischen Ebenen unfassbar gute (Solo-)Tracks auf wie „11.09.“, „Wunderschöner Tag“, „Der Zorn“, „Nur Worte“, „Assiklatsche“ und meinetwegen auch das Intro, „AK47“, „Evolution“ und „Feuer“ stehen dann Featureparts von Homies gegenüber, die nicht mal ansatzweise auf irgendeiner dieser Ebene auch nur im Entferntesten mithalten können. Bis auf „Ruff Rugged n Raw“ und natürlich Hiob kannst du die streichen und du bist wieder kurz vor der Zehn von Zehn. Etwas lahm, schon wieder die 8 auszupacken - manche Tracks ziehen das Gesamtbild aber meiner Meinung nach leider zu krass runter und näher zur 7 als zur 9.

8 / 10
 
Hoffe es geht bald weiter. Musst Du Dich noch davon erholen dass es in Zukunft keine gemeinsamen Projekte von Hiob und Morlockk mehr geben wird?
 
Woher kommt die Info denn.
Letzte Fragerunde von Morlockk auf Insta. Da meinte er sinngemäß es werden keine gemeinsamen Projekte kommen weil man sich (künstlerisch?) auseinandergelebt hat & auch nichts mehr von Hiob auf seinem Label veröffentlicht wird.
 
Uff, okay. Das wäre mehr als Schade. Erklärt aber vllt auch warum diese Hiob 7inch Serie bisher nur digital kam und auf nur 1 Volume bisher kam.
 
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