Die 8 Phasen der Klausurvorbereitung
1. Die Diesmal-beginne-ich-rechtzeitig-Phase
Am Anfang der Planung sind die Studenten ziemlich optimistisch. Immerhin besteht die
Aussicht, dass Mensch wenigstens dieses Mal auf sinnvolle und systematische Weise
arbeitet. Obwohl er um keinen Preis der Welt bereit ist, gleich an die Arbeit zu
gehen, rechnet der Student in dieser Phase fest damit, dass der Arbeitswahn
irgendwann spontan über ihn kommt. Bald.
2. Die Ich-Werde-Gleich-Was-Tun-Phase
Der Zeitpunkt für einen wirklich frühzeitigen Beginn ist nun verstrichen. Die
Illusion, diesmal ein perfektes Timing hinzukriegen schwindet. Parallel dazu wird
der Druck, anzufangen intensiver. Aber die Deadline ist noch nicht in Sicht. Gleich
geht's los.
3. Die Was-soll-ich-nur-tun-wenn-ich-jetzt-nichts-tue-Phase
Während die Zeit ungenutzt dahinzieht, hat sich die Frage eines rechtzeitigen
Beginns endgültig erledigt. Diese Hoffnung ist dahin - dafür kommen Visionen. Der
Student malt sich aus, wie es wäre, wenn die Prüfung über Nacht abgeblasen oder -
noch besser - verschoben würde, ohne dass irgendwer gemerkt hätte, dass er schon
wieder nicht in die Hufe gekommen ist. Er beruhigt sich mit der Vorstellung, in
mörderischen
Nachtschichten alles bisher Versäumte nachzuholen - demnächst! Er entwickelt eine
komplizierte Ausreden-Logistik. Trotzdem: Noch könnte er die Vorbereitung
termingerecht abschließen.
4. Die Ich-tue-jetzt-was-anderes-Phase
Fast alle Studenten beginnen in diesem Stadium mit hektischen Aktivitäten, die
alles Mögliche betreffen, nur nicht die Vorbereitung. Sie setzen alle ihre
angesammelten Kräfte daran, den Schreibtisch endlich vollständig zu säubern. Sie
nehmen sich längst abgelegter Arbeiten an. Sie füllen ihre Zeit mit Dingen, die
ihnen wirklich unangenehm sind - bloß, um die Prüfungsvorbereitungen zu
verdrängen.
5. Die Ich-hab'-auch-ein-Recht-auf-Freizeit-Phase
Der Emotionshaushalt des Studenten ist nun äußerst fragil. Einerseits ist es ihm
gelungen, sich selbst zu belügen. Andererseits wachsen die Schwierigkeiten
bezüglich der Zusammenfassung mit jeder Stunde. In dieser Phase neigt der Student
zu tollkühnem Eskapismus: Angesichts all der Anforderungen, die an ihn gestellt
werden, manifestiert sich nun das Gefühl, mindestens einmal ein Recht auf Freizeit
und Vergnügen zu haben. Die Prüfung, redet er sich ein, ist bloß ein Klacks, wenn
er sich vorher erstmals was gönnen kann. Jetzt fahren die Studenten erst mal nach
Hause, gehen ins Kino oder betrinken sich vorsätzlich.
6. Die Es-Ist-Immer-noch-Etwas-Zeit-Phase
Obwohl er sich nach diesen Vergnügungen schuldig fühlt, und obwohl ihm der Boden
jetzt jeden Moment unter den Füssen wegzubrechen droht, setzt der Student immer
noch auf Zeit. Er ist allerdings sicher, dass er demnächst in einen geradezu
tierischen Arbeitsrausch verfallen wird. Jetzt konzentriert er sich darauf,
Zwischenergebnisse vorzutäuschen. "Ja, ja, ich bin mittendrin..." ist in dieser
Phase sein Standardsatz. Nebenfronten werden eröffnet. "Ich bin gerade auf einen
interessanten Aspekt gestoßen...", versucht er den Mitstudenten weiszumachen.
7. Die Mit-mir-stimmt-etwas-nicht-Phase
Gleichzeitig plumpst er jetzt in tiefe Depressionen. Die Prüfungstermine sind zum
Greifen nahe - aber unser Student hat so gut wie nichts in der Hand. Selbstvorwürfe
und Selbstzweifel holen ihn ein. Er ist überzeugt, dass ihm einfach fehlt, was alle
anderen aufweisen können: Disziplin, Mut, Grips!
8. Der Showdown - Die panische Phase
An diesem Punkt muss der Student seine Entscheidung treffen: Das sinkende Schiff
verlassen oder bis zum Ende durchhalten. Der Druck ist so groß, dass er es nicht
mehr aushält, auch nur eine einzige weitere Sekunde auf Kosten der Vorbereitung zu
verlieren. Sämtliche Fremdeinflüsse werden ausgeschaltet. Der Student wäscht sich
nicht mehr, verweigert die Nahrungsaufnahme, meidet die Wirtschaften und
unterdrückt den Pinkelzwang. Ohne Wenn und Aber wirft er sich jetzt in die
Schlacht. Energiehormone werden in Extradosierungen ausgeschüttet. Die Arbeit geht
voran. Die Gewissheit, die Prüfung doch noch durchstehen zu können ist da. Die
Arbeit ist schwierig und schmerzhaft - dennoch gerät der Student nun in die
euphorische Phase. Es ist genau dieser Rausch, den er eigentlich sucht. Das Gefühl,
es gerade noch einmal zu schaffen. Dazu das Bewusstsein, in Besitz von
Riesenkräften zu sein: Seht, das Ergebnis ist gar nicht so schlecht! Erst recht,
wenn man bedenkt, dass keine Zeit
mehr war. Ein anderer hätte das in der vorgegebenen Zeit auch nicht besser
hingekriegt.