Hier kommt er: der ersehnte 7. Teil:
Es sollte also nach unserem sechstägigen Aufenthalt in Santa Marta weiter gehen an der kolumbianischen Nordküste in Richtung Cartagena. Die Ösis und die Schweizer waren schon zwei Tage zuvor dorthin gefahren und wir beabsichtigten, sie dort wiederzutreffen.
Wir bestiegen also wieder einmal so einen verhältnismäßig komfortablen Überlandbus und freuten uns schon auf die sagenhafte alte Piratenstadt Cartagena, die auch zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt.
Im Bus lungerten dann auch wieder die skurrilsten Typen herum und einer von ihnen war Die Granate. Es handelte sich hierbei um Uwe aus W bei G an der E in der Nähe von J. So begrüßte er uns und grinste uns aus einem sonnenverbrannten Schädel auf einem dicken Hals an, der in einem Muskelshirt bedeckten Bierbauch mündete. Wir dachten nicht viel, denn die größten Spinner, die man unterwegs treffen konnte, waren entweder Dealer oder Deutsche. Dieses Musterexemplar eines hängengebliebenen Ossis war dann auch äußerst redselig und verwöhnte uns mit diversen Stories aus seinen Reiseerfahrungen. Anfangs war es ja noch ganz amüsant, dieser durchgeknallten Labertasche mit diesem obskuren Akzent zuzuhören. Vorurteilsgewöhnte Wessis sehen sich halt ab und an gerne wieder in eben jenen Vorurteilen bestätigt. Nach einer schier endlosen Sachsenlitanei sagte keiner mehr was von uns und Uwe versprach, uns die beste Posada in ganz Cartagena zu zeigen, wo eh die meisten Traveller absteigen würden und außerdem war er der absolute Experte. Damit erklärten wir uns dann auch einverstanden und akzeptierten dadurch auch die Tatsache, dass wir Uwe wohl nicht so schnell wieder loswerden würden.
Die Fahrt verlief gut und es gab nur eine militärische Durchsuchung in Barranquilla.
In Cartagena gab es zwar einen Busbahnhof, aber wir ließen uns dank Uwes Ortskenntnis direkt im Stadtzentrum raussetzen und er leitete uns zielsicher durch das Gewirr von kleinen Gassen, belebten Märkten und stimmungsvollen Bodegas.
Cartagena war einfach eine absolut geniale Stadt. Natürlich äußerst touristisch dank einer zum größten Teil erhaltenen Stadtmauer, den vielen kolonialen Fassaden und alten Gebäuden, aber diese Stadt versprühte sogleich einen fesselnden Charme, so dass wir recht gut gelaunt unsere Rucksäcke durch die Straßen schleppten.
Schließlich erreichten wir die von Uwe gesuchte Posada und die Dealerdichte stieg auch proportional zu der Anzahl der Posadas und Absteigen in der Gegend an. Man kann eigentlich ohne zu übertreiben sagen, dass jeder fünfte, der hier unterwegs war, einem irgendwas verkaufen wollte. Man wurde alle zehn Meter angeschnackt nach den üblichen Ritualen:“ Hey, amigo, hello my friend, quieres fumar? Marijuana? Do you want Cocain? No drugs, oh I have sunglasses, mira, aqui: lentes! Oh, tienes aun lentes?No importa, venga, aqui ahora tienes autros, solo 5$!“ Und so weiter! Ein besonders hartnäckiger Vertreter war „Polaman“, so nannte er sich jedenfalls.
Ein Rastafari, der einen recht rauen Umgangston pflegte und uns fortan jedes Mal, wenn wir die Posada verließen, auflauern sollte und uns mit seinen mitnichten interessanten Angeboten auf den Keks ging. Man, hat dieser Polaman genervt, unglaublich! Erst erzählte er dir von seiner Frau und den sechs Kindern, die zu Hause Hunger leiden und im nächsten Moment grub er schon die erstbeste Straßenchica an und zeigte ihr seinen Pimmel.
Jedenfalls war die Posada eine richtig gute Sache. Es gab glücklicherweise nur Einzel und Zweierzimmer, so dass sich Uwe nicht auch noch bei uns ins Zimmer quetschen konnte, sondern eine Einzelbutze bezog. Begeistert davon, die quasselnde Sachsensäge fürs erste loszusein, erkundeten wir die Posada und trafen in der Küche dann auch gleich Gernot und Hannes und Markus und Roger an, die es zufälligerweise ebenfalls nach dort verschlagen hatte.
Zu sechst (ohne Uwe, der zwar mit wollte, den wir aber auf später vertrösteten), gingen wir dann abends noch in die Stadt und kauften uns paar Aguila und setzten uns auf die Stadtmauer, um den fulminanten Sonnenuntergang zu erleben und diese unglaubliche Atmosphäre der Stadt auf uns wirken zu lassen.
Die anderen erzählten uns dann von einer witzigen Attraktion, die 50 km außerhalb der Stadt zu finden sei, nämlich ein mit Schlamm gefüllter Minivulkan, den man besteigen und vor allem in den man auch einsteigen konnte.
Wir vereinbarten also, den kommenden Tag dorthin zu fahren.
Den richtigen Bus dafür zu finden, endete selbstverständlich wieder in einer absoluten Odyssee. Treffpunkt für diesen Bus sollte ein Großmarkt am nördlichen Rand der Stadt sein, zu dem wir erst einmal mit dem Taxi hinfahren mussten, natürlich getrennt, weil wir ja zu sechst waren. Nun war es aber so, dass unser Taxi, in dem wir zwei und Gernot und Hannes saßen, nicht so wollte, wie der Fahrer in dem Taxi vor uns. Er blieb nämlich auf einmal stehen und setzte uns mitten im Markt ab und versicherte uns, dass das hier total richtig sei und ging auch gar nicht auf unsere Hinweise ein, dass die anderen ja trotzdem weiter gefahren seien, sondern schnappte sich die Kohle und verschwand, natürlich hupend, in der Menge. Großartig, wie sollten wir denn nun die anderen zwei wiederfinden und war das hier überhaupt richtig? Nach kurzem Nachfragen an einem Stand für freshe Lederwaren, wussten wir dann auch schnell, dass das hier natürlich nicht richtig war und dass wir zum Rande des Marktes zu gehen hatten, um dort den richtigen Bus zu erwischen. Typisch eigentlich und deshalb machten wir uns auch gleich auf den Weg. Nach mehrmaligem Zwischenfragen erreichten wir dann ein Bushäuschen, wo auch Markus und Roger schon feixend warteten.
Dann ging es aber auch endlich los und die Fahrt durch Sümpfe und weite Steppen entschädigte auf jeden Fall für die Inkompetenz des Taxifahrers.
Vom Haltepunkt des Busses war es noch ein ordentlicher Fußmarsch, der uns auch durch ein kleines Dorf aus Wellblechhütten führte, welches sich in einem ziemlich erbärmlichen Zustand präsentierte. Verblüffenderweise war keine Menschenseele zu sehen und wir bestiegen gleich darauf eine Anhöhe, hinter der sich unser Vulkan „majestätisch“ gen Himmel erstreckte. Genauer gesagt war es wirklich ein Minivulkan, der höchstens 20 Meter hoch war und den man über eine steile Holztreppe besteigen konnte.
Es gab eine kleine Bodega, wo wir als Erfrischung erst mal ein obligatorisches Aguila runterstürzten und eine kleine Kasse, an der man paar Pesos berappen musste, um den Aufstieg in Angriff nehmen zu können. Wir waren die einzigen Gäste, was uns auch sehr zu pass kam.
Oben hatte man eine beeindruckende Aussicht auf das Ufer des Cauca und die ausgedehnten Sumpflandschaften. Jetzt ging es aber darum, den Vulkan von innen zu erkunden. Dazu legten wir die Klamotten ab und bestiegen in Badeshorts das schlammige Becken, welches den Krater des Vulkans darstellte. Das war so ziemlich eines der abgefahrensten Gefühle, die man haben kann. Man stieg da ein und hatte keinen Boden unter den Füßen, ging aber auch nicht unter, sondern steckte bis zum Hals im Schlamm. Bewegen konnte man sich auch ganz schlecht. Man konnte nur von anderen gezogen werden oder sich selbst am Rand entlang tasten. Selber untertauchen ging auch nicht und so drückten wir uns gegenseitig unter den Schlamm, damit wir auch alle schön aussahen wie die letzten Schlammonster. Das war ein ziemlich krasser Anblick, man konnte letztlich die verschiedenen Personen nur noch an ihren Frisuren erkennen, aber nicht mehr am Gesicht, weil nur noch die Augen hervorblitzten.
Die Betreuer des Vulkans boten uns nun für einen kleinen Aufpreis Schlammmassagen an und wir nickten natürlich unter Erwartung heißer Massagechicas begeistert im Takt. Aber zu unserem Leidwesen war von den ersehnten Massiermodels nichts zu sehen und die Massagegays (wie wir sie danach ungerechterweise nannten) legten selbst Hand an. Auch nicht so schlecht das ganze und nachdem noch diverse Scherzfotos von uns Schlammfressen gemacht wurden, durften wir wieder aussteigen und kraxelten die andere Seite des Vulkans in Richtung Flussufer wieder herunter.
Und da ereignete sich dann auch der ein oder andere Sturz, weil wir uns vor Lachen auf den glitschigen Stufen nicht mehr halten konnten. Einen bekloppteren Anblick kann man sich gar nicht vorstellen. Sechs Gestalten, von oben bis unten schlammbesudelt, die wackelig versuchen, diese sausteile Treppe herunterzustaksen.
Es ging einfach nicht mehr, es war der Hammer! Wie beknackt man aussehen kann, unglaublich!
Dann wackelten wir zum Flussufer, wo dann doch eine Delegation von Kolumbianerinnern wartete, um uns beim Abwaschen des Schlamms behilflich zu sein. Dieses begrüßten wir natürlich freudestrahlend und jeder bekam seine eigene holde Maid zugeteilt. Der einzige, der weinte, war Thorsten, dem ein recht betagtes Mütterchen zur Hand ging!
Ich hingegen genoss die nette Behandlung und plätscherte danach noch ausgelassen im seichten Wasser herum, nahm davon dann aber, nachdem ich darauf hingewiesen wurde, dass es hier auch zahlreiche Blutegel gäbe, sofortigen Abstand. Ich musste mir dann aber doch noch paar von diesen ekligen Schleimviechern von den Beinen abpulen.
Nachdem wir das fällige Trinkgeld verteilt hatten, tranken wir noch paar Aguilas und machten uns auf den Rückweg, immer noch schmunzelnd über die Ereignisse des Tages und vor allem Thorsten wegen seiner Pillermannreinigungsoma aufziehend.
Als wir dann abends in unserer Posada eintrafen, wartete schon ein völlig aufgelöster Uwe auf uns, der uns unbedingt sprechen musste! Wir dachten nur:“Alter Uwe, kommt beruhig dich , setz dich hin und nimm dir nen Keks!“
Aber er hatte anscheinend was ziemlich Schlimmes auf dem Herzen, was auch keinen Aufschub duldete und so setzten wir uns hin.
Weiter mit dem verrückten Uwe aus W bei G an der E im 8. Teil!