interview mit antonia rados:
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Drohen uns auch Gewalt-Proteste?
RTL-Reporterin Antonia Rados:
„Der Westen muß cool bleiben“
Von HELMUT BÖGER
Die RTL-Reporterin und Islam-Kennerin Antonia Rados beantwortet die wichtigsten Fragen zum Streit um die Mohammed-Karikaturen und das Iran-Atomprogramm.
Warum demonstrieren so viele Moslems auf der ganzen Welt gegen den Westen?
Sie gehören zu radikalen Minderheiten, doch die Regimes lassen sie gewähren, damit sie Dampf ablassen können.
Geht es bei den Protestaktionen der Moslems tatsächlich nur um die Karikaturen, oder steckt dahinter Haß auf die Werte der westlichen Welt wie die Pressefreiheit?
Diese Proteste wurden von Fundamentalisten organisiert. Für sie ist der Islam keine Religion, sondern eine politische Ideologie. Alle westlichen Werte wie die Gleichstellung der Frau, Trennung von Staat und Religion, Freiheit der Presse sind denen zutiefst verhaßt. Wie weit die Fundamentalisten ihre Länder radikalisieren können, das ist noch nicht entschieden. Bisher ist die große Mehrheit der Menschen in allen arabischen Ländern uns gegenüber durchaus freundlich und friedlich gesonnen.
Die Karikaturen wurden in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ schon im September veröffentlicht. Warum kommt es erst jetzt zu Ausschreitungen?
Dänische Imame haben diese Karikaturen in Saudi-Arabien und im Libanon herumgezeigt. Radikale Gruppen haben dann die Hadsch, die alljährliche Wallfahrt nach Mekka, für ihre Propaganda zielgerichtet ausgenutzt. Doch der wahre Grund der Ausschreitungen ist nicht der Streit zwischen der islamischen und der westlichen Welt, sondern der zwischen gemäßigten und radikalen Moslems.
Wie groß ist die Gefahr für Deutsche, die in islamischen Ländern arbeiten?
Die meisten Moslems sind trotz der aufgehetzten Situation freundlich, offen und aufgeschlossen. Ich selbst bin niemals angegriffen worden. Wir sollten keinesfalls hysterisch reagieren.
Kann man in islamischen Ländern wie Indonesien, Tunesien oder Marokko noch sicher Urlaub machen als Europäer?
Die Anschläge in Bali und Tunesien gegen Touristen beweisen, daß man nirgendwo mehr sicher sein kann vor fanatischen Terroristen. Wir müssen uns daran gewöhnen, daß jeder einzelne, egal wo er ist, mehr gefährdet ist, als wir alle es während des kalten Kriegs waren.
Drohen auch in Deutschland Gewaltproteste?
Man sollte sich keinen Illusionen hingeben, daß Länder wie Deutschland oder Frankreich, die sich nicht am Irak-Krieg beteiligt haben, von Protesten fundamentalistischer Muslime verschont bleiben. In deren Weltbild ist der gesamte Westen eins.
Gefährdet der Aufruhr um die Karikaturen die deutschen Geiseln im Irak zusätzlich?
Es besteht die Gefahr, daß die Entführer ihre Geiseln eher umbringen, um bei den Fundamentalisten zu punkten.
Drohen weitere Entführungen?
Entführer brauchen keinen Anlaß. Selbst wenn die Bundesregierung alle Forderungen der Geiselnehmer erfüllen würde – also Schließung der Botschaft und Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen –, käme es sicher zu weiteren Entführungen mit immer neuen und höheren Forderungen.
Kommt es zum viel beschworenen Kampf der Kulturen?
Den führen die radikal-fundamentalistischen Moslems bereits seit der Machtübernahme Khomeinis im Irak im Jahr 1979 durch immer neue Provokationen.
Respektieren Moslems andere Religionen als den Islam?
Erst am Freitag habe ich in einer ägyptischen Zeitung eine üble antisemitische Karikatur gesehen. Auch die arabischen TV-Sender sind voll mit antijüdischen Ressentiments wie einst die Nazizeitung „Stürmer“. Den Respekt, den radikale Moslems für ihre eigene Religion zu Recht einfordern, lassen sie gegenüber anderen Glaubensrichtungen vermissen, insbesondere gegenüber Juden. Das ist eine üble Doppelmoral.Iran strebt nach der Atombombe.
Was kommt da auf uns zu?
Der neue Präsident Mahmut Ahmedinedschad hat offen erklärt, daß er Israel vernichten will. Das macht die Lage dort so explosiv. Der Westen muß mit Nachdruck darauf hinwirken, daß diese Drohung offiziell zurückgenommen wird.Gestern hat die Atomenergiebehörde entschieden, den Atomstreit mit dem Iran an den Weltsicherheitsrat der UNO zu überweisen. Der Präsident des Iran hat daraufhin erklärt, er wolle keine Kontrollen mehr erlauben . . .Das ist Teil eines globalen Nervenkriegs. Der iranische Präsident provoziert jetzt ganz bewußt, weil er weiß, daß den USA die Hände gebunden sind.
Was sollte der Westen tun?
Der Westen muß cool bleiben und seine Werte entschlossen verteidigen. "
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