im glaskäfig (augusti villaronga, 1985)
es gab im 15. jahrhundert den französischen grafen gilles de rais, der mindestens 140 jungen auf sein schloss gelockt und anschließend während schwarzer messen vergewaltigt, verstümmelt und umgebracht haben soll. darüber schrieb george bataille, der sich von autoren wie marquis de sade und friedrich nietzsche inspirieren ließ, einen roman, der themen wie machtsmissbrauch, pädophilie und sadismus behandelt. und dieser roman wiederum diente als vorlage zu agustí villarongas "im glaskäfig". mit einem kleinen unterschied: im film wird der graf ersetzt durch die rolle des ehemaligen kz-"kinderarztes" klaus.
klaus findet in seiner sadistischen ausübung als kz-arzt ganz besonderen gefallen am quälen und töten kleiner jungen und setzt seine krankhafte neigung auch nach seiner politisch motivierten flucht nach spanien fort. in einem klaren moment jedoch überkommt ihn der selbstekel und er springt vom dach eines hauses. nach dem missglückten selbstmordversuch, der ihn körperlich vollkommen lähmt, wird er durch die "eiserne lunge" - einer gruseligen apparatur, die seinen bewegungslosen körper vollkommen umschließt - am leben gehalten. seine frau, die nichts von der vergangenheit ihres mannes zu wissen scheint, sucht nun einen pfleger und daraufhin erscheint angelo auf der bildfläche, der augenscheinlich besser informiert ist, denn in der vergangenheit kreuzten sich angelos und klaus' wege schon einmal. was folgt, ist eine bitterböse abrechnung und ein einblick in eine vollkommen derangierte psyche.
auf gore-effekt-hascherei legt der film gar keinen wert und trotzdem findet er seinen höhepunkt in einer der (für mich) bittersten szenen, die ich je gesehen habe. stichpunkt: benzinspritze. ein herber schlag in die magengrube der zuschauer. es soll sogar einen gegeben haben, der nach der erstaufführung entsetzt zurückschlug - und zwar auf die nase villarongas. eine kernaussage ist übrigens die: gewalt setzt sich fort, opfer werden zu tätern oder umgekehrt. das zeigt sich, als angelo die hübsch eingerichtete villa des wohlhabenden ehemaligen kz-arztes in eine nachbildung des düsteren und kalten schauplatzes seiner zerstörten kindheit verwandelt, nämlich in das abbild eines kz-lagers, um darin die rollen mit seinem peiniger zu tauschen. nun stolziert er in klaus' alter uniform durch die wandelhalle und klaus ist das wehrlose opfer. bis zum bitteren ende. 9/10