Es traf mich schwer, als Claudia unserer Beziehung ein Ende setzte. Plötzlich stand ich wieder alleine da. Ohne all das, was ich im Laufe der Jahre kennen und lieben gelernt hatte. Claudia war eine ausgezeichnete Bäckerin, eine passionierte Strickerin und zudem eine wunderbare Gesprächspartnerin. Freilich, das Leben ging auch ohne ihren Schokoladenkuchen und ohne selbst gestrickte Pullis weiter. Auch an neuen Bekannten, mit denen ich mich unterhalten konnte, mangelte es nicht, da unsere Trennung mit meinem Studienbeginn zusammenfiel. Was Claudia aber besonders auszeichnete, war die Vollendung, mit der sie sich meiner Pickel annahm. Erst durch sie hatte ich die verschiedenen Pickelarten zu unterscheiden gelernt.
Da waren zum einen die Mitesser. Von Talgpfropfen verstopfte Poren, die sich noch nicht entzündet hatten. Wenn man den Talgkloß herauspreßte, blieb die Pore offen zurück. Weil der Schmutz in der Luft die Spitze des Pfropfens dunkel zu färben pflegte, nannten wir sie stets "die Schwarzen". Da gab es zum anderen die klassischen Eiterpickel. Poren, um die herum der Talgkern sich entzündet hatte und ein Eiterhäubchen entstanden war. Nach der Farbe des Eiters bezeichneten wir diese als "die Gelben".
Häufig in meinem Gesicht anzutreffen war auch eine Zwischenform. Eine Entzündung, bei der die weißen Blutkörperchen gerade erst begonnen hatten, sich zu Eiter zu verklumpen. Die Masse hatte die Haut zwar schon spürbar angehoben, war jedoch noch nicht hell nach außen hin sichtbar. Wenn wir diese Sorte ausdrückten, kam uns der Eiter zähflüssig entgegen. So als wenn wir eine Tube Zahnpasta leeren würden. Manchmal mache ich mir allerdings Gedanken, ob es sich bei dem Sekret wirklich um zähflüssigen Eiter handelte. Möglicherweise hatten wir es auch mit besonders weichem Talg zu tun. Der letzten Pickelart war praktisch nicht beizukommen. Eine Entzündung, die so tief in der Haut lag, daß auch bei noch so geschicktem Pressen keine Aussicht bestand, die Haut zum Aufreißen und den Eiter zum Hervorquellen zu bringen. Wir nannten sie "die Tiefen".
Claudia hatte mich gelehrt, mit den Pickeln umzugehen. Ich wusste, dass ich "die Gelben" nur besiegen konnte, wenn es mir auch gelang, den Talgkern zu entfernen. Und ich wusste, dass ich "die Tiefen" am besten in Ruhe ließ.
In der Praxis hatte ich damit allerdings von je her meine Schwierigkeiten gehabt. Zwar war es mir schon zu Zeiten unserer Beziehung dann und wann gelungen einen Pickel erfolgreich selbst auszudrücken. Ich erinnere mich da an einen riesigen "Schwarzen" imlinken Nasenloch. Nachdem ich den Talgzapfen vorsichtig ans Tageslicht befördert hatte, legte ich ihn auf mein Geo-Dreieck. Sein Durchmesser betrug ungelogen einen stolzen Millimeter.
Doch meistens war ich weniger erfolgreich. Das Problem bestand darin die Haut beim Pressen nicht zu verletzen. Harte Fingernägel reißen die Haut um den Pickel herum leicht auf. Austretendes Blut und Lymphflüssigkeit verdecken den Blick auf die Wunde. Und oft ist unklar, ob es sich bei dem Stückchen Weiß, das man in der offenen Stelle ausmachen kann, nun um den Talgkern oder um einen Hautfetzen handelt. Eines Tages kam mir die Idee, den Pickel nicht zwischen die Finger, sondern zwischen zwei runde Stifte zu nehmen. Auf diese Art, so dachte ich, müssten sich Hautverletzungen vermeiden lassen. In der Tat blieb die Haut unversehrt. Doch der Druck, den ich mittels der Stifte ausübte, brachte die darunterliegenden Gefäße zum Platzen. Zwei linienförmige Blutergüsse im Gesicht waren die Folge.
Angesichts solcher Fehlschläge erinnere ich mich wehmütig an meine Zeit mit Claudia zurück. Stundenlang konnte ich entspannt daliegen, während sie in meinem Gesicht zugange war. Mit geschickten Fingern förderte sie Talg und Eiter zutage, ohne mir dabei auch nur den geringsten Kratzer zuzufügen. Besonders schöne Talgzapfen zeigt sie mir an ihrem Finger haftend, bevor sie die sämige Masse spielerisch auf den Teppichboden schnippste.
Und immer wieder gab es Situationen, in denen ich ohne ihr Schaffen schlicht verloren gewesen wäre. Ich denke da etwa an die böse Entzündung im rechten Nasenloch. Ich hatte sie nicht angerührt, weil ich wußte, ich würde alles nur schlimmer machen. Ungeachtet meiner Zurückhaltung schwoll sie jedoch täglich. Ein schmerzhafter, rot glänzender Ball gleich vor der Nasenscheidewand. Nur Claudia konnte mir hier helfen. Auf mein Bitten hin machte sie sich an dieser schmerzempfindlichen Stelle, an der schon leichter Druck die Tränen in die Augen treibt, ans Werk. Mit sanften Fingern brachte sie die Haut zum Aufreißen, so daß der Eiter abfließen konnte, um anschließend in einer Viertelstunde gefühlvoll-konzentrierter Arbeit den Talgkern Stück für Stück zu entfernen. Endlich konnte meine Nase wieder verheilen.
Spätere Freundinnen haben sich immer wieder an meinen Pickeln versucht. Aber keine erreichte auch nur annähernd Claudias Perfektion. Claudia, erst das Ende der Pubertät hat mich Deinen Verlust verkraften lasse