In der heutigen Ausgabe der Taz läßt sich ein Recht interessantes Interview auf den Seiten 4 und 5 nachlesen:
"Ich könnte niemanden töten"
Interview MARCEL ANDERS
Eminem, hast du den Amoklauf in Erfurt mitbekommen?
Natürlich. Der hat bei uns für einen riesigen Medienrummel gesorgt. Fast noch schlimmer als bei Littleton. Ich glaube, bei der Berichterstattung ging es in erster Linie darum, zu zeigen, dass es nicht nur die Ami-Kids sind, die ausflippen, sondern auch die europäischen. Und das hat sie irgendwie beruhigt. Eben, weil es kein rein amerikanisches Phänomen ist, sondern es auch anderswo verwirrte Menschen gibt.
Ist die Kontrolle von Rap- und Rockmusik oder von Computerspielen ein wirksames Mittel, um Gewalt zu verhindern?
Blödsinn! Alles, was man verbietet, ist für die Kids umso reizvoller. Und egal, ob es nun Alkohol, Drogen oder Computerspiele sind, sie kriegen das Zeug immer irgendwo her. Außerdem lässt sich der geistige Aussetzer von ein paar Spinnern nicht verallgemeinern. Millionen von Kids spielen harte Sachen am Computer. Oder sie gucken sich Gewaltvideos an. Aber nur zwei nehmen es zum Anlass, selbst kräftig durchzudrehen. Also ein Schwindel erregend geringer Prozentsatz. Daraus auf die Allgemeinheit zu schließen, ist doch ein Witz - das ist so, als wenn man einen korrupten Politiker zum Anlass nähme, um den ganzen Berufsstand der Korruption zu bezichtigen. Was in dem Falle sogar berechtigt wäre. Mal ehrlich: Ich konnte als Kind gar nicht genug Horror-Videos kriegen. Hat mich das zum Mörder gemacht? Nein. Ich habe deswegen auch kein Gewaltpotenzial entwickelt. Im Gegenteil: Solche Filme zu sehen, hat mir eher die Aggressivität genommen.
Wobei du in deinen Texten richtig zulangst: Auf der "Slim Shady"-LP hast du Pamela Anderson die Brüste aufgeschlitzt, auf der "Marshall Mathers"-Platte deine Ex ertränkt, und jetzt bezeichnest du deine Mutter als "selfish bitch".
Ja, aber das heißt doch nicht, dass ich sie tatsächlich umbringen würde. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor dem Leben. Ich könnte niemanden töten, auch wenn ich mir das manchmal wünschen würde. Und was meine Mutter betrifft, so ist das eher eine Warnung - eben ein: Lass mich in Ruhe, sonst könnte tatsächlich etwas passieren. Ich fordere aber niemanden auf, das für mich zu tun. Niemals.
Wie steht es mit Musikern wie Marilyn Manson, Slipknot oder Korn? Müssen die Verantwortung für ihre Musik übernehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist natürlich einfach, sie zu Sündenböcken abzustempeln und ihnen die Schuld an diesen Attentaten zu geben. Dann braucht man keine weitere Ursachenforschung betreiben, muss sich nicht mit peinlichen Fragen, tiefgründigen Analysen oder mit eigenen Fehlern befassen. Das ist also sehr bequem. Andererseits muss sich jeder Künstler, ganz egal aus welchem Genre er kommt, selbst für seine Musik verantworten. Er muss wissen, wie weit er gehen darf, wo die Grenzen des guten Geschmacks sind und wann das Ganze nichts mehr mit Entertainment zu tun hat. Bei Bands, denen es nur ums Schockieren und Provozieren geht, ist das natürlich eine knifflige Sache. Wenn sie Zweifel haben, ob sie zu brutal und wild sind, dann sollten sie es einschränken. Wenn sie aber zu dem stehen, was sie da machen, ist das O.K. Und mal ehrlich: Marilyn Manson, Korn und Slipknot sind doch noch moderat. Sehr intensiv zwar, aber doch längst nicht so schlimm wie einige Death Metal- oder Gothic-Bands.
Sollten die zensiert werden?
Nein, denn wer sollte entscheiden, was O.K. ist und was nicht? Wer darf sich das anmaßen? Irgendwelche Moralapostel oder Politiker? Um Gottes willen! Dann hast du letztlich nur noch mehr von diesen Amokläufern. Denn das ist doch der wahre Grund, warum die Kids durchdrehen: weil ihnen Schuldgefühle eingetrichtert werden, mit denen sie nicht klarkommen. Sei es von TV-Predigern, Eltern oder reaktionären Wichtigtuern. Sie alle richten darüber, was richtig und falsch ist und welche Konsequenzen das haben wird. Und wenn ich nichts mehr tun darf, was mir Spaß macht, wenn mich alles in die Hölle bringt, dann ist es sowieso egal, was ich mache - die Konsequenz ist eh dieselbe.
Das klingt, als wäre dir der Rachegedanke gar nicht so fern.
Ist er auch nicht. Ich kann diese Kids verstehen. Was nicht heißt, dass ich ihre Tat richtig finde. Als Kind bin ich von meinen Mitschülern derart geärgert und gehänselt worden, dass ich nur zu gerne mit einer Maschinenpistole durch die Klassen gezogen wäre, um sie abzuknallen. Schließlich war ich dieser verwahrloste Junge aus den Trailerparks von Detroit. Ich hatte kein Geld für coole Klamotten und teure Hobbys, lief immer ziemlich dreckig und abge****t rum, musste neben der Schule noch jobben und war in meinen Leistungen so mies, dass ich in der Highschool gleich dreimal sitzen geblieben bin. Da ist es klar, dass dich die anderen auf dem Kieker haben. Sie haben mich bei jeder Gelegenheit fertig gemacht - und schau, wo sie heute sind: in denselben Vororten von Detroit, in denen sie aufgewachsen sind. Das sind alles Loser, und ich bin ihr König. Ich habe es da rausgeschafft.
Das kann man so sagen: Dein Haus in Manchester Heights, dem Villenviertel von Detroit, ist schon ziemlich gediegen.
Findest du? Ich glaube nicht, dass es wirklich protzig ist. Jedenfalls nicht so wie die Paläste der Westcoast-Rapper (siehe Glossar). Ich meine, Dres Haus ist schlimmer, da bin ich noch ziemlich moderat. Ich brauche kein Gold, keine Diamanten oder so einen Mist. Ich stehe mehr auf Hightech: Fernseher, Stereoanlagen, Computerspiele, aber auch Designermöbel und so. Eben all die Dinge, von denen ich zeitlebens geträumt habe und die ich mir jetzt ganz locker leisten kann. Und ich habe mein eigenes Studio, auf das ich besonders stolz bin. Es hat alles, was man braucht. Es ist sehr funktional und modern. Ich habe mir mein eigenes kleines Reich geschaffen, in dem es wirklich alles gibt.
Dann wirst du Detroit, die hässlichste Stadt der USA, also nie verlassen?
Nein, denn eigentlich fühle ich mich hier ganz wohl. Ich bin auch bereit, alles dafür zu tun, um diese Stadt wieder nach vorne zu bringen, so lange man mich hier in Frieden lässt. Ich möchte nicht, dass die Leute vor meinem Haus kampieren oder mich auf Schritt und Tritt verfolgen. Wenn sie mich respektieren, lassen sie mich in Ruhe, was sie bislang auch tun.
Dein neue Album heißt "The Eminem Show" und es erinnert an eine Seifenoper mit ein bisschen Sex, Crime und Liebe, mit exzentrischen Charakteren und jeder Menge schmutziger Wäsche. Ein Abbild deines Lebens?
Ja, mein Leben ist eine richtige Show geworden. Jeder Mensch bekommt mit, was bei mir abläuft, auch wenn es noch so private Dinge sind. Nichts, was ich tue, findet hinter verschlossenen Türen statt, sondern alles in breiter Öffentlichkeit. Ich bin wie der Typ in der "Truman Show" oder der bei "Ed TV". Und manchmal habe ich sogar das Gefühl, als wäre ich meine eigene "Jerry Springer Show". Genau deswegen verkaufe ich wohl auch so viele Platten - doppelt so viel wie jeder schwarze Rapper: Weil ich das weiße Amerika, den mittleren Westen erreiche. Eben all die Nerds, die genauso denken, reden und aussehen wie ich. Die identifizieren sich mit mir.
"Ich könnte niemanden töten"
Interview MARCEL ANDERS
Eminem, hast du den Amoklauf in Erfurt mitbekommen?
Natürlich. Der hat bei uns für einen riesigen Medienrummel gesorgt. Fast noch schlimmer als bei Littleton. Ich glaube, bei der Berichterstattung ging es in erster Linie darum, zu zeigen, dass es nicht nur die Ami-Kids sind, die ausflippen, sondern auch die europäischen. Und das hat sie irgendwie beruhigt. Eben, weil es kein rein amerikanisches Phänomen ist, sondern es auch anderswo verwirrte Menschen gibt.
Ist die Kontrolle von Rap- und Rockmusik oder von Computerspielen ein wirksames Mittel, um Gewalt zu verhindern?
Blödsinn! Alles, was man verbietet, ist für die Kids umso reizvoller. Und egal, ob es nun Alkohol, Drogen oder Computerspiele sind, sie kriegen das Zeug immer irgendwo her. Außerdem lässt sich der geistige Aussetzer von ein paar Spinnern nicht verallgemeinern. Millionen von Kids spielen harte Sachen am Computer. Oder sie gucken sich Gewaltvideos an. Aber nur zwei nehmen es zum Anlass, selbst kräftig durchzudrehen. Also ein Schwindel erregend geringer Prozentsatz. Daraus auf die Allgemeinheit zu schließen, ist doch ein Witz - das ist so, als wenn man einen korrupten Politiker zum Anlass nähme, um den ganzen Berufsstand der Korruption zu bezichtigen. Was in dem Falle sogar berechtigt wäre. Mal ehrlich: Ich konnte als Kind gar nicht genug Horror-Videos kriegen. Hat mich das zum Mörder gemacht? Nein. Ich habe deswegen auch kein Gewaltpotenzial entwickelt. Im Gegenteil: Solche Filme zu sehen, hat mir eher die Aggressivität genommen.
Wobei du in deinen Texten richtig zulangst: Auf der "Slim Shady"-LP hast du Pamela Anderson die Brüste aufgeschlitzt, auf der "Marshall Mathers"-Platte deine Ex ertränkt, und jetzt bezeichnest du deine Mutter als "selfish bitch".
Ja, aber das heißt doch nicht, dass ich sie tatsächlich umbringen würde. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor dem Leben. Ich könnte niemanden töten, auch wenn ich mir das manchmal wünschen würde. Und was meine Mutter betrifft, so ist das eher eine Warnung - eben ein: Lass mich in Ruhe, sonst könnte tatsächlich etwas passieren. Ich fordere aber niemanden auf, das für mich zu tun. Niemals.
Wie steht es mit Musikern wie Marilyn Manson, Slipknot oder Korn? Müssen die Verantwortung für ihre Musik übernehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist natürlich einfach, sie zu Sündenböcken abzustempeln und ihnen die Schuld an diesen Attentaten zu geben. Dann braucht man keine weitere Ursachenforschung betreiben, muss sich nicht mit peinlichen Fragen, tiefgründigen Analysen oder mit eigenen Fehlern befassen. Das ist also sehr bequem. Andererseits muss sich jeder Künstler, ganz egal aus welchem Genre er kommt, selbst für seine Musik verantworten. Er muss wissen, wie weit er gehen darf, wo die Grenzen des guten Geschmacks sind und wann das Ganze nichts mehr mit Entertainment zu tun hat. Bei Bands, denen es nur ums Schockieren und Provozieren geht, ist das natürlich eine knifflige Sache. Wenn sie Zweifel haben, ob sie zu brutal und wild sind, dann sollten sie es einschränken. Wenn sie aber zu dem stehen, was sie da machen, ist das O.K. Und mal ehrlich: Marilyn Manson, Korn und Slipknot sind doch noch moderat. Sehr intensiv zwar, aber doch längst nicht so schlimm wie einige Death Metal- oder Gothic-Bands.
Sollten die zensiert werden?
Nein, denn wer sollte entscheiden, was O.K. ist und was nicht? Wer darf sich das anmaßen? Irgendwelche Moralapostel oder Politiker? Um Gottes willen! Dann hast du letztlich nur noch mehr von diesen Amokläufern. Denn das ist doch der wahre Grund, warum die Kids durchdrehen: weil ihnen Schuldgefühle eingetrichtert werden, mit denen sie nicht klarkommen. Sei es von TV-Predigern, Eltern oder reaktionären Wichtigtuern. Sie alle richten darüber, was richtig und falsch ist und welche Konsequenzen das haben wird. Und wenn ich nichts mehr tun darf, was mir Spaß macht, wenn mich alles in die Hölle bringt, dann ist es sowieso egal, was ich mache - die Konsequenz ist eh dieselbe.
Das klingt, als wäre dir der Rachegedanke gar nicht so fern.
Ist er auch nicht. Ich kann diese Kids verstehen. Was nicht heißt, dass ich ihre Tat richtig finde. Als Kind bin ich von meinen Mitschülern derart geärgert und gehänselt worden, dass ich nur zu gerne mit einer Maschinenpistole durch die Klassen gezogen wäre, um sie abzuknallen. Schließlich war ich dieser verwahrloste Junge aus den Trailerparks von Detroit. Ich hatte kein Geld für coole Klamotten und teure Hobbys, lief immer ziemlich dreckig und abge****t rum, musste neben der Schule noch jobben und war in meinen Leistungen so mies, dass ich in der Highschool gleich dreimal sitzen geblieben bin. Da ist es klar, dass dich die anderen auf dem Kieker haben. Sie haben mich bei jeder Gelegenheit fertig gemacht - und schau, wo sie heute sind: in denselben Vororten von Detroit, in denen sie aufgewachsen sind. Das sind alles Loser, und ich bin ihr König. Ich habe es da rausgeschafft.
Das kann man so sagen: Dein Haus in Manchester Heights, dem Villenviertel von Detroit, ist schon ziemlich gediegen.
Findest du? Ich glaube nicht, dass es wirklich protzig ist. Jedenfalls nicht so wie die Paläste der Westcoast-Rapper (siehe Glossar). Ich meine, Dres Haus ist schlimmer, da bin ich noch ziemlich moderat. Ich brauche kein Gold, keine Diamanten oder so einen Mist. Ich stehe mehr auf Hightech: Fernseher, Stereoanlagen, Computerspiele, aber auch Designermöbel und so. Eben all die Dinge, von denen ich zeitlebens geträumt habe und die ich mir jetzt ganz locker leisten kann. Und ich habe mein eigenes Studio, auf das ich besonders stolz bin. Es hat alles, was man braucht. Es ist sehr funktional und modern. Ich habe mir mein eigenes kleines Reich geschaffen, in dem es wirklich alles gibt.
Dann wirst du Detroit, die hässlichste Stadt der USA, also nie verlassen?
Nein, denn eigentlich fühle ich mich hier ganz wohl. Ich bin auch bereit, alles dafür zu tun, um diese Stadt wieder nach vorne zu bringen, so lange man mich hier in Frieden lässt. Ich möchte nicht, dass die Leute vor meinem Haus kampieren oder mich auf Schritt und Tritt verfolgen. Wenn sie mich respektieren, lassen sie mich in Ruhe, was sie bislang auch tun.
Dein neue Album heißt "The Eminem Show" und es erinnert an eine Seifenoper mit ein bisschen Sex, Crime und Liebe, mit exzentrischen Charakteren und jeder Menge schmutziger Wäsche. Ein Abbild deines Lebens?
Ja, mein Leben ist eine richtige Show geworden. Jeder Mensch bekommt mit, was bei mir abläuft, auch wenn es noch so private Dinge sind. Nichts, was ich tue, findet hinter verschlossenen Türen statt, sondern alles in breiter Öffentlichkeit. Ich bin wie der Typ in der "Truman Show" oder der bei "Ed TV". Und manchmal habe ich sogar das Gefühl, als wäre ich meine eigene "Jerry Springer Show". Genau deswegen verkaufe ich wohl auch so viele Platten - doppelt so viel wie jeder schwarze Rapper: Weil ich das weiße Amerika, den mittleren Westen erreiche. Eben all die Nerds, die genauso denken, reden und aussehen wie ich. Die identifizieren sich mit mir.