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RIOT RAP
Mit ihrem Titel "Qu'est ce qu'on attend pour foutre le feu?" (Warum legen wir nicht endlich Feuer?) schlugen die Rapper der Gruppe NTM ("Nique ta mère", wörtlich: "**** deine Mutter!") im Jahr 1995 Alarm, um auf die Zustände in den französischen Vorstädten aufmerksam zu machen. Diese Worte wurden zehn Jahre später als geradezu prophetisch empfunden. Am 27. Oktober 2005 flohen drei junge Leute in Clichy-sous-Bois vor einer Polizeikontrolle und verstecken sich in einem elektrischen Umspannwerk. Zwei von ihnen, Bouna und Ziad, kamen durch einen Stromstoß ums Leben. Dieser tödliche Unfall löste die längsten Straßenkämpfe aus, die Frankreich bis dahin erlebt hatte.
Welche Veränderungen bringen die Unruhen für die Hip-Hop-Szene mit sich? Tracks hat sich in dieser Sondersendung bei französischen Rappern von den engagiertesten NTM bis zu den Stars des "Straßenrap" umgehört.
Die Rapper geraten in die vorderste Front und sind aufgefordert, Stellung zu beziehen. Dem "Gipfeltreffen" von Brel, Ferré und Brassens einige Monate nach Mai 1968 folgend, hat Tracks drei Stars des französischen Rap zu einer ungewöhnlichen Diskussion eingeladen: Joey Starr, Disiz La Pest und Ekoué von der Band La Rumeur. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, beantworten sie Fragen nach der Verantwortung für die Unruhen, dem politischen Engagement, der Rolle der "großen Brüder", dem Versagen des Staates.
Joey, Rap-Pionier und Hitzkopf von NTM, hat sich heute zu staatsbürgerlicher Gesinnung bekehrt und einen Aufruf zur Wahl in den Vorstädten unterzeichnet. Ekoué verfolgt mit seiner Musik vor allem das Ziel, den Sprachlosen Gehör zu verschaffen. Sein liebstes Podium ist die Bühne und gerade hat er seinen zweiten Prozess mit Innenminister Nicolas Sarkozy hinter sich. Disiz La Peste hatte seine ersten Erfolge mit leichteren Raps wie "J'pète les Plombs" und spielte die Hauptrolle in dem Film "Dans tes rêves". Seiner Meinung nach soll sich der Rapper nicht als Vertreter der "Banlieus" sehen.
Als Ergänzung zur Diskussionsrunde mit den drei Musikern hat sich Tracks vor Ort umgeschaut: in den Problemvierteln, die für die Schäden verantwortlich gemacht werden. Da schreibt sich Joey Starr gerade in eine Wählerliste in einem nördlichen Pariser Vorort ein und fordert die Jugendlichen auf, seinem Beispiel zu folgen. Ferner ist Tracks bei einem Konzert in Sarcelles dabei, wo Alibi Montana und L.I.M einen schonungslosen und realistischen Straßenrap verteidigen. In Clichy-sous-Bois wiederum versucht die Gruppe RS4 mühsam, ein Album zu Ehren von Bouna und Ziad einzuspielen. Und in Los Angeles gibt der Anführer des französischen Rap, der Hardcore-MC Rohff, einem amerikanischen Radiosender ein Interview über die Unruhen in seinem Land. Tracks ergründet, warum die Verantwortungsträger die brisanten Viertel allmählich sich selbst überließen und die Musiker zu Sprachrohren der Vorstädte wurden.