Wenn der Zivi zweimal klingelt......

Temper

Altgedient
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29. März 2000
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so ..der Temper aussm Exil mit ner wunderbaren Geschichte für euch........

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Nur wenige Meter vom drohenden Unheil entfernt schleiche ich auf Zehenspitzen, bemüht, auf meinem eigenen Angstschweiß nicht auszurutschen, durch die Küche von Maria Schmidt. Während mir der beißende Uringeruch Tränen in die Augen treibt, umschleiche ich Widerstände, wie auf den Fußboden verstreute Wollknäuel. Zwei Meter noch bis zur Tür, welche den Weg in die Freiheit symbolisiert sowie gleichzeitig den Erfolg meiner unter Zeitdruck stehenden Mission. Das muss doch zu schaffen sein, auch mit meinen 20 Kilo Übergewicht. Drei Schritte, zwei Schritte und ...

Das Knarren der Türangel erschreckt mich nicht halb so wie das mir wohlbekannte, impertinente Grinsen, welches hinter dem Türrahmen auf mich lauert. Erwischt. Sie hat mir wieder aufgelauert. Da sie mit vegetativen Reaktionen einhergehen, lassen sich starke Affekte nur schwer verbergen. So reagiere ich im ersten Moment mit zittrigen Verkrampfungen. Mindestens zwanzig Minuten in der verbalen Folterkammer drohen mir.
"Bringen Sie das Essen?"

Maria Schmidt, 87 Jahre geballter Wortwitz. Seit einem Jahr bringe ich ihr das Mittagessen. Jeden Tag. Sie verkörpert lediglich drei Prozent der Kundschaft, zeitlich gesehen hält sie mich länger auf als die sechs Kunden zuvor. Die Verspätung ist schon einkalkuliert. Sie liest gerade ein Buch über Frau Faber-Castell, war dreimal verheiratet, schaut unter anderem Polit-Talkshows und erscheint mir in ihrer Darstellung als kauzig-verschrobene, bei aller Begriffsstutzigkeit dennoch durchtrieben-listigen Alten als bedeutendster Exponent skurril-versponnener Liebenswürdigkeit. Auch an diesem, meinem letzten Arbeitstag geht der Kelch der Großmeisterin des Small-Talks nicht an mir vorüber.

Gestatten, mein Name ist Zivi. Verwaltungszivi. Mit der Lizenz zum Essen-auf-Rädern-fahren. Für mich war es wirklich eine schwere Wahl gewesen, Bundeswehr oder Zivildienst. Ich meine, was hatte ich auch für eine Alternative? Auf der einen Seite Intrigen, Mobbing, Beleidigungen, Tote, Drill und Disziplin ... Ja, und auf der anderen Seite die Bundeswehr. Doch es hätte schlimmer kommen können. Als Verwaltungs-Zivi werde ich von meinem Kollegen beneidet, der in der Pflege einen im wahrsten Sinne des Wortes duften Job in der Fäkalienspüle hat.

Maria Schmidt. Vor einer Woche bat sie mich, meinen vollständigen Namen auf ein Blatt Papier zu schreiben, falls man sich mal wieder über den Weg läuft. Sie wird mich demnächst anrufen, gibt sie mir zu verstehen, um mich davon zu unterrichten, wie sich mein Nachfolger anstellt und weil man sich ja immer so nett unterhalten hat. Die Zeit drängt. Mit stimmlich-intonatorischen und visuellen Mitteln wie der verstärkte, nervöse Blick auf die Uhr versuche ich mit dem Zaunpfahl zu winken, als ginge es um mein Leben und nicht um das pünktliche Mittagessen etlicher Kunden. Doch meine Höflichkeit, mein Respekt vor ihren durchdachten Monologen, die mühelos jedweden Qualitätsanspruch unterbieten, ist machtlos gegen ihre Verständigungssignale. Ihre in stoischer Gelassenheit und modulationsfähigen Stimmlage und Sprechgeschwindigkeit vorgetragenen Platitüden festigen in mir nebenbei die Überzeugung, mein Leben sei ein grotesker Einakter, der auf primitivstem Schwankniveau schließlich in einer menschlichen Tragödie kulminiert. 21 Minuten später und um 10 DM Trinkgeld reicher bin ich im Auto unterwegs zur nächsten Kundin:

Frau Meyrink. Zweimal betätige ich den Klingelknopf. So möchte sie es, seitdem angeblich vor zwei Jahren ein nackter Mann im Wohnzimmer der halbblinden Frau stand, welcher zuvor nur einmal klingelte. Nachdem ich ihre Küche aufgeräumt, das Essen in die Mikrowelle gestellt und mich verabschiedet habe, geht es weiter zu Herrn Siepelt.

Herr Siepelt, erst knapp 55 Jahre alt, Frührentner und begeisterter Fan der Sendung "Vera am Mittag" empfängt mich und geleitet mich in die geheiligten Räumlichkeiten. Das Essen stelle ich ihm brav wie üblich aufgereiht in angemessenem Abstand – circa 10 Zentimeter – zum Nachtisch hin. Diesen wiederum möchte er in einer Unterarmlänge Entfernung zum Salat und der Suppe auf dem Tisch wiederfinden. Meine Ohren schmerzen, da ich höre, wie Herr Knigge sich in seinem Grab wie ein Propellerblatt dreht. Herr Siepelt fragt mich in der ihm eigenen bedächtigen, etwas pedantischen Redeweise nach dem Apfel. Als einziger von bis zu zweiunddreißig Kunden möchte Herr Siepelt zum Essen zusätzlich einen Apfel. Ich haste in meiner Eigenschaft als Robin Hood der Landstraße, Beschützer der Witwen und Greisen sowie Rächer der deutschen Hausmannskost zum Auto, wo ich tatsächlich den Apfel finde. Wieder zurück schüttelt Herr Siepelt ob dieses dilettantischen Patzers den Kopf. Dies passiert mir zum erstenmal, ausgerechnet am letzten Tag.

Wahrscheinlich war ich in Gedanken schon aufgebrochen in angenehmere Gefilde. Herr Siepelt grinst und wirkt dabei so bieder freundlich, als sei er gerade einstimmig zum stellvertretenden Pinzettenwart des örtlichen Briefmarkensammlervereins gewählt worden. Und wirklich, wenn er nicht gerade Korinthen verdaut, widmet er sich dem Studium der Philatelie. Der nächste Kunde, Herr Benedikt, seines Zeichens Alkoholiker und Urheber von größtenteils aus sexuellen Zweideutigkeiten bestehenden Kalauern schenkt mir zum Abschied und als Erinnerung drei halbe Liter Hansa Pils. In seiner Position als ehemaliger Soldat hatte er vierzig Jahre als humoristische Allzweckwaffe bei der Marine gedient und mehr als nur "Schiffe versenken" gespielt.

Mit einem Sturz die Treppe hinauf gelange ich schließlich in das Wohnzimmer von Frau Papperlapp. Sie stellt mir jeden Tag die gleichen Fragen und ich fühle mich ständig wie Bill Murray in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier." Verwirrt und überfordert durch die Frage, wie ich mich denn beim Militär fühlen würde, verlasse ich das Haus. 8 Kilometer entfernt erwartet mich meine letzte Kundin:

Frau Klara Seidel. Sie bekommt von mir, da sie am längsten warten muss und da sie sich immer sehr darüber freut, sämtliche Essensreste. Diese bestehen heute aus fünf Suppen, drei Nachtischen und vier Salaten. Als ich eine Suppe verkippe, leckt Frau Seidel gierig die Reste von der Tischdecke ab und beißt in den Teebeutel. Nichts Besonderes. Ich habe schon eine Menge gesehen, z. B. einen 16jährigen ehemaligen Mitschüler, der absichtlich Tintenpatronen durchbiss, so dass sich seine Zähne blau färbten und damit "Hey, Pippi Langstrumpf" auf eine Serviette schrieb. Ich fahre weiter, weiter dem Ende meines Daseins als Zivildienstleistender entgegen, dem Aufbruch in unbekannte Dimensionen, unvorstellbare Weiten und unglaubliche Abenteuer. Doch Urinbeutel hin oder her, momentan nähere ich mich lediglich ersteinmal der Mittagspause, der Begnadigung für eine dreiviertel Stunde.

65 Jahre später. Der junge Mann des Sozialdienstes steigt die knarrende Treppe empor. Er stellt das Essen auf den Tisch. Den Empfänger hat er noch nie gesehen. Einzige Anzeichen auf ein lebendes Inviduum in diesem Gemäuer ist das wöchentlich auf dem Esszimmertisch deponierte Trinkgeld. Von weitem sieht er einen voluminösen Schatten vor dem Fernseher sitzen mit drei Keksdosen auf dem Bauch. In Windeseile hastet er aus dem Haus des alten Eremiten, der seit zwölf Jahren sein Haus nicht mehr verlassen haben soll. Perfekter Kunde, denkt er, beschwert sich nie und hält einen nicht auf.

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na also.............:D








hier können die Mods dann halt ihren ungehemmten Löschtrieb ausleben.........
 
ha...........nimmer viel.......krieg gradmal die hälfte vn dem was ich inna ausbildung bekommen hab.......des reicht nie für ne Flat zu Hause..........:(
 
heee alpha ,morgen is "Abführtag"!!!!!!!!!



scheißerei zwoi drei....................:mad: :eek: :D
 
Original geschrieben von Temper
heee alpha ,morgen is "Abführtag"!!!!!!!!!



scheißerei zwoi drei....................:mad: :eek: :D


ihhh, dann hasch sicher denn ganzen abend lang son komischen geruch an dir kleben, wä
 
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