Den gelöschten Text gibt es noch:
Montags-Demos 2014: Für krude Verschwörungstheoretiker oder echte Durchblicker?
Wer oder was steckt hinter den neuen Montags-Demos, die zunächst in Berlin, später auch in anderen großen deutschen Städten organisiert wurden? Sind es einfach nur friedliebende Menschen oder doch Verschwörungstheoretiker und Holocaust-Leugner, wie Kritiker meinen? Ganz einfach ist die Antwort nicht.
Auf die Idee der Montags-Demos im Jahr 2014 ist Lars M. gekommen, so sagt man sich. Dicht an seiner Seite stand allerdings von Beginn an Ken J.. Und auch Jürgen E. war am Start, bekam dann aber schnell Gegenwind, worüber er sich mächtig beklagte. Von diesen Personalien abgesehen scheint das Credo der Montags-Demos klar und deutlich zu sein: Die Veranstalter und die Teilnehmer demonstrieren für den Frieden. So weit so gut, dagegen kann ja nun niemand etwas haben. Doch Kritiker haben weit mehr als Friedenswünsche hinter den Montags-Demos entdeckt. Zum Beispiel Antisemitismus. Wie passt das zusammen?
Wir sind das Volk!
Analog zu den Montags-Demos in der ehemaligen DDR hat sich auch bei der Variante 2.014 die Parole „Wir sind das Volk!“ durchgesetzt. Damit soll wohl klar gemacht werden, dass es sich um friedlichen Protest handelt. Ideengeber Lars M. betont gern und oft, dass er ein „ganz normaler Bürger“ ist, der einfach der Meinung war, dass die Menschen auf die Straße gehen müssen, um ihrem Unmut über die Kriege auf der Welt Luft zu verschaffen. Ein bisschen mehr hat Lars M. aber schon auf dem Kerbholz. In einem Interview mit Ken J. prangert er die amerikanische Notenbank FED an als das Geldinstitut, das für so ziemlich alles Schlimme auf der Welt verantwortlich ist. Und an diesem Punkt wird es brisant. In einem Interview mit „Voice of Russia“ sagte Lars M.: “Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ‘n bisschen auseinander klabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht.”
Nicht nur für Jutta Ditfurth ist diese Aussage von Lars M. der Beleg dafür, dass er die Ermordung von 6 Millionen Juden der amerikanischen Notenbank in die Schuhe und die Nazi-Verbrechen relativieren will. Für Lars M. Wohlgesonnene dagegen ist seine Aussage nicht weiter problematisch, die Interpretation der Leugnung deutscher Schuld zu weit hergeholt.
„linksunten“ hat sich ein wenig genauer mit Lars M. beschäftigt und kommt zum Schluss, dass er auch Kontakte zur NPD nicht scheut. Allerdings bezieht sich „linksunten“ als Quelle auf dessen Website, die inzwischen wohl komplett neu gestaltet wurde und daher als Beleg für den Text von „linksunten“ nicht mehr herhalten kann.
Nicht links und nicht rechts?
Sowohl für Lars M. als auch für Ken J., der auf den Zug der Montags-Demos aufgesprungen ist (oder ihn von Anfang an mit steuerte) sind die politischen Kategorien links und rechts nicht mehr zeitgemäß. Wer den Frieden will, muss weder rechts noch links sein, oder anders ausgedrückt: kann sowohl links als auch rechts sein. Antisemitismus könnte also hier und da durchaus vorkommen, schließlich weiß niemand, wer so alles auf einer Montags-Demo auftaucht. Jürgen E. allerdings unterscheidet schon, wer links oder rechts ist. Eigentlich sollte er auf einer Montags-Demo am 14. April 2014 in Hamburg sprechen, auf der – wie er freudig erregt schreibt – auch das Tragen von Fahnen erlaubt sein sollte (in Berlin war das unter Lars M. nicht vorgesehen). Doch laut Jürgen E. wurden die tapferen Hamburger, die ihn reden lassen wollten, von einer mehr oder weniger ominösen „bundesweiten Organisationsgruppe“ überstimmt, sodass die Rede von Jürgen E. ausfallen wird. Die Schuldigen hat der bereits ausgemacht. Die Magdeburger Linksjugend hatte sich massiv gegen die Montags-Demos gestellt und Vorwürfe wegen antisemitischen Strömungen kommuniziert. Im Text fiel auch der Name Jürgen E.. Die Absetzung seiner Rede verglich er mit einem „Kesseltreiben der Linksradikalen“, sich selbst sieht er als Opfer. In seinem Artikel zum Thema schreibt er: „Leute, mal ganz im Ernst: Sollen diese Montagsdemos – eine notwendige Initiative für den Frieden im Angesicht der Kriegsmobilisierung gegen Russland – enden wie Occupy oder die Piraten? Auch diese Ansätze waren am Anfang hoffnungsvoll, jenseits des Links-Rechts-Schemas. Dann wurde von Außen – Linksextremisten, Antifa, Meinungspolizisten in den etablierten Medien – Druck gemacht, und von 5. Kolonnen im Innern (!) von Occupy bzw. Piraten wurde dieser Druck genutzt, um die aufrechten Kämpfer zu mobben und zu marginalisieren.“
Die „aufrechten Kämpfer“ sind also weder links noch rechts, so will Jürgen E. uns glauben machen. Aber die wirklich Bösen, das sind die Linksradikalen, die Antifa und die Meinungspolizisten in den etablierten Medien.
Man kann gespannt sein, ob, wann und wie Jürgen E. wieder die Möglichkeit erhält, auf Montags-Demos zu sprechen und was er dann zu sagen hat.
NachdenKEN mit Ken?
Eine der Schlüsselfiguren der Montags-Demos ist Ken J.. Er ist ein guter Redner, der einfache Weisheiten effektiv transportiert und das Gefühl des Volkes gut trifft. Dass er seinerzeit beim Sender RBB wegen Antisemitismus und der Leugnung des Holocausts gefeuert wurde (wie zahlreiche Medien berichteten, zum Beispiel der SPIEGEL am 24.11.2011), ficht seine Fans nicht an. An einen Leser hatte er damals in einer Mail geschrieben: „Ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat.“
Ken J. wehrte sich gegen die Antisemitismus-Vorwürfe, ließ in einem Video der Welt mitteilen, dass er nur einen Witz gemacht habe. Wer den kompletten Brief liest, wird allerdings nur wenig zum Schmunzeln finden, es sei denn, man hat einen sehr speziellen Humor.
Nun könnte man meinen, Ken J. ist seit 2011 geläutert, aber ein aktueller offener Brief an Angela Merkel lässt das Gegenteil vermuten. Er schreibt an die Kanzlerin: „Nationalzionisten haben Israel okkupiert wie Nazis 33 Deutschland okkupiert haben…“
Auch hier bleiben seine Fans standhaft, obwohl der systematische Mord an Millionen deutscher und europäischer Juden durch diesen Satz – wie in anderer Weise zuvor auch schon Lars M. – relativiert wird.
Und was ist mit dem Frieden?
Wer sich auf eine Montags-Demo begibt, wird das wohl tun, weil er annimmt, dass es darum geht, seine Stimme gegen den Krieg und für den Frieden zu erheben. Für Lars M. und Ken J. allerdings scheint es vornehmlich um etwas anderes zu gehen. Sie haben das Übel für alle weltlichen Leiden in der US-Notenbank FED ausgemacht. Die gilt es auszulöschen. Nun ist die FED sicher kein Hort für Friedfertigkeit und Menschenliebe. Dennoch klingt es wenig friedlich, wenn Ken J. schreibt: „Wenn wir die FED als den Tumor allen Übels nicht endlich aus unserem Wirtschaftssystem entfernen, wird es zu einem Krieg kommen. Einem Krieg, der final dazu dient, fälligen Zinseszins zu bedienen. Wir leben tatsächlich in einer SCHEIN-Demokratie. Und die FED stellt sich keiner Wahl. Sie herrscht einfach.“
Stecken also hinter den Montags-Demos letztlich nur die Köpfe von Verschwörungstheoretikern, die sich als wahnhafte Anti-Amerikaner formieren und dafür Massen gewinnen wollen? Das wäre zu einfach, denn die meisten Menschen, die auf Montags-Demos gehen, wollen nur ihren Wunsch nach Frieden zum Ausdruck bringen. Aber es muss klar sein, dass die Gefahr einer massiven Hinwendung nach rechts bei den Montags-Demos nicht von der Hand zu weisen ist. Die Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen links und rechts ganz offen aufgehoben werden soll, ändert nichts daran, dass es eine rechte und eine linke Richtung gibt. Dass die Initiatoren der Montags-Demos nach links tendieren, bleibt hingegen noch zu beweisen. Derzeit scheint die Marschrichtung eher die entgegengesetzte Richtung zu sein.