laut.de-Biografie
Turgay K
"Bevor ich mein Debüt veröffentliche, sollte ich raptechnisch gereift sein." Statements wie dieses, gefallen im Interview mit dem Hip Hop-Magazin Juice, und besonders deren Umsetzung wünscht man sich in der aktuellen Rap-Szene häufiger. Turgay K hat sich die eigenen Worte zu Herzen genommen: Er zählt zu den schnellsten MCs Europas und hat zudem noch Einiges zu erzählen. weiterlesen
"Dass ich in Deutschland lebe, hat mich eigentlich nie davon abgehalten, meine Muttersprache zu erlernen", so Turgay Korucu, dessen Lebensmittelpunkt im nordrhein-westfälischen Neuss liegt, gegenüber hamburghiphop.de. Seine galoppierenden Reime allerdings verfasst er von Anfang an auf Türkisch.
Die Begeisterung für den Sprechgesang entwickelt sich aus einem Faible für "Yo! MTV Raps" heraus, das Turgay im elterlichen Wohnzimmer konsumiert. "Die Sendung stellte praktisch die einzige Möglichkeit für mich dar, diese Musik zu hören." Der unwesentliche Umstand, dass der Sohn türkischer Einwanderer zu diesem Zeitpunkt kein Wort Englisch spricht, hält ihn nicht davon ab, die Tracks seiner Idole, darunter Das EFX, nachzurappen.
Anfangs sieht Turgay im Rap lediglich einen spaßigen Zeitvertreib. Das Potenzial und die Ausdrucksmöglichkeiten, die diese Kunstform für ihn bereit hält, erkennt er erst später. Kein Künstler habe ihn dazu veranlasst, ebenfalls zum Stift zu greifen, sondern das Leben selbst.
Das geht nicht gerade zimperlich mit dem Jungen um. Die Mutter erlitt bereits mit 30 den ersten Herzinfarkt. Als Turgay 13 ist, verliert er seinen Cousin. Einen Freund in der Türkei treibt seine Mittellosigkeit buchstäblich in den Wahnsinn. Beim Tod seines Vaters sitzt Turgay bei ihm am Krankenhausbett. Derartige Erlebnisse hinterlassen Spuren in den Texten: Was einst locker-lustig geriet, wird nun ernsthaft, traurig, stets mit einer Spur Schwermut durchsetzt.
Ab Mitte der 90er greift er selbst zum Mikrofon. Er fühlt sich berufen: "Jeder Mensch hat irgendein Talent von Gott erhalten, der eine kann gut sprühen, der andere predigen, der andere gut rappen", erklärt er im Interview. "Flowen ist easy. Das Ding ist aber: Wer kann heutzutage flowen mit glaubwürdiger Message? Glaub mir, nicht viele, vielleicht gerade mal eine Handvoll." (hamburghiphop.de)
Sein eigenes Durchhaltevermögen empfindet er dabei durchaus als Gewinn: "Obwohl der Lehrer mich damals ziemlich angekotzt hat, hab ich aus eigenem Interesse [...] meinen Abschluss durchgezogen. Im Gegensatz zu vielen anderen damaligen Freunden hab ich nicht abgebrochen und mich verpisst. Heute profitiere ich davon. Rapper brauchen einen gewissen Wortschatz und Horizont."
Turgay K verfügt über beides. 1998 nimmt er sein erstes Tape auf, in den Jahren 2001 bis 2005 folgen unter dem Titel "Melankolik Agressor" eine ganze Reihe als Untergrund-Veröffentlichungen unters Volk gebrachter EPs.
Obwohl er nicht wie Kollegen wie Fuat, Ceza oder Sagopa in den türkischen Presse oder im Fernsehen präsent ist, erfreuen sich seine Tracks auch in der Türkei großer Beliebtheit. Es entwickelt sich ein regelrechter Hype um den Rapper, der aus seiner Kritik an der angeblich korrupten türkischen Musik-Presse keinerlei Hehl macht. Zwischen ihm und Kollegen Sagopa entbrennt deswegen ein mehrere Jahre währender Disput, den Turgay K später in einem Track auf dem Album "Rapstradamus" thematisiert. Das erscheint im Sommer 2008 auf seinem Label Melankolik Agressor Records.
Zuvor fand Turgay K kurzzeitig bei Efeler Entertainment, dem Label Inceefes, ein Zuhause. Das Mitglied der Mitte der 90er Jahre höchst erfolgreichen türkischen Rap-Combo Cartel wurde über einen Magazinbeitrag auf Turgay K aufmerksam: Bei Raportaj fand man einen Track Turgays, den dieser auf seiner Internetseite veröffentlicht hatte, interessant genug, um ihn weiter zu verbreiten.
Inceefe nahm daraufhin Kontakt mit dem Kollegen auf und denselben unter Vertrag. Die Zusammenarbeit trug allerdings keine Früchte. Die Wege trennten sich wenig später in Freundschaft, Turgay K nimmt sein Schicksal in die eigenen Hände. "Ich will türkischsprachigen Rap international bekannt machen", lautet die Mission. "Ich benutze diese Sprache auf der höchsten flow-technischen Ebene, um es den Leuten schmackhaft zu machen und ohne dabei Sinn und Bedeutungen aus dem Auge zu verlieren."
Sein Interesse für Religion und Wissenschaft manifestiert sich im Albumtitel: "Rapstradamus" birgt mit zahlreichen Gastauftritten, unter anderem von Curse, dem Frankfurter Reimroboter Tone, Selfmades Shiml und Prinz Pi, neben pianogeschwängerten, melancholischen Beats und Rap-technischer Versiertheit reichlich lyrischen Tiefgang, der allerdings weitgehend der türkischsprachigen Hörerschaft vorbehalten bleibt.
Turgay Ks Credo gilt jedoch über sämtliche Sprachbarrieren hinweg: "Man kann nur gut sein, wenn man weiß, wovon man spricht. Ein Rapkünstler ohne Wortschatz und Wissen ist wie Tag ohne Nacht.