Temper
Altgedient
- Registriert
- 29. März 2000
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Scharpings Demission war sicherlich ein gutplatzierter Befreiungsschlag mitten in eine der dümmsten Hackfressen der Republik. Leider hackte sie dem Schmutzberg Bundeswehr nur das faulige Haupt ab, obwohl doch jede Hausfrau weiß, daß die Fischsuppe von der Einlage her stinkt. Hier, in den Tiefen der Brühe, muß die Reform ansetzen, hier muß zunächst schonungslos analysiert und dann beinhart umgerührt werden. Unser Militär-Reporter Mario G. bekam dankenswerterweise die unfreiwillige Gelegenheit, auf einer Zugfahrt von Hamburg nach Berlin größere Kontigente der Bundeswehr zu inspizieren. Die Lösungvorschläge des selbsternannten Möchtegern-Clausewitz fielen durchweg vernichtend aus. Aber lesen Sie ruhig wieder selbst:
Tief ausatmend lasse ich mich in die flauschigen, spätachtzigerfarbenen Sessel des Freitagnachmittag-IC "Kurt und Paola Felix" flatschen und packe mein kernliberales Wochenblatt aus. Neben mir sitzt ein ruhiger Geheimratseckenträger, der sich in "Paulus Briefe an die Römer - Erläutert von Adolf Pohl" vertieft hat. Ich zwinkere dem nach Nivea-Creme riechenden Mann Gottes milde zu. Während ich mir gerade einen fanatisch ausgewogenen Beitrag einer Dönhoff-Reinkarnation über die neue Rolle Deutschlands in der Welt zu Gemüte führen will, beziehen zwei junge Menschen auf den Sitzen hinter uns Stellung. Leicht agrammatisch, aber immer schön hart und gehetzt fangen sie an, miteinander zu kommunizieren. Die Sätze ihrer Unterhaltung beginnen und enden meist mit "Alter" dazwischen wurden aufgeregt Belanglosigkeiten an den Mann gebracht, wie als der "Sani" zuviel getrunken hat oder der Unteroffizier gesagt hat "mir platzt gleich der Arsch".
"Aye aye, Sir", dachte ich mitfühlend, sicherlich gehören diese jungen Menschen zu den mental etwas leichter Beschürzten. Aber schön, daß sie bei der Bundeswehr gelandet sind. Dort finden sie bestimmt ihr Auskommen und einen Job mit viel Kameradschaft und frischer Luft. Neuerdings treiben sich da ja auch pummelige Frauen rum, wenn man mal was zum Ehelichen braucht. Alora Jungs, alles in allem, gute Wahl getroffen! Ich nickte mir selbst freundschaftlich für soviel Bonhommie zu und vertiefte mich wieder in mein ultraliberales Wochenblatt.
Kurz darauf startete Musik. An einer Vierersitzgruppe schräg gegenüber vor mir sind weitere Bundis auf Gefechtsstation gegangen und haben kleine Boxen auf das Tischchen gestellt, die voll aufgedreht wurden. "Die Jugend nimmt sich ihr Recht" dachte ich anerkennend. Sicherlich kann man langatmige Rezensionen politischer Bücher viel beschwingter bei Scooter und anderen preiswert klingenden Technokünstlern durcharbeiten, redete ich mir gut zu und krampfte mich lässig wieder in meine Zeitung rein.
Die Jungs hinter mir begannen nun langsam, aber konzertiert, ihren Restintellekt durch Nachstoßen größerer Mengen von Holsten auf das Niveau ihrer Seesäcke herunterzuprügeln. Ab Wittenberge konnten sie nur noch in Satzfragmenten kommunizieren. Es ging wohl um ein Manöver: "Alter, wir zu sechst. Der Hügel hier. Alter, wir also den Hügel gehalten, weeßte, ..." Es begann etwas zu nerven. Ich setzte ein gefrorenes Grinsen auf und versuchte weiter zu lesen. Nichts gegen die Bundeswehr, tolle Sache, viel frische Luft, wie gesagt, aber dass die Freunde aufgrund des Debilenbonus der deutschen Bahn zum kostenlosen IC-fahren ermächtigt sind, stört doch ein wenig. Könnte man die Jungs nicht auch in Regionalexpressen durch die Gegend schaukeln? Besaufen kann man sich doch genauso bei 45 km/h.
Auf der anderen Gangseite saßen auch Bundis, aber eher von der ruhigeren Fraktion, wahrscheinlich Gebirgsjäger oder Minenhunde oder sowas, die schweigsam eine in Mineralwasserflaschen umgefüllte bräunliche Flüssigkeit (Cola, Mezzomix, Bratensoße?) in sich hineinliterten. Einer davon mit einer imposanten Neurodermitis im Gesicht irritierte mich etwas, weil er nicht richtig runterschluckte, sondern immer ein kleines mit Speichel vermengtes Quentchen braunen Saftes nach dem Absetzen über die Lippen den Hals hinab laufen ließ. Es wirkte wie absichtlich, weil er das bei jedem Zug machte: Vielleicht eine spezielle Trinktechnik gegen seine Neurodermitis? Zur Mosquitoabwehr im Felde? Oder um nicht vergewaltigt zu werden, wenn man in russische Kriegsgefangenheit geriet? Sah jedenfalls mächtig eklig aus.
Viele scharfsinnige linke Publizisten halten die Bundeswehr ja für ein Werkzeug wiedergeborener Imperialismusambitionen Deutschlands.
Die Kollegen von der Schlaubergerdivision glauben, daß die "hidden agenda" der Bundeswehr ist, irgendwo einzumarschieren und andere Völker zu knechten und zu unterdrücken. Hihi, möchte ich da mit einem Blick auf den Speichelhermann neben mir vorsichtig anmerken. Das einzige, was der Bundeswehrsoldat an guten Tagen unterdrücken kann, ist der Harndrang, solange die Hose noch an ist. Also, an dieser Front darf man die Bundeswehr sicher auch mal verteidigen: Entwarnung für unsere armen Mitkollegen im Ausland. Der Panzer mit dem eisernen Kreuz wird auch morgen nicht durch Eure Basthütten rollen.
Die Bundis hinter uns waren wieder im Manöver und ahmten jetzt einen Leo zwo nach. Richtig wie kleine Kinder. "Alter, also wir jetze hier. Der Panzer. Wroom. Wroohoom. Weeßte, kommt hier nicht hoch, gräbt sich voll ein, wroomwroom, wroooaamm, wrooaam, Alter." Der Pastor und ich, wir lächelten uns schon nicht mehr so milde zu. Eher als hätten wir auf etwas verdammt Zartbitteres mit viel Blausäure gebissen.
Scharpings Demission war sicherlich ein gutplatzierter Befreiungsschlag mitten in eine der dümmsten Hackfressen der Republik. Leider hackte sie dem Schmutzberg Bundeswehr nur das faulige Haupt ab, obwohl doch jede Hausfrau weiß, daß die Fischsuppe von der Einlage her stinkt. Hier, in den Tiefen der Brühe, muß die Reform ansetzen, hier muß zunächst schonungslos analysiert und dann beinhart umgerührt werden. Unser Militär-Reporter Mario G. bekam dankenswerterweise die unfreiwillige Gelegenheit, auf einer Zugfahrt von Hamburg nach Berlin größere Kontigente der Bundeswehr zu inspizieren. Die Lösungvorschläge des selbsternannten Möchtegern-Clausewitz fielen durchweg vernichtend aus. Aber lesen Sie ruhig wieder selbst:
Tief ausatmend lasse ich mich in die flauschigen, spätachtzigerfarbenen Sessel des Freitagnachmittag-IC "Kurt und Paola Felix" flatschen und packe mein kernliberales Wochenblatt aus. Neben mir sitzt ein ruhiger Geheimratseckenträger, der sich in "Paulus Briefe an die Römer - Erläutert von Adolf Pohl" vertieft hat. Ich zwinkere dem nach Nivea-Creme riechenden Mann Gottes milde zu. Während ich mir gerade einen fanatisch ausgewogenen Beitrag einer Dönhoff-Reinkarnation über die neue Rolle Deutschlands in der Welt zu Gemüte führen will, beziehen zwei junge Menschen auf den Sitzen hinter uns Stellung. Leicht agrammatisch, aber immer schön hart und gehetzt fangen sie an, miteinander zu kommunizieren. Die Sätze ihrer Unterhaltung beginnen und enden meist mit "Alter" dazwischen wurden aufgeregt Belanglosigkeiten an den Mann gebracht, wie als der "Sani" zuviel getrunken hat oder der Unteroffizier gesagt hat "mir platzt gleich der Arsch".
"Aye aye, Sir", dachte ich mitfühlend, sicherlich gehören diese jungen Menschen zu den mental etwas leichter Beschürzten. Aber schön, daß sie bei der Bundeswehr gelandet sind. Dort finden sie bestimmt ihr Auskommen und einen Job mit viel Kameradschaft und frischer Luft. Neuerdings treiben sich da ja auch pummelige Frauen rum, wenn man mal was zum Ehelichen braucht. Alora Jungs, alles in allem, gute Wahl getroffen! Ich nickte mir selbst freundschaftlich für soviel Bonhommie zu und vertiefte mich wieder in mein ultraliberales Wochenblatt.
Kurz darauf startete Musik. An einer Vierersitzgruppe schräg gegenüber vor mir sind weitere Bundis auf Gefechtsstation gegangen und haben kleine Boxen auf das Tischchen gestellt, die voll aufgedreht wurden. "Die Jugend nimmt sich ihr Recht" dachte ich anerkennend. Sicherlich kann man langatmige Rezensionen politischer Bücher viel beschwingter bei Scooter und anderen preiswert klingenden Technokünstlern durcharbeiten, redete ich mir gut zu und krampfte mich lässig wieder in meine Zeitung rein.
Die Jungs hinter mir begannen nun langsam, aber konzertiert, ihren Restintellekt durch Nachstoßen größerer Mengen von Holsten auf das Niveau ihrer Seesäcke herunterzuprügeln. Ab Wittenberge konnten sie nur noch in Satzfragmenten kommunizieren. Es ging wohl um ein Manöver: "Alter, wir zu sechst. Der Hügel hier. Alter, wir also den Hügel gehalten, weeßte, ..." Es begann etwas zu nerven. Ich setzte ein gefrorenes Grinsen auf und versuchte weiter zu lesen. Nichts gegen die Bundeswehr, tolle Sache, viel frische Luft, wie gesagt, aber dass die Freunde aufgrund des Debilenbonus der deutschen Bahn zum kostenlosen IC-fahren ermächtigt sind, stört doch ein wenig. Könnte man die Jungs nicht auch in Regionalexpressen durch die Gegend schaukeln? Besaufen kann man sich doch genauso bei 45 km/h.
Auf der anderen Gangseite saßen auch Bundis, aber eher von der ruhigeren Fraktion, wahrscheinlich Gebirgsjäger oder Minenhunde oder sowas, die schweigsam eine in Mineralwasserflaschen umgefüllte bräunliche Flüssigkeit (Cola, Mezzomix, Bratensoße?) in sich hineinliterten. Einer davon mit einer imposanten Neurodermitis im Gesicht irritierte mich etwas, weil er nicht richtig runterschluckte, sondern immer ein kleines mit Speichel vermengtes Quentchen braunen Saftes nach dem Absetzen über die Lippen den Hals hinab laufen ließ. Es wirkte wie absichtlich, weil er das bei jedem Zug machte: Vielleicht eine spezielle Trinktechnik gegen seine Neurodermitis? Zur Mosquitoabwehr im Felde? Oder um nicht vergewaltigt zu werden, wenn man in russische Kriegsgefangenheit geriet? Sah jedenfalls mächtig eklig aus.
Viele scharfsinnige linke Publizisten halten die Bundeswehr ja für ein Werkzeug wiedergeborener Imperialismusambitionen Deutschlands.
Die Kollegen von der Schlaubergerdivision glauben, daß die "hidden agenda" der Bundeswehr ist, irgendwo einzumarschieren und andere Völker zu knechten und zu unterdrücken. Hihi, möchte ich da mit einem Blick auf den Speichelhermann neben mir vorsichtig anmerken. Das einzige, was der Bundeswehrsoldat an guten Tagen unterdrücken kann, ist der Harndrang, solange die Hose noch an ist. Also, an dieser Front darf man die Bundeswehr sicher auch mal verteidigen: Entwarnung für unsere armen Mitkollegen im Ausland. Der Panzer mit dem eisernen Kreuz wird auch morgen nicht durch Eure Basthütten rollen.
Die Bundis hinter uns waren wieder im Manöver und ahmten jetzt einen Leo zwo nach. Richtig wie kleine Kinder. "Alter, also wir jetze hier. Der Panzer. Wroom. Wroohoom. Weeßte, kommt hier nicht hoch, gräbt sich voll ein, wroomwroom, wroooaamm, wrooaam, Alter." Der Pastor und ich, wir lächelten uns schon nicht mehr so milde zu. Eher als hätten wir auf etwas verdammt Zartbitteres mit viel Blausäure gebissen.