HH- Mopo: Interview mit einem Täter

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Hamburger Morgenpost Online vom 15.08.2000

Zwei Seiten des Hasses - MOPO sprach mit einem
Opfer und einem Täter

"So bin ich da reingeraten"

Viola und Michael. Sie sind fast gleich alt. Die
22-Jährige stammt aus Ghana, der 25-Jährige aus
Mecklenburg- Vorpommern. Sie lebt fast ständig in
der Angst vor ausländerfeindlichen Übergriffen. Er
war jahrelang eine "Glatze", hat Menschen
terrorisiert, weil sie fremd, weil sie anders waren.
In der MOPO berichten beide von ihrem Schicksal:
Sie von dem Rassismus, der ihren Alltag
beherrscht. Er davon, warum er Ausländer hasst
und wie er hineingeriet in die rechte Szene.

E r habe damals überhaupt keine Ahnung gehabt, was
das bedeutet: Nazi sein. Ich wusste gerade mal, dass
Hitler als Alois Schicklgruber zur Welt gekommen ist",
sagt er und grinst. "Auch die Namen Göring und
Goebbels waren mir geläufig. Das war's aber auch."
Dass er trotzdem im Namen des "Führers" mit Fäusten
und Baseballschlägern auf "Zecken" und "Kanacken"
eingeschlagen hat, das begreift er selbst nicht.
"Irgendwie", sagt er, "war das ein Ding der Wende."

Es kann keine Entschuldigung sein, aber zugute halten
muss man es Michael wohl: Leicht hat er es nicht
gehabt. Er wuchs in Neustrelitz auf, einer Kleinstadt in
Mecklenburg-Vorpommern. Er wurde vom DDR-Regime
dazu erzogen, im Gleichschritt zu denken und zu
marschieren. Und weil in der DDR Individualität nichts,
die Gemeinschaft aber alles war, hatte er nach dem
Zusammenbruch das Bedürfnis nach einer neuen
Gemeinschaft. Der Zufall wollte es, dass es die Glatzen
waren.

Mit verklärtem Blick schaut er zurück: "Damals, zur
,Zonenzeit', da hat es soziale Bindungen gegeben, da
hatte ich eine Aufgabe und etwas zu tun. Da war der
Jugendclub, da waren Arbeitsgemeinschaften und da
war vor allem der Fußball." Ja, ein wirklich guter Spieler
sei er gewesen. "Für 1,10 Mark Mitgliedsbeitrag haben
wir alles gekriegt. Die haben uns die Trikots gestellt, die
Fußballschuhe und bei Auswärtsspielen sogar das
Fahrgeld."

Nach der Wende war es damit vorbei. Nur eins war
noch wie zuvor: das schlechte Verhältnis zur Mutter.
"Die habe ich nie geliebt", sagt er, "die hasse ich bis
heute." Immer nur die Leistungen des kleineren Bruders
seien anerkannt worden. "Dabei habe ich immer das mir
Mögliche getan. Aber für Mutter war es nie gut genug."

Dass 1992 auch noch Tante Anna, die so etwas wie
seine Ersatzmutter war, an Krebs starb, gab ihm den
Rest. Er schloss sich den Hooligans an, fuhr mit ihnen
zu jedem Hansa-Rostock-Spiel. "Unser Stadion-Ruf war
,Ut, ut, Utländer rut!'", erzählt er und schüttelt mit dem
Kopf: "Dabei war die Zahl der Ausländer in
Mecklenburg-Vorpommern zu jener Zeit verschwindend
gering."

Michael ist so weit, dass er durchschaut, was damals
in ihm und seinesgleichen vorgegangen ist. "Vor der
Wende bekriegten sich Popper und Heavy-Metal-Fans.
Nach der Wende hieß es Rechts gegen Links." Dann
schmunzelt er und sagt: "Es hätte auch Grün gegen
Blau sein können oder Schlosser gegen Elektriker."
Jeder habe zu irgendwas gehören müssen. "Neutral gab
es nicht."

Sein Schlüsselerlebnis war der Sonntag, an dem er in
Neustrelitz ein Billard-Café besuchte. Er trug die Haare
schon kurz geschoren. Als er das Lokal verließ,
lauerten ihm "Zecken" auf, Mitglieder der linken Gang,
und vertrimmten ihn furchtbar. Das war der Moment, in
dem Michael wusste, wohin er gehört.

Die Stiefel auf Hochglanz geputzt, die Hosen
umgekrempelt, die Glatze schön poliert - so trafen sich
die Mitglieder von Michaels "Club" täglich in einem
kleinen Park. "Da haben wir abgehangen und was
getrunken. Und dann sind wir losgezogen und haben die
Clubs der Linken gestürmt."

Außer den "Zecken" waren die so genannten "Fidschis"
die Lieblingsopfer der Rechten - Bürger aus der
Volksrepublik Vietnam, die in der DDR als Gastarbeiter
gelebt hatten und sich nach der Wende mit dem
Verkauf von unversteuerten Zigaretten über Wasser
hielten. "Wenn einer von uns kam und sagte, die
Fidschis verkaufen wieder, dann haben wir uns
aufgeteilt und sind von drei, vier Seiten auf die los",
erzählt Michael. "Regelmäßig nach einer halben Stunde
bekamen wir dann Besuch von der Polizei. Ob jemand
von uns in der Innenstadt gewesen sei?" Michael lacht:
"War natürlich keiner."

Eines Tages bekam ein Mitglied aus Michaels Gruppe
einen Anruf von Skinheads aus Fürstenwalde: "Am
Freitag geht's in Rostock-Lichtenhagen ab." Wie ein
Lauffeuer ging die Information in der Szene rum, und so
kam es 1992 zu den bis dahin schlimmsten
Ausschreitungen überhaupt. Brandsätze wurden auf
eine Asylbewerberunterkunft geworfen, und die
deutschen Nachbarn klatschten Beifall. "Als die Bullen
kamen", erzählt Michael mit einem Glänzen in den
Augen, "haben wir Barrikaden gebaut, Steine
geschmissen. Das war wie..." Wie Weihnachten und
Silvester zusammen? "Na ja, für mich war's jedenfalls
befriedigend."

Michaels Haare sind wieder länger. Er ist heute 25
Jahre alt. Er lebt seit 1996 in Hamburg, macht eine
kaufmännische Ausbildung. Aus der NPD ist er
ausgetreten, von der Neonazi-Szene hat er sich gelöst.
Nicht aber vom rechten Gedankengut. Der Hass gegen
Ausländer ist noch da. "Die verkaufen Drogen, sind laut
und nehmen uns die Arbeit weg", sagt er.

Dabei weiß er ganz genau, woher diese Vorurteile
kommen. "Wir in der DDR kannten das einfach nicht",
sagt er. "Die paar Ausländer, die es bei uns gab, lebten
isoliert in ihren Wohnheimen. Wir haben einfach nicht
gelernt, mit denen auszukommen."

Olaf Wunder
 
Naja typisch würd ich mal sagen. Aber ich versteh es trotzdem nicht. Ich bin 77 in der DDR geboren, habe also meine Kindheit auch in der DDR erlebt, habe den Großteil meines Lebens in den zu DDR-Zeiten luxuriösen Plattenbauten gewohnt, hab die selbe Erzeihung von Schule+Staat durchgemacht, bin in das selbe Loch gefallen nach der Wende,
UND ICH BIN KEIN NAZI, RECHTSRADIKALER ODER SO ETWAS IN DER ART GEWORDEN!!!
Diese ewig selben Begründungen, für mich nur ein Beweis von Suche nach Ausreden, Klammern an winzige Fetzen von irgendwas. Wer genügend Selbstbewußtsein, Menschenverstand und Allgemeinbildung hatte und sich beschäftigen konnte, der konnte auch kein Dummbrot werden. Es kotzt mich einfach nur an, das DDR-System und die Wende als Ausrede oder persönliche Argumentation für seine Fehler zu benutzen!!!
(Dies soll keine Lobhymne an die DDR sein.)
 
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