Deutsche Diplomaten in den arabischen Ländern müssen sich nun anhören, dass sie das Leid der Menschen in Gaza nicht sehen. Sie erwidern dann: Seht ihr denn das Leid, das die Hamas den israelischen Frauen und Kindern angetan hat? Gerade erst musste der deutsche Gesandte für die Palästinensergebiete vor einer aufgebrachten Menge nahe Ramallah flüchten. Manche Diplomaten spüren, wie die Beziehungen in den arabischen Ländern, die über Jahrzehnte mit der Zivilgesellschaft aufgebaut worden sind, zerbröseln: Man laufe gegen eine Wand der Antipathie. Die Diplomaten sollen Deutschlands Politik erklären, die sie manchmal selbst nicht mehr verstehen. Mehr als 800 Regierungsbeamte in Europa und den USA haben sich in einer anonymen Petition gegen die Unterstützung ihrer Regierungen für Israel gewandt, weil sie verheerend sei für die Menschenrechte und das Ansehen ihrer Länder zerstöre. Auch Diplomaten aus Deutschland sind dabei. Arabische NGOs wenden sich ab, manche wollen kein Geld mehr aus Deutschland. Oder ihnen wird Geld entzogen, wie einer ägyptischen Frauen-NGO, die ein Programm gegen Menschenhandel unterhielt – doch die Vorsitzende hatte einen Appell unterzeichnet, Israel zu boykottieren und zu sanktionieren.
In Deutschland sind laut Politbarometer 69 Prozent der Deutschen der Meinung, das israelische Vorgehen im Gazastreifen sei angesichts der vielen zivilen Opfer nicht gerechtfertigt. Palästinenser in Gaza haben einen Eilantrag gestellt, damit die Bundesregierung die Genehmigung von Waffenlieferungen an Israel stoppt; zuvor wurden deutsche Regierungsbeamte wegen "Beihilfe zum Genozid" verklagt.
Baerbock sieht sich nun im Kampf um Narrative. Also spricht sie von den israelischen Geiseln in den Händen der Hamas und von den Opfern in Gaza. Von dem Schmerz da wie dort. Von dem Recht auf Selbstverteidigung undvon ihren Grenzen, die mit einer Offensive in Rafah überschritten wären. Als wäre sie nicht Außenministerin mit Handlungsmöglichkeiten, sondern eine besorgte Beobachterin.