Info Tiefenstaffelung

RichnFoolish

Frischling
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6. August 2013
Beiträge
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Hey, da mir immerwieder auffällt, dass Tiefenstaffelung für viele immernoch ein Mysterium zu sein scheint, habe ich mal etwas dazu geschrieben. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen ja weiter ;-)

Tiefenstaffelung - akustische und technische Grundlagen
Wie wir alle wissen, können Signale im Stereobild unterschiedlich positioniert werden. Das
bekannteste Mittel hierfür ist der Panorama-Regler. Dieser bietet die Möglichkeit, ein
Signal stärker auf den linken oder rechten Kanal zu schicken. Bei der Wiedergabe über ein
Stereo-System liegt das Signal also stärker auf dem linken oder rechten Lautsprecher an.
Somit erhält der Zuhörer den Eindruck, das Signal befinde sich mehr oder weniger weit
links oder rechts von ihm. Dieser Effekt lässt sich auch durch Laufzeitunterschiede
zwischen dem linken und rechten Kanal erreichen oder verstärken. Wenn das Signal das
rechte Ohr eher erreicht als das linke, so entsteht der Eindruck, das Signal käme von
rechts, und andersherum.
Eine weitere Methode Signale zu positionieren ist die Tiefenstaffelung. Bei der
Tiefenstaffelung geht es darum, bei dem Zuhörer den Eindruck zu erwecken, er sei näher
oder weiter von der Signalquelle entfernt. Wie funktioniert diese Tiefenstaffelung im
Stereo-Mix? Schließlich haben wir nur zwei Lautsprecher links und rechts vor uns zur
Verfügung, aber keine weiteren vor oder gar hinter uns wie bei Surround-Systemen. Also
können wir eine Tiefenstaffelung nicht dadurch erreichen, dass wir Signale mehr oder
weniger stark auf unterschiedliche Kanäle aussteuern, wie bei der Links-Rechts-
Positionierung. Auch die Möglichkeit mit Laufzeitunterschieden zwischen
unterschiedlichen Kanälen zu arbeiten fällt weg.
Überlegen wir also zunächst, was unterschiedlich weit entfernte Klangquellen bei uns für
unterschiedliche Sinneseindrücke bewirken. Dann können wir diese später im Mix
simulieren.
Erster und wichtigster Unterschied ist die Lautstärke. Zum Beispiel nehmen wir eine zwei
Meter entfernte Trompete lauter wahr, als eine 10 Meter entfernte. Ausserdem ändert sich
abhängig von der Entfernung der Signalquelle der Frequenzgang des Signals - das Signal
wird dumpfer je weiter seine Quelle entfernt ist. Das liegt an der Dämpfung hoher
Frequenzen durch die Luftabsorption. In einem theoretisch angenommenen
reflexionsfreien Umfeld, sind die Änderungen des Pegels und des Frequenzgangs die
einzigen entfernungsabhängigen Phänomene. Dieses theoretisch angenommene
reflexionsfreie Umfeld gibt es allerdings in der Praxis nicht. Deswegen kommen noch
weitere, reflexionsbedingte Phänomene hinzu. So spielt bei der Tiefenwahrnehmung das
Verhältnis von Direkt- zu Diffusschall eine wichtige Rolle: Je näher eine Signalquelle,
desto höher ist der Anteil des Direktschalls, d.h. des Schalls, der auf direktem Weg das
Gehör erreicht. Je weiter eine Signalquelle entfernt ist, desto höher ist der Anteil des
Diffusschalls, d.h. des Schalls, der über den Umweg der Reflexion (von z.B. Wänden) das
Gehör erreicht. Ausserdem ändert sich mit der Entfernung der Signalquelle auch die
Phasenlage der Reflexionen zu der des Direktschalls - mit zunehmender Entfernung
nähert sie sich an.
Jetzt kennen wir die akustischen Phänomene die für die Tiefenwahrnehmung
entscheidend sind. Diese habe ich hier nocheinmal in Stichpunkten zusammengefasst:
- Pegel (hoch=nah, niedrig=weit)
- Höhenanteil (hoch=nah, niedrig=weit)
- Diffusschallanteil (hoch=weit, niedrig=nah)
- Phasenlage der Reflexionen zum Direktschall
(geringe Differenz=weit, hohe Differenz=nah)
Jetzt können wir beginnen, diese natürlichen Phänomene mit technischen Mitteln
nachzuahmen. Die ersten beiden Punkte (Pegel u. Höhenanteil) sind schnell umgesetzt.
Den Pegel passen wir mit dem entsprechenden Kanal-Fader an. Den Höhenanteil regeln
wir mit einem EQ – am besten mit einem Hi-Shelv-Filter.
Um die beiden reflexions-bedingten Aspekte technisch umzusetzen, benötigen wir ein
Hallgerät. Wird das Hallgerät über einen AUX-Weg beschickt, so regelt der Send-Pegel
(natürlich auch der AUX-Return) den Diffusschallanteil. Wird das Hallgerät als Insert-Effekt
benutzt, so übernimmt diese Aufgabe der Dry/Wet-Regler. Die Phasenlage der
Reflexionen zum Direktschall lässt sich bei den meisten Hallgeräten über den Decay-
Regler eingestellen. Unterschiedliche Hallgeräte bieten hier verschiedene, unterschiedlich
komplexe Möglichkeiten. Bei Hallgeräten die nichteinmal einen Decay-Regler besitzen
besteht die Möglichkeit das gesamte Hallsignal mittels Delay zu verzögern.
Die Tiefenstaffelung lässt sich also mit ganz einfachen technischen Mitteln umsetzen. Hier
auch nochmal die technische Umsetzung in Stichpunkten:
- Kanal-Fader (regelt Pegelunterschiede)
- EQ/Hi-Shelv-Filter (regelt Höhenanteil)
- Send-Pegel oder Dry/Wet-Regler (regelt Diffusschallanteil)
- Decay (regelt Phasenlage der Reflexionen)
Soweit die theoretischen Grundlagen. Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren - denn
Übung macht bekanntlich den Meister.
 
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