Leider befällt mich bei jeder Veröffentlichung des Kalibers "Saadcore" eine bleierne Erschöpfung. Warum sich immer neue Formulierungen für die immer gleiche "Ich ****' deine Mutter, keiner rappt wie ich"-Grütze über meist mehr als ordentlichen Beats aus dem Hut ziehen, wenn sich der ... nennen wir ihn mal "Künstler" offensichtlich keinerlei Mühe macht, auch nur einen Hauch Interessantes oder gar Neues zu erzählen?
"Nimm dich in Acht, Mann, der Pate ist da." Donner, Regen, Schüsse. Auch ein noch so druckvoller Bass aus dem Hause Screwaholic kratzt nicht am sich bereits im "Intro" manifestierenden Eindruck des tausendfach Gehörten. In völlig unbewegter Tonlage, die er ungeachtet der jeweils behandelten Thematik über die volle Longplayer-Distanz zieht, verspricht Saad gleichermaßen meiner Mutter und den Köpfen meiner Kinder Geschlechtsverkehr. "Da wird geschossen, bis kein Rapper übrig bleibt." Ich ertappe mich bei der Grübelei, ob ich derlei tatsächlich beweinen würde.
"Halt deine Fresse, *****nsohn, Baba Saad ist jetzt dran." Screwaholics Bässe pumpen ohne Fehl und Tadel weiter durch "Straßenpolitik". Dezenter dosierte Streicher aus der Schublade "melancholisch-kitschig" hätten es allerdings auch getan. "Der Streetpate kommt und bringt Deutschrap ins Ghetto." Hoffentlich hat mein Gähnen nicht den Tritt vor die Schienbeine von Samy Deluxe und Aggro Berlin übertönt - und hoffentlich ist man wenigstens dort noch wach.
"Drei Leute sind begeistert, ich bin einer davon." Üppig, üppig. Im Schulterschluss mit den Labelgenossen Bushido und D-Bo kommt in "Drei" wenigstens etwas Abwechslung in den Rap, dem inhaltlich jedoch jeglicher Gehalt abgeht. "Der Gangster aus dem Norden ... er haucht Deutschrap wieder Leben ein." Solidarität unter Labelbrüdern schön und gut.
Angesichts der gebotenen Skills verraten solche Aussagen ("Kuck mich jetzt an, aus mir wird was, ich bin einer der drei besten Rapper Deutschlands" aus "Zeig Mir Deine Freunde") aber eine derart krasse Verkennung der Tatsachen, dass mir die Spucke wegbleibt. Steilvorlagen wie "Hab' geschrieben und geschrieben, bis in mei'm Kopf nix mehr übrig geblieben ist" ("Drei") oder "Nicht mal meine kleinen Geschwister nehmen mich ernst" ("Das Leben Ist So"), die verwandle, wer will.
Was ein echt hartes Straßenrap-Album sein will, braucht neben Gepose mit Knarren, der Koksdealervergangenheit und dem eigenen Genital natürlich eine Ode an die ferne Heimat ("Beirut"). Hätte sich ein Fler Zeilen wie "Mein Heimatland, mein ganzer Stolz, meine Herkunft, die Erde, wo ich herkomme" gestattet, die Wellen der Empörung mag ich mir gar nicht vorstellen.
Ob "Deutschland, Deutschland!" oder "Libanon, Libanon, Habibi!" - in meinen Ohren hat derlei patriotisches Phrasengedresche überall und immer einen dümmlich volkstümelnden Beigeschmack, der in seiner Zopfigkeit nur noch von Knallern wie "Mein Schwanz gehört dem Rap wie die Frau in eine Küche" übertroffen wird. Jungs, wenn Ihr so gar nichts dazu lernen wollt, dann geht doch bitte wieder mit der Steinschleuder auf Mammutjagd, ja?
Die Frau, die sich in die Küche stellen möge, muss man ja erst einmal finden. "Jamila" hatte offensichtlich wenig Bock, sich zum Putzfeudel schwingenden Heimchen degradieren zu lassen, was sie selbstredend von der angebeteten Traumfrau zur Schlampe und Zielscheibe sämtlicher gekränkter Buben-Eitelkeiten mutieren lässt. Und auch die (natürlich begleitet von Streicherklängen) mit "Ich lieb' nur dich, du bist mein Schutzengel" angeschmachtete Lady aus "Alles Wegen Dir" war wohl schlau genug, sich keinen überkommenen Lebensentwurf ans Bein zu binden. Vielleicht musste sie aber auch nur über das Bekenntnis "Etwas Besseres als Dich (sic!) kann mir nicht passieren" ähnlich schäbig grinsen wie ich.
Lediglich "Das Leben Ist So" birgt Ansätze einer Geschichte und so etwas Ähnliches wie eine unerwartete Wendung. Ansonsten ziehe ich das bisschen Lustgewinn, das ich "Saadcore" abzuringen vermag, einzig aus den Beats. Decays Instrumental zu "The Smog" marschiert wahrhaft unaufhaltsam voran. Chakuza und DJ Stickle unterlegen die Single "Regen" mit einem sich abwechslungsreich entwickelnden Stück Musik.
Screwaholic beherrscht die wuchtigen Bässe, B. Bazzazian kontrastiert ebensolche mit filigranem Oberbau. Der orientalische Einschlag steht "Jamila" und "Beirut" vergleichbar gut zu Gesicht, und dem wundervoll fließenden Piano aus Cradas "Zeig Mir Deine Freunde" macht wirklich nur das triefende R'n'B-Gejodle der Hookline den Garaus. Wenigstens das hätte einem erspart bleiben können.