ASD - Wer hätte das gedacht? (2003)
Wer hätte das gedacht? - Hm, keine Ahnung... wie groß die Überraschung über die Kombo 2003 wirklich war, weiß ich nicht mehr (oder hatte es garnicht mitbekommen, 2003 pumpte man natürlich BBX etc. und hörte bei Sell Out Samy nur heimlich ein wenig rein. Ich kannte das Album auch bis letzte Woche garnicht komplett, hatte nur ca. die Hälfte der Tracks von P2P Tauschbörsen). Sicherlich gab es jedoch Kollabos, die man eher erwartet hätte. Ferris MC sagte zu Mongo Clikke-Zeiten beispielsweise, er würde gerne wie Red und Meth ein Album mit Samy zusammen machen. Ebenso der bis dahin vermutlich häufigste Feature-Partner von Samy, sein Förderer Eisfeld65, wäre wohl naheliegender gewesen. Auch bei Afrob hätte man eher Ferris, einen Kolchose-Vertreter oder vielleicht auch die Spezializtz erwartet. Von Samy und Afrob gab es bis dahin soweit ich weiß drei gemeinsame Stücke: Ein Feature auf Samys Solo-Debut, das Brothers Keepers Projekt und die KC Da Rookee Single 4 Fists mit den beiden ASDlern plus D-Flame.
Das (va für die damalige Zeit aber auch heute noch) untypische an dem Kollabo Album: Für die Beats wurde verstärkt auf ausländische und besonders auf us-amerikanische Produzenten gesetzt. Samy begründete das damals so: Anfangs seien im deutschen Rap die Producer den Rappern voraus gewesen, nun seien jedoch die Rapper weiter, also müsse man Beats importieren.
Gelohnt hat es sich - das Album hat einige starke Beats, die Samys Solo-Debut gebraucht hätte und geht schon ein wenig in die Richtung seines nächsten Solo Werks. Die meisten Titel setzen auf eingängige, eher synthielastige Instrumentals, die damals so in der Art in New York angesagt waren. Häufig geht es in die Party-/Club-/Livetauglich-Richtung.
Etwas aus der Reihe fallen die sehr eigen klingenden Produktionen des Detroiter Wajeed (va der Titeltrack und die starke dritte Single Hey Du), die auf rumpelige 4 to the Floor Drums und sphärische Klänge setzen und einen fast schon hypnotischen Vibe austrahlen ("Lasst euch vom Sound hypnotiser'n").
Die prominentesten Namen sind natürlich Diamond D und J Dilla (der damals jedoch noch nicht den späteren "J Dilla changed my Life" Status hatte); wobei deren Beiträge eher enttäuschende Durchschhnittskost sind. Diamond D produzierte die zweite (kommerziell gefloppte) Single Sag mir wo die Party ist, die mit der todesnervigen Geschrei-Hook zum Totalausfall wurde; und J Dilla produzierte Komm Schon sowie eine Art Remix von Hey Du (aber mit neuen Texten und neuer Hook), die nur auf der Special Edition erschien aber eher zu überzeugen weiß als der Titel auf der Standardversion.
Ganz solide Kost kommt vom New Yorker DR Period, DJ Desue und dem Kroaten Baby Dooks. Mehrere Songs stammen ferner von Jontae Slade + Miles Lewis, die wohl auch aus den Staaten kommen aber - zumindesst unter dem Namen - sonst nix erwähnenswertes vorzuweisen haben.
Den größten Hit der Platte, die erste Single Sneak Preview, produzierte der Schweizer Yvan Jacquemet (auch als Peacemaker bekannt), der ein Jahr zuvor schon den Top 5 Hit Cruisen von Afrobs Kolchose-Kollegen gebaut hatte. Die Zusammenarbeit lief über Afrob, Yvan hatte bereits auf dessen zweiten Album mitgemischt, ua bei der als Single ausgekoppelten D-Flame Kollabo Öffne die Augen.
Dass das zweite Album von Afrob nicht an den Erfolg des Erstlings anknüpfen konnte, wird ua von ihm selbst meist dadurch erklärt, dass man den Get Up-Reime Monster-Partyrapper erwartet hatte, und dann ein politisches Album bekam. Ich glaube aber eher, dass das Album nicht so gut ankam, weil die falsche Debut-Single gewählt wurde und die synthielastigen Beats damals noch zu ungewohnt für den deutschen Markt waren. Zwei jahre später sah das aber anders aus und der orientalisch angehauchte Synthie Banger Sneak Preview kletterte bis auf Platz 12 (Samys höchste Single-Platzierung nach Weck mich auf) und ließ Wer hätte das gedacht? auf der 5 einsteigen.
Der Representer lässt auch heutzutage noch live das Publikum durchdrehen. Afrob und Samy rappen dabei abwechselnd Zweizeiler - dass sie sich die Strophen in der Form teilen statt jeder einen 16er zu übernehmen passiert ziemlich häufig auf dem Album.
Was die Raps betrifft wurde in den Reviews aus der Zeit bemängelt, dass Afrob gegenüber Samy Deluxe skillstechnisch abfalle, worunter die Harmonie zwischen den beiden leide. Ich finde aber, dass sich die beiden gut ergänzen. Während Samy flowtechnisch - wie 2003 der eine oder andere noch sagte - derbe abstylte (ohne in zu übertriebene verstellte Stimme-Überbetonungs-Genuschel Bereiche abzudriften), kommt Afrob sehr geradlinig und meist mit sehr viel Power daher. Wenn, dann fällt er eher bei den Texten ab, die oft sehr simpel gehalten sind und wenig wert auf Reime oder Punchlines legen ("das ist der Sound und er kommt von allen Seiten/ da kann man nicht streiten/ das dürft ihr hypen/"). Wobei auch viele Texte von Samy eher nach sehr schnell runtergeschrieben klingen. Man hat den Eindruck, dass das Album in relativ kurzer Zeit entstanden ist und der Fokus va auf dem dicken Sound und der Live-Kompatibilität lag. Jenseits der Parts liefert Afrob einige einprägsame Hooks ab (Sandman, African Riddim).
Inhaltlich passiert auf dem Album nicht viel. Die allermeisten Tracks liegen im Battle-/Representer-Bereich, wobei auch immer wieder mal Zeilen über Alltagsthemen oder "sozialkritische" Stellen mit einfließen. Den Samy-typischen Querdenker-Song gegen Medien, Bonzen, Lobbyisten und Politiker gibt es hier aber ausnahmsweise mal nicht. Abwechslung gibt es durch den (wie gesagt missglückten) Party-Kracher-Versuch Sag mir wo die Party ist, das nachdenklich-entspannte Hey Du (mit Eimsbüttel- und Kolchose-Referenzen) sowie den Track mit dem selbsterklärenden Titel Vaterlos, bei dem D-Flame mit von der Partie ist. Weitere Features kommen von Dean Dawson, der eine unkonventionelle aber eingängige Hook beisteuert und Samys damaliger Noch-Ehefrau Brooke Russel, die eine Hook singt sowie das Outro dominiert. Folgt man dem Samy Part auf Vaterlos, war die Ehe damals allerdings schon gescheitert ("Und ich denk scheiße ich liege wieder hier allein in mein'm Bett/ Ohne Frau, Sohn oder Vater und der Kreis ist komplett/").
Hits: Sneak Preview, Hey Du, Sandman, Wer hätte das gedacht, ASD
Flop: Sag mir wo die Party ist
Fazit: Das Kollabo Projekt überzeugt mit wuchtiger zeitgenössicher Produktion und energiegeladenen Raps, die sicherlich live sehr gut funktionierten. Inhaltich bleibt es größtenteils eher flach und wirkliche Highlights wie Sneak Preview sind letztlich für ein wirkliches Spitzenrelease zu wenige dabei - allerdings gibt es auch nur einen richtigen Ausfall.
6.5/10