pokusa
Platin Status
- Registriert
- 7. August 2011
- Beiträge
- 7.045
Mit Identitätspolitik gewinnt man in Deutschland auch keine Wahlen. Die paar woken Twitter-Studenten wählen entweder die Grünen, wenn sie sich v.a. fürs Klima engagieren, oder die Linke, wenn ihnen radikale Umverteilungsmaßnahmen und Frieden vorschweben. Oder halt irgendwelche Kleinparteien.
"Identitätspolitik" ist im Grunde genommen doch eine alt-linke Denkrichtung, die - auf ein Wort heruntergebrochen - Gleichheit anstrebt, zumindest bedingungslose Empathie. Das Problem an der Sache ist (wie so oft), dass sich die neue Generation an vermeintlich Intellektuellen, zumindest sozialwissenschaftlich Studierten, an den Auswüchsen dieses Themenkomplexes abarbeiten und vermutlich aufgrund mangelnder Nähe zum tatsächlich realen Leben das große Ganze gar nicht mehr betrachten können oder wollen. Was bringt Idealismus, wenn Realpolitik auf der Strecke bleibt? Und wie konnte es in der SPD überhaupt soweit kommen?
Thierse ist ein erfahrener, progressiver, intelligenter Mann, der ganz richtig erkannt hat, dass die Diskussionen, die so in der Art vornehmlich auf Twitter geführt werden, nichts anderes bewirken als Spaltung. Die tatsächlich greifbaren Themen, mit denen sich Wahlkampf betreiben lässt, werden außer Acht gelassen bzw. ganz beiläufig erwähnt. Er verwendet halt recht überholtes Vokabular wie "Umverteilung" etc., was womöglich bei den "jungen" Leuten auf Abneigung stößt, da es nicht woken genug formuliert ist. Aber schlussendlich geht es doch (immer noch) darum.
Was man ihm ankreiden kann ist, dass er von einer sich entwickelnden pluralen Gesellschaft spricht. Die ist aber schon seit Jahrzehnten Realität. Es wird Zeit, dass vor allem mal die SPD diese verschleppten Probleme lösungsorientiert angeht, aber ob das mit dieser ach so zukunftsgewandten Parteispitze überhaupt möglich ist? Kühnert ist ja derzeit eher damit beschäftigt, sich bei irgendwelchen Bewegungen anzubiedern - auf Kosten verdienter Partei-Legenden.
Es ist auf jeden Fall bezeichnend, dass die SPD mitten im Wahlkampf quasi einen Diskurs mit sich selbst führt und sich der einfache Wähler dabei nichts weiter als verarscht vorkommt. Menschen haben während der Pandemie mit existenziellen Problemen und Fragen zu kämpfen und ausgerechnet die SPD ist dieser Tage ausschließlich mit dem leidigen Diversitäts-Thema in den Zeitungen vertreten. Großes Kino mal wieder.