Chili in die Wunden gestreut
Augsburg
Von Hans Holzhaider
Ein 41-Jähriger gesteht die brutale Misshandlung seiner Kinder - und kommt mit zwei Jahren auf Bewährung davon.
Augsburg Urteil, dpa
Zur Strafe streue ein Vater seinen Kindern Chili in die Wunden. (Foto: dpa)
"Dieses Urteil", sagt der Vorsitzende Richter Bernhard Kugler, "hört sich natürlich auf den ersten Blick völlig unverständlich an." Soeben hat das Jugendschöffengericht Augsburg den 41-jährigen Aboubacar S. zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, und das angesichts einer Anklage, von der der Richter selbst sagt, sie lasse einem "die Haare zu Berge stehen".
Über Jahre hinweg soll der Angeklagte, der 1993 als Asylbewerber aus Togo kam, mittlerweile aber deutscher Staatsbürger geworden ist, seine heute 15 und 17 Jahre alten Söhne massiv misshandelt haben. Von Schlägen mit den verschiedensten Instrumenten ist in der Anklage die Rede - von der Kleiderstange über einen Aschenbecher bis zu Schraubenzieher und Stromkabel.
Einer der Söhne musste stundenlang nackt im Garten im Regen stehen, weil er beim Umzug nicht eifrig genug beim Tragen geholfen hatte. Einem schlug er die Stirn so heftig auf die Tischkante, dass er eine Platzwunde davontrug. Einmal schnitt er beiden Buben mit einer Rasierklinge eine Fingerkuppe auf, rieb Chilipulver in die Wunden und klebte auch noch ein Pflaster darüber, damit die Kinder es nicht abspülen konnten.
Und einmal ließ er die Buben mehr als eine Stunde lang auf scharfkantigen Flaschenverschlüssen knien, sodass die Haut auf den Knien abstarb und sie zwei Tage lang kaum noch laufen konnten.
"Das hat nichts mehr mit falsch verstandener Erziehung zu tun", sagte Richter Kugler, "das geht eher in Richtung Foltermethoden."
Das Motiv bleibt unklar
Und dann nur zwei Jahre Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden? Das hat Aboubacar S. dem sogenannten Deal zu verdanken - einem Instrument, das an deutschen Gerichten immer beliebter wird.
Legst du ein volles Geständnis ab, dann bekommst du ein mildes Urteil, lautet der Handel. In diesem Fall hat sich das Gericht darauf eingelassen, weil dadurch den beiden Jugendlichen erspart wird, vor Gericht gegen ihren Vater aussagen zu müssen.
Die beiden Jungen sind, nachdem sie ein Jahr lang in einem Heim untergebracht waren, wieder zurück in ihrer Familie, und man kann im Gerichtssaal beobachten, dass sie sich durchaus für ihren Vater einsetzen. Der eine versucht, seinen Vater vor den Pressefotografen zu beschützen, der andere legt ihm in einer Verhandlungspause fürsorglich die Arme um die Schultern.
Eine Sozialpädagogin berichtet, die Verhältnisse in der Familie seien mittlerweile geradezu vorbildlich, es herrsche ein angenehmer Ton zwischen Eltern und Kindern, nie habe sie erlebt, dass der Vater laut oder gar gewalttätig geworden sei.
Verteidiger Reinhard Baade weiß, dass die beiden Buben während des Heimaufenthalts einmal nach Hause abgehauen sind und dass die Polizei sie nur mit körperlicher Gewalt zurück ins Heim bringen konnte.
Woher aber kam dann die exzessive Gewalt, mit der Aboubacar S. seine beiden Söhne behandelt hat? Das bleibt im Dunkeln, denn das gnädige Gericht erspart dem Angeklagten jede Äußerung über seine Motive.
Das Geständnis, das zur Bedingung für die milde Strafe gemacht wurde, sieht so aus, dass der Verteidiger namens seines Mandanten vorträgt, er räume alles vollumfänglich ein, es tue ihm leid, er habe seine Kinder sehr gern, und die Haft (eine Nacht in der Arrestzelle) sei ihm eine große Lehre gewesen.
Danach haben weder der Richter, noch die Schöffen, die Staatsanwältin und der Verteidiger irgendwelche Fragen.
Staatsanwältin Alexandra Körner ist sehr bemüht, möglichst viele mildernde Umstände zusammenzutragen, um ihren absprachegemäß milden Strafantrag zu rechtfertigen. Etwas eigenartig nimmt sich dabei das Argument aus,
die "Grundlage der Taten" sei im "kulturellen Unterschied" zu suchen. Man möchte doch annehmen, dass es auch in Togo nicht üblich ist, seine Kinder sadistisch zu misshandeln.
Von einer Geldauflage - 2000 Euro hatte die Staatsanwältin gefordert - sieht das Gericht ab; bei einem Monatseinkommen von 900 Euro, sagt Richter Kugler, würden damit doch nur wieder die Kinder bestraft. Stattdessen muss Aboubacar S. 240 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/bayern/936/481408/text/