Fabufab - Des Admirals Seemannsgarn

Fortsetzung Teil 18

Roberto hatte in der Zeit weiter lustig vor sich hin gequasselt und machte uns dann so ganz nebenbei ein recht großzügiges Angebot: Er lud uns kurzerhand ein, vorerst bei ihm in seiner Wohnung auf Margarita, die er inbrünstig als Fünf-Sterne Hotel anpries, unterzukommen. Wir waren natürlich überrascht über dieses unvermutete und freizügige Angebot und nahmen diese Einladung nach sehr kurzer Bedenkpause auch an, nicht zuletzt weil unsere Reisekasse uns flehentlich zuschrie, nicht wieder Geld für unnötig teure Unterkünfte wegzuschleudern und ihr doch lieber eine wohlverdiente Reha in Robertos Palast zu gönnen.
Er freute sich, uns als Gäste empfangen zu können und machte sich sogleich mit frisch aufgetanktem Enthusiasmus erneut auf Erkundungsgang nach den Tickets.
Gegen Mittag, nachdem wir uns an die sechs Stunden in der festbetonierten Schlange die Beine verkürzt hatten, kam dann endlich Bewegung am Schalter auf und Roberto verkündete stolz, dass der Bus, auf den alle gewartet hatten, endlich bereit stand und er es vorsah, der Einfachheit halber unsere Fahrscheine mitzukaufen und wir ihm dafür das Geld geben sollten. Da ich wie stets der gewissenhafte Schatzmeister war, klebte das Geld zwar kurz an meinen Fingern, aber Roberto schien wirklich eine ehrliche Haut zu sein und so ließen wir uns endgültig mit ihm ein.....


Nervenzerrende Abenteuer in Robertos Palast und moderne Zeiten in Playa el Agua erwarten uns.
 
hab jetzt von teil 1 bis 16 fertig.jetzt geh ich mal einkaufen, danach gehts weiter.

echt cool die stories
 
TEIL 19

Roberto war der geborene Entertainer. Er zeichnete sich nicht nur als gewitzter Pfadfinder aus, der unerschrocken jeder Widrigkeit der venezolanischen Fahrkartenschalterbürokratie trotzte, sondern gebot auch über ein gigantisches Repertoire an Flachwitzen, Lebensweisheiten und guten Sprüchen für den richtigen Moment. Zudem war er ja gestählter Fremdenführer gewesen und konnte natürlich nicht umhin, uns hier und da besonders markante Flecken während unserer Passage gen Puerto de la Cruz näherzubringen.
Jennie und ich hatten das Freilos, als Paar zu reisen und somit stets einen guten Zweiersitz für uns alleine, während Thorsten als Noch-Single den Posten des geduldigen Zuhörers neben unserem neuen Mannschaftskapitän einehmen durfte.
Die Fahrt war entspannend und Jennies aus Deutschland mitgebrachter Walkman, in den ich sogleich meine durchgenudelten Tapes voll deutscher Rapmusik stopfte, versüßte mir die Entkrampfungsphase nach unserer neuerlichen Bahnhofstortur.
Der Bus donnerte recht humorlos mit nur einer Unterbrechung über den Asphalt und so kamen wir in der Abenddämmerung am Fährhafen von Puerto de la Cruz an. Kaum hatte der Fahrer den Zündschlüssel umgedreht, sprangen auch schon alle Fahrgäste auf und es verbreitete sich eine ärgerliche Hektik, in der jeder versuchte, sich als erster durch den Ausstieg zu quetschen und sich den Sprintpokal für das schnellste Koffer-aus-dem-Stauraum-Zerren zu verdienen. Meine rechte Augebraue, die zu solchen Gelegenheiten immer das gern gesehene Dreieck der Missbilligung bildete, wollte schon wieder routinemäßig das sogenannte Warndreieck aufstellen, aber Roberto bedeutete uns mit der Miene eines Geheimagenten, uns umstandslos ebenfalls in dieses Getümmel zu werfen. Nachdem wir feststellten, dass in dem lustigen Royal Rumble um das eigene Gepäck auch gerne Ellbogenstöße und versteckte Knieattacken eingesetzt wurden, fielen bei uns alle Hemmungen und wir zogen in einem beherzt vorgetragenen Manöver unsere Rucksäcke aus den Klappen.
Viel Zeit zum Luft holen blieb uns allerdings nicht, denn Roberto peitschte uns weiter an. Nachdem die Meute den Bus geleert hatte, wogte das Heer wild gewordener Kofferathleten auch schon zum Terminal der Fährgesellschaft und auch dabei waren gesittetes Gehen und Diskretion eher untergeordnete Tugenden. Bevor wir auch nur eine kleine Frage bezüglich dieser Fahrgastolympiade an unseren schlitzohrigen Trainerfuchs stellen konnten, hatte sich dieser schon eine beachtliche Schneise durch die Masse erarbeitet und pflügte mit der Urgewalt eines Brontosaurus dem Kartenschalter entgegen und machte dabei einen mindest ebenso langen Hals wie sein fossiles Vorbild, um sich zu vergewissern, dass wir auch mit seinem Tempo schritthalten konnten. Als unsere rasante Gangart langsam ins Stocken kam, blieb uns auch endlich die Zeit, zu erkennen, warum dieser Husarenritt so notwendig gewesen war und wie unsere Situation ausgesehen hätte, wenn wir wie falkenhaynsche Zauderer mit falscher Vorsicht vorgegangen wären. Es schien nämlich so zu sein, dass nur eine einzige Fähre pro Tag den Weg nach Margarita machte und diese Fähre wohl auch nicht über die Kapazitäten verfügte, um dem Kundenansturm Herr zu werden. Somit war die Rechnung, wie man an sein Ticket gelangen konnte, auf das Wesentliche reduziert: Die Schnellsten und Stärksten bekamen die besten Plätze und der schwache Rest durfte sich deprimiert seine Nasen draußen an der Glasscheibe plattdrücken. Doch zum Glück war unser Held Roberto das beste Beispiel für die darwinsche Deszendenztheorie, da er sich durch eine unerschütterliche Routine bestens an die chaotischen Verhältnisse seiner venezolanischen Bus-Bahn -und Schiffumwelt angepasst hatte. Wenig später hatte er tatsächlich vier Karten in der Hand und schwenkte sie so freudestrahlend in der Luft, als habe er eine Überfahrt auf der Beagle selbst klargemacht.
Thorsten und ich wussten, dass wir ohne seine Hilfe mal wieder an dieser Hürde gescheitert wären und waren immer froher, diesen Superhelden bei uns zu haben.
Dass wir nun zu dem erlauchten Kreis derer gehörten, die sich ziemlich schnell die Karten für die Überfahrt besorgen konnten, bedeutete leider nicht, dass es auch sofort losgehen konnte. Natürlich waren noch viele Fahrgäste hinter uns und hinter denen standen noch mehr in einer sich windenden und tobenden Schlange. Wir gingen wieder heraus und betteten uns auf unsere Rucksäcke und gönnten uns eine wohlverdiente Zigarette. Roberto erzählte uns von seinem Haus und von seinem schönen Garten. Er meinte, dass die Überfahrt immer wieder ein Abenteuer sei und dass sich die Einheimischen jedesmal fast häuslich auf der Fähre einrichten würden. Dass die Venezolaner eh fast nie alleine reisten, sondern gerne im familiären Pulk auftraten, hatten wir ja schon früh mitbekommen. Und dass dann auch der halbe Hausstand zum Reisegepäck gehörte, war uns ebenfalls bekannt. Robertos Auftritt als Einzekämpfer veranlasste uns schließlich zu der Frage nach seinem Familienstand. Er gestand uns, dass er momentan in Trennung von seiner Frau lebe, die Schauspielerin sei und dass er auch keine Kinder habe und deshalb ein glückliches Junggesellenleben in seinen fürstlichen Gemächern auf der schönsten Insel der Welt führe.
Nachdem er noch etliche kluge Weisen auf seiner Mundharmonika der Lebenserfahrung gespielt hatte und wir somit von Minute zu Minute erhellter und bereiter für das Wandeln in der endlosen, unwegsamen Steppe, die er das Leben nannte, wurden, legte sich auch der Tumult am Terminal und diejenigen, die das Pech hatten, aufgrund ihrer mangelnden Cleverness oder sonstiger Handicaps wie zu kurze Beine, zu dicke Bäuche oder zu runde Ellenbogen, keinen Termin am Schalter erhalten zu haben, mussten nun bis zum nächsten Tag warten, um es erneut zu versuchen. Die Schalter fuhren auf jeden Fall erbarmungslos ihre Rollläden herunter und wir machten uns bereit, den Sturm auf die Fähre in Angriff zu nehmen. Das Gate war zwar noch nicht geöffnet, aber wir stellten uns in gewohnter, deutscher Tradition schon mal an. Wie lächerlich dies nun war, habe ich viele Jahre später längst begriffen und heute weiß ich, dass man nicht gleich beim kleinsten Zucken am Abfertigungschalter zu denen gehören muss, die wild aufspringen, um ihre vier Buchstaben möglichst günstig in der Schlange zu platzieren. Besonders schwachsinnig erscheint mir dies immer wieder an Flughäfen, wo eh jeder einen festen Platz hat und man sich deswegen nicht unbedingt schon eine Stunde vorher anstellen muss. Doch nach den rüden Szenen zuvor, in denen wir eine so glänzende Rolle gespielt hatten, waren wir sozusagen etwas verschreckt und wollten dem Gerempel dieses Mal möglichst entkommen.
Doch ich erwähnte ja bereits das Prädikat "lächerlich" für dieses unser Verhalten. Wir standen da nämlich wie bestellt aber nicht durchgewunken am geschlossenen Gate und kein Angestellter der Fährgesellschaft sah es ein, dort aufzukreuzen und uns zur längst vor Anker liegenden Fähre durchzulassen. Es geschah nichts. Die Schlange der Wartenden wurde länger und länger und bildete schon wieder ihre charakteristischen Kurven und wir waren die Speerspitze der Alleingelassenen, mit Clownsnase und Narrenkappe.
Diese Situation wirkte sich so unangenehm in unseren Bäuchen und Köpfen aus, dass der Begriff "déja vu" längst nicht mehr ausreichte, um diesen Superlativ des Bewusstwerdens, des Einsehens, der Erkenntnis, wieder einmal Opfer einer offensichtlichen Willkür des Beförderungspersonals geworden zu sein, zu beschreiben. Es war viel mehr das schon 100 mal gesehene, durchlebte, erlittene, irgendwann als normal empfundene aber immer noch nervende Erlebnis der abgestumpften Teilnahmslosigkeit. Das ungläubig vor sich hinstarrende Gesicht fest auf das verwaiste Gate gerichtet, wollte man am liebsten laut loschreien. Man wollte denen, die einen so grausam ausharren ließen und den glühenden Dolch derr Passivität noch fünf Mal im wunden Wartefleisch drehten, zurufen, dass doch alles bereit sei und dass es doch keinen Grund gebe, noch länger zu warten. Doch verstiegen wir uns nicht zu solch einer Verzweiflungstat, sondern sanken alsbald ziemlich trübe wieder auf unsere Rucksäcke zurück.
Dieses Bangen und Hoffen zog sich noch kurz bis Mitternacht hin und wir hatten also seit unserer Heldentat vom frühen Abend gute fünf Stunden damit zugebracht, als bedröppelte Statisten in der längsten Warteschleife des Landes herzuhalten und die einheimischen Komparsen dafür zu bewundern, wie stoisch ruhig sie diese erneute Unanehmlichkeit hinnnahmen. Es war eigentlich unfassbar: Erst tut sich die Hölle vor den Schaltern auf und alle drängeln und schubsen wie die Verrückten und anschließend erstarrt das ganze Szenario in absoluter Ruhe und Tatenlosigkeit. Mein Gott, wenn wir uns erst wieder in Deutschland in irgendwelche nichtigen Schlangen stellen würden, dann täte unser dickes Fell dem Hintermann aber ganz schön in der Nase kratzen. Und dass unsere Geduld immer mehr trainiert wurde, war ja letztendlich nichts Schlechtes und so waren wir auch schon wieder recht vergnügt, als es dannn endlich möglich war, das Schiff zu besteigen.
 
Fortsetzung TEIL 19

Die Fähre bot leider keinerlei Comfort und auch die wenigen Holzbänke, die der Innenraum zu bieten hatte, waren schnell vergeben. Wir ließen uns irgendwo zum Heck der Fähre treiben und beschlossen, uns einfach an Ort und Stelle auf den Boden zu setzen, weil wir wohl eh keinen besseren Platz finden würden. Kaum hatten wir uns eingerichtet, sprang der unglaublich ausdauernde Roberto auch schon wieder auf, um geheimen Tätigkeiten nachzugehen. Ich war mittlerweile so richtig müde und aufgebraucht, dass es mir auch egal war. Das Ausrollen meiner Isomatte und anschließende Drauffallenlassen war meine vorerst letzte erwähnenswerte körperliche Aktivität. Jetzt blieb mir genug Zeit, das Treiben um mich herum zu beobachten. Die Fähre füllte sich immer mehr und bald waren wir mehr als froh, dass es einen Verkaufsstopp gegeben hatte. Die Menschen tummelten sich dicht an dicht an jedem freien Platz und von diesem gab es bald keinen Zentimeter mehr. Die Leute legten sich wie ich einfach auf den Boden und machten es sich so gemtülich wie eben möglich. Der von Roberto schon erwähnte Hausstand spielte dabei keine unwesentliche Rolle und schon bald glich das Innendeck einer bunten Landschaft voller Klappstühle, Plüschkissen, Kühltruhen, Luftmatratzen und ausgebreiteter Decken. Sogar ein Sonnenschirm wurde weswegen auch immer aufgespannt. Eigentlich wirkte alles recht gemütlich und gesellig, wäre da nicht dieser schneidende Wind gewesen, der flott durch das offene Deck pfiff und der mich schnell dazu veranlasste, mich noch tiefer in meine T-Shirt Decke einzuwickeln.
So verbrachten wir die Nacht auf dem nackten Stahlboden des Schiffes liegend, während es uns der schönen Insel Margarita näherbrachte und ich habe tatsächlich bis kurz vor unserer Ankunft durchgeschlafen. Nun wachte ich aber mit einem Hunger auf, der feiste Löcher in meinen Magen riss und der allzeit patente Roberto stellte uns auch gleich den besten Imbiss der ganzen Insel in Aussicht, den wir natürlich sofort aufsuchen würden, wenn wir erst mal einen Bus in Richtung Porlamar erwischt hätten. Da war er wieder! Der Schreck, der uns mittlerweile bei dem Ausdruck "Bus erwischen" erfasste und das kleine Hämmerchen, das bis jetzt hartnäckig meine Magengegend bearbeitet hatte, um auf den Hunger hinzuweisen, wurde durch einen handlichen aber beachtlichen Lehmhammer ersetzt, der es auf das Vortrefflichste verstand, meinem Schrecken das nötige innere Echo zu verleihen.
Also hieß es wieder einmal: Rucksack schultern und gute Miene zum altbekannten Spiel machen. Mit dröhnenden Mägen stolperten wir also Roberto hinterher und hofften darauf, dass er diese neue Herausforderung meistern würde.


Was ist mit dem ominösen Bus?Und bekommt der Admiral endlich was Essbares zwischen die Kiemen? Wird die leckere Empanada mit Zunge seinen Hunger stillen?
Alles im nächsten Teil
 
bitteschön, hier gibs mehr:

TEIL 20

Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehen. In unserem Fall begrüßte ich natürlich das Auftreten unseres Buswunders noch am selben Tag. Und tatsächlich waren wir diesmal im Glück, denn wir brauchten nur paar Schritte zu gehen und schon stand ein Bus bereit, in dem sogar noch viele Plätze frei waren und der zudem noch recht preisgünstig war. Am Steuer saß zwar nicht Katja Ebstein, aber der etwas rundliche Schnauzbartträger war mir in diesem Moment ebenso lieb, weil er sein Gefährt auch umgehend in Bewegung brachte und die Hauptstadt der Insel ansteuerte. Porlamar lag im Osten der Insel und hatte schon dieses touristische Äußere, das man sofort an Städten erkennt, die über einen stadtnahen Strand und einige interessante Geschäfte verfügen. Der Bus ließ uns an einem Punkt heraus, von dem wir einen weiteren Bus besteigen konnten, der uns in das Innere der Insel zu Robertos Haus bringen sollte. Hierfür visierten wir einen Van an und quetschten uns und unsere Rucksäcke irgendwie an den zwei dicken Frauen vorbei, die gekonnt den Einstieg versperrten. Der Van war einer von denen, die die ganze Zeit über die Insel flitzten und für wenig Geld eine Handvoll Insassen mitnehmen konnten. Das Nahverkehrsnetz ist in einem Land wie Venezuela etwas anders geregelt als in Deutschland. Eine städtische Verkehrsgesellschaft oder zumindest ein bezuschusster, privater Nahverkehr existiert dort nicht. Vielmehr gibt es in den meisten Städten mehrere private Anbieter, die sich oftmals auch zusammenschließen. Diese Anbieter fahren mit ihrem eigenen Bus oder Van. Das Ganze funktioniert eher wie ein Taxi, da die Wagen den Fahrern selbst gehören und sie nicht bei einer größeren Verkehrsgesellschaft angestellt sind. So läuft das in den meisten größeren Städten auch. Nur in Caracas gibt es noch den Metrobus, der von der CAMETRO betrieben wird, die auch Betreiber der U-Bahn sind.
So hatte also jeder Fahrer sein eigenes Reich, in dem er machen konnte, was er wollte. Folglich gab es auf der Insel Margarita auch keine geregelten Fahrpläne, Haltestellen oder feste Fahrpreise. Wie wir ja schon seit längerem wussten, dienten besonders markante Ecken als Einstiegspunkte und aussteigen konnte man eigentlich, wann man wollte. Hierfür bedeutete man dem Fahrer mit einem markig gerufenen "PARA!", dass er anhalten sollte, und er ließ einen dann an Ort und Stelle heraus.
Roberto fand es nach ziemlich kurzer Fahrt für angebracht, sein elegant dahingeschmettertes "PARA!" verlauten zu lassen und der Van spuckte uns an einer staubigen Straßenecke aus. Wir kratzten uns ratlos die Köpfe, während die mittlerweile zum einem voll automatisierten Vorschlaghammer aufgerüstete Erinnerungsfunktion in meinem Magen weiter beharrlich darauf hinwies, dass mein Magen dabei war, sich zu einer schrumpeligen Rosine zusammenzuziehen. Ich erinnerte Roberto auch sofort an seine wunderbare Fabel vom besten Imbiss der Insel und er schwenkte als Antwort seinen Arm zeigend zu einer windschiefen Bretterbude, die mir noch gar nicht aufgefallen war. Ungläubig vernahmen wir, dass hier die beste Empanada der Insel zubereitet würde und ich tröstete mich mit der Aussicht, dass hier sicher ein ehemaliger Sternekoch, der sich müde und abgeschlafft von den Edellokalen der Welt abgewandt hatte, das Regiment führte und dass diese Tatsache auch nur den gewieftesten Inselfüchsen, wie Roberto einer war, bekannt war. Auf diese Annahme führte ich auch den mitnichten vorhandenen Kundenansturm und den schnarchenden Budenbesitzer, der auf Robertos Klopfzeichen hochschreckte, zurück.
Es gab dort tatsächlich Empanadas und es gab sie auch mit den verschiedensten Füllungen. Ich wollte mir gerade genüsslich eine mit Hühnchen gefüllte Version bestellen und Jennie die ebenfalls bestimmt ganz leckere Käsevariante emfpehlen, als Roberto auch schon dazwischentrompete und laut verkündete, dass wir unbedingt die Empanada mit Zunge zu kosten hätten. Es war wirklich widerlich. Wir machten zwar ein liebes Gesicht, dass gar nicht zu dem Inhalt der Empanada passen wollte, welcher sich da ekelig glibbernd auf unserer Zunge wand, aber innerlich zweifelte ich an der Essbarkeit von Robertos Leibspeise. Da wurde der Biss in eine Empanada zu einem waschechten Zungenkuss und ich hätte diese Unappetitlichkeit gerne dem feixenden Sternekoch in die Auslage gerotzt.
So kam es leider nicht zu einer vernünftigen Stillung meines Hungers, denn ich nahm dann doch höflich Abstand vom Erwerb einer zweiten Empanada. Ich hatte den Verdacht, dass Thorsten diese Scheußlichkeit sogar noch geschmeckt hatte. Aber wundern sollte mich das eigentlich nicht, denn er hatte ja auf der Cayo Sombrero dem fangfrischen Fisch auch mit Vergnügen die Augen zerbissen.
Roberto meinte, dass es ein Vergnügen wäre, die letzten Meter zu seinem Haus zu Fuß zurückzulegen und so schulterten wir einmal mehr unsere Rucksäcke und sagten dem Giftmischer mit seiner ausgestreckten Zunge auf Nimmerwiedersehen.
Dass aus den letzten Metern dann tatsächlich mehrere Kilometer wurden, nahm ich nicht mehr wirklich wahr, denn ich schleppte mich aufgrund meiner Müdigkeit nur noch dahin und freute mich auf eine erfrischende Dusche und vielleicht auch ein kleines Nickerchen in Robertos Palast.
Schließlich tauchte eine Siedlung am Wegesrand auf, die mit einem Gittertor gesichert war. Roberto öffnete dieses und wir betraten seine Wohngegend, die in meinen Augen den ersten Preis für die gelungenste Comptonimitation verdient gehabt hätte. Wir rätselten schon, wo sich zwischen den einfachen Bungalows wohl der herrschaftliche Prunkbau verstecken würde, der in Robertos Schilderungen so eine zentrale Rolle eingenommen hatte, als er die Pforte zu einem Haus öffnete, das sich in keinster Weise von den anderen abhob. Unsere Ansprüche waren und durften natürlich nicht hoch sein, denn wer ohne das große Geld als Traveller unterwegs war, der sollte seine Anforderungen an die Unterkünfte doch deutlich zurückschrauben. Wer dann noch von einem doch eigentlich Fremden eingeladen wurde, bei ihm kurzzeitig zu wohnen, der sollte im Grunde dankbar für alles sein. Doch nach den Lobpreisungen und Selbstbeweihräucherungen seitens unseres Mr. Alles hatten wir dann doch etwas anderes erwartet. Der Garten, der noch vor kurzem als Oase der überbordenen Farben und Gerüche beschrieben worden war, entpuppte sich als Hort der Ödness, in der grausame Monsterstachelpflanzen den wenigen grünen Flecken zu Leibe rückten, die sich in diesem aussichtslosen Kampf noch hatten behaupten können. Wo in den benachbarten Gärten noch hübsche Blumen zu sehen waren, herrschte in Robertos Garten das Einheitsbraun vor. Hier lebte nichts mehr wirklich, denn der kümmerliche Rest an organischer Masse stand bereits kurz vor der nächsten Verwesungsstufe. Es hätte wohl nicht mehr lange gedauert und Roberto hätte mit seinem als Garten getarnten Ascheplatz der Atacama Wüste Konkurrenz machen können. Unsere entgleisten Gesichtszüge konnten ihn aber nicht im geringsten aus der Ruhe bringen. Nun nahmen wir natürlich an, dass uns nach dem verfallenen Garten im Inneren seiner Behausung ein strahlender Kontrast entgegenspringen würde, weil der gute Herr sicherlich seine ganzen gesparten Energien, die nicht bei der Gartenpflege draufgingen, vollständig in die Behaglichkeit seines Hauses gesteckt hatte. Aber da hatten wir wieder so weit gefehlt, wie damals in der Schule, als wir im Schichtdienst sämtliche internen Schwänzrekorde zum Wackeln brachten. Es war muffig und unordentlich. Die Fensterläden waren alle zu, der Boden war übersät mit Klamotten und anderem Zeug. In seiner Küche stand der Turmbau zu Babel kurz vor dem Abschluss oder Umsturz. Der Gasherd leuchtete in schilldernden, grünen Farben und das getürmte Geschirr hatte wegen der notwendigen Mimikri denselben Farbton angenommen.
Ich musste wirklich kurz lachen. Da hatte der Schlaumeier uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt. Vielleicht war das ja eine Masche von ihm. Arglose Traveller zu sich einzuladen, ihnen die schönsten Geschichten zu erzählen, um sich dann anschließend an deren fassungslosen Gesichtern zu laben. Doch wir wollten ihm jetzt nicht zu offensichtlich die volle Breitseite geben und hatten ja letztendlich auch keinen Grund dazu, schließlich stand seine Einladung ja noch immer und sein Haus bot uns schließlich Schlafplätze, eine Dusche, eine Küche, in der man zwar erst einmal kräftig entkrusten musste, aber es gab sie immerhin und einen Gastgeber, der uns bis hierher ein guter Kumpel gewesen war.
 
Fortsetzug Teil 20

Also schlugen wir ein und machten es uns gemütlich. Während ich Jennies und meine Sachen in das Gästezimmer brachte, hatte sie sich sogleich ins Badezimmer begeben, um sich eine Duschpause zu gönnen. Ich packte gerade ein paar Sachen aus und freute mich darüber, dass wir beide sogar ein eigenes Zimmer zugewiesen bekommen hatten, als mir ein spitzer Schrei aus dem Badezimmer verkündete, dass dort die nächste Überraschung lauern musste. Ich stürzte durch den Gang und erreichte die Tür zum Badezimmer gerade, als ein erneuter Hilferuf erklang. Ich sprang, ohne zu klopfen, in den Raum und starrte auf eine genervte Jennie, die sich eilig aus der Duschkabine entfernt hatte.
Ich untersuchte das Becken, um den Grund ihres Betragens zu erfahren und entdeckte fast sofort den netten Skorpion, der sich dort breit gemacht hatte und nicht daran dachte, den Duschgästen den Vortritt zu lassen. Ich wollte das Tier nicht gleich herunterspülen, schließlich hätte es sich ja auch um Robertos verirrtes Lieblingshaustier handeln können, sondern riet Jennie einfach zu einer Katzenwäsche am Waschbecken und suchte den Hausherren auf. Roberto schien es eher lustig zu finden und verwies darauf, dass das Duschen eh nicht lange möglich wäre, da er vor seiner Abfahrt nach Caracas ganz vergessen hatte, seine Wasserzisterne auf dem Dach wieder auffüllen zu lassen. Ich sah ebenfalls ein, dass das Duschen mit einem kleinen Rinnsal keinen Spaß machen würde und so erledigte sich dieses Problem ganz von selbst.
Thorsten hatte sich schon längst auf der Couch im Wohnzimmer ausgestreckt und führte ein nett anzuhörendes Schnarchkonzert auf und so legten wir uns auch hin und schliefen bis um frühen Abend durch.
Dann ging es allerdings darum, endlich mal wieder etwas vernünftiges zu Essen auf den Tisch zu zaubern. Nachdem Thorsten und ich nach einem heldenhaften Sondereinsatz das Geschirr wieder identifizierbar gemacht und die Benutzbarkeit der Küche wieder hergestellt hatten, versprachen wir Roberto, das Nötige einzukaufen und unsere Spezialpasta zuzubereiten. Er erklärte sich damit einverstanden und verschwand auch, weil er noch was wichtiges von einem Bekannten abzuholen hatte. Wir fanden ganz in der Nähe einen Laden für alles und deckten uns mit allem ein, was wir für den Abend brauchten.
Als wir wiederkamen, war Roberto auch schon wieder zurück und hatte es dann doch geschafft, etwas Ordnung in seine Wohnung zu bringen. Wir konnten insgesamt mit unserer Situation zufrieden sein. Wir machten mit Roberto aus, dass wir die nächsten zwei, drei Tage bei ihm wohnen würden und uns in der Zeit schon mal nach einer anderen Unterkuft umsehen wollten, da dann Thorstens Freundin Janine ebenfalls eintreffen würde. Dann wollten wir uns zu viert eine hübsche Herberge mieten und anschließend, wenn Jennie wieder zurückgeflogen war und wir somit wieder zu dritt sein würden, wieder bei ihm einkehren. Er stimmte diesem Vorschlag freudig zu und entwarf auch schon große Pläne für den Sylvesterabend, den er auch gerne mit uns feiern wollte.
Unsere Pasta schmeckte wieder vorzüglich und Roberto erzählte uns von seiner Zeit in Deutschland. Schließlich kam es zu der Frage, warum er nicht mehr als Reiseleiter arbeitete und sofort verdunkelte sich sein Gesicht und er warf nervöse Blicke in die Runde. Sein sonst so zwinkernder Gesichtsausdruck wich einer starren Maske, die durchaus dazu angetan war, das Schlimmste zu vermuten. Wir warteten gespannt, was er sagen würde, aber anstatt zu antworten, sprang er auf und verließ fluchtartig den Raum. Was hatte dies zu bedeuten? Wir hörten ihn in seinem Schlafzimmer rumoren und schon kam er auch zurück und hielt in seinen Händen das Unwahrscheinlichste, was man in einem heruntergekommenden Bungalow in diesem Minighetto wohl finden konnte...


Was hat Roberto da so unglaubliches dabei. Nen sprechenden Kaktus, einen höhenverstellbaren Riesenskorpion, Pandoras Wunderbüchse?
Eine höchst knifflige Frage
 
Meine Fresse, schon wieder ein Monat um und da kommt nix, mir ist süchtig du alte Kroppkeule:p
 
TEIL 21

und endlich gehts weiter

Er stand im Türrahmen wie ein großer Entdecker, der soeben den größten Schatz des Hauses einer erlesenen Besucherschar zur Bewunderung freigegeben hatte. Die Begeisterung, die sich in seinen Augen spiegelte, hätte man auch ohne weiteres auf das Antlitz des routinierten Indiana Jones abpausen können, der wieder mal dabei war, den mordlustigen aber stets unfähigen Ureinwohnern dieser Erde ihre wertvollen Schätze abzuluchsen.
Konnte es wahr sein? War das, was Roberto dort in seiner Hand hielt, wirklich das, wonach es aussah? Es bestand wohl kein Zweifel. Das, was er wie eine Trophäe vor sich hertrug, war nichts anderes als ein Kniffelspiel mit Würfelbecher und vier Stiften.
Verschmitzt grinsend setzte er sich wieder an den Tisch und verteilte die Blöcke.
Auch eine Methode ein Stück der deutschen Leihheimat im Herzen zu tragen. Da holt man einfach des öfteren mal den Kniffelbecher heraus und streicht sich schön die Kleinen und Großen Straßen an. Wir sahen natürlich ein, dass so ein klassisches Kniffelspiel alleine kein Spaß machen würde und und schrieben schmunzelnd unsere Namen auf die Blätter.

Schon nach dem ersten Full House war die alte Begeisterung für dieses Spiel wieder da und die Würfel flogen nur so über den Tisch. Roberto zeigte dann auch, warum er getrennt von seiner Frau lebte, da der Kerl ein unverschämtes Glück hatte und einen Kniffel nach dem anderen aus dem Becher kurbelte. Glück im Spiel, Pech in der Liebe schien sein Lebensmotto zu sein, denn er nahm uns im Laufe des Abends regelrecht auseinander und mir kam beiläufig der Gedanke, dass er vielleicht der Trainer der venezolanischen Kniffelnationalmannschaft sein könnte.

Nachdem auch der letzte Block vollgeschrieben war, schien es für uns an der Zeit, die Schlafstätten aufzusuchen, auch aus dem Grund, weil wir ja den nächsten Tag recht früh auf Erkundungstour nach einem gemütlichen und einigermaßen preiswerten Domizil für die nächste Woche gehen wollten.
Tagsdarauf klapperten wir die gesamte nördliche Ostküste der Insel ab und landeten schließlich in Playa el agua, einem ziemlich touristisch angehauchten Örtchen, welches aber genau die Art von Unterkunft für uns bereit hielt, welche wir uns vorgestellt hatten.
Wir mieteten uns für eine Woche bei einer netten, älteren Dame, die Herrin über ungefähr 20 weiße Pudel war, ein und wählten ein von ihren gemütlichen Bungalows, welcher 100 DM pro Tag kosten sollte, was zwar ungewöhnlich viel für unsere ausgeleierte Reisekasse war, aber sich durch vier Personen teilen ließ.
Ziemlich fußwund kehrten wir am späten Nachmittag zu Roberto zurück und stellten fest, dass der Knabe nicht zu Hause war. Wir machten das Übliche. Durch das Chaos im Wohnzimmer steigen, dem Skorpion in der Dusche einen Besuch abstatten, die neuerdings blinkende Küche bewundern oder noch ein paar verwelkte Pflanzen aus seinem Prachtgarten zu Grabe tragen. Schließlich waren alle diese Aufgaben erledigt und wir fragten uns allmählich, wo unserer pflichtgetreuer Gastgeber wohl bleiben möge.

Thorsten hatte sich in der Zeit schon daran gemacht, das Abendessen zu preparieren. Er war ja mittlerweile zum Meister der Arepas geworden. Ein Gericht aus Maisfladen, welche man beliebig mit verschiedenen Pasten aus Gemüse oder Fleisch belegen konnte. Während Thorsten die einzelnen Fladen lustig durch die Küche jonglierte und die einzelnen Pasten aus dem Ärmel schüttelte, hörten wir, wie die Gartenpforte sich öffnete und schauten gespannt um die Ecke. Und da kam er schließlich. Im Eilschritt durchmaß er seinen Vorgarten und warf dabei gehetzte Blicke nach hinten. Schweißnass stand er auf der Veranda und starrte uns mit verschleiertem Blick an. Ich stellte insgeheim schon die Vermutung auf, dass er sich erneut als Vorturner verdingt haben musste, aber diesmal als Konditionstrainer einer passionierten Marathonbruderschaft. Sollte es tatsächlich einen Moment geben, in dem Roberto seine Sprache verloren hatte und keinen gewitzten Kommentar mehr in seiner Sprücheschublade parat hatte? Tatsächlich schien dieser Moment jetzt gekommen zu sein und wir waren angsichts der Tatsache für kurze Zeit ebenso sprachlos. Wenig später war diese Szene vorbei und er packte sich wieder und verschwand weiterhin wortlos in seinem Schlafzimmer, um dort geräuschvoll irgenwelchen geheimen Tätigkeiten nachzugehen.

Thorsten, der Arepameister, ließ sich davon nicht beeindrucken und tischte uns mal wieder die lecktersten Produkte seiner Küchenkunst auf und wir riefen den säumigen Hausherren mit Nachdruck zu Tisch. Er kam schließlich um die Ecke geschlichen und setzte sich, als er die Arepa vor sich sah, mit einem wissenden Lächeln an den Tisch. Ich erwartete schon einen wissenschaftlich fundierten Monolog über die unendlichen Spiel -und Macharten von Arepas, doch der seltsame Roberto blieb weiterhin stumm und verzehrte fachmänisch sein Essen. Jennie erzählte ihm dann, was wir den Tag erreicht hatten und dass wir den nächsten Morgen nach Playa el Agua übersiedeln würden, um dort für die nächste Woche in der "residencia vacacional el agua" in der Calle Miragua einen Bungalow zu beziehen. Diese Information schien ihm dann endlich die Sprache wieder zu entlocken.

Er vergab für das Örtchen die Auszeichnung "besonders sehenswert" und beglückwünschte uns zu unserer Wahl. Wäre da nicht sein starrer Blick gewesen, hätte ich ihm ohne weiteres geglaubt, dass er sich für uns freute, aber es war etwas in seinem Benehmen, das mir sehr sonderbar vorkam. Er schwitze übertrieben, auch wenn es gewohnt warm war und er starrte aus schon fast unbeweglichen Augen am Tisch umher.
Mein Augenbrauendreieck war schon ausfahrbereit und auch Thorsten warf einen alarmierten Blick in die Runde. Roberto warf noch ein paar allgemeine Bemerkungen über lohnenswerte Ecken der Insel in die Runde und wechselte dann übergangslos das Thema.
Er fragte uns, was wir mit Psycholgie anfangen könnten und ob wir uns nicht auch öfters mal fragen würden, welchen größeren Sinn das Leben für uns bereit halten würde. Dann stellte er Jennie die Frage, für wen sie sich entscheiden würde, wenn sie mit mir und ihren Eltern in einem abstürzenden Flugzug säße und die Macht hätte, sich und zwei Personen zu retten. Ich fand die Frage in diesem Moment eigentlich ziemlich unpassend und sie konnte natürlich auf die Schnelle auch keine Antwort aus dem Hut zaubern. Was war das überhaupt für eine Frage? Wir waren jung, auf Abenteuertour durch Südamerika, hatten gerade ein leckeres Essen vertilgt, süffelten an unseren Bieren und der Neuhobbypsychologe Roberto wollte uns mit grundsätzlichen Charakteranalysen zu Leibe rücken.
So eine Frage würde man nie beantworten, vor allem nicht vor einem zur Salzsäule erstarrten Unheimlichen, bei dem sich nur noch der Mund und die Augen bewegten und der mittlerweile einen so starren Blick hatte, dass sich an den Stellen, die er anvisierte, faustdicke Brandlöcher bildeten. Jennie war auch etwas verunsichert und überlegte wohl, ob er diese Frage ernst gemeint hatte oder ob er sie sogleich mit seinem verschmitzten Lächeln als warm-up joke für eine weitere Kniffelrunde entlarven würde.
Als keine befriedigende Reaktion auf seine Kamikazefrage kam, machte er ein betroffenes Gesicht und eröffnete uns im Plauderton, dass es vielleicht ziemlich komisch klingen würde, aber er hatte gerade eine Ladung Crack eingenommen und sein momentaner Zustand sei die typische Folge, wenn er sich mit dem Teufelszeug vereinigen würde.
Mir fielen fast die Ohren vom Kopf. Hatte der Typ gerade in einem harmlosen Nebensatz verkündet, dass er sich eine nicht gerade gesunde Droge zugeführt hatte und sich uns nun in dem folgenden Rauschzustand präsentierte? Wir verhörten ihn, ob das sein Ernst gewesen wäre und er erklärte, dass er sich seit längerer Zeit in regelmäßig wiederkehrenden Phasen den ein oder anderen Würfel einschmeißen würde, um auf andere Gedanken zu kommen. Und ohne Aufforderung skizzierte er uns den Abgrund, vor dem er stand und den er nicht überbrücken konnte, aber den er vermittels der Droge zu verschleiern versuchte.
 
Fortsetzung TEIL 21

Nach seinem Maschinenbaustudium in Deutschland war er wieder nach Venezuela zurückgekehrt und hatte dort beharrlich auf sein persönliches, berufliches burn-out hingearbeitet. Nachdem ihm sein alter Beruf nichts mehr sagte, hatte er sich komplett umorientiert und bei der Tui als Fremdenführer angeheuert. Dort schien er wieder neuen Antrieb gefunden zu haben, bis an einem unglücklichen Tag die Teilnehmerin einer Reisegruppe bei einer Bergwanderung einen tödlichen Unfall erlitt. Die Frau kam auf einer Bergroute, die nicht den höchsten Schwierigkeitsgrad aufwies, vor einem Abgrund ins Straucheln und Roberto, der zwar direkt hinter ihr ging, musste dennoch machtlos mitansehen, wie das Unfallopfer den Abgrund hinunterfiel und viele Meter weiter unten reglos liegen blieb. Natürlich war die Frau sofort tot und Roberto gab sich, wie es so typisch ist in solchen Fällen, die Schuld an dem Ableben der Frau. Er als verantwortlicher Führer dieser Gruppe war natürlich für die Sicherheitsanweisungen zuständig, aber diese Wanderung war normalerweise immer ohne größere Schwierigkeiten abgelaufen und natürlich konnte man ihm wegen des Leichtsinns eines einzelnen nicht die Schuld geben. Dies alles zählte aber in diesen Momenten nicht und so entsprach die Reisegesellschaft seinem Wunsch einer Kündigung und er verbrachte eine lange und mutlose Zeit, in der auch mitansehen musste, wie seine Ehe den Bach herunterging und die Welt ihm fremd wurde. Seine Frau hatte ihn schon lange verlassen und als ultimativen Akt der Selbstgeißelung stand in seinem Wohnzimmer ein lebensgroßer Pappaufsteller eben dieser Ex-Frau, die in Venezuela eine zweifelsohne angesehene Rolle als Werbefrau für irgendein Waschmittel spielte. Das war ein weiterer Fingerzeig für Robertos verdrehten Sinn vom heimeligen Wohnen und während uns die "Regina" Werbefrau aus der hinteren Ecke des Zimmers angrinste, beschlichen uns mulmige Gefühle, was nun noch kommen sollte, denn Roberto holte bereits wieder tief Luft, um uns weitere Bereiche seines Gefühllebens offenzulegen. Die nun folgenden Bekenntnisse ließen uns frösteln...
 
Ja, wenn Prüfungen vorbei, gibt es wieder was. Ab November wird das ganze auch als Hörbuch angefangen, produziert zu werden...also habt Acht
 
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