Fabufab - Des Admirals Seemannsgarn

So nach langer Zeit geht es hier wieder spannend weiter:

TEIL 16

Der Plan stand und wir machten uns gleich den nächsten Tag daran, zu erkunden, welche Busse von wo in Richtung Küste und vor allem in Richtung Traumstrand Choroni fuhren. Nachdem wir das geklärt hatten, machten wir auch kein langes Aufhebens mehr darum und bestiegen mal wieder so einen Luxusbus der Marke Aeroexpresos Ejecutivos, die eine Reise mit dem Beisatz „ el lujo de un avíon por tierra“ versprachen.
Der erste Anlaufpunkt sollte Maracay sein, welches sich ca 150 km südwestlich von Caracas befand. Von dort musste man in einen Bus umsteigen, der einen dann an die Westküste bringen sollte.
An dem Komfort im Bus konnte man ja mal wieder nichts aussetzen. Gleich mehrere Bus-Stewardessen versorgten die treuen Fahrgäste mit den Produkten ihren Begehrs, was in unserem Fall natürlich eine hinreichende Menge Polar Bier und die ein oder andere Schluckerei zu sein hatte.
In Maracay turnten wir dann routinemäßig eine ganze Weile am Busbahnhof herum, bis wir den richtigen Steig und das dazu gehörende Gefährt gefunden hatten. Zu unserem nicht allzu großen Erstaunen gab es zwischen unserem neuen und dem geliebten alten Beförderungsmittel krasse Unterschiede. Die gemütlichen gepolsterten Flugzeugsessel waren rustikalen Holzbänken gewichen, die Klimaanlage beschränkte sich auf einen Miniventilator, der auschließlich dem Fahrer eine spärliche Luftzufuhr gewährleistete. Die aufmerksamen Stewardessen wurden durch einen frechen venezolanischen Jungen ersetzt, der die ganze Zeit wichtigtuerisch aus dem Bus rein und raus sprang und dabei die billetos kontrollierte.
Wir waren aber guten Mutes, weil es auf dem Weg zur Küste einmal quer durch den „Henri Pittier Nationalpark“ gehen sollte, welcher der erste seiner Art in Venezuela war. Der Park umfasste ein Gebiet von 107 000 Hektar, auf dem sich ein breites Artenvorkommen bestehend z.B. aus Schlangen, Affen, Ozelots, Fledermäusen, Opposums, Gürteltieren, Kinkajus, Skunks und 500 verschiedenen Vogelarten austobte. Die Strecke führte über teilweise haarsträubende Haarnadelkurven mitten durch dieses Gebiet. Es war also kein Wunder, dass man für die rund 50 Kilometer fast zwei Stunden brauchte. Der Busfahrer tat zwar alles dafür, so zu tun, als ob sein armer alter Bus, ein 300 PS Supervan wäre und jagte ihn so unbarmherzig durch die Kurven, dass wir zweimal anhalten mussten und der Springjunge dem Motor gut zuzureden hatte, damit der überhaupt noch einmal ansprang. In diesen Pausen hätte man sich eigentlich freuen können, dass die Landschaft ausnahmsweise nicht zu einem durch Ruckeln und Stottern des Busses zusammengewürfelten Zerrbild wurde, aber dank des Qualmes, welchen der vergrätzte Motor ausspie, saßen die Fahrgäste weiterhin halb ahnungslos auf ihren Holzbänken.
Als wir schließlich den Portachuelo Pass erreichten, bot sich uns dann doch ein atemberaubender Anblick. Die Westküste in ihrem gänzlichen Panorama breitete sich 1200 Meter unter uns aus. Von nun an ging es nur noch bergab und das schien den Fahrer noch zusätzlich anzuspornen, dem malträtierten Motor die Sporen zu geben und so knüppelten wir nur so die Serpentinen runter gen Strand.
Der Bus hielt dann direkt in Choroní. Dies war ein reizendes Dorf mit pastellfarbenen Häusern, welches damals ein beliebtes Ziel von Piraten darstellte, weil es der Hauptort einer reichen Kakaoanbauregion war. Der Ort lag noch ein gutes Stück vom Strand entfernt und wir machten uns zu Fuß auf den Weg nach Puerto Colombia, dem Hafen von Choroni. Der kleine Fleck empfing uns dann auch gleich mit bunten Imbisständen, aus denen der Duft von frischen Meeresfrüchten drang. Viele kleine Fischerboote ankerten in dem kleinen Flüsschen, der hier aus dem Hauptort kommend ins Meer mündete. Der Hauptstrand, der auch unser Ziel war, hieß Playa Colombia und war wirklich ein einziger Traum. Sowas hatte ich vorher noch nie gesehen. Ein in die Wirklichkeit gemaltes Klischee bereitete sich dort vor uns aus. Eingerahmt durch zwei Bergausläufer und in seinem Rücken stilsicher begrenzt durch einen Palmenwald erstreckte sich dieser Traumstrand sichelförmig über eine Länge von knapp zwei Kilometern in der wunderschönen Bucht von Puerto Colombia.
Da es mitten in der Woche war, zeigte sich der Strand fast menschenleer und nur vereinzelte einheimische Kinder spielten im Wasser. Wir vergewisserten uns noch einmal bei einem Budenbesitzer, dass das Campen an diesem Strand erlaubt und kostenlos wäre und schlugen sodann unser Zelt im Schatten einer monströsen Palme auf.
Wir befanden uns in einer Hochstimmung und die fiesen Matenten unseres Gayfreundes aus Caracas waren im Nu vergessen. Ich für meinen Teil stibitzte mir sofort eines der zahlreich herumliegenden Bodybredder und stürzte mich in die beachtlichen Wellen.
So ging es dann auch die nächsten Tage weiter. Wir taten nichts anderes als schlafen, aufwachen, baden, bolzen, essen, Polar trinken, in der Sonne schmelzen, lesen und dann alles wieder von vorne. Am Wochenende herrschte dann durchaus mehr Betrieb an unserem Strand, weil viele Venezolaner an den Wochenenden mit ihren Familien an die Strände fuhren und dort über die Tage campten und eine große Fiesta feierten. Dementsprechend stimmungsvoll ging es in der Zeit am Playa Colombia zu. Direkt neben uns hatten vier Jungs ihre Zelte aufgeschlagen, mit denen wir schnell ins Gespräch kamen. Es waren allesamt Studenten, zwar um einiges jünger als wir, weil man in Venezuela schon mit 16 anfangen kann zu studieren, aber allesamt sehr lustige Zeitgenossen.
Wir hatten mächtigen Spaß. Wir erfreuten uns an dem Rum, den sie mit uns teilten, während wir im Gegenzug unseren tollen Kasenrekorder miteinbrachten und die Jungs uns mit ihrer Fachkenntnis bezüglich der Inhalte unserere Kasen beeindruckten. So verbachten wir einen Nachmittag nur damit, Rum pur mit Eiswürfeln aus feisten Kaffeebechern zu saufen, Rage against the Machine, Suicidal Tendencies oder Monster Magnet zu hören und Witze über die dicken Mamas und die Zigarren schmökenden Familenoberhäupter zu reißen. Thorsten schaffte es dann auch, seine Rationen in einer transrapiden Geschwindigkeit zu vertilgen und seine Angebrittenheit stieg proportional zur Senkung des Rumspiegels in seinem Becher. Diese Tatasache stellte man dann noch in Relation zu der Nachmittagssonne, die beharrlich auf seinem Kopf herumbrezelte und setzte diese Konstante (denn das man bei diesen Voraussetzungen nicht nüchtern bleiben konnte, war eindeutig beweisbar) in eine Gleichung mit dem Alkoholgehalt des Rums und schon bekam man als Ergebnis einen lattenstrammen Thorsten, der alsbald den Becher fallen ließ und rücklings von seinem Baumstumpf kippte. Weitreichende Wiederbelebungsversuche schlugen fehl und so ließen wir ihn dort schnarchen und machten uns auf den Weg zur nächsten Bodega, um neues Eis zu holen.
Bei der Gelegenheit brachten die Jungs auch Licht in eine Sache, nach deren Lösung ich schon seit geraumer Zeit gefahndet hatte. Und zwar hatten wir ja jetzt schon ein paar Tage am Strand verbracht und das Nichtvorhandensein sanitärer Einrichtungen mal so hingenommen, weil an einem wilden Strand natürlich nicht alle naslang irgendwelche Toilettenhäuser oder gar Duschen herumstanden. Dem Problem des Toilettenganges hatten wir mit regelmäßigen Besuchen des angrenzenden Palmenwaldes Abhilfe geschaffen, aber wie man dieser Kruste aus getrocknetem Salzwasser, Sand, Sonnencreme und Rumresten Herr werden sollte, war mir bis dato unklar. Die Jungs hatten die ideale Lösung parat: Unweit der Bodega, wo sie sich regelmäßg mit Rumbuddeln und dem Eis versorgten, plätscherte ein kleiner Wasserfall lustig vor sich hin. Er gehörte zu dem kleinen Flüsschen, welcher am Rande des Ortes entlang floss. Sie hatten sogar Seife dabei und so kletterten wir in guter Breitness auf den Steinen im Wasser herum und ich spachtelte mir mit Wonne meine neu zugelegte Schicht Schweinepaste wieder ab.
Als wir wieder zum Strand zurückkamen, lag Thorsten in unveränderter Position dort, wo wir ihn zurück gelassen hatten und mir erschien es nur gerecht in vermittels Gebrauch des neuen Eises zu den Lebenden zurück zu holen. Er tat uns auch den Gefallen, wild schnatternd in die Höhe zu fahren und dabei das dümmste Gesicht der letzten Zeit zu zeigen. Auf jeden Fall war er nun halbwegs wach und wir konnten für den Abend planen.
Es war nämlich eine lustige Fiesta in Choroni angezeigt, auf die sich unsere venezolanischen Freunde begeben wollten. Natürlich ging das nicht ohne den neu erworbenen Rum zu probieren und so machten wir uns nicht minder besoffenen als am Nachmittag auf den Weg zur Party.
 
Fortsetzung TEIL 16...

Auf der Plaza Bolivar (diesen Platz gibt es in jeder venezolanischen Stadt und sei sie noch so klein) waren Buden aufgebaut und so eine Art Schaustellergruppe vollführte tolle Tricks wie Feuerschlucken, mit Affen jonglieren oder Plastikstühleweitwuf. Thorsten hatte dann auch sehr schnell wieder seinen Zustand vom Nachmittag zurückerlangt und döste auf einem eben noch als Wurfgeschoss missbrauchten Plastikstuhl so vor sich hin. Das Lustige daran war aber, dass er anfangs noch am Rande des Kreises saß, der sich um die Artistengruppe gebildet hatte, doch mit der Zeit verlagerte sich der Kreis so, dass er immer mehr ins Zentrum des Geschehens rückte, ohne etwas davon zu bemerken. Wir fanden es natürlich total lustig, dass die Artisten ihn nacher sogar noch in einige ihrer Kunststücke miteinbezogen und um ihn herum jonglierten. Irgendwann hatte ich aber ein Einsehen und konnte es gerade noch verhindern, dass ihm einer der frechen Äffchen in den Fuß biss. Wir weckten ihn und machten uns auf den Rückweg. Während diesem war er auch äußerst übellaunig und begann gegen imaginäre Leute zu schimpfen und unmissverständliche Gesten in Richtung unschuldiger Passanten zu machen. Mir war es etwas unangenehm, aber er ließ sich von mir nicht zur Raison rufen.
Als wir dann am Strand zurück waren, kletterte er auch sogleich wort und grußlos ins Zelt, um sich auf seine Isomatte fallen zu lassen. Aber so schnell wie er drin verschwunden war, kam er auch schon wieder herausgefedert. Ich hörte ihn nur noch schreien und wild in das Zelt gestikulieren. Ich steckte meinen Kopf durch die Öffnung, um den Grund für dieses ungeheure Spektakel zu erfahren und sah sofort einen Schlitz an der hinteren Zeltwand, der sich einmal von oben nach unten entlangzog. Da hatte wohl jemand einen Einbruch in unser Heim unternommen. Thorsten hatte anscheinend in den wenigen Sekunen auch sofort mit überraschendem Scharfsinn eine Schadensaufstellung gemacht und den Verlust unseres Kasenrekorders festfestellt. Er war völlig außer sich vor Wut, was sicher auch noch auf den Restalkohol zurückzuführen war. Auf jeden Fall tat er etwas, was unter normalen Umständen einfach nur lächerlich gewirkt hätte, aber nun wirkte es einfach nur durchgeknallt. Er nahm sein Schweizer Taschenmesser, klappte die kleine Klinge heraus (wenn es denn wenigstens noch die große gewesen wäre) und lief im wilden Galopp über den Strand, um den Missetäter aufzuspüren. Mir war sofort klar, dass sich kein reumütiger Dieb auf seine Rufe wie „Wo ist der Schweinedieb, ich stech ihn ab“ oder“ Ich stech euch alle ab, kommt her!“ melden würde, aber er ließ sich durch nichts abbringen und pflügte wie ein Berzerker durch den Sand.
Anscheinend verdächtigte er aller Unlogik zum Trotz sehr schnell die Jungs, mit denen wir feiern waren und hielt einem von ihnen sein Schnitzemesser unter die Nase. Das war jetzt auf jeden Fall der Zeitpunkt für mich, um einzugreifen...


Wie geht’s es weiter mit der Taschenmesserlegende Thorsten?Taucht unserer Kasenrekorder doch noch auf und was hat es mit der barbusigen Sächsin auf sich....Dieses erfährt man im nächsten Teil!
 
Stell ich mir geil vor. Nur Saufen, am Strand liegen und ab und zu ein bisschen am Rand drehen.
 
hab mir jetzt mal alle teile durchgelesen und ich muss sagen, dass es einfach nur geil klingt!!!
aber warum müssen wir eignentlich imma auf neue teile warten???kannste nich alle auf einmal hinschreiben??? ich hasse vorfreude!!! :D
 
hm....brauch für so einen Teil schon ne Stunde, als das würde sich echt ziehen, wenn ich die alle auf ein mal schreiben sollte...aber ich versuch ja da schnell zu sein...jetzt hatte ich es grade nur vergessen:( :D
 
!!Hammer!!Hammer!!Hammer!!

...weiter...weiter...weiter...


wie wärs übrigens, die neuen Texte von der Odyssee ma abzutippen?
 
Es geht nun endlich weiter mit der spannenden Geschichte.

TEIL 17

Er war wild, er war wütend, er war wahnsinnig. Er war auf einem Rachefeldzug gegen alle vermeintlichen Kasenrecorderräuber und Zeltaufschlitzer. Er war im Recht und schwang im Akt der schönsten Selbstjustiz sein Taschemesser. Sein Name war Thorsten, ein junger Mann, der in diesem Augenblick der furchteinflößenste Mensch in ganz Venezuela sein musste, einmal abgesehen vom Präsidenten des venezolanischen Miss-Wahlen Verbundes, der täglich ungefähr 100 unverbrauchte Gesichter durch die Schönheits-Contest Heißmangel drehte. Dieser junge Rächer mischte in diesem Moment unsere liebe Nachbarstruppe auf und setzte dabei auf altstalinistische Verhörmethoden. Hintendran stand ich und bekam vom betretenen Kopfschütteln schon bald eine unangenehme Nackenstarre. Die Jungs waren natürlich allesamt erstaunt über dieses fiese Verbrechen und beteuerten auch alle zu Recht, dass sie damit rein gar nichts zu tun hätten. Schließlich ließ sich Thorsten von mir doch einigermaßen besänftigen und dann zurück zu unserem Zelt führen. Die Geschehnisse der letzten Minuten hatten ihre deutlichen Spuren hinterlassen und ziemlich erschöpft legten wir uns auf unsere Isomatten und ließen uns den Wind durch unser neu zugelegtes Abzugsloch im Zelt um die Nasen wehen.
Am nächsten Tag beschäftigte sich Thorsten dann sogleich damit, einen dicken Stoffbutton auf den häßlichen Schlitz zu nähen und fortan erinnerte eine große Narbe an der Zeltrückwand an diese nächtliche Heimsuchung. Im Nachinein konnten wir uns aber glücklich schätzen, dass dieser Diebstahl die einzige Scheissaktion in der Art war, die wir erlebten. Ansonsten hatten wir die ganze Zeit in Venzuela echtes Glück, nicht Opfer schlimmerer Übergriffe geworden zu sein. Da haben wir ganz andere Leute kennengelernt, die es weitaus schlimmer getroffen hatte. Einem hatten sie z.B. direkt nach seiner Ankunft im Land sämtliches Reisegepäck abgeluchst und das auch tatsächlich in Maiqetìa auf dem Weg vom Internationalen zum Nationalen Flughafen. Der war keine fünf Minuten im Land und hatte schon nix mehr dabei, außer den Klamotten, die er am Körper trug. Bei einem anderen Deutschen kam das Gepäck nicht mit und blieb auch wirklich wochenlang verschollen. Wir trafen ihn am Playa Columbia und der tourte schon seit Wochen nur mit seiner Kulturtasche durch die Gegend. Da blieb auch tatsächlich nur Platz für ein Pflaster und eine Zahnbürste.
Wir hatten also eindeutig mehr Glück gehabt als diese armen Teufel und chillten trotz des tiefsitzenden Stachel des Verlustes wieder recht gut gelaunt am Wasser oder ließen unseren Fusi tanzen.
Doch schon am Nachmittag verdunkelte sich der Himmel und der Strand lag auf einmal im Schatten. Nicht dass das Wetter schlechter geworden wäre, nein. Die Sonne bretzelte wie eh und je, aber direkt neben uns bezogen zwei seltsame Neuankömmlinge Stellung. Ein Mann mit knallrotem Kopf, der mit dieser Hummervariante selbst Psycho-Uwe noch Konkurrenz gemacht hätte und eine total hässliche Frau, die mit ihren überdimensionierten Brüsten das gesamte Areal zwischen Palmenhain und Brandung beschattete. Die beiden begrüßten uns fröhlich und offenbarten dabei den breitesten sächsischen Dialekt. Wir schauten uns nur an und fielen bei diesem Dèja vu fast in Ohnmacht. Da standen schon wieder zwei Sachsen parat, um uns todsicher die Nerven zu strangulieren. Die beiden waren kein Paar, sondern eine reine Reisezweckgemeinschaft. Der Typ hatte eine Announce in die Zeitung gesetzt, dass er eine Reisegefährtin suche, die mit ihm einen Trip durch Südamerika machen wolle. Gemeldet hatte sich das vollbusige Model mit der als Hornbrille getarnten Taucherbrille, die ihm schon nach zwei Tagen so auf den Sack gegangen war, dass er sich schnell angewöhnt hatte, auf alles, was sie sagte, total bekloppte Antworten zu geben. Die beiden saßen also nun bei uns in der Küche, die aus zwei Ästen über einer kleinen Feuerstelle und unserer zerbeulten Pfanne bestand und ließen sich die just von uns zubereiteten Spiegeleier mit Tomaten, Zwiebeln und Mayo schmecken. Die Alte hat dann auch ohne Unterlass irgendeine Scheisse gedröhnt und ich nahm mir alsbald mein Wörterbuch und versteckte mein angewidertes Gesicht hinter dem Kapitel mit dem Aufbauwortschatz für besonders unangenehme Foltermethoden. Nach dem Essen erwog sie dann ein entspannendes Planschen in den Fluten unseres lieben und noch unentweihten Strandes. Hierfür riss sie sich ohne Umschweife ihre Kleidung vom Leib und watete barbusig am Strand entlang. Natürlich weiss ein jeder, dass in südlichen Landen dass freizüge Baden nicht gerne gesehen ist und es in Venezuela sogar verboten ist, sich oben ohne zu präsentieren. Im Fall von unserer Sachsembombe wäre es natürlich auch in Deutschland ein Fall für das Strafgericht gewesen, wie sie da ihre prallen Behälter für jedermann zur Schau stellte. Ihr Reisegefährte verdrehte routinemäßig nur seine rechte Augenbraue, aber der Strandwächter, der sonst seinen lauen Job lediglich darin sah, ab und an mal die rote Fahne aus reiner Boshaftigkeit rauszuhängen, geriet sogleich in helle Aufregung. Er pfiff sie schon von weitem an und versuchte, ihr die schützendem Klamotten auf den Körper zurückzugestikulieren. Sie verstand außer der spanischen Fliege natürlich eh kein Wort dieser Sprache und wogte weiter lustig ihre Naturgewalt auf den Wellen. Schließlich hatte sich der Strandhüter noch Verstärkung geholt und gemeinsam führten sie die indisponierte Nudistin zu ihrem Zelt zurück und ermahnten sie noch ausgiebigst, zukünftig mehr auf ihre Textilien zu achten. Wir freuten uns über diese völlig gerechtfertige Schimpfe und noch mehr über das blöde Gesicht, dass sie hernach zog.
Den nächsten Tag erlösten wir uns dann aber selbst vom sächsischen Rundfunk, der unaufhörlich neben uns gedudelt hatte und verabschiedeten uns vom schönen Playa Columbia und behielten es aber im Hinterkopf, hier noch einmal später aufzuschlagen.
Es war der 22.12. und wir fuhren schnurstracks nach Caracas zurück und buchten uns standesgemäß wieder im Hotel Sava ein. Am nächsten Tag kam dann endlich meine liebe Jennie an und wir holten sie netterweise auch vom Flughafen ab. Sie bekam zwar einen gehörigen Schrecken, als sie mich sah, weil ich mir im Zuge unserer Geldknappheit und der daraus resultierenden fehlenden Flexibilität in unserem Speiseplan in den zwei Monaten einen passablen skinny look zugelegt hatte, den ich mittlerweile auch mit einem gekonnten Skelettgrinsen garnieren konnte. Trotzdem war das Wiedersehen sehr schön und ich erzählte ihr sogleich in Auszügen einige von unseren Abenteuern.
Wir hatten nun den Plan entworfen, über Heiligabend in Caracas und somit auch im Hotel Sava zu bleiben, um dann direkt am ersten Weihnachtstag, die Reise nach Margarita in Angriff zu nehmen.
Als wir im Hotel ankamen, zogen wir uns ziemlich erstaunte Blicke zu, dass wir uns jetzt auf einmal unsere eigene weibliche Begleitung mitbrachten, aber in einigermaßen amateurhafter Diskretion schaffte es der Schaltermann, noch ein Zimmer für Thorsten klarzumachen, während Jennnie und ich unseren Spiegelsaal bezogen. Jennie war total fertig von der Reise, die auch im planmäßigen Verlauf noch recht anstrengend sein kann und legte sich ziemlich ermattet ins Bett. Ich ging dann noch mal kurz zu Thorsten rüber, um mit ihm noch schnell ein gemütliches Polar zu vernichten. Später wollte ich dann bei uns wieder ins Zimmer, stellte aber fest, dass ich schlauerweise den Schlüssel im selbigen liegen gelassen hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als anzuklopfen und damit Jennie aufzuwecken. Ich pochte also leise und danach noch etwas lauter als sich zuerst nichts regte. Es kam aber keine Reaktion und ich stand dumm auf dem Gang herum. Dann klopfte ich schon weitaus fordernder und nahm anschließend auch die Faust zur Hilfe, um ordendlich auf die Tür einzudreschen, weil es mir langsam zu blöde wurde, die Rolle des Ausgesperrten zu geben. Als sich dann immer noch nichts tat, beschlich mich allmählich ein leises Unbehagen. Ich versuchte es nun mit Rufen und polterte noch einmal gehörig gegen die Tür, aber die Reaktion blieb stets die gleiche. Dann ging ich noch einmal zu Thorsten und holte ihn aus den Federn, um ihn mal klopfen zu lassen. Aber auch seine neue Technik des Dreschens und Tretens gleichzeitig scheiterte genauso kläglich wie meine Klopf und Ruf-Taktik. Dann bekam ich es mit der Angst zu tun. Auf diesen Radau musste man einfach reagieren, wenn man im Zimmer lag. Das ging doch gar nicht mehr an, was sollten diese Corinna May Styles jetzt hier? War Jennie überhaupt in dem Raum oder schlafwandelte sie durch die Gänge unseres ehrwürdigen *****nhotels? Oder hatte sie sich im Fahrstuhl verschanzt und probte im Stile des Sysiphos das Auf und Ab zwischen dem vierten Stock und dem Erdgeschoss? Ich beschloss jetzt auf jeden Fall umgehend, diesen Aufzug aufzusuchen, um an der Rezeption Alarm zu schlagen, dass man meine Freundin entwendet hatte oder sie ans Bett gefesselt hatte und sie so nicht mehr die Tür zu öffnen vermochte. Diese irrwitzige Gedanken kreisten in meinem Kopf, als ich mir im Fahrstuhl schon mal die richtigen Worte zurechtlegte...


Wie wird sich diese komische Situation auflösen? Ist Jennie durch den Spiegel gegangen und mischt als Alice die Karten neu? Oder wird das unbescholtene Hotel Sava doch noch zur gefährlichen Falle, aus der es kein Entrinnen gibt?
 
Yeah!

Literarisch noch ausgefeilter als die vorherigen Teile und nach wie vor spannend und komisch!
 
Habe heute alle 17 Teile gelesen und muss sagen...Wow :)

Macht echt Spaß...

Und man bekommt noch mehr Lust Deutschland den Rücken zu kehren und zu verreisen :(
 
Original geschrieben von Garry Grant
Yeah!

Literarisch noch ausgefeilter als die vorherigen Teile und nach wie vor spannend und komisch!
 
hat wirklich suchtpotenzial. hab nur 16 und 17 gelesen aber fand die recht amüsant und hab echt lust auf teil 18 bekommen.
 
und ganz geschwind geht es hier auch weiter.

TEIL 18

Der Fahrstuhl schien an Seilen aus Kaugummi zu hängen. Ich hatte das Gefühl, irgendwo zwischen viertem Stock und der Unendlichkeit festzuhängen. Ungeduldig malträtierte ich den Knopf mit dem großen B (für la planta bacha=Erdgeschoss) unablässig mit der Faust und verstärkte die Fahrstuhlrandale zusätzlich mit gesalzenen Fußtritten. Murphys Fahrstuhlgesetz setzte das Gesetz der Schwerkraft mal wieder außer Kraft und die Tatsache, dass auch ein Fahrstuhl, der an Kaugummiseilen hing, trotzdem irgendwann mal in die Tiefe zu sinken hatte, stand nirgendwo auf Murphys Tafeln vermerkt. Überflüssigerweise hatte ich nun durch die fehlende Geschwindigkeit des Aufzuges genügend Zeit, mir meine unruhigen Gedanken in den schillernsten und quälensten Farben auszuschmücken. Eine Jennie, die auch nach der rüdesten Klopfattacke und der brachialsten Brüll-Tret Kombination nicht die Tür öffnete, hatte sich entweder dazu entschlossen, kein Bock mehr auf mich zu haben und sich durch das Fenster abgeseilt, um Venezuela alleine zu erkunden oder wurde von der achtarmigen Klammerkreatur aus Ghostbusters ans Bett gefesselt und war aus diesem Grund etwas unpässlich. Je länger ich im Aufzug ausharrte, desto wildere Kreaturen wurden in meiner Fantasie ersonnen und je länger ich auf den B-Knopf eindrosch, desto zerbeulter wurde er.
Aber der liebe Murphy hatte schließlich die Lust an seinem Gesetz verloren und so ließ er dann doch noch den Fahrstuhl ankommen, aber nicht ohne vor der sich öffnenden Fahrstuhltür zwei aufreizend bekleidete Damen zu platzieren, die ob meines ungebührlichen Betragens und der groben Behandlung, die ich dem, mittlerweile zu einem nur noch schwach leuchtenden Klumpen, zerhobelten Knopf angedeihen ließ, in missbilligendes Geraune verfielen und mich Wüterich ganz sicher von ihrer to-to Liste strichen. Das konnte mir eh recht sein und so beachtete ich die Fregatten kein Stück und stolperte ohne Umschweife gen Rezeption, um den dösenden Schaltermann für eventuelles Türaufbrechen oder weitreichendere Maßnahmen zu wappnen. Da ich mir meine Erklärungen schon vorher gut überlegt hatte, dauerte es auch nicht lange, bis er mir schlüsselklimpernd und demonstrativ in die Gegend gähnend folgte. Wir nahmen wieder den Aufzug, der dieses Mal in Lichtgeschwindigkeit in die Höhe schoss und standen wenig später vor unserer Zimmertür. Der Schaltermann übte sich in vornehmer Diskretion und klopfte noch einmal vergebens. Dann schloss er die Tür einfach auf und ich bereitete mich schon darauf vor, etwaigen Zimmerbesetzern beherzt entgegenzutreten oder betrübt der wehenden Gardine hinterherzustarren. Blitzartig durchzuckte mich der Wunsch nach Thorstens Taschenmesser, aber ein Blick in seine Richtung genügte mir, um festzustellen, dass er es sicher für alle Fälle selbst in der Tasche hatte. Die Tür schwang also auf und wir lugten gemeinsam hinein. Ich hatte mich auf alle Spielarten der Überraschung vorbereitet, aber bei dem Anblick, der sich mir nun bot, war ich doch sprachlos. Jennie lag, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Bett und schlief friedlich vor sich hin. Wir schauten uns an und schüttelten die Köpfe. Der Schaltermann machte ein eindeutig verdrießliches Gesicht und drehte sich wortlos auf dem Absatz um und verschwand verächtliche Blicke schleudernd im Fahrstuhl. Thorsten lachte kurz und ging pennen. Ich rüttelte dann an Jennies Schulter, um ihr mitzuteilen, dass ich nur ihrer Dornröschen-Tour wegen den Fahrstuhl demoliert, den Schaltermann aus seiner Bettlektüre hochgeschreckt und mir selbst mit Horrorvisionen zugesetzt hatte. Aber mehr als verschlafende und verständnislose Blicke waren nicht mehr zu erzielen und weil ich sie nicht noch unter Beirufung des örtlichen Spielmannszuges vernünftig aufwecken wollte, legte ich mich einfach daneben.
Am nächsten Tag war Heiligabend und Jennie und ich begingen diesen Tag der Besinnlichkeit einfach mal schön unkonventionell, indem wir als erstes den größten Flohmarkt der Stadt besuchten und uns danach einfach durch Caracas treiben ließen. Da wir eh nur einen gemeinsamen Tag in der Stadt hatten, beschlossen wir, uns gar nicht mit intensivem und unnötigem Besichtigungsterror aufzuhalten, sondern bummelten ein wenig und kehrten am späten Nachmittag in unser Hotel zurück, um den lieben Thorsten abzuholen und mit ihm ein angemessenes Lokal für den heiligen Schmaus ausfindig zu machen. Ein edles Feinschmeckerlokal kam eh nicht in Frage und da wir keine Lust hatten, lange durch die Straßen zu irren, griffen wir auf den bewährten Imbiss um die Ecke zurück. Da gab es eine gemütliche Neonbeleuchtung, lärmende Fernseher unter der Decke, die einem fortwährend verkündeten, wer diesen Tag wieder mal die Schönste im ganzen Land sei, lächerliche Mofaprolls, die sich gegenseitig die coolsten Zigaretten-in-den-Mund-werf-Tricks demonstrierten und eine gut sortierte Speisekarte, die vor allem monströse Hamburger, Empanadas, Arepas und sonstiges Fastfood im zumutbaren Preisrahmen bereit hielt. Also verbrachten wir unseren Heiligabend mal ganz abseits der gängigen Weihnachtsgans-Weihnachtsmusik-Weihnachtsbaum-Weihnachtsgeschenkauspack-Norm und schmausten uns durch die reichhaltigen Angebote und ließen dazu das leckere Polar fließen.
Wir gingen dann auch früh zu Bett, weil es den nächsten Tag wieder einmal sehr früh losgehen sollte. Unser tollkühner Plan sah es vor, am östlichen Busbahnhof eine Passage entweder nach Puerto de la Cruz oder Cumana zu ergattern, um von dort auf eine Fähre nach Margarita umzusteigen. Wir mischten uns also um sechs Uhr in der Frühe unter zahlreiche andere Reisende oder Pendler, die es ebenfalls zu dieser Zeit zum Ostbahnhof trieb. Thorsten und ich hatten im Vorwege schon mal auskundschaftet, wann ein Bus fahren könnte und an welchem Schalter man sich die Tickets zu kaufen hatte. Da wir dieses Mal so schlau gewesen waren, sämtliche Schritte mit einer perfekten Prophylaxe in den todsichersten Fahrplan aller Zeiten zu zementieren, liefen wir total überzeugt von unserem System im Bahnhof auf und ich bezog sogleich Stellung in der akzeptablen Schlange vor unserem Wunschschalter. Thorsten und ich diskutierten gerade in Abwesenheit Jennies, die die Rucksäcke hütete, über die körperlichen Attribute der Servicefrau am Schalter, als sich der Mann vor uns umdrehte und uns in fast lupenreinem Deutsch ansprach. Wir musterten den etwa 50jährigen neugierig und er stellte sich als Roberto vor. Er war Venezolaner und hatte in Deutschland studiert und danach lange Jahre bei Tui als Reiseführer gearbeitet. Er sprach wirklich augezeichnetes Deutsch und wirkte auf Anhieb ziemlich sympathisch. Er erzählte, dass er auch auf dem Weg nach Margarita sei, weil dort wohne und er sich gerne dazu bereit erklären würde, uns bei der Überfahrt zu helfen. Wir bedankten uns artig, versichterten ihm aber, dass wir keine Neulinge im Erwerb von Fahrkarten seien, wir uns aber auf jeden Fall über seine Gesellschaft freuen würden. So plauderten wir noch eine ganze Weile, bis mir irgendwann auffiel, mit welchem Tempo wir uns dem Schalter näherten. Die Durchschnittgeschwindigkeit hätte in jedem Matheheft eine hübsche Dezimalzahl abgegeben, leider mit einer Null vor dem Komma. Wir bewegten uns so atemberaubend gar nicht voran, dass man allmählich das Gefühl nicht los wurde, langsam rückwärts dem Ausgang entgegenzuwachsen. Mit einem kurzen Blick zum Schalter wurde uns der Grund für dieses Nichtvorankommen der Schlange eindrucksvoll präsentiert. Die Schalterfrau dachte nicht im geringsten daran, die wartenden Fahrgäste abzufertigen, sondern schwatzte lieber mit ihrer Kollegin im Schalter nebenan, der mittlerweile eine auch nicht zu unterschlagende Menschenmasse vor sich angehäuft hatte. Unter Zuhilfenahme einer Nagelpfeile, die ihr der Klischeegott persönlich vorbeigebracht haben musste, komplettierte sie das Bild der Aussichtslosigkeit. Die Menschen, die vor uns standen und ebenfalls nicht vorankamen, schienen aber nicht nervös zu werden.und gaben sogar zeitweilig vor, zu Statuen mutiert zu sein. Wir wurden natürlich prompt unruhig und sahen unseren unzerstörbaren Plan sich schon gleich am Anfang der Strecke zu bitterem Staub perforieren. Roberto sah unsere Gesichtszüge entgleisen und machte sich lachend auf die Pirsch, um die wahren Gründe für diesen Aufschub in Erfahrung zu bringen. Wenig später kam er mit der Nachricht zurück, dass die Busgesellschaft noch keine Tickets verkaufen konnte, weil der Bus nach Puerto de la Cruz noch nicht bereit stand und momentan wisse auch keiner, wann und wie die Fahrt vonstatten gehen sollte. Uns blieb also nichts anderes übrig, als in bester Busbahnhoftradition den Staub der Jahrhunderte anzusetzen und darauf zu warten und zu hoffen, dass sich der säumige Bus möglichst zügig an seiner Parkposition einfand.
ein.....
 
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