Verstehe deinen Kommentar und den Link mit dem Beispiel zu Lincoln nicht.
Bist du auch dafür, dass eine Statue von Lincoln, wo er symbolisch die Hand zum Schutz über einen Sklaven hält, abgenommen werden sollte, so wie das einige Bostoner fordern oder nicht? Und teilst du ihre Begründung für die Initiative gegen das Denkmal, nämlich dass es verschwinden sollte, weil der anonyme Sklave nackt und knieend gezeigt wird, obwohl das damals vor 150 Jahren als Symbol für Schutzlosigkeit, Armut und Verzweiflung gemeint war?
Das ist deine wohlmeinende Interpretation dieser Statue, andere Leute nehmen diese anders wahr, so auch die Mehrheit der befragten Leute in Boston. Weshalb sie ja auch umgezogen wird.
Mir ist das relativ schnuppe, eine Statue muss ja auch gewisse Dinge vereinfacht darstellen. Aber ich kann erkennen, dass es Sichtweisen auf diese Statue gibt, vor deren Hintergrund sie als nicht unproblematisch erscheint. Primär deshalb, weil Lincoln als der weiße Retter einer halbnackten und passiven afrikanischen Figur dargestellt wird, der weiße Mann der also das Leid der Sklaven durch seine Güte beendet und sie beschützt.
Auch weiß man, dass es bei den Gründen für den Bürgerkrieg auch viel mehr um politische und wirtschaftliche Themen ging und nur sekundär um die moralische Dimension der Sklaverei. Lincoln war gegen die Ausweitung der Sklaverei, insbesondere in die westlichen Territorien, weil man dort vor allem die weiße Bevölkerung arbeiten lassen wollte. Er war definitiv kein Abolitionist.
Und kennt man die Geschichte des Bürgerkriegs genauer, dann dürfte man auch bei dem Wort Emancipation, was am Sockel der Statue steht, zumindest ein wenig ins Grübeln kommen. Zwar gilt Lincoln als "The Great Emancipator", hat aber Emanzipation aller Schwarzen nie öffentlich gefordert. Und die Emancipation Proclamation von 1863 war nicht einfach nur ein Akt Lincolnscher Güte, sondern verfolgte das Ziel, es schwarzen Menschen und ehemaligen Sklaven aus den Südstaaten zu erlauben, in der Union Army zu kämpfen um damit auch militärstrategisch dem Süden zu schaden. Die Sklaverei in den Grenzstaaten zum Süden, die aber loyal zur Union waren, wurde durch diese Proklamation nicht beendet, weil man Angst hatte, dass diese Grenzstaaten sonst überlaufen könnten.
Außerdem war Lincoln lange Zeit ein Verfechter der Idee, dass man alle Sklaven in eine Kolonie abschieben sollte. Hat er dann später zwar fallen gelassen, aber er hatte zuvor aktiv versucht von den freien Afroamerikanern dafür Support zu erhalten, was diese vehement ablehnten. Und er fand auch, dass sie nicht die selben Rechte wie Weiße haben sollten (kein Wahlrecht, keine Jurymitgliedschaft, keine politischen Ämter) und war gegen Race Mixing.
Wenn also Lincoln hier dargestellt wird als die Person, die ganz alleine das Leid der Sklaven beendet hat, dann ist das eine verzerrte Darstellung. Hatte er einen großen Anteil? Mit Sicherheit, denn er ist in den Krieg gegen den Süden gezogen. Aber nicht aus der Güte seines Herzens und Mitleid für die Sklaven. Und die schwarze Bevölkerung selbst hat sich um die eigene Befreiung bemüht und mitgekämpft, siehe:
By the end of the Civil War, roughly 179,000 black men (10% of the Union Army) served as soldiers in the U.S. Army and another 19,000 served in the Navy. Nearly 40,000 black soldiers died over the course of the war—30,000 of infection or disease. Black soldiers served in artillery and infantry and performed all noncombat support functions that sustain an army, as well. Black carpenters, chaplains, cooks, guards, laborers, nurses, scouts, spies, steamboat pilots, surgeons, and teamsters also contributed to the war cause. There were nearly 80 black commissioned officers. Black women, who could not formally join the Army, nonetheless served as nurses, spies, and scouts, the most famous being
Harriet Tubman (photo citation: 200-HN-PIO-1), who scouted for the 2d South Carolina Volunteers.
Because of prejudice against them, black units were not used in combat as extensively as they might have been. Nevertheless, the soldiers served with distinction in a number of battles. Black infantrymen fought gallantly at Milliken's Bend, LA; Port Hudson, LA; Petersburg, VA; and Nashville, TN. The July 1863 assault on Fort Wagner, SC, in which the
54th Regiment of Massachusetts Volunteers lost two-thirds of their officers and half of their troops, was memorably dramatized in the film
Glory. By war's end, 16 black soldiers had been awarded the
Medal of Honor for their valor.
Solche Sachen werden durch so eine Statue ausgelassen und es fehlt ein fundamentaler Bestandteil der Geschichte. Die Statue wird ja nicht zerstört oder sonstwas, sondern es werden Wege gesucht, wie man sie in einen breiteren Kontext einbetten kann. Dazu gehört dann z.B. auch, den Anteil, den die Afroamerikaner selbst hatten, mit zu erzählen und nicht einfach das vereinfachte Bild weiterzuspinnen, dass Lincoln der Gutmensch im Alleingang die armen Sklaven beschützt und gerettet hat.
Darum geht es bei solchen Forderungen, dass man wegkommt von der verklärten Heldenerzählung über die großen Figuren der Geschichte und ein wenig mehr Nuancen reinbringt.
Und das halte ich für legitim, auch wenn es manchen schwer fällt.