Habe den Spot vorhin gesehen, ohne mir im Vorfeld irgendeinen Gedanken darüber gemacht zu haben. Ich erinnere jetzt lediglich den Artikel in der FAS von gestern, in dem die ganze Kampagne auf leicht süffisante Art zerrissen und irgendeinem ironisch-spitzfindigen Redakteur zum Fraß vorgeworfen wurde.
Nachdem ich jetzt sieben Seiten von den Jungs hier gelesen habe, die, bevor sie die Werbung überhaupt GESEHEN hatten, schon Wörter wie Propaganda, Patriotismusmaschine, Antiindividualistisch, Gehirnwäsche usf. in den Mund genommen haben, kann ich nur mit Entschiedenheit und gegen den ach so abgehobenen Ton der Pseudointellektuellen sagen:
Hey, das Konzept gefällt mir, die Machart auch und das Projekt insgesamt verdient kein Denkmal, aber Anerkennung. Es sind Prominente genauso wie Normalos vertreten, die bösen und die guten Jungs, Ausländerkinder und Einheimische, vom Norden bis zum Süden, vom Literaturkritiker bis zum Schiffsbauer.
Es ist müßig zu argumentieren, was mit den 30 Mill. Euro hätte gemacht werden können - es ist nötig, zu entscheiden, ob das, was damit gemacht wurde, gutzuheißen ist. Genauso obsolet, bei über 25 Medienunternehmen, die sich beteiligt haben, "Scheiße, Springer ist dabei" zu schreien. Vielmehr heißt es doch: Sehr gut, auch Springer ist dabei. Denn: Dass die politischen Ansichten, das Verhalten aller Menschen differiert, wissen wir alle. Dass es Konzerne gibt, die uns nicht passen, wissen wir spätestens seit Springer.
Aber das Problem ist doch ein ganz anderes: Solange ich auf alles schimpfe, alles kategorisch schlechtmache, wo ein mir von seiner Meinung her fremder Mensch seine Finger im Spiel hat, solange ich reflexartig zu allem Scheiße sage, was außerhalb meines Dunstkreises liegt, kann ich mir zwar selbst irgendetwas Diffuses wie Geradlinigkeit bescheinigen, aber Grenzen tatsächlich überwinden kann ich so sicher nicht. Ich kann so keine Regierung bilden. Ich kann keine Mauer einreißen. Ich kann - nebenbei - mit einer solchen Einstellung auch kein faschistisches Regime zu Fall bringen. Ich glaube daher nicht, dass diese Kampagne versucht, uns alle zu gesichtslosen stupiden Arbeitsmaschinen, die im Schweiße ihres Angesichts Eichels Villa finanzieren, zu erziehen, ich glaube viel eher, dass sie versucht, uns beizubringen, dass das, was uns in schöner Regelmäßigkeit von den Politikern dieses Landes vorgelebt wird, diese Folge von Kritik am anderen ohne den Ansatz eines Konzeptes, nicht zum Ziel führen kann. Ich glaube, dass diese Kampagne einen symbolhaften Deichbruch erschafft.