Das erste Konzert, das man ohne Eltern besuchen durfte. Nachts alleine auf der Autobahn und den gleichen Song immer und immer wieder hören, weil man nicht fassen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freund:innen von früher laut grölend auf jeder Party mitgesungen hat. Vermutlich kennt jeder Mensch diesen Moment: Es läuft ein bestimmtes Lied oder Album, das einen direkt emotional in eine Situation zurückversetzen kann, nostalgisch werden lässt oder einfach nur aufgrund seiner Machart immer wieder zum Staunen bringt. Und genau darum geht es in unserem Format "DIGGEN mit …". Wir diggen mit verschiedenen Protagonist:innen der Szene in ihren gedanklichen Plattenkisten und sprechen über Musik, die diese Emotionen in ihnen auslöst. Dafür stellen unsere Gäste jeweils eine eigene Playlist mit Songs zusammen, die sie bewegen, begeistern und inspirieren.
Dieses Mal war Rapper Nico Suave in unserem Format zu Gast und hat eine Playlist zum Thema "Jugendsünden" mitgebracht, also Songs, die ihn zum einen an seine Jugendzeit erinnern und zum anderen musikalisch stark geprägt haben. Er erklärte uns, wie es ist, von einer Klein- in eine Großstadt zu ziehen, wie er Dendemann kennenlernte und welchen Song er als allerersten auf einer Bühne performte.
1. House of Pain – Jump Around (prod. by DJ Muggs)
Nico Suave: "House of Pain (Fine Malt Lyrics)" war damals, als ich HipHop für mich entdeckt habe, die erste CD, die ich von meinem eigenen Taschengeld gekauft habe. Zu dieser Zeit fing das gerade so an, dass ich mehr im Stadtkern rumgehangen habe. Mein Zwillingsbruder und ich fanden Skateboardfahren total cool. Wir haben uns dann zusammen mit einem Freund unser erstes Deck geholt und dann waren wir eigentlich immer in der Stadt und haben so den Bezug zu HipHop bekommen. Ich habe zwar durch meinen älteren Bruder und meinen Vater schon immer irgendwo hier und da Tracks gehört, die was mit Rap zu tun hatten, zum Beispiel von Snap! "Rhythm is a Dancer". Aber das erste Mal, dass ich dachte, ich gebe jetzt mein Geld für eine HipHop-CD aus, war "Jump Around" von House of Pain. Damit startete meine Reise und ab diesem Zeitpunkt war ich HipHop-infiziert.
MZEE.com: Warum hast du damals zu dieser CD gegriffen?
Nico Suave: Das Video habe ich zu der Zeit bei Yo! MTV Raps gesehen. Wir haben als ca. 13-Jährige mit eher älteren 16-Jährigen rumgehangen, da haben wir viel mitbekommen: "Hast du das schon gehört? Zieh dir das mal bei Yo! MTV Raps rein." Mich hat das "Jump Around"-Video voll weggehauen. Ich fand Everlast einfach cool, der war für mich so eine Art Hero-Figur. Zu dem habe ich aufgeschaut und dachte: So will ich auch mal werden. Ich komme aus Menden, das ist so eine Kleinstadt bei Dortmund, da gab es zwei CD-Stores, die irgendwann gecheckt haben, dass es in der Stadt eine HipHop-Bewegung und viele Menschen gibt, die bereit sind, dafür Geld auszugeben. In einem der Läden habe ich mir dann House of Pain geholt. Eigentlich mussten wir für geilen Scheiß immer nach Dortmund fahren, denn in den ganz kleinen CD-Läden in Menden war die Auswahl sehr gering.
2. Naughty by Nature – O.P.P. (prod. by. Naughty by Nature)
Nico Suave: Der Song stammt aus einer ähnlichen Zeit wie "Jump Around". Die beiden Songs habe ich gepickt, weil die für mich wirklich den Startpunkt bilden, der mich krass mit HipHop verbunden hat. Ich habe nichts anderes mehr gehört: Yo! MTV Raps habe ich gefühlt auswendig gekonnt und so auch Englisch durch die Sendung gelernt. Wir waren wirklich Nerds. Zu dieser Zeit habe ich Dende beim Skateboardfahren kennengelernt, der kommt ja auch aus meiner Stadt. "O.P.P." fand ich extrem stark. Wir orientierten uns an deren Musikvideo und haben dann versucht, wie die auszusehen und uns Klamotten in XXXL gekauft. Das war eine geile Zeit.
3. Young Black Teenagers – Tap The Bottle (prod. by Terminator X)
Nico Suave: "Tap The Bottle" stammt auch aus der Zeit. Das Lustige bei dem Track ist, dass das eine Crew aus so vier Leuten war. Wir haben damals im Freundeskreis angefangen, uns langsam zu formieren. Wir fanden HipHop cool und wollten das auch machen. Aber es gab noch nicht so viel Deutsches, an dem wir uns orientieren konnten, und dann haben wir angefangen, ein bisschen auf Englisch zu texten. Mit 14 Jahren hatten wir dann in einem Jugendzentrum unseren ersten Mini-Playback-Auftritt: mein Bruder, zwei Freunde und ich. Wir haben mit dem Song bei einem Playback-Contest mitgemacht und das war das erste Mal, dass ich auf einer Bühne stand. Wir hatten natürlich all unsere Homies da und der Laden war voll. Wir waren die einzige HipHop-Crew und wurden sehr gefeiert. Es war ein geiles Gefühl, auf der Bühne zu stehen, auch wenn wir mit "Tap The Bottle" keinen eigenen Song performt haben. Der Track hat eine krasse Energie, die haben wir auf die Bühne gebracht und haben uns mit 14 Jahren von dem ganzen Jugendzentrum feiern lassen. Witzigerweise haben wir den Contest auch gewonnen.
4. Dr. Dre & Snoop Dogg – Nuthin' But A "G" Thang (prod.by Dr. Dre)
Nico Suave: Der Song erinnert mich immer an die Zeit, in der ich den West Coast-Sound für mich entdeckt habe. Mein Vater hat meinen Bruder und mich damals das erste Mal allein in den Urlaub geschickt. Das war ein Skiurlaub und wir hatten gar keinen Bock, Ski zu fahren, weil wir es nicht richtig konnten. Für unsere Verpflegung hatten wir etwas Geld bekommen. Blöderweise gab es in dem Urlaubsort einen kleinen CD-Laden. Zu dem sind wir dann immer in voller Montur und mit den Skiern gelaufen, um uns von dem Verpflegungsgeld CDs zu kaufen. Dort haben wir unter anderem "The Chronic" von Dr. Dre gekauft. Wir sind während der Reise nicht einmal auf den Berg gefahren, sondern waren nur in diesem Dorf und haben mit einem tragbaren CD-Player den ganzen Tag Musik zelebriert. "The Chronic" ist für mich ein Classic und Evergreen. Diesen ganzen Lifestyle fand ich geil und auch die Autos cool. Wir waren halt ursprünglich von New York beeinflusst und auf einmal war der Sound aus Los Angeles unser Ding.
MZEE.com: Du hast gerade deinen Vater und deinen Zwillingsbruder erwähnt. Wie war denn die Beziehung zu deiner Familie?
Nico Suave: Mein Vater hat uns extrem vertraut und viele Freiheiten ermöglicht. Ich hatte immer ein richtig enges Verhältnis zu ihm, auch wenn er viel unterwegs war. Leider ist er früh verstorben und ich denke oft an ihn. Solche Erinnerungen wie der eben erwähnte Urlaub bleiben mir für immer im Gedächtnis. Meine Eltern haben auch das Musik-Ding immer supportet, gerade wenn es mal schwieriger wurde, haben sie mich auch finanziell unterstützt. Meine Mutter ist bis heute am Start. Ich habe zu ihr und meinem Zwillingsbruder das beste Verhältnis, das man sich vorstellen kann.
MZEE.com: Mittlerweile bist du selbst mehrfacher Vater. Wie gehst du denn mit deinen Kids um?
Nico Suave: Meine Kids sind sehr unterschiedlich drauf. Meine ältere Tochter ist ruhiger als die jüngere. Mir ist grundsätzlich wichtig, dass wir ein gutes Verhältnis haben, uns gegenseitig vertrauen und dementsprechend über alles reden können. Es gab zum Glück noch keinen Moment, in dem wirklich große Scheiße passiert ist. Meine Kids sind wirklich gut geraten, auch wenn sich das komisch anhört. Aber ich bin gespannt, wie sich das noch entwickelt. Die Welt ist sehr wild geworden, im Vergleich zu meiner Jugendzeit. Die Eindrücke und Einflüsse prasseln in viel höherer Geschwindigkeit auf die Kids ein. Das liegt unter anderem an der Omnipräsenz von Handys – auch ein Riesenthema bei uns, ab wann bekommt ein Kind ein eigenes Handy? Meine Kids haben bisher keines. Das birgt viele Alltagskonflikte, aber im Grunde genommen bin ich happy.
5. Cypress Hill – I Wanna Get High (prod. by DJ Muggs)
Nico Suave: Cypress Hill in Bonn war tatsächlich mein allererstes HipHop-Konzert. Unser Dad hat damals meinen Bruder und mich hingefahren und ist selbst aber nicht mitgekommen. Wir standen in der ersten Reihe, waren nur wegen Cypress Hill da und haben gar nicht nachgesehen, ob sonst noch eine Band spielt. Für uns war Cypress Hill das Nummer-eins-Ding. Dann fängt die Show an und es kommen als Support-Acts Funkdoobiest und Lords of the Underground auf die Bühne. Es war heftig und wir sind komplett durchgedreht. Wir haben das alles inhaliert, denn die standen auf einmal direkt vor uns. Das war damals unerreichbar für mich, die überhaupt jemals aus der Nähe zu sehen. Das war ein krasses Gefühl und Cypress Hill war dann der krönende Abschluss. Auch wenn ich die mittlerweile nicht mehr höre, gehe ich immer wieder gerne hin, wenn die mal wieder nach Hamburg kommen. Das sind einfach richtige Charaktere, mit signifikanten Stimmen.
MZEE.com: Passend zum Thema der Playlist und "I Wanna Get High" würde mich interessieren, wie du zu Drogenkonsum stehst und wie dein Umgang in der Jugend damit war?
Nico Suave: Wenn du in einer kleinen Stadt aufwächst, wirst du andauernd damit konfrontiert. Meine Mutter hat uns immer eingetrichtert, dass wir die Finger von Drogen lassen sollten. Letztendlich haben wir trotzdem phasenweise wie die Weltmeister geraucht. Man hat auch mal was anderes ausprobiert, aber ist nie hart abgedriftet. Ich war mit einschlägigen Drogenerlebnissen von Leuten aus meinem Umfeld konfrontiert: Ein Freund von mir, mit dem wir damals die erste Rap-Crew gegründet haben, hat zu der Zeit einen richtigen OG-Film gefahren und hing mit einem Typen ab, der den Drogenhandel in der Stadt dominierte. Wir waren dann mal bei dem zu Besuch, da war ich 15 oder 16 Jahre alt. Ich saß in seinem Keller und es kam ein Junkie rein, den ich vom Sehen aus der Stadt kannte. Er war bereits auf Heroin und holte sich dort neues Zeug, setzte sich direkt neben mich, packte sein Besteck aus und setzte sich einen Schuss. Mich prägt das bis heute und ich habe mir fest vorgenommen, nie so enden zu wollen. Ich kenne auch Menschen, die sich unter Einfluss von Drogen angezündet haben oder völlig zugedröhnt Motorrad gefahren sind und Unfälle gebaut haben. Manche Freund:innen sind sogar aufgrund von Drogen ums Leben gekommen. Bei mir entwickelte sich schon früh ein großer Respekt vor Drogen. Ich kann es niemandem verbieten, auch nicht meinen Kindern, aber ich bin happy, dass ich da niemals reingerutscht bin.
6. Rödelheim Hartreim Projekt – Reime (prod. by Moses Pelham, Martin Haas und Robert Sattler)
Nico Suave: "Reime" von Rödelheim Hartreim Projekt war das erste Mal, dass ich deutschen Rap für mich entdeckt und absolut zu Tode gefeiert habe. Gerade Moses Pelham ist für mich eine absolute Legende. Mit den anderen Sachen, die zu dieser Zeit zum Beispiel bei Viva liefen, konnte ich nie richtig was anfangen. Zum Beispiel Fresh Familee habe ich durchaus gehört, aber Rödelheim Hartreim Projekt waren für mich die Heroes. Ihre Art zu reimen und ihre Attitude fand ich krass. Auch wenn ich mich soundtechnisch in eine komplett andere Richtung entwickelt habe, weil ich später viel mehr durch Hamburg beeinflusst wurde, waren das trotzdem Vorreiter für mich. Ich glaube, wenn es die nicht gegeben hätte, hätte ich vielleicht nie Deutschrap gemacht. Das hat in mir etwas ausgelöst.
7. Dynamite Deluxe – Pures Gift (prod. by Tropf und DJ Dynamite)
Nico Suave: Da war ich natürlich schon wesentlich älter und habe die ersten Sachen aus Hamburg mitbekommen. Hier könnte ich eine Menge aufzählen: Die Hamburger Szene hat mich geprägt, wie zum Beispiel die Sachen von den Beginnern, den Broten oder von der Tobi & das Bo. Der Hamburger Sound ist zu uns rübergeschwappt und ich fand sowohl die Instrumentals als auch die Lyrics inhaltlich geil. Von Dendemann habe ich irgendwann dieses erste Dynamite Deluxe-Tape bekommen und das hat Deutschrap für mich noch mal revolutioniert und auf ein neues Level gehoben – die Art zu schreiben und die Attitude waren etwas ganz Neues. Samys Unbekümmertheit erinnert mich da an mich selbst: Als ich mit meiner ersten Crew Provinz Aroma 1994 den Track "Raubkopie" auf einem Bremer Sampler veröffentlicht habe. Samy hat mich damals, unter anderem mit "Pures Gift", krass inspiriert, was das Texten angeht.
MZEE.com: Du und Samy habt ja auch eine gemeinsame Geschichte. Wie entstand denn eure Beziehung?
Nico Suave: Dende ist ungefähr 1997 nach Hamburg gezogen und wir haben ihn dann öfter besucht. 1998 haben wir "Sternzeichen Krebs" aufgenommen und dabei habe ich Samy im Keller des legendären Eimsbush Basement kennengelernt. (überlegt) Ich bin mir nicht mehr sicher, es könnte witzigerweise auch sein, dass ich bereits ein Jahr vorher bei ihm auf einem Festival Gras gekauft habe. Kurz darauf entschloss ich mich jedenfalls, nach Hamburg zu ziehen. Mein Management und Label hatte ich dann hier und gehörte zum erweiterten Kreis der Mongo Clikke. Da ist man sich dann immer öfter über den Weg gelaufen.
8. Blumentopf – Taschen voller Sonnenschein (prod. by Blumentopf)
Nico Suave: Den Song habe ich ausgewählt, weil ich den feiere und der etwas sehr Jugendliches ausstrahlt. Außerdem habe ich zu den Jungs eine lange Verbindung. Wir waren mehrfach zusammen auf Tour und haben Tracks produziert, auch für meine Alben. Blumentopf habe ich viel zu verdanken, ohne die Jungs wäre ich niemals so viel unterwegs gewesen. Für eine eigene Tour war ich lange nicht strong genug, deshalb bin ich auch sowas wie der ewige Support-Act. Ich fand die Töpfe immer cool, weil sie schon Ende der 90er ihr eigenes Ding gemacht haben. Zu einigen entwickelte sich bei den ersten Treffen in jungen Jahren bereits eine Freundschaft. Ich finde es schade, dass es die Band nicht mehr gibt. Wobei ich mittlerweile öfter das Gefühl habe, dass da vielleicht noch mal was kommt. Aber ich weiß das natürlich nicht.
9. Freundeskreis – Esperanto feat. Deborah (prod. by Max Herre, DJ Friction und Philippe Kayser)
Nico Suave: Das ganze Freundeskreis-Ding habe ich in den 90ern musikalisch krass abgefeiert und fand es geil, dass da Leute wie Gentleman, Afrob und Joy Denalane involviert waren. Es war irgendwie eine riesige Posse, die sehr anspruchsvolles Zeug gemacht hat, und ich fand Max als Charakter richtig geil. Als junger Typ war ich auf vielen Freundeskreis-Konzerten. Auch wenn ich heute eines sehe, ist das amtlich und ein Qualitätsstandard, zu dem ich aufschaue und der mich beeinflusst. "Esperanto", aber auch das ganze dazugehörige Album, kannst du heute noch genauso hören wie damals. Da fällt nichts qualitativ ab. Neben Hamburg hat mich auch der Sound aus Stuttgart geprägt, deshalb musste der Song stellvertretend mit auf die Liste. Wir hatten zu den Leuten aus Stuttgart früh eine Verbindung, denn ich war mit meiner ersten Crew dort unterwegs, unter anderem im Plattenladen von DJ Emilio und im 0711 Club. Uns hatte niemand auf dem Schirm, aber wir haben uns trotzdem als Teil davon gefühlt.
10. The Pharcyde – Runnin' (prod. by J Dilla)
Nico Suave: Der Song ist ein absoluter Classic und stammt aus der Beatschmiede von J Dilla. Wenn es um meine Lieblings-Producer:innen geht, wird immer der Name J Dilla fallen. Der Mann hat den HipHop-Sound revolutioniert und so viele Produzent:innen beeinflusst – allein wie er die Hi-Hats gesetzt hat. Das ist gefühlt alles immer ein Stück zu laid back, aber dadurch hat es diesen bestimmten Groove. Als junger Typ war ich immer wieder erstaunt, woran J Dilla beteiligt war. Das war nicht ganz so einfach herauszufinden wie heute bei Spotify, wo du mal schnell gucken kannst, wer was produziert hat. Dilla hat auch immer mal wieder andere Pseudonyme verwendet. Damals habe ich versucht, mit meinen Leuten ein bisschen den Sound "zu kopieren": Ich wollte nur noch auf Beats rappen, die laid back sind und bei denen die Hi-Hats verschoben sind. Wir haben das natürlich nie eins zu eins hingekriegt. Es ist schade, dass er nicht mehr da ist. Ich war noch auf einem seiner letzten Konzerte im Ruhrpott, bei dem er bereits im Rollstuhl auf die Bühne kam. Er bleibt eine Legende und ich ein großer Fan.
11. Reflection Eternal – Blast feat. Vinia Mojica (prod. by Hi-Tek)
Nico Suave: Das gesamte Album ist ein Classic. Ich war ein großer Hi-Tek-Fan und auch bei ihm hast du gemerkt, dass er Dilla-beeinflusst war. Er hat aber trotzdem einen Weg gefunden, einen eigenen Sound zu kreieren. Das Album, und vor allem diesen Song, habe ich komplett gefeiert. Talib Kweli war jahrelang mein absoluter Lieblingsrapper: Seine Attitude, die Stimme, der Flow und die Rhyme-Patterns haben mich komplett abgeholt. Wahrscheinlich habe ich kein Album so oft und so lange gehört wie dieses. Es erschien 2000 und fiel damit auch in die Zeit, in der mein erstes Solo-Album entstand. Eine krasse Zeit, die ich mit jugendlichem Leichtsinn in Verbindung bringe: Mit meinem DJ Sparc waren wir oft im Ganja Club auf dem Hamburger Berg unterwegs oder haben in Steilshoop und Bramfeld rumgehangen und das Album gehört. Wenn du aus einer kleinen Stadt nach Hamburg kommst, ist das in jungen Jahren sehr heftig. Hamburg war damals die Welt für mich und ich konnte nicht glauben, dass ich mal hier wohnen würde. Heute fühlt es sich wie ein Dorf an. Wie gesagt, zu dieser Zeit entstand mein erstes Album, das ich immer mit dem Album von Kweli und Hi-Tek verbinden werde. Damals hatte ich keinen Plan und war auf einmal Teil der Musikindustrie. Mit "Blast" verbinde ich vor allem meinen endgültigen Start als Musiker.
12. Snoop Dogg – Beautiful feat. Pharrell Williams, Uncle Charlie Wilson (prod. by The Neptunes)
Nico Suave: Ehrlicherweise habe ich den nur genommen, weil der Song von den Neptunes produziert ist. Die Jungs haben eine Ära geprägt, nahezu alle wollten damals so klingen. Zu dieser Zeit haben die gefühlt überall ihre Finger mit im Spiel gehabt, ähnlich wie Kanye ein paar Jahre später. Den Song verbinde ich ebenfalls mit dem Ganja Club auf dem Hamburger Berg. Speziell Pharrell prägt bis heute viele Generationen mit seinem Sound. Es ist verrückt, über was für einen langen Zeitraum der Mann krasse Musik macht und irgendwie trotzdem für modernen Sound und etwas Jugendliches steht. Er ist mittlerweile über 50 und bei dem würde niemand auf die Idee kommen, dass er schon zu alt sei. Alter sollte bei Musik keine Rolle spielen, aber gerade im Rap wird das ja oft anders bewertet. Als Jugendlicher war ich total froh, etwas von den Älteren zu lernen und zu ihnen aufzuschauen. Mittlerweile mache ich das alles selbst schon sehr lange und habe viele HipHop- und Rap-Tourist:innen kommen und gehen sehen. Aber ich bin seit meiner Jugend ein Teil der Kultur und kriege das gar nicht aus mir raus. "Mist, ich habe die 40 überschritten und kann keine Baggy mehr tragen" – trage doch, was du willst. Solange du authentisch bist, kann dir egal sein, was alle anderen sagen. Jemand wie zum Beispiel Pharrell wird noch mit 65 Menschen prägen, weil der sich immer weiterentwickelt. Für solche Künstler:innen bin ich sehr dankbar.
All diese Tracks findet ihr in unserer "DIGGEN mit Nico Suave"-Playlist auf Spotify.
(Alec Weber)
(Foto von Joshua Kaiser)