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DIGGEN mit Nico Suave

"Von Den­de­mann habe ich irgend­wann die­ses ers­te Dyna­mi­te Deluxe-​Tape bekom­men und das hat Deutschrap für mich noch mal revo­lu­tio­niert." – Die­ses Mal kram­te Nico Sua­ve für "DIGGEN mit …" in sei­ner gedank­li­chen Plat­ten­kis­te und stell­te eine Play­list zum The­ma "Jugend­sün­den" für uns zusammen.

Das ers­te Kon­zert, das man ohne Eltern besu­chen durf­te. Nachts allei­ne auf der Auto­bahn und den glei­chen Song immer und immer wie­der hören, weil man nicht fas­sen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freund:innen von frü­her laut grö­lend auf jeder Par­ty mit­ge­sun­gen hat. Ver­mut­lich kennt jeder Mensch die­sen Moment: Es läuft ein bestimm­tes Lied oder Album, das einen direkt emo­tio­nal in eine Situa­ti­on zurück­ver­set­zen kann, nost­al­gisch wer­den lässt oder ein­fach nur auf­grund sei­ner Mach­art immer wie­der zum Stau­nen bringt. Und genau dar­um geht es in unse­rem For­mat "DIGGEN mit …". Wir dig­gen mit ver­schie­de­nen Protagonist:innen der Sze­ne in ihren gedank­li­chen Plat­ten­kis­ten und spre­chen über Musik, die die­se Emo­tio­nen in ihnen aus­löst. Dafür stel­len unse­re Gäs­te jeweils eine eige­ne Play­list mit Songs zusam­men, die sie bewe­gen, begeis­tern und inspirieren.

Die­ses Mal war Rap­per Nico Sua­ve in unse­rem For­mat zu Gast und hat eine Play­list zum The­ma "Jugend­sün­den" mit­ge­bracht, also Songs, die ihn zum einen an sei­ne Jugend­zeit erin­nern und zum ande­ren musi­ka­lisch stark geprägt haben. Er erklär­te uns, wie es ist, von einer Klein- in eine Groß­stadt zu zie­hen, wie er Den­de­mann ken­nen­lern­te und wel­chen Song er als aller­ers­ten auf einer Büh­ne performte.

 

 

1. House of Pain – Jump Around (prod. by DJ Muggs)

Nico Sua­ve: "House of Pain (Fine Malt Lyrics)" war damals, als ich Hip­Hop für mich ent­deckt habe, die ers­te CD, die ich von mei­nem eige­nen Taschen­geld gekauft habe. Zu die­ser Zeit fing das gera­de so an, dass ich mehr im Stadt­kern rum­ge­han­gen habe. Mein Zwil­lings­bru­der und ich fan­den Skate­board­fah­ren total cool. Wir haben uns dann zusam­men mit einem Freund unser ers­tes Deck geholt und dann waren wir eigent­lich immer in der Stadt und haben so den Bezug zu Hip­Hop bekom­men. Ich habe zwar durch mei­nen älte­ren Bru­der und mei­nen Vater schon immer irgend­wo hier und da Tracks gehört, die was mit Rap zu tun hat­ten, zum Bei­spiel von Snap! "Rhythm is a Dancer". Aber das ers­te Mal, dass ich dach­te, ich gebe jetzt mein Geld für eine HipHop-​CD aus, war "Jump Around" von House of Pain. Damit star­te­te mei­ne Rei­se und ab die­sem Zeit­punkt war ich HipHop-infiziert.

MZEE.com​: War­um hast du damals zu die­ser CD gegriffen?

Nico Sua­ve: Das Video habe ich zu der Zeit bei Yo! MTV Raps gese­hen. Wir haben als ca. 13-​Jährige mit eher älte­ren 16-​Jährigen rum­ge­han­gen, da haben wir viel mit­be­kom­men: "Hast du das schon gehört? Zieh dir das mal bei Yo! MTV Raps rein." Mich hat das "Jump Around"-Video voll weg­ge­hau­en. Ich fand Ever­last ein­fach cool, der war für mich so eine Art Hero-​Figur. Zu dem habe ich auf­ge­schaut und dach­te: So will ich auch mal wer­den. Ich kom­me aus Men­den, das ist so eine Klein­stadt bei Dort­mund, da gab es zwei CD-​Stores, die irgend­wann gecheckt haben, dass es in der Stadt eine HipHop-​Bewegung und vie­le Men­schen gibt, die bereit sind, dafür Geld aus­zu­ge­ben. In einem der Läden habe ich mir dann House of Pain geholt. Eigent­lich muss­ten wir für gei­len Scheiß immer nach Dort­mund fah­ren, denn in den ganz klei­nen CD-​Läden in Men­den war die Aus­wahl sehr gering.

 

2. Naugh­ty by Natu­re – O.P.P. (prod. by. Naugh­ty by Nature)

Nico Sua­ve: Der Song stammt aus einer ähn­li­chen Zeit wie "Jump Around". Die bei­den Songs habe ich gepickt, weil die für mich wirk­lich den Start­punkt bil­den, der mich krass mit Hip­Hop ver­bun­den hat. Ich habe nichts ande­res mehr gehört: Yo! MTV Raps habe ich gefühlt aus­wen­dig gekonnt und so auch Eng­lisch durch die Sen­dung gelernt. Wir waren wirk­lich Nerds. Zu die­ser Zeit habe ich Den­de beim Skate­board­fah­ren ken­nen­ge­lernt, der kommt ja auch aus mei­ner Stadt. "O.P.P." fand ich extrem stark. Wir ori­en­tier­ten uns an deren Musik­vi­deo und haben dann ver­sucht, wie die aus­zu­se­hen und uns Kla­mot­ten in XXXL gekauft. Das war eine gei­le Zeit.

 

3. Young Black Teen­agers – Tap The Bot­t­le (prod. by Ter­mi­na­tor X)

Nico Sua­ve: "Tap The Bot­t­le" stammt auch aus der Zeit. Das Lus­ti­ge bei dem Track ist, dass das eine Crew aus so vier Leu­ten war. Wir haben damals im Freun­des­kreis ange­fan­gen, uns lang­sam zu for­mie­ren. Wir fan­den Hip­Hop cool und woll­ten das auch machen. Aber es gab noch nicht so viel Deut­sches, an dem wir uns ori­en­tie­ren konn­ten, und dann haben wir ange­fan­gen, ein biss­chen auf Eng­lisch zu tex­ten. Mit 14 Jah­ren hat­ten wir dann in einem Jugend­zen­trum unse­ren ers­ten Mini-​Playback-​Auftritt: mein Bru­der, zwei Freun­de und ich. Wir haben mit dem Song bei einem Playback-​Contest mit­ge­macht und das war das ers­te Mal, dass ich auf einer Büh­ne stand. Wir hat­ten natür­lich all unse­re Homies da und der Laden war voll. Wir waren die ein­zi­ge HipHop-​Crew und wur­den sehr gefei­ert. Es war ein gei­les Gefühl, auf der Büh­ne zu ste­hen, auch wenn wir mit "Tap The Bot­t­le" kei­nen eige­nen Song per­formt haben. Der Track hat eine kras­se Ener­gie, die haben wir auf die Büh­ne gebracht und haben uns mit 14 Jah­ren von dem gan­zen Jugend­zen­trum fei­ern las­sen. Wit­zi­ger­wei­se haben wir den Con­test auch gewonnen.

 

4. Dr. Dre & Snoop Dogg – Nut­hin' But A "G" Thang (prod​.by Dr. Dre)

Nico Sua­ve: Der Song erin­nert mich immer an die Zeit, in der ich den West Coast-​Sound für mich ent­deckt habe. Mein Vater hat mei­nen Bru­der und mich damals das ers­te Mal allein in den Urlaub geschickt. Das war ein Ski­ur­laub und wir hat­ten gar kei­nen Bock, Ski zu fah­ren, weil wir es nicht rich­tig konn­ten. Für unse­re Ver­pfle­gung hat­ten wir etwas Geld bekom­men. Blö­der­wei­se gab es in dem Urlaubs­ort einen klei­nen CD-​Laden. Zu dem sind wir dann immer in vol­ler Mon­tur und mit den Ski­ern gelau­fen, um uns von dem Ver­pfle­gungs­geld CDs zu kau­fen. Dort haben wir unter ande­rem "The Chro­nic" von Dr. Dre gekauft. Wir sind wäh­rend der Rei­se nicht ein­mal auf den Berg gefah­ren, son­dern waren nur in die­sem Dorf und haben mit einem trag­ba­ren CD-​Player den gan­zen Tag Musik zele­briert. "The Chro­nic" ist für mich ein Clas­sic und Ever­green. Die­sen gan­zen Life­style fand ich geil und auch die Autos cool. Wir waren halt ursprüng­lich von New York beein­flusst und auf ein­mal war der Sound aus Los Ange­les unser Ding.

MZEE.com​: Du hast gera­de dei­nen Vater und dei­nen Zwil­lings­bru­der erwähnt. Wie war denn die Bezie­hung zu dei­ner Familie?

Nico Sua­ve: Mein Vater hat uns extrem ver­traut und vie­le Frei­hei­ten ermög­licht. Ich hat­te immer ein rich­tig enges Ver­hält­nis zu ihm, auch wenn er viel unter­wegs war. Lei­der ist er früh ver­stor­ben und ich den­ke oft an ihn. Sol­che Erin­ne­run­gen wie der eben erwähn­te Urlaub blei­ben mir für immer im Gedächt­nis. Mei­ne Eltern haben auch das Musik-​Ding immer sup­port­et, gera­de wenn es mal schwie­ri­ger wur­de, haben sie mich auch finan­zi­ell unter­stützt. Mei­ne Mut­ter ist bis heu­te am Start. Ich habe zu ihr und mei­nem Zwil­lings­bru­der das bes­te Ver­hält­nis, das man sich vor­stel­len kann.

MZEE​.com: Mitt­ler­wei­le bist du selbst mehr­fa­cher Vater. Wie gehst du denn mit dei­nen Kids um? 

Nico Sua­ve: Mei­ne Kids sind sehr unter­schied­lich drauf. Mei­ne älte­re Toch­ter ist ruhi­ger als die jün­ge­re. Mir ist grund­sätz­lich wich­tig, dass wir ein gutes Ver­hält­nis haben, uns gegen­sei­tig ver­trau­en und dem­entspre­chend über alles reden kön­nen. Es gab zum Glück noch kei­nen Moment, in dem wirk­lich gro­ße Schei­ße pas­siert ist. Mei­ne Kids sind wirk­lich gut gera­ten, auch wenn sich das komisch anhört. Aber ich bin gespannt, wie sich das noch ent­wi­ckelt. Die Welt ist sehr wild gewor­den, im Ver­gleich zu mei­ner Jugend­zeit. Die Ein­drü­cke und Ein­flüs­se pras­seln in viel höhe­rer Geschwin­dig­keit auf die Kids ein. Das liegt unter ande­rem an der Omni­prä­senz von Han­dys – auch ein Rie­sen­the­ma bei uns, ab wann bekommt ein Kind ein eige­nes Han­dy? Mei­ne Kids haben bis­her kei­nes. Das birgt vie­le All­tags­kon­flik­te, aber im Grun­de genom­men bin ich happy.

 

5. Cypress Hill – I Wan­na Get High (prod. by DJ Muggs)

Nico Sua­ve: Cypress Hill in Bonn war tat­säch­lich mein aller­ers­tes HipHop-​Konzert. Unser Dad hat damals mei­nen Bru­der und mich hin­ge­fah­ren und ist selbst aber nicht mit­ge­kom­men. Wir stan­den in der ers­ten Rei­he, waren nur wegen Cypress Hill da und haben gar nicht nach­ge­se­hen, ob sonst noch eine Band spielt. Für uns war Cypress Hill das Nummer-​eins-​Ding. Dann fängt die Show an und es kom­men als Support-​Acts Funk­doo­biest und Lords of the Under­ground auf die Büh­ne. Es war hef­tig und wir sind kom­plett durch­ge­dreht. Wir haben das alles inha­liert, denn die stan­den auf ein­mal direkt vor uns. Das war damals uner­reich­bar für mich, die über­haupt jemals aus der Nähe zu sehen. Das war ein kras­ses Gefühl und Cypress Hill war dann der krö­nen­de Abschluss. Auch wenn ich die mitt­ler­wei­le nicht mehr höre, gehe ich immer wie­der ger­ne hin, wenn die mal wie­der nach Ham­burg kom­men. Das sind ein­fach rich­ti­ge Cha­rak­te­re, mit signi­fi­kan­ten Stimmen.

MZEE.com​: Pas­send zum The­ma der Play­list und "I Wan­na Get High" wür­de mich inter­es­sie­ren, wie du zu Dro­gen­kon­sum stehst und wie dein Umgang in der Jugend damit war?

Nico Sua­ve: Wenn du in einer klei­nen Stadt auf­wächst, wirst du andau­ernd damit kon­fron­tiert. Mei­ne Mut­ter hat uns immer ein­ge­trich­tert, dass wir die Fin­ger von Dro­gen las­sen soll­ten. Letzt­end­lich haben wir trotz­dem pha­sen­wei­se wie die Welt­meis­ter geraucht. Man hat auch mal was ande­res aus­pro­biert, aber ist nie hart abge­drif­tet. Ich war mit ein­schlä­gi­gen Dro­gen­er­leb­nis­sen von Leu­ten aus mei­nem Umfeld kon­fron­tiert: Ein Freund von mir, mit dem wir damals die ers­te Rap-​Crew gegrün­det haben, hat zu der Zeit einen rich­ti­gen OG-​Film gefah­ren und hing mit einem Typen ab, der den Dro­gen­han­del in der Stadt domi­nier­te. Wir waren dann mal bei dem zu Besuch, da war ich 15 oder 16 Jah­re alt. Ich saß in sei­nem Kel­ler und es kam ein Jun­kie rein, den ich vom Sehen aus der Stadt kann­te. Er war bereits auf Hero­in und hol­te sich dort neu­es Zeug, setz­te sich direkt neben mich, pack­te sein Besteck aus und setz­te sich einen Schuss. Mich prägt das bis heu­te und ich habe mir fest vor­ge­nom­men, nie so enden zu wol­len. Ich ken­ne auch Men­schen, die sich unter Ein­fluss von Dro­gen ange­zün­det haben oder völ­lig zuge­dröhnt Motor­rad gefah­ren sind und Unfäl­le gebaut haben. Man­che Freund:innen sind sogar auf­grund von Dro­gen ums Leben gekom­men. Bei mir ent­wi­ckel­te sich schon früh ein gro­ßer Respekt vor Dro­gen. Ich kann es nie­man­dem ver­bie­ten, auch nicht mei­nen Kin­dern, aber ich bin hap­py, dass ich da nie­mals rein­ge­rutscht bin.

 

6. Rödel­heim Hart­reim Pro­jekt – Rei­me (prod. by Moses Pel­ham, Mar­tin Haas und Robert Sattler)

Nico Sua­ve: "Rei­me" von Rödel­heim Hart­reim Pro­jekt war das ers­te Mal, dass ich deut­schen Rap für mich ent­deckt und abso­lut zu Tode gefei­ert habe. Gera­de Moses Pel­ham ist für mich eine abso­lu­te Legen­de. Mit den ande­ren Sachen, die zu die­ser Zeit zum Bei­spiel bei Viva lie­fen, konn­te ich nie rich­tig was anfan­gen. Zum Bei­spiel Fresh Fami­lee habe ich durch­aus gehört, aber Rödel­heim Hart­reim Pro­jekt waren für mich die Heroes. Ihre Art zu rei­men und ihre Atti­tu­de fand ich krass. Auch wenn ich mich sound­tech­nisch in eine kom­plett ande­re Rich­tung ent­wi­ckelt habe, weil ich spä­ter viel mehr durch Ham­burg beein­flusst wur­de, waren das trotz­dem Vor­rei­ter für mich. Ich glau­be, wenn es die nicht gege­ben hät­te, hät­te ich viel­leicht nie Deutschrap gemacht. Das hat in mir etwas ausgelöst.

 

7. Dyna­mi­te Delu­xe – Pures Gift (prod. by Tropf und DJ Dynamite)

Nico Sua­ve: Da war ich natür­lich schon wesent­lich älter und habe die ers­ten Sachen aus Ham­burg mit­be­kom­men. Hier könn­te ich eine Men­ge auf­zäh­len: Die Ham­bur­ger Sze­ne hat mich geprägt, wie zum Bei­spiel die Sachen von den Beg­in­nern, den Bro­ten oder von der Tobi & das Bo. Der Ham­bur­ger Sound ist zu uns rüber­ge­schwappt und ich fand sowohl die Instru­men­tals als auch die Lyrics inhalt­lich geil. Von Den­de­mann habe ich irgend­wann die­ses ers­te Dyna­mi­te Deluxe-​Tape bekom­men und das hat Deutschrap für mich noch mal revo­lu­tio­niert und auf ein neu­es Level geho­ben – die Art zu schrei­ben und die Atti­tu­de waren etwas ganz Neu­es. Samys Unbe­küm­mert­heit erin­nert mich da an mich selbst: Als ich mit mei­ner ers­ten Crew Pro­vinz Aro­ma 1994 den Track "Raub­ko­pie" auf einem Bre­mer Sam­pler ver­öf­fent­licht habe. Samy hat mich damals, unter ande­rem mit "Pures Gift", krass inspi­riert, was das Tex­ten angeht.

MZEE.com​: Du und Samy habt ja auch eine gemein­sa­me Geschich­te. Wie ent­stand denn eure Beziehung?

Nico Sua­ve: Den­de ist unge­fähr 1997 nach Ham­burg gezo­gen und wir haben ihn dann öfter besucht. 1998 haben wir "Stern­zei­chen Krebs" auf­ge­nom­men und dabei habe ich Samy im Kel­ler des legen­dä­ren Eims­bush Base­ment ken­nen­ge­lernt. (über­legt) Ich bin mir nicht mehr sicher, es könn­te wit­zi­ger­wei­se auch sein, dass ich bereits ein Jahr vor­her bei ihm auf einem Fes­ti­val Gras gekauft habe. Kurz dar­auf ent­schloss ich mich jeden­falls, nach Ham­burg zu zie­hen. Mein Manage­ment und Label hat­te ich dann hier und gehör­te zum erwei­ter­ten Kreis der Mon­go Clik­ke. Da ist man sich dann immer öfter über den Weg gelaufen.

 

8. Blu­men­topf – Taschen vol­ler Son­nen­schein (prod. by Blumentopf)

Nico Sua­ve: Den Song habe ich aus­ge­wählt, weil ich den feie­re und der etwas sehr Jugend­li­ches aus­strahlt. Außer­dem habe ich zu den Jungs eine lan­ge Ver­bin­dung. Wir waren mehr­fach zusam­men auf Tour und haben Tracks pro­du­ziert, auch für mei­ne Alben. Blu­men­topf habe ich viel zu ver­dan­ken, ohne die Jungs wäre ich nie­mals so viel unter­wegs gewe­sen. Für eine eige­ne Tour war ich lan­ge nicht strong genug, des­halb bin ich auch sowas wie der ewi­ge Support-​Act. Ich fand die Töp­fe immer cool, weil sie schon Ende der 90er ihr eige­nes Ding gemacht haben. Zu eini­gen ent­wi­ckel­te sich bei den ers­ten Tref­fen in jun­gen Jah­ren bereits eine Freund­schaft. Ich fin­de es scha­de, dass es die Band nicht mehr gibt. Wobei ich mitt­ler­wei­le öfter das Gefühl habe, dass da viel­leicht noch mal was kommt. Aber ich weiß das natür­lich nicht.

 

9. Freun­des­kreis – Espe­ran­to feat. Debo­rah (prod. by Max Her­re, DJ Fric­tion und Phil­ip­pe Kayser)

Nico Sua­ve: Das gan­ze Freundeskreis-​Ding habe ich in den 90ern musi­ka­lisch krass abge­fei­ert und fand es geil, dass da Leu­te wie Gen­tle­man, Afrob und Joy Den­alane invol­viert waren. Es war irgend­wie eine rie­si­ge Pos­se, die sehr anspruchs­vol­les Zeug gemacht hat, und ich fand Max als Cha­rak­ter rich­tig geil. Als jun­ger Typ war ich auf vie­len Freundeskreis-​Konzerten. Auch wenn ich heu­te eines sehe, ist das amt­lich und ein Qua­li­täts­stan­dard, zu dem ich auf­schaue und der mich beein­flusst. "Espe­ran­to", aber auch das gan­ze dazu­ge­hö­ri­ge Album, kannst du heu­te noch genau­so hören wie damals. Da fällt nichts qua­li­ta­tiv ab. Neben Ham­burg hat mich auch der Sound aus Stutt­gart geprägt, des­halb muss­te der Song stell­ver­tre­tend mit auf die Lis­te. Wir hat­ten zu den Leu­ten aus Stutt­gart früh eine Ver­bin­dung, denn ich war mit mei­ner ers­ten Crew dort unter­wegs, unter ande­rem im Plat­ten­la­den von DJ Emi­lio und im 0711 Club. Uns hat­te nie­mand auf dem Schirm, aber wir haben uns trotz­dem als Teil davon gefühlt.

 

10. The Phar­cy­de – Run­nin' (prod. by J Dilla)

Nico Sua­ve: Der Song ist ein abso­lu­ter Clas­sic und stammt aus der Beat­schmie­de von J Dil­la. Wenn es um mei­ne Lieblings-Producer:innen geht, wird immer der Name J Dil­la fal­len. Der Mann hat den HipHop-​Sound revo­lu­tio­niert und so vie­le Produzent:innen beein­flusst – allein wie er die Hi-​Hats gesetzt hat. Das ist gefühlt alles immer ein Stück zu laid back, aber dadurch hat es die­sen bestimm­ten Groo­ve. Als jun­ger Typ war ich immer wie­der erstaunt, wor­an J Dil­la betei­ligt war. Das war nicht ganz so ein­fach her­aus­zu­fin­den wie heu­te bei Spo­ti­fy, wo du mal schnell gucken kannst, wer was pro­du­ziert hat. Dil­la hat auch immer mal wie­der ande­re Pseud­ony­me ver­wen­det. Damals habe ich ver­sucht, mit mei­nen Leu­ten ein biss­chen den Sound "zu kopie­ren": Ich woll­te nur noch auf Beats rap­pen, die laid back sind und bei denen die Hi-​Hats ver­scho­ben sind. Wir haben das natür­lich nie eins zu eins hin­ge­kriegt. Es ist scha­de, dass er nicht mehr da ist. Ich war noch auf einem sei­ner letz­ten Kon­zer­te im Ruhr­pott, bei dem er bereits im Roll­stuhl auf die Büh­ne kam. Er bleibt eine Legen­de und ich ein gro­ßer Fan.

 

11. Reflec­tion Eter­nal – Blast feat. Vinia Moji­ca (prod. by Hi-Tek)

Nico Sua­ve: Das gesam­te Album ist ein Clas­sic. Ich war ein gro­ßer Hi-​Tek-​Fan und auch bei ihm hast du gemerkt, dass er Dilla-​beeinflusst war. Er hat aber trotz­dem einen Weg gefun­den, einen eige­nen Sound zu kre­ieren. Das Album, und vor allem die­sen Song, habe ich kom­plett gefei­ert. Talib Kwe­li war jah­re­lang mein abso­lu­ter Lieb­lings­rap­per: Sei­ne Atti­tu­de, die Stim­me, der Flow und die Rhyme-​Patterns haben mich kom­plett abge­holt. Wahr­schein­lich habe ich kein Album so oft und so lan­ge gehört wie die­ses. Es erschien 2000 und fiel damit auch in die Zeit, in der mein ers­tes Solo-​Album ent­stand. Eine kras­se Zeit, die ich mit jugend­li­chem Leicht­sinn in Ver­bin­dung brin­ge: Mit mei­nem DJ Sparc waren wir oft im Gan­ja Club auf dem Ham­bur­ger Berg unter­wegs oder haben in Steil­shoop und Bramfeld rum­ge­han­gen und das Album gehört. Wenn du aus einer klei­nen Stadt nach Ham­burg kommst, ist das in jun­gen Jah­ren sehr hef­tig. Ham­burg war damals die Welt für mich und ich konn­te nicht glau­ben, dass ich mal hier woh­nen wür­de. Heu­te fühlt es sich wie ein Dorf an. Wie gesagt, zu die­ser Zeit ent­stand mein ers­tes Album, das ich immer mit dem Album von Kwe­li und Hi-​Tek ver­bin­den wer­de. Damals hat­te ich kei­nen Plan und war auf ein­mal Teil der Musik­in­dus­trie. Mit "Blast" ver­bin­de ich vor allem mei­nen end­gül­ti­gen Start als Musiker.

 

12. Snoop Dogg – Beau­tiful feat. Phar­rell Wil­liams, Uncle Char­lie Wil­son (prod. by The Neptunes) 

Nico Sua­ve: Ehr­li­cher­wei­se habe ich den nur genom­men, weil der Song von den Nep­tu­nes pro­du­ziert ist. Die Jungs haben eine Ära geprägt, nahe­zu alle woll­ten damals so klin­gen. Zu die­ser Zeit haben die gefühlt über­all ihre Fin­ger mit im Spiel gehabt, ähn­lich wie Kanye ein paar Jah­re spä­ter. Den Song ver­bin­de ich eben­falls mit dem Gan­ja Club auf dem Ham­bur­ger Berg. Spe­zi­ell Phar­rell prägt bis heu­te vie­le Gene­ra­tio­nen mit sei­nem Sound. Es ist ver­rückt, über was für einen lan­gen Zeit­raum der Mann kras­se Musik macht und irgend­wie trotz­dem für moder­nen Sound und etwas Jugend­li­ches steht. Er ist mitt­ler­wei­le über 50 und bei dem wür­de nie­mand auf die Idee kom­men, dass er schon zu alt sei. Alter soll­te bei Musik kei­ne Rol­le spie­len, aber gera­de im Rap wird das ja oft anders bewer­tet. Als Jugend­li­cher war ich total froh, etwas von den Älte­ren zu ler­nen und zu ihnen auf­zu­schau­en. Mitt­ler­wei­le mache ich das alles selbst schon sehr lan­ge und habe vie­le HipHop- und Rap-Tourist:innen kom­men und gehen sehen. Aber ich bin seit mei­ner Jugend ein Teil der Kul­tur und krie­ge das gar nicht aus mir raus. "Mist, ich habe die 40 über­schrit­ten und kann kei­ne Bag­gy mehr tra­gen" – tra­ge doch, was du willst. Solan­ge du authen­tisch bist, kann dir egal sein, was alle ande­ren sagen. Jemand wie zum Bei­spiel Phar­rell wird noch mit 65 Men­schen prä­gen, weil der sich immer wei­ter­ent­wi­ckelt. Für sol­che Künstler:innen bin ich sehr dankbar.

 

All die­se Tracks fin­det ihr in unse­rer "DIGGEN mit Nico Suave"-Playlist auf Spotify.

(Alec Weber)
(Foto von Joshua Kaiser)