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Interview

CONNY – ein Gespräch über fragile Selbstbilder

"Wenn du merkst, dass es ande­ren Leu­ten ähn­lich geht, ver­liert die Unsi­cher­heit vie­les von ihrer Bedroh­lich­keit." – CONNY im Gespräch über das Kom­mu­ni­zie­ren eige­ner Ängs­te und Schwächen.

CONNY ist gera­de dabei, sei­ne "Manic Pixie Dream Boy"-Trilogie abzu­schlie­ßen. Die Album­rei­he besticht dadurch, sich text­lich mit emo­tio­na­len und per­sön­li­chen The­men und Per­spek­ti­ven zu beschäf­ti­gen. The­men, die auch im Leben von CONNY selbst eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Das eige­ne Selbst­bild ist eines davon: Es ist nicht in Stein gemei­ßelt, son­dern flui­de und oft auch stark von außen beein­flusst. Anders gespro­chen: Das eige­ne Selbst­bild kann sich sehr flüch­tig und wech­sel­haft zei­gen und dem­entspre­chend fra­gil sein. Die­se Fra­gi­li­tät erschwert es, sich selbst wert­zu­schät­zen und mit sich im Rei­nen zu sein. Genau über die­se Pro­ble­ma­tik spra­chen wir mit CONNY. Abseits des The­mas inner­halb sei­ner Musik ging es auch um sein Selbst­bild als Jugend­li­cher, Nor­men, Rol­len­bil­der, das Zulas­sen und Aus­spre­chen von Emo­tio­nen, Soli­da­ri­tät und wie öffent­lich mit schein­ba­rer Schwä­che umge­gan­gen wird. 

MZEE​.com​: Zum Ein­stieg möch­te ich dich ger­ne fra­gen, ob du von dir selbst sagen wür­dest, dass du ein eher fra­gi­les Selbst­bild hast.

CONNY: Die­se offe­nen Fra­gen sind bei mir immer gefähr­lich, weil ich dazu ten­die­re, dann weit aus­zu­ho­len. Ich glau­be, dass ich sehr lan­ge ein fra­gi­les Selbst­bild hat­te und dass ich gera­de in einem Pro­zess bin, es zu stär­ken. Vor allem als Jugend­li­cher war ich da sehr unstet. Ich glau­be, um das noch detail­lier­ter zu beant­wor­ten, muss ich jetzt mal eine kur­ze Defi­ni­ti­on machen, was das für mich bedeu­tet: Ein fra­gi­les Selbst­bild bedeu­tet vor allen Din­gen, dass es insta­bil ist. Das heißt, es gibt weni­ge "Wahr­hei­ten" in mir drin. Mein Selbst­bild ist also sehr beein­fluss­bar von außen, vor allem auch mein Selbst­wert. Der ist davon abhän­gig, was ande­re über mich den­ken, und auch auf exter­ne Vali­die­rung ange­wie­sen. Gera­de in mei­ner Jugend und Ado­les­zenz haben sehr vie­le Sachen auf mich eingewirkt.

MZEE​.com​: Hät­test du dafür ein Beispiel?

CONNY: Damit mei­ne ich zum Bei­spiel klas­si­sche Männ­lich­keits­vor­stel­lun­gen und Kör­per­bil­der. Da such­te ich nach Vali­die­rung dadurch, dass ich irgend­wie bei Frau­en gut ankom­me. Par­al­lel brauch­te ich von mei­ner männ­li­chen Peer­group eine ganz ande­re Bestä­ti­gungs­form. Ich glau­be, es gab in die­ser Zeit jede Men­ge äuße­re Fak­to­ren, die mei­nen Selbst­wert bestimmt haben und von denen ich dem­entspre­chend auch abhän­gig war. Erst jetzt, vie­le Jah­re spä­ter, habe ich durch The­ra­pie­ar­beit und Arbeit an mir selbst ange­fan­gen, inne­re Wahr­hei­ten zu fin­den, auf die ich mich zurück­be­zie­hen kann. Dass es okay für mich ist, wie ich so bin. Ich bin in Ord­nung und das macht mich nicht so kaputt, wenn die äuße­re Bestä­ti­gung fehlt. Aber abge­schlos­sen ist die­ser Pro­zess noch lan­ge nicht und es gibt noch vie­le Punk­te zu ver­bes­sern. Aber ich kann jetzt ganz gut sehen, war­um ich in bestimm­ten Situa­tio­nen auf eine Art und Wei­se gehan­delt habe, weil ich eben­so abhän­gig von äuße­rer Vali­die­rung war.

MZEE​.com​: Gibt es noch wei­te­re Fak­to­ren, an denen du erkennst, dass du an dei­nem Selbst­bild arbeitest?

CONNY: Ich wür­de da jetzt ger­ne einen Geheim­tipp nen­nen, aber ste­te Selbst­re­fle­xi­on ist eigent­lich das Ein­zi­ge, was einen da nach vor­ne bringt. In gewis­ser Art und Wei­se ist The­ra­pie ja nichts ande­res als eine beglei­te­te Selbst­re­fle­xi­on. In den wenigs­ten Fäl­len hast du in einer Gesprächs­the­ra­pie jeman­den, der:die dir sagt: "Übri­gens Herr Höft, das funk­tio­niert so. Und Sie müs­sen jetzt erken­nen, da waren damals sol­che Sachen am Werk, wes­we­gen Sie so gehan­delt haben." Son­dern du redest die gan­ze Zeit eigent­lich dar­über, was du gemacht hast, und kommst selbst drauf. Es ist super­wich­tig, die­se Hil­fe zu haben, sie ent­bin­det einen aber nicht von der Auf­ga­be, per­sön­lich die gan­ze Zeit wei­ter dar­an zu arbei­ten. Für mich selbst ist das Schrei­ben eben ein Weg, mich selbst zu reflek­tie­ren. Ich mache das in Songs, aber ich glau­be, dass auch Tage­buch­schrei­ben voll hilf­reich sein kann. Heut­zu­ta­ge sagt man eher "Jour­na­ling". Ich glau­be, das ist halt was total Ähn­li­ches. Das ist wahn­sin­nig wich­tig, zu ver­su­chen, einen Schritt von sich weg­zu­ge­hen. Wie habe ich da agiert? Wie agie­re ich gera­de? War­um reagie­re ich super­emo­tio­nal oder voll ableh­nend? Das habe ich in den letz­ten Jah­ren sehr viel gemacht. Das hat mir gehol­fen und das hilft mir immer noch. Ich bin nicht am Ende, also ich spre­che hier nicht als der abso­lu­te Selbst­re­fle­xi­ons­gu­ru, son­dern als jemand, der mit­ten im Pro­zess ist.

MZEE​.com​: Es geht ja um dei­ne Per­spek­ti­ve dar­auf. Als Musi­ker stellst du dich mit dem, was du machst, in die Öffent­lich­keit. Stellst du dich oder das, was du tust, trotz­dem oft infrage?

CONNY: Das ist ein wich­ti­ger Aspekt der CONNY-​Figur, aber vor allen Din­gen auch von die­ser "Dream Boy"-Album-Trilogie. Ich möch­te eine jun­ge, moder­ne, männ­lich sozia­li­sier­te Per­son por­trä­tie­ren, die sich in die­sem aktu­el­len, femi­nis­ti­schen, poli­ti­schen Dis­kurs wie­der­fin­det und dar­auf­hin anfängt, sich selbst zu reflek­tie­ren. Das ist einer der für mich wich­tigs­ten Aspek­te von die­sem Album­kon­zept. Die­ses "Sich-​selbst-​Hinterfragen" ist eins der Grund­prin­zi­pi­en von die­sem Pro­jekt für mich und ich mache das kon­stant. Man muss irgend­wie selbst­be­wusst unsi­cher sein. Weißt du, was ich mei­ne? Du musst dich mit einem sehr gro­ßen Selbst­be­wusst­sein hin­stel­len und sagen: "Hey, Leu­te, ich bin ziem­lich sicher, dass ich unsi­cher bin." Ich glau­be, als ich auf­ge­wach­sen bin, haben gewis­se Sachen, Rol­len­bil­der und Vor­stel­lun­gen davon, wie Din­ge zu sein haben und wie Män­ner und wie Frau­en sind, gegol­ten. Das waren gege­be­ne Sachen. Ich muss sagen, 2025 habe ich das Gefühl, dass ich ganz ande­re Signa­le bekom­me. Auch, was ich lese, mit­be­kom­me und was auf Social Media statt­fin­det. Ich glau­be, dass das vie­le jun­ge Men­schen und nicht nur 20-​Jährige, son­dern auch 30- und 40-​Jährige ver­un­si­chern kann. Ich hin­ter­fra­ge mich jetzt noch mehr und gehe noch tie­fer rein. Ich stel­le noch mehr Fra­gen. Das benö­tigt ein gewis­ses Selbst­be­wusst­sein und einen gewis­sen Mut. Des­we­gen ist es für mich per­sön­lich voll wich­tig, mich die gan­ze Zeit auch zu hin­ter­fra­gen. Das war jetzt ein biss­chen gefree­stylt, aber mir gefällt es gut, zu sagen, dass ich für die­ses Pro­jekt selbst­be­wusst unsi­cher sein muss. Ich hin­ter­fra­ge mich und das Pro­jekt sehr viel.

MZEE​.com​: Wür­dest du die Kunst­fi­gur CONNY oder die­se expli­zi­te Album­rei­he dann sehr bewusst von dir selbst noch mal abgrenzen? 

CONNY: Das Pro­jekt ist sehr nah an mir und wird aber in einem künst­le­ri­schen Kon­text noch mal ver­stärkt dar­ge­stellt. Als hät­test du in einem Gra­fik­pro­gramm den Kon­trast auf­ge­dreht. Da ist noch mal alles ein biss­chen grel­ler, schil­lern­der und etwas über­trie­be­ner. Aber das ist auf jeden Fall mei­ne Moti­va­ti­on. Das kommt aus mir selbst raus und das sind alles Fra­gen, die ich mir auch gestellt habe. Das hat bei mir den Ursprung und ist dann in so einer Kunst­fi­gur aufgegangen.

MZEE​.com​: Jetzt hast du schon eini­ges zum The­ma Unsi­cher­heit gesagt. Gibt es für dich noch wei­te­re Gedan­ken oder Gefüh­le, die damit zusammenhängen?

CONNY: Da möch­te ich den Song "Klei­ner Jun­ge" refe­ren­zie­ren. Das ist der ers­te Song, der vom neu­en Album raus­ge­kom­men ist und da wird eine gan­ze Palet­te von Unsi­cher­hei­ten auf­ge­macht. Dann gibt es auch noch einen Song auf dem Album, der "Angst, Angst" heißt  Da geht es zum Bei­spiel wahn­sin­nig viel um Scham. In ein, zwei Zei­len geht es um mei­ne Auf­tritts­angst bezie­hungs­wei­se mei­ne Auf­tritts­pa­nik. Ich bin immer super­auf­ge­regt vor Shows, teil­wei­se grenzt das schon an Panik­at­ta­cken. Da fra­ge ich mich häu­fig: Ist das der rich­ti­ge Job für mich, wenn ich so eine kras­se Panik vor den Auf­trit­ten habe? Wenn ich auf der Büh­ne bin und zwei, drei Songs gespielt habe, ist das weg und dann habe ich auch eine gute Zeit. Aber es ist teil­wei­se übelst anstren­gend, denn das Gan­ze fängt so zwei bis fünf Stun­den vor dem Auf­tritt an. Du kannst dir ja vor­stel­len, wenn du über so lan­ge Zeit in einem Panik­mo­dus bist und dein Kör­per die gan­ze Zeit Adre­na­lin aus­schüt­tet und in so einem Alert-​Status ist, dass dich das wahn­sin­nig Ener­gie kos­tet. Ich bin danach total fer­tig. Auch das The­ma Sexua­li­tät und Sex spielt eine rie­sen­gro­ße Rol­le auf dem Album, ohne, dass ich das geplant hät­te. Es gibt den gan­zen Song "Gut im Bett" mit MELE und es ist nicht so, als hät­te ich vor einem Jahr mein ers­tes Mal gehabt. Aber trotz­dem gibt es noch wahn­sin­nig vie­le per­sön­li­che Unsi­cher­hei­ten in Bezug dar­auf. Das Nach­den­ken über Kör­per­bil­der ist etwas, das mich schon lan­ge beglei­tet. Als Jugend­li­cher, der sehr vie­le Comics gele­sen hat, woll­te ich immer aus­se­hen wie ein Super­held. Spi­der­man war immer mein Super­held. Ich weiß nicht, wie heißt noch mal der Schau­spie­ler, der ihn damals gespielt hat?

MZEE​.com​: In den Fil­men Anfang der 2000er? Tobey Maguire.

CONNY: Genau, Tobey Magui­re. Der war eher ein nor­ma­ler Typ. Aber in den Spiderman-​Comics, die ich gele­sen habe, wenn Peter Par­ker da sein T-​Shirt aus­ge­zo­gen hat, sah er aus wie ein Käfig­kämp­fer. Des­we­gen habe ich mich mit 16 im Fit­ness­stu­dio ange­mel­det und mit den Jungs Bank­drü­cken gemacht. Inzwi­schen muss ich sagen, dass die­ses Kör­per­the­ma für mich nicht mehr so viel Lei­dens­druck ver­ur­sacht. Aber trotz­dem ist es noch da und ich gehe immer noch drei­mal die Woche zum Sport und kom­me ganz schnell an den Punkt, an dem ich das Gefühl habe, ich sehe nicht mehr gut aus, ich muss wie­der Sport machen. Ich habe, was mein eige­nes Kör­per­bild angeht, noch vie­le Unsi­cher­hei­ten. Es gibt noch vie­le Punk­te und ich ver­su­che die auf dem Album raus­zu­schrei­en. Gera­de weil ich die­ses "Nicht-​drüber-​Reden" inzwi­schen total schlimm fin­de. Ich habe das Gefühl, mit mei­ner weib­li­chen Freun­des­grup­pe kann ich ganz anders über Unsi­cher­hei­ten spre­chen. Aber mit mei­nen männ­li­chen Freun­den pas­siert das super­we­nig. Ich habe die Hoff­nung, wenn ich das ein­mal auf einem Album raus­schreie, dass sich dann doch ein paar Räu­me auf­ma­chen. Ein Bekann­ter von mir ist zum Bei­spiel auch nach "Gut im Bett" zu mir gekom­men und hat mir davon erzählt, dass er das voll cool und super­mu­tig fin­det und dass er selbst vie­le Inse­cu­ri­ties hat. Aber ich schwö­re dir, wir hät­ten nie­mals drü­ber gere­det, wenn ich den Song nicht gemacht hätte.

MZEE​.com​: Ein Kern­punkt dei­nes Songs "Gut im Bett" ist auch, dass du typisch männ­lich kon­no­tier­te Nor­ma­li­tä­ten infra­ge stellst. Sind gesell­schaft­li­che Geschlech­ter­rol­len gene­rell ein fra­gi­les Konstrukt?

CONNY: Ich glau­be, wenn sie fra­gil wären, dann wären sie nicht so mäch­tig und lang­le­big. Die exis­tie­ren schon sehr lan­ge und sind extrem wirk­mäch­tig. Sonst wäre das nicht so fest in so vie­len Leu­ten drin und so schwer, das auf­zu­ar­bei­ten. Ich habe das Gefühl, das führt zu einer Fra­gi­li­tät: Man ist fra­gil, weil es einen exter­nen Kata­log an Sachen gibt, die man erfül­len muss und anhand derer man beginnt, sei­nen eige­nen Wert zu mes­sen. Ich habe zum Bei­spiel mei­ne gesam­te Schul­zeit mit mei­nem Bart­wuchs gestrug­gelt … Wäh­rend alle mei­ne Kum­pels ange­fan­gen haben, voll den Bart zu bekom­men, habe ich mich pro for­ma mit dem Rasie­rer von mei­nem Vater rasiert, weil ich mich auch rasie­ren woll­te. Aber ich habe ein­fach nichts rasiert. Allein das hat dazu geführt, dass ich gedacht habe, ich wer­de weni­ger wahr­ge­nom­men. Ich habe mich selbst auch nicht als lie­bens­wert wahr­ge­nom­men. Ein wei­te­res The­ma bei "Gut im Bett" sind Por­nos. Da geht es dann von Penis­grö­ße über Mus­keln bis hin zur Sper­ma­men­ge: "Oh Gott, müss­te ich nicht viel mehr haben?" Da gibt es einen gan­zen Kata­log von Sachen, bei denen man sich min­der­wer­tig füh­len kann. Jetzt kom­me ich wie­der zurück zu dei­ner Fra­ge. Ich glau­be, dass genau die­se gan­zen Anfor­de­rungs­ka­ta­lo­ge super­schwer zu erfül­len sind. Es gibt nur ganz weni­ge Leu­te, die davon viel­leicht 85 Pro­zent erfül­len. Und wenn du die nicht erfüllst, fühlst du dich klein, unsi­cher und damit auch fra­gil. Rol­len­bil­der füh­ren zu Fra­gi­li­tät und sind aber selbst superbeständig.

MZEE​.com​: Vie­le Män­ner wol­len die­ses super­do­mi­nan­te, star­ke, männ­li­che Ste­reo­typ wei­ter­hin ver­kör­pern und füh­len sich dann oft klein, wenn sie nicht so wahr­ge­nom­men werden.

CONNY: Ich war fast sie­ben Jah­re lang in einer total schö­nen Bezie­hung. Im fünf­ten Jahr habe ich mei­nen Job gekün­digt und bin Voll­zeit in die künst­le­ri­sche Tätig­keit gegan­gen. Das hat ganz neue Unsi­cher­hei­ten bei mir auf­ge­macht. Vor­her hat­te ich immer so eine gewis­se Vali­die­rung von außen im Job. Leu­te haben mir gesagt: "Hey, du bist cool und du kriegst dein Gehalt für das, was du tust." Das ist auf eine Art und Wei­se eine quan­ti­fi­zier­ba­re Grö­ße, die dir sagt, dass du etwas wert bist. Ich hat­te mein Gehalt, mit dem ich irgend­wie hap­py war, konn­te mir Sachen kau­fen und habe regel­mä­ßig mein Klop­fen auf die Schul­ter bekom­men. Das war dann auf ein­mal weg. Statt­des­sen war die künst­le­ri­sche Tätig­keit im Mit­tel­punkt, die mir an ganz vie­len Stel­len beson­de­re Momen­te beschert hat. Aber es war nicht von Anfang an so, dass mir vie­le Leu­te zuge­hört haben, son­dern es gab erst mal nicht viel Bestä­ti­gung. Die­se Situa­ti­on hat bei mir so krass rein­ge­kickt, dass ich wahn­sin­nig unsi­cher gewor­den bin. Ich habe dann durch Zufall eine ande­re Frau ken­nen­ge­lernt, die mir signa­li­sier­te, dass sie mich toll fin­det. Ich war aber eigent­lich in der erwähn­ten Bezie­hung und habe anschei­nend trotz­dem die­se zusätz­li­che Bestä­ti­gung gebraucht. Die­se exter­ne Vali­die­rung durch eine Frau, die mich als Mann inter­es­sant fand und vor allen Din­gen als roman­ti­schen Part­ner. Ich war selbst­be­wusst­seins­mä­ßig total klein und ein­ge­fal­len. Ich war so ein klei­ner Luft­bal­lon und es war so, als wür­de die­se Frau mich wie­der auf­pus­ten. Das war natür­lich wahn­sin­nig pro­ble­ma­tisch für mei­ne Bezie­hung und ich dach­te, ich muss mei­ne Bezie­hung been­den, weil ich total ver­liebt in die­se ande­re Frau war. Aber ich glau­be, im Nach­hin­ein war ich gar nicht ver­liebt in die­se Per­son, son­dern es war ein­fach die­se Bestä­ti­gung, die mir so krass gefehlt hat. Ich war bereit, mei­ne ande­re Bezie­hung zu ris­kie­ren. Die ist tat­säch­lich kaputt­ge­gan­gen, weil ich so unsi­cher war. Im Nach­hin­ein fin­de ich das sehr tra­gisch, denn es war wirk­lich eine sehr schö­ne Bezie­hung. Ich wünsch­te mir, dass ich siche­rer gewe­sen wäre und mich durch den Weg­fall von so ein paar Bestä­ti­gungs­quel­len nicht so klein gefühlt hätte.

MZEE​.com​: Mit der Album­rei­he brichst du auch visu­ell und äußer­lich mit schein­ba­ren Nor­men von Männ­lich­keit. Was möch­test du damit noch ausdrücken?

CONNY: Mit "Manic Pixie Dream Boy, Vol. 1", auch in dem gan­zen Rosa, war das natür­lich schon sehr bewusst. Ich woll­te mit die­sem Ste­reo­typ, Frau­en sind rosa und Män­ner sind blau, bre­chen. Gleich­zei­tig machen mir aber sehr aus­ge­fuchs­te visu­el­le Kon­zep­te ein­fach Spaß. Ich fin­de es cool, einen Wie­der­erken­nungs­wert und eine visu­ell star­ke Brand zu schaf­fen, um es mal ein biss­chen unro­man­tisch und busi­ness­mä­ßig aus­zu­drü­cken. Mir war klar, dass ich Teil 1 bis 3 nicht in dem­sel­ben Look machen möch­te. Das wäre auch zu kurz gefasst gewe­sen. Ich möch­te am Ende schon erzäh­len, dass Männ­lich­keit unter­schied­lich und divers sein kann. Das darf man natür­lich nicht falsch ver­ste­hen: Ich will nicht sagen, dass Männ­lich­keit Diver­si­tät abde­cken kann, son­dern dass es inner­halb von Männ­lich­keit ganz vie­le unter­schied­li­che Facet­ten gibt. Des­we­gen woll­te ich das ger­ne bunt wei­ter­füh­ren, aber am Ende nur so ein Rosa-​blau-​Ding dar­aus zu machen, wäre für mich zu ver­kürzt gewesen.

MZEE​.com​: Auf "Tem­po­rär für immer" rappst du: "Momen­te so fra­gil, dass ich nur atme, wenn ich muss." – Gibt es denn etwas in dei­nem Leben, das du als nicht fra­gil beschrei­ben würdest?

CONNY: Es gibt inzwi­schen Din­ge, die ich gut kann und bei denen ich mich sicher füh­le. Dafür muss ich das aber schon eine gewis­se Zeit gemacht haben. Ich konn­te das noch nie gut, mich mit etwas, das ich gera­de erst ange­fan­gen habe, direkt irgend­wo super­selbst­be­wusst hin­zu­stel­len und so zu prä­sen­tie­ren, als hät­te ich das schon jah­re­lang gemacht. Es gibt Leu­te, die kön­nen das. Ich schrei­be schon fast mein gan­zes Leben lang. Das heißt, wenn ich einen Text über irgend­was schrei­ben muss – ich schrei­be zum Bei­spiel mei­ne eige­nen Pres­se­tex­te und Bewer­bun­gen für För­de­run­gen –, weiß ich, das kann ich gut. Oder wenn es dar­um geht, Sachen zu orga­ni­sie­ren. CONNY ist zwar ein Independent-​Projekt, aber wir haben trotz­dem ein gro­ßes Team und das bedeu­tet viel Orga-​Arbeit. Die mache ich zu gro­ßen Tei­len selbst und füh­le mich da sel­ten unsi­cher. Beim Musik­ma­chen ist es inter­es­sant, denn wenn ich mir ein neu­es Pro­jekt vor­neh­me, habe ich erst mal kei­ne Unsi­cher­heit. Ich weiß grund­sätz­lich, dass ich schrei­ben kann. Aber wenn ich im Stu­dio einen Song ein­rap­pe und den dann höre, tau­chen manch­mal trotz­dem Unsi­cher­hei­ten auf. Abseits davon bin ich auch ein­fach so eine Orga­ni­sier­maus. Wenn du eine Idee hast und sagst: "Hey, CONNY, lass mal so eine Fir­ma grün­den, die Fol­gen­des macht …" Dann wür­de ich sagen: "Ja klar, let's go." Ich weiß ein paar Din­ge dar­über, wie man Din­ge orga­ni­siert und Pro­jek­te umsetzt. Das mache ich schon lan­ge, ob es mit dem Plot war, ob es mit mei­ner dama­li­gen Fir­ma war oder ob es jetzt mit CONNY ist.

MZEE​.com​: Lass uns noch mal zur Fra­gi­li­tät zurück­kom­men: Wür­dest du sagen, dass die indi­vi­du­el­le Fra­gi­li­tät von Men­schen auch eine Ursa­che dafür sein kann, dass wir zuneh­mend gesell­schaft­lich und poli­tisch auseinanderdriften?

CONNY: Die Fra­gi­li­tät von uns Men­schen ist eigent­lich schon immer da. Dem­entspre­chend müss­te man dann ja eigent­lich anneh­men, dass wir schon immer aus­ein­an­der­drif­ten. Ich wür­de sagen, dass die moder­ne Gesell­schaft, gera­de dadurch, dass wir jetzt glo­bal ver­netzt sind, die Mög­lich­keit hat, über Fra­gi­li­tät mit ande­ren Men­schen zu spre­chen. In dei­ner Peer­group kannst du das theo­re­tisch immer, auch wenn es schwie­rig ist. Aber jetzt gibt es die Mög­lich­keit, sich dar­über hin­aus zu con­nec­ten und das ist rich­tig nice. Aber ich habe das Gefühl, dass der moder­ne Popu­lis­mus die Fra­gi­li­tät auf eine ande­re Art und Wei­se aus­nutzt – näm­lich indem auf Unsi­cher­hei­ten ver­meint­lich ein­fa­che Ant­wor­ten gelie­fert wer­den. Das ist aus mei­ner Sicht ein Trug­schluss und macht nichts ein­fa­cher. Im Gegen­teil, es wird eher noch kom­ple­xer und die Unsi­cher­hei­ten erhal­ten stän­dig neue Aspek­te. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, damit umzu­ge­hen, ist die­se anzu­er­ken­nen und dar­über zu spre­chen. Der Popu­lis­mus ver­sucht genau das Gegen­teil zu machen, wie zum Bei­spiel ein Maxi­mi­li­an Krah, der TikTok-​Videos macht, in denen er sagt: "Hey, die Sache ist ganz ein­fach. Ech­te Män­ner sind rechts und ech­te Män­ner sind stark." Das ist natür­lich was ganz ande­res als das, was ich mit der "Manic Pixie Dream Boy"-Reihe mache, in der ich über drei Alben lang ver­schie­de­ne Facet­ten von Männ­lich­keit in ver­schie­de­nen Far­ben, Anzü­gen, Songs und Aspek­ten erzäh­le. Er macht halt ein TikTok-​Video, in dem er sagt, wie die Sache angeb­lich ist. Ich glau­be, dass gera­de vie­le poli­ti­sche Kräf­te am Werk sind, die ver­su­chen, Fra­gi­li­tät auf eine bestimm­te Art und Wei­se aus­zu­nut­zen. Aber ich glau­be nicht, dass unse­re Fra­gi­li­tät zwangs­wei­se dazu führt, dass unse­re Welt schlech­ter wird. Unser Ver­sa­gen ist eher, die eige­ne Fra­gi­li­tät zu kom­mu­ni­zie­ren und damit umzu­ge­hen. Das ist tat­säch­lich ein Pro­blem, was uns immer wei­ter an den Abgrund füh­ren wird.

MZEE​.com​: Ein dys­to­pi­scher Aus­blick. Was könn­te es denn viel­leicht für Aus­wir­kun­gen haben, wenn sich mehr Leu­te mit dem eige­nen Selbst­bild beschäf­ti­gen und sich dar­über austauschen?

CONNY: An der Stel­le erwäh­ne ich gern mal was vom neu­en Album. Es gibt einen Bonus­song, der heißt "Es geht doch um mich", bei dem geht es um Soli­da­ri­tät. Wie ent­steht Soli­da­ri­tät über­haupt? Wie kann man soli­da­risch mit­ein­an­der sein? Ist das etwas, was ich wirk­lich emp­fin­den kann? Kann ich in mir so ein Gefühl fin­den, das in mir eine Dring­lich­keit erzeugt, um zum Bei­spiel als Mann auf eine Demo am 8. März zu gehen? Ich will nicht nur auf einer intel­lek­tu­el­len und mora­li­schen Ebe­ne den­ken, dass ich das eigent­lich unter­stüt­zen müss­te. Da fühlt man sich ein biss­chen wie der Phi­lo­soph im Elfen­bein­turm, der das nur tut, weil er "weiß", dass die­ses Ver­hal­ten das Rich­ti­ge wäre. Ich möch­te aber wirk­lich ein Gefühl ent­wi­ckeln und erle­ben, das das Bedürf­nis erzeugt, mich soli­da­risch zu zei­gen, auch wenn ich nicht direkt betrof­fen bin. Ich glau­be, dass das nur funk­tio­niert, wenn man sich selbst reflek­tiert und mit ande­ren Leu­ten aus­ein­an­der­setzt. Man muss Gesprä­che füh­ren und unter­ein­an­der etwas Ver­bin­den­des ent­de­cken. Gera­de das ehr­li­che Spre­chen über Unsi­cher­hei­ten kann uns ver­bin­den. Das kann Ver­trau­en schaf­fen und dadurch eine viel nach­hal­ti­ge­re Ver­bin­dung zwi­schen den Men­schen schaf­fen. Für mich bestä­tigt sich das zum Bei­spiel, wenn ich nach den Shows mit Leu­ten rede und die mir erzäh­len, dass die sich mit mei­ner Musik ver­bun­den füh­len, weil ich die­se Unsi­cher­hei­ten anspre­che. Das ist wahn­sin­nig berüh­rend und ich glau­be, dass das ein Weg ist, der voll viel Poten­zi­al birgt. Auf mei­nem neu­en Album spre­che ich auf vie­len Songs über Unsi­cher­hei­ten, wie zum Bei­spiel "Duo­lin­go", "Gut im Bett", "Mau­ern" und "Angst, Angst". Des­halb gibt es inner­halb des Album-​Artworks auch den Mund. Es ist ein zen­tra­les The­ma, das Kom­mu­ni­zie­ren von Unsicherheiten.

MZEE​.com​: Zum Abschluss hät­te ich noch eine letz­te Fra­ge an dich: Du hast gera­de dei­ne Fans ange­spro­chen. Wie reagie­ren denn dei­ne Hörer:innen auf dei­ne Musik? Hast du das Gefühl, dass die sich dadurch auch mit ihren eige­nen Unsi­cher­hei­ten stär­ker beschäftigen?

CONNY: Ich glau­be schon, dass die Musik von CONNY ein Ort ist, an dem das Platz haben kann. Ich habe schon vie­le Leu­te getrof­fen, die mir das gespie­gelt haben. Bei den neu­en Songs habe ich vor allem zu "Klei­ner Jun­ge" sehr viel Feed­back bekom­men. Auf der letz­ten Tour 2023 gab es zum Bei­spiel einen Moment, da kam ein Typ zum Merch­stand, der übelst hart aus­sah. Ich hat­te im ers­ten Moment sogar etwas Angst vor ihm. Er kam zu mir, ging ganz nah an mich ran und ich frag­te mich, ob er mir jetzt eine rein­hau­en will? Er begann dann zu flüs­tern, weil ihm unan­ge­nehm war, was er mir sagen woll­te. Er hat mir erzählt, wie wich­tig es für ihn war, die gan­zen Songs zu hören, die sei­ne Unsi­cher­hei­ten anspre­chen. Er hat sich bei mir bedankt, weil er sich durch die Songs mit sei­nen eige­nen Unsi­cher­hei­ten aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Da siehst du einen Men­schen vor dir, der in sei­ner gan­zen Äußer­lich­keit sehr viel dafür getan hat, einen Pan­zer auf­zu­bau­en, und sich dir dann so nah­bar öff­net. Das ist jetzt natür­lich ein biss­chen Küchen­tisch­psy­cho­lo­gie, aber es macht mich stolz, dass CONNY anschei­nend durch sei­ne Scha­le drin­gen konn­te. Das ist für mich immer das höchs­te Lob, wenn Leu­te mir sagen, dass sie sich gese­hen füh­len und mer­ken, es ist nicht schlimm, über die­se Sachen zu spre­chen. Das hat auch etwas Hoff­nungs­vol­les, denn Unsi­cher­heit ist am schlimms­ten, wenn du denkst, du bist die ein­zi­ge Per­son, die das hat. Wenn du merkst, dass es ande­ren Leu­ten ähn­lich geht, ver­liert die Unsi­cher­heit vie­les von ihrer Bedroh­lich­keit. Es ist ein biss­chen wie in den Car­toons, in denen eine klei­ne Figur so ange­leuch­tet wird, dass sie hin­ten an der Wand als gro­ßes Mons­ter erscheint. Wir müs­sen es irgend­wie hin­be­kom­men, das Licht wie­der so aus­zu­rich­ten, dass man sieht, dass sie eigent­lich nur so ein klei­nes Ding ist. Das kann aber nur pas­sie­ren, wenn wir dar­über reden. Das funk­tio­niert für man­che Leu­te mit ein paar mei­ner Songs sehr gut und das macht mich immer sehr hap­py, wenn ich das mitbekomme.

(Alec Weber)
(Fotos von Niels Freidel)