CONNY ist gerade dabei, seine "Manic Pixie Dream Boy"-Trilogie abzuschließen. Die Albumreihe besticht dadurch, sich textlich mit emotionalen und persönlichen Themen und Perspektiven zu beschäftigen. Themen, die auch im Leben von CONNY selbst eine wichtige Rolle spielen. Das eigene Selbstbild ist eines davon: Es ist nicht in Stein gemeißelt, sondern fluide und oft auch stark von außen beeinflusst. Anders gesprochen: Das eigene Selbstbild kann sich sehr flüchtig und wechselhaft zeigen und dementsprechend fragil sein. Diese Fragilität erschwert es, sich selbst wertzuschätzen und mit sich im Reinen zu sein. Genau über diese Problematik sprachen wir mit CONNY. Abseits des Themas innerhalb seiner Musik ging es auch um sein Selbstbild als Jugendlicher, Normen, Rollenbilder, das Zulassen und Aussprechen von Emotionen, Solidarität und wie öffentlich mit scheinbarer Schwäche umgegangen wird.
MZEE.com: Zum Einstieg möchte ich dich gerne fragen, ob du von dir selbst sagen würdest, dass du ein eher fragiles Selbstbild hast.
CONNY: Diese offenen Fragen sind bei mir immer gefährlich, weil ich dazu tendiere, dann weit auszuholen. Ich glaube, dass ich sehr lange ein fragiles Selbstbild hatte und dass ich gerade in einem Prozess bin, es zu stärken. Vor allem als Jugendlicher war ich da sehr unstet. Ich glaube, um das noch detaillierter zu beantworten, muss ich jetzt mal eine kurze Definition machen, was das für mich bedeutet: Ein fragiles Selbstbild bedeutet vor allen Dingen, dass es instabil ist. Das heißt, es gibt wenige "Wahrheiten" in mir drin. Mein Selbstbild ist also sehr beeinflussbar von außen, vor allem auch mein Selbstwert. Der ist davon abhängig, was andere über mich denken, und auch auf externe Validierung angewiesen. Gerade in meiner Jugend und Adoleszenz haben sehr viele Sachen auf mich eingewirkt.
MZEE.com: Hättest du dafür ein Beispiel?
CONNY: Damit meine ich zum Beispiel klassische Männlichkeitsvorstellungen und Körperbilder. Da suchte ich nach Validierung dadurch, dass ich irgendwie bei Frauen gut ankomme. Parallel brauchte ich von meiner männlichen Peergroup eine ganz andere Bestätigungsform. Ich glaube, es gab in dieser Zeit jede Menge äußere Faktoren, die meinen Selbstwert bestimmt haben und von denen ich dementsprechend auch abhängig war. Erst jetzt, viele Jahre später, habe ich durch Therapiearbeit und Arbeit an mir selbst angefangen, innere Wahrheiten zu finden, auf die ich mich zurückbeziehen kann. Dass es okay für mich ist, wie ich so bin. Ich bin in Ordnung und das macht mich nicht so kaputt, wenn die äußere Bestätigung fehlt. Aber abgeschlossen ist dieser Prozess noch lange nicht und es gibt noch viele Punkte zu verbessern. Aber ich kann jetzt ganz gut sehen, warum ich in bestimmten Situationen auf eine Art und Weise gehandelt habe, weil ich ebenso abhängig von äußerer Validierung war.
MZEE.com: Gibt es noch weitere Faktoren, an denen du erkennst, dass du an deinem Selbstbild arbeitest?
CONNY: Ich würde da jetzt gerne einen Geheimtipp nennen, aber stete Selbstreflexion ist eigentlich das Einzige, was einen da nach vorne bringt. In gewisser Art und Weise ist Therapie ja nichts anderes als eine begleitete Selbstreflexion. In den wenigsten Fällen hast du in einer Gesprächstherapie jemanden, der:die dir sagt: "Übrigens Herr Höft, das funktioniert so. Und Sie müssen jetzt erkennen, da waren damals solche Sachen am Werk, weswegen Sie so gehandelt haben." Sondern du redest die ganze Zeit eigentlich darüber, was du gemacht hast, und kommst selbst drauf. Es ist superwichtig, diese Hilfe zu haben, sie entbindet einen aber nicht von der Aufgabe, persönlich die ganze Zeit weiter daran zu arbeiten. Für mich selbst ist das Schreiben eben ein Weg, mich selbst zu reflektieren. Ich mache das in Songs, aber ich glaube, dass auch Tagebuchschreiben voll hilfreich sein kann. Heutzutage sagt man eher "Journaling". Ich glaube, das ist halt was total Ähnliches. Das ist wahnsinnig wichtig, zu versuchen, einen Schritt von sich wegzugehen. Wie habe ich da agiert? Wie agiere ich gerade? Warum reagiere ich superemotional oder voll ablehnend? Das habe ich in den letzten Jahren sehr viel gemacht. Das hat mir geholfen und das hilft mir immer noch. Ich bin nicht am Ende, also ich spreche hier nicht als der absolute Selbstreflexionsguru, sondern als jemand, der mitten im Prozess ist.
MZEE.com: Es geht ja um deine Perspektive darauf. Als Musiker stellst du dich mit dem, was du machst, in die Öffentlichkeit. Stellst du dich oder das, was du tust, trotzdem oft infrage?
CONNY: Das ist ein wichtiger Aspekt der CONNY-Figur, aber vor allen Dingen auch von dieser "Dream Boy"-Album-Trilogie. Ich möchte eine junge, moderne, männlich sozialisierte Person porträtieren, die sich in diesem aktuellen, feministischen, politischen Diskurs wiederfindet und daraufhin anfängt, sich selbst zu reflektieren. Das ist einer der für mich wichtigsten Aspekte von diesem Albumkonzept. Dieses "Sich-selbst-Hinterfragen" ist eins der Grundprinzipien von diesem Projekt für mich und ich mache das konstant. Man muss irgendwie selbstbewusst unsicher sein. Weißt du, was ich meine? Du musst dich mit einem sehr großen Selbstbewusstsein hinstellen und sagen: "Hey, Leute, ich bin ziemlich sicher, dass ich unsicher bin." Ich glaube, als ich aufgewachsen bin, haben gewisse Sachen, Rollenbilder und Vorstellungen davon, wie Dinge zu sein haben und wie Männer und wie Frauen sind, gegolten. Das waren gegebene Sachen. Ich muss sagen, 2025 habe ich das Gefühl, dass ich ganz andere Signale bekomme. Auch, was ich lese, mitbekomme und was auf Social Media stattfindet. Ich glaube, dass das viele junge Menschen und nicht nur 20-Jährige, sondern auch 30- und 40-Jährige verunsichern kann. Ich hinterfrage mich jetzt noch mehr und gehe noch tiefer rein. Ich stelle noch mehr Fragen. Das benötigt ein gewisses Selbstbewusstsein und einen gewissen Mut. Deswegen ist es für mich persönlich voll wichtig, mich die ganze Zeit auch zu hinterfragen. Das war jetzt ein bisschen gefreestylt, aber mir gefällt es gut, zu sagen, dass ich für dieses Projekt selbstbewusst unsicher sein muss. Ich hinterfrage mich und das Projekt sehr viel.
MZEE.com: Würdest du die Kunstfigur CONNY oder diese explizite Albumreihe dann sehr bewusst von dir selbst noch mal abgrenzen?
CONNY: Das Projekt ist sehr nah an mir und wird aber in einem künstlerischen Kontext noch mal verstärkt dargestellt. Als hättest du in einem Grafikprogramm den Kontrast aufgedreht. Da ist noch mal alles ein bisschen greller, schillernder und etwas übertriebener. Aber das ist auf jeden Fall meine Motivation. Das kommt aus mir selbst raus und das sind alles Fragen, die ich mir auch gestellt habe. Das hat bei mir den Ursprung und ist dann in so einer Kunstfigur aufgegangen.
MZEE.com: Jetzt hast du schon einiges zum Thema Unsicherheit gesagt. Gibt es für dich noch weitere Gedanken oder Gefühle, die damit zusammenhängen?
CONNY: Da möchte ich den Song "Kleiner Junge" referenzieren. Das ist der erste Song, der vom neuen Album rausgekommen ist und da wird eine ganze Palette von Unsicherheiten aufgemacht. Dann gibt es auch noch einen Song auf dem Album, der "Angst, Angst" heißt Da geht es zum Beispiel wahnsinnig viel um Scham. In ein, zwei Zeilen geht es um meine Auftrittsangst beziehungsweise meine Auftrittspanik. Ich bin immer superaufgeregt vor Shows, teilweise grenzt das schon an Panikattacken. Da frage ich mich häufig: Ist das der richtige Job für mich, wenn ich so eine krasse Panik vor den Auftritten habe? Wenn ich auf der Bühne bin und zwei, drei Songs gespielt habe, ist das weg und dann habe ich auch eine gute Zeit. Aber es ist teilweise übelst anstrengend, denn das Ganze fängt so zwei bis fünf Stunden vor dem Auftritt an. Du kannst dir ja vorstellen, wenn du über so lange Zeit in einem Panikmodus bist und dein Körper die ganze Zeit Adrenalin ausschüttet und in so einem Alert-Status ist, dass dich das wahnsinnig Energie kostet. Ich bin danach total fertig. Auch das Thema Sexualität und Sex spielt eine riesengroße Rolle auf dem Album, ohne, dass ich das geplant hätte. Es gibt den ganzen Song "Gut im Bett" mit MELE und es ist nicht so, als hätte ich vor einem Jahr mein erstes Mal gehabt. Aber trotzdem gibt es noch wahnsinnig viele persönliche Unsicherheiten in Bezug darauf. Das Nachdenken über Körperbilder ist etwas, das mich schon lange begleitet. Als Jugendlicher, der sehr viele Comics gelesen hat, wollte ich immer aussehen wie ein Superheld. Spiderman war immer mein Superheld. Ich weiß nicht, wie heißt noch mal der Schauspieler, der ihn damals gespielt hat?
MZEE.com: In den Filmen Anfang der 2000er? Tobey Maguire.
CONNY: Genau, Tobey Maguire. Der war eher ein normaler Typ. Aber in den Spiderman-Comics, die ich gelesen habe, wenn Peter Parker da sein T-Shirt ausgezogen hat, sah er aus wie ein Käfigkämpfer. Deswegen habe ich mich mit 16 im Fitnessstudio angemeldet und mit den Jungs Bankdrücken gemacht. Inzwischen muss ich sagen, dass dieses Körperthema für mich nicht mehr so viel Leidensdruck verursacht. Aber trotzdem ist es noch da und ich gehe immer noch dreimal die Woche zum Sport und komme ganz schnell an den Punkt, an dem ich das Gefühl habe, ich sehe nicht mehr gut aus, ich muss wieder Sport machen. Ich habe, was mein eigenes Körperbild angeht, noch viele Unsicherheiten. Es gibt noch viele Punkte und ich versuche die auf dem Album rauszuschreien. Gerade weil ich dieses "Nicht-drüber-Reden" inzwischen total schlimm finde. Ich habe das Gefühl, mit meiner weiblichen Freundesgruppe kann ich ganz anders über Unsicherheiten sprechen. Aber mit meinen männlichen Freunden passiert das superwenig. Ich habe die Hoffnung, wenn ich das einmal auf einem Album rausschreie, dass sich dann doch ein paar Räume aufmachen. Ein Bekannter von mir ist zum Beispiel auch nach "Gut im Bett" zu mir gekommen und hat mir davon erzählt, dass er das voll cool und supermutig findet und dass er selbst viele Insecurities hat. Aber ich schwöre dir, wir hätten niemals drüber geredet, wenn ich den Song nicht gemacht hätte.
MZEE.com: Ein Kernpunkt deines Songs "Gut im Bett" ist auch, dass du typisch männlich konnotierte Normalitäten infrage stellst. Sind gesellschaftliche Geschlechterrollen generell ein fragiles Konstrukt?
CONNY: Ich glaube, wenn sie fragil wären, dann wären sie nicht so mächtig und langlebig. Die existieren schon sehr lange und sind extrem wirkmächtig. Sonst wäre das nicht so fest in so vielen Leuten drin und so schwer, das aufzuarbeiten. Ich habe das Gefühl, das führt zu einer Fragilität: Man ist fragil, weil es einen externen Katalog an Sachen gibt, die man erfüllen muss und anhand derer man beginnt, seinen eigenen Wert zu messen. Ich habe zum Beispiel meine gesamte Schulzeit mit meinem Bartwuchs gestruggelt … Während alle meine Kumpels angefangen haben, voll den Bart zu bekommen, habe ich mich pro forma mit dem Rasierer von meinem Vater rasiert, weil ich mich auch rasieren wollte. Aber ich habe einfach nichts rasiert. Allein das hat dazu geführt, dass ich gedacht habe, ich werde weniger wahrgenommen. Ich habe mich selbst auch nicht als liebenswert wahrgenommen. Ein weiteres Thema bei "Gut im Bett" sind Pornos. Da geht es dann von Penisgröße über Muskeln bis hin zur Spermamenge: "Oh Gott, müsste ich nicht viel mehr haben?" Da gibt es einen ganzen Katalog von Sachen, bei denen man sich minderwertig fühlen kann. Jetzt komme ich wieder zurück zu deiner Frage. Ich glaube, dass genau diese ganzen Anforderungskataloge superschwer zu erfüllen sind. Es gibt nur ganz wenige Leute, die davon vielleicht 85 Prozent erfüllen. Und wenn du die nicht erfüllst, fühlst du dich klein, unsicher und damit auch fragil. Rollenbilder führen zu Fragilität und sind aber selbst superbeständig.
MZEE.com: Viele Männer wollen dieses superdominante, starke, männliche Stereotyp weiterhin verkörpern und fühlen sich dann oft klein, wenn sie nicht so wahrgenommen werden.
CONNY: Ich war fast sieben Jahre lang in einer total schönen Beziehung. Im fünften Jahr habe ich meinen Job gekündigt und bin Vollzeit in die künstlerische Tätigkeit gegangen. Das hat ganz neue Unsicherheiten bei mir aufgemacht. Vorher hatte ich immer so eine gewisse Validierung von außen im Job. Leute haben mir gesagt: "Hey, du bist cool und du kriegst dein Gehalt für das, was du tust." Das ist auf eine Art und Weise eine quantifizierbare Größe, die dir sagt, dass du etwas wert bist. Ich hatte mein Gehalt, mit dem ich irgendwie happy war, konnte mir Sachen kaufen und habe regelmäßig mein Klopfen auf die Schulter bekommen. Das war dann auf einmal weg. Stattdessen war die künstlerische Tätigkeit im Mittelpunkt, die mir an ganz vielen Stellen besondere Momente beschert hat. Aber es war nicht von Anfang an so, dass mir viele Leute zugehört haben, sondern es gab erst mal nicht viel Bestätigung. Diese Situation hat bei mir so krass reingekickt, dass ich wahnsinnig unsicher geworden bin. Ich habe dann durch Zufall eine andere Frau kennengelernt, die mir signalisierte, dass sie mich toll findet. Ich war aber eigentlich in der erwähnten Beziehung und habe anscheinend trotzdem diese zusätzliche Bestätigung gebraucht. Diese externe Validierung durch eine Frau, die mich als Mann interessant fand und vor allen Dingen als romantischen Partner. Ich war selbstbewusstseinsmäßig total klein und eingefallen. Ich war so ein kleiner Luftballon und es war so, als würde diese Frau mich wieder aufpusten. Das war natürlich wahnsinnig problematisch für meine Beziehung und ich dachte, ich muss meine Beziehung beenden, weil ich total verliebt in diese andere Frau war. Aber ich glaube, im Nachhinein war ich gar nicht verliebt in diese Person, sondern es war einfach diese Bestätigung, die mir so krass gefehlt hat. Ich war bereit, meine andere Beziehung zu riskieren. Die ist tatsächlich kaputtgegangen, weil ich so unsicher war. Im Nachhinein finde ich das sehr tragisch, denn es war wirklich eine sehr schöne Beziehung. Ich wünschte mir, dass ich sicherer gewesen wäre und mich durch den Wegfall von so ein paar Bestätigungsquellen nicht so klein gefühlt hätte.
MZEE.com: Mit der Albumreihe brichst du auch visuell und äußerlich mit scheinbaren Normen von Männlichkeit. Was möchtest du damit noch ausdrücken?
CONNY: Mit "Manic Pixie Dream Boy, Vol. 1", auch in dem ganzen Rosa, war das natürlich schon sehr bewusst. Ich wollte mit diesem Stereotyp, Frauen sind rosa und Männer sind blau, brechen. Gleichzeitig machen mir aber sehr ausgefuchste visuelle Konzepte einfach Spaß. Ich finde es cool, einen Wiedererkennungswert und eine visuell starke Brand zu schaffen, um es mal ein bisschen unromantisch und businessmäßig auszudrücken. Mir war klar, dass ich Teil 1 bis 3 nicht in demselben Look machen möchte. Das wäre auch zu kurz gefasst gewesen. Ich möchte am Ende schon erzählen, dass Männlichkeit unterschiedlich und divers sein kann. Das darf man natürlich nicht falsch verstehen: Ich will nicht sagen, dass Männlichkeit Diversität abdecken kann, sondern dass es innerhalb von Männlichkeit ganz viele unterschiedliche Facetten gibt. Deswegen wollte ich das gerne bunt weiterführen, aber am Ende nur so ein Rosa-blau-Ding daraus zu machen, wäre für mich zu verkürzt gewesen.
MZEE.com: Auf "Temporär für immer" rappst du: "Momente so fragil, dass ich nur atme, wenn ich muss." – Gibt es denn etwas in deinem Leben, das du als nicht fragil beschreiben würdest?
CONNY: Es gibt inzwischen Dinge, die ich gut kann und bei denen ich mich sicher fühle. Dafür muss ich das aber schon eine gewisse Zeit gemacht haben. Ich konnte das noch nie gut, mich mit etwas, das ich gerade erst angefangen habe, direkt irgendwo superselbstbewusst hinzustellen und so zu präsentieren, als hätte ich das schon jahrelang gemacht. Es gibt Leute, die können das. Ich schreibe schon fast mein ganzes Leben lang. Das heißt, wenn ich einen Text über irgendwas schreiben muss – ich schreibe zum Beispiel meine eigenen Pressetexte und Bewerbungen für Förderungen –, weiß ich, das kann ich gut. Oder wenn es darum geht, Sachen zu organisieren. CONNY ist zwar ein Independent-Projekt, aber wir haben trotzdem ein großes Team und das bedeutet viel Orga-Arbeit. Die mache ich zu großen Teilen selbst und fühle mich da selten unsicher. Beim Musikmachen ist es interessant, denn wenn ich mir ein neues Projekt vornehme, habe ich erst mal keine Unsicherheit. Ich weiß grundsätzlich, dass ich schreiben kann. Aber wenn ich im Studio einen Song einrappe und den dann höre, tauchen manchmal trotzdem Unsicherheiten auf. Abseits davon bin ich auch einfach so eine Organisiermaus. Wenn du eine Idee hast und sagst: "Hey, CONNY, lass mal so eine Firma gründen, die Folgendes macht …" Dann würde ich sagen: "Ja klar, let's go." Ich weiß ein paar Dinge darüber, wie man Dinge organisiert und Projekte umsetzt. Das mache ich schon lange, ob es mit dem Plot war, ob es mit meiner damaligen Firma war oder ob es jetzt mit CONNY ist.
MZEE.com: Lass uns noch mal zur Fragilität zurückkommen: Würdest du sagen, dass die individuelle Fragilität von Menschen auch eine Ursache dafür sein kann, dass wir zunehmend gesellschaftlich und politisch auseinanderdriften?
CONNY: Die Fragilität von uns Menschen ist eigentlich schon immer da. Dementsprechend müsste man dann ja eigentlich annehmen, dass wir schon immer auseinanderdriften. Ich würde sagen, dass die moderne Gesellschaft, gerade dadurch, dass wir jetzt global vernetzt sind, die Möglichkeit hat, über Fragilität mit anderen Menschen zu sprechen. In deiner Peergroup kannst du das theoretisch immer, auch wenn es schwierig ist. Aber jetzt gibt es die Möglichkeit, sich darüber hinaus zu connecten und das ist richtig nice. Aber ich habe das Gefühl, dass der moderne Populismus die Fragilität auf eine andere Art und Weise ausnutzt – nämlich indem auf Unsicherheiten vermeintlich einfache Antworten geliefert werden. Das ist aus meiner Sicht ein Trugschluss und macht nichts einfacher. Im Gegenteil, es wird eher noch komplexer und die Unsicherheiten erhalten ständig neue Aspekte. Die einzige Möglichkeit, damit umzugehen, ist diese anzuerkennen und darüber zu sprechen. Der Populismus versucht genau das Gegenteil zu machen, wie zum Beispiel ein Maximilian Krah, der TikTok-Videos macht, in denen er sagt: "Hey, die Sache ist ganz einfach. Echte Männer sind rechts und echte Männer sind stark." Das ist natürlich was ganz anderes als das, was ich mit der "Manic Pixie Dream Boy"-Reihe mache, in der ich über drei Alben lang verschiedene Facetten von Männlichkeit in verschiedenen Farben, Anzügen, Songs und Aspekten erzähle. Er macht halt ein TikTok-Video, in dem er sagt, wie die Sache angeblich ist. Ich glaube, dass gerade viele politische Kräfte am Werk sind, die versuchen, Fragilität auf eine bestimmte Art und Weise auszunutzen. Aber ich glaube nicht, dass unsere Fragilität zwangsweise dazu führt, dass unsere Welt schlechter wird. Unser Versagen ist eher, die eigene Fragilität zu kommunizieren und damit umzugehen. Das ist tatsächlich ein Problem, was uns immer weiter an den Abgrund führen wird.
MZEE.com: Ein dystopischer Ausblick. Was könnte es denn vielleicht für Auswirkungen haben, wenn sich mehr Leute mit dem eigenen Selbstbild beschäftigen und sich darüber austauschen?
CONNY: An der Stelle erwähne ich gern mal was vom neuen Album. Es gibt einen Bonussong, der heißt "Es geht doch um mich", bei dem geht es um Solidarität. Wie entsteht Solidarität überhaupt? Wie kann man solidarisch miteinander sein? Ist das etwas, was ich wirklich empfinden kann? Kann ich in mir so ein Gefühl finden, das in mir eine Dringlichkeit erzeugt, um zum Beispiel als Mann auf eine Demo am 8. März zu gehen? Ich will nicht nur auf einer intellektuellen und moralischen Ebene denken, dass ich das eigentlich unterstützen müsste. Da fühlt man sich ein bisschen wie der Philosoph im Elfenbeinturm, der das nur tut, weil er "weiß", dass dieses Verhalten das Richtige wäre. Ich möchte aber wirklich ein Gefühl entwickeln und erleben, das das Bedürfnis erzeugt, mich solidarisch zu zeigen, auch wenn ich nicht direkt betroffen bin. Ich glaube, dass das nur funktioniert, wenn man sich selbst reflektiert und mit anderen Leuten auseinandersetzt. Man muss Gespräche führen und untereinander etwas Verbindendes entdecken. Gerade das ehrliche Sprechen über Unsicherheiten kann uns verbinden. Das kann Vertrauen schaffen und dadurch eine viel nachhaltigere Verbindung zwischen den Menschen schaffen. Für mich bestätigt sich das zum Beispiel, wenn ich nach den Shows mit Leuten rede und die mir erzählen, dass die sich mit meiner Musik verbunden fühlen, weil ich diese Unsicherheiten anspreche. Das ist wahnsinnig berührend und ich glaube, dass das ein Weg ist, der voll viel Potenzial birgt. Auf meinem neuen Album spreche ich auf vielen Songs über Unsicherheiten, wie zum Beispiel "Duolingo", "Gut im Bett", "Mauern" und "Angst, Angst". Deshalb gibt es innerhalb des Album-Artworks auch den Mund. Es ist ein zentrales Thema, das Kommunizieren von Unsicherheiten.
MZEE.com: Zum Abschluss hätte ich noch eine letzte Frage an dich: Du hast gerade deine Fans angesprochen. Wie reagieren denn deine Hörer:innen auf deine Musik? Hast du das Gefühl, dass die sich dadurch auch mit ihren eigenen Unsicherheiten stärker beschäftigen?
CONNY: Ich glaube schon, dass die Musik von CONNY ein Ort ist, an dem das Platz haben kann. Ich habe schon viele Leute getroffen, die mir das gespiegelt haben. Bei den neuen Songs habe ich vor allem zu "Kleiner Junge" sehr viel Feedback bekommen. Auf der letzten Tour 2023 gab es zum Beispiel einen Moment, da kam ein Typ zum Merchstand, der übelst hart aussah. Ich hatte im ersten Moment sogar etwas Angst vor ihm. Er kam zu mir, ging ganz nah an mich ran und ich fragte mich, ob er mir jetzt eine reinhauen will? Er begann dann zu flüstern, weil ihm unangenehm war, was er mir sagen wollte. Er hat mir erzählt, wie wichtig es für ihn war, die ganzen Songs zu hören, die seine Unsicherheiten ansprechen. Er hat sich bei mir bedankt, weil er sich durch die Songs mit seinen eigenen Unsicherheiten auseinandergesetzt hat. Da siehst du einen Menschen vor dir, der in seiner ganzen Äußerlichkeit sehr viel dafür getan hat, einen Panzer aufzubauen, und sich dir dann so nahbar öffnet. Das ist jetzt natürlich ein bisschen Küchentischpsychologie, aber es macht mich stolz, dass CONNY anscheinend durch seine Schale dringen konnte. Das ist für mich immer das höchste Lob, wenn Leute mir sagen, dass sie sich gesehen fühlen und merken, es ist nicht schlimm, über diese Sachen zu sprechen. Das hat auch etwas Hoffnungsvolles, denn Unsicherheit ist am schlimmsten, wenn du denkst, du bist die einzige Person, die das hat. Wenn du merkst, dass es anderen Leuten ähnlich geht, verliert die Unsicherheit vieles von ihrer Bedrohlichkeit. Es ist ein bisschen wie in den Cartoons, in denen eine kleine Figur so angeleuchtet wird, dass sie hinten an der Wand als großes Monster erscheint. Wir müssen es irgendwie hinbekommen, das Licht wieder so auszurichten, dass man sieht, dass sie eigentlich nur so ein kleines Ding ist. Das kann aber nur passieren, wenn wir darüber reden. Das funktioniert für manche Leute mit ein paar meiner Songs sehr gut und das macht mich immer sehr happy, wenn ich das mitbekomme.
(Alec Weber)
(Fotos von Niels Freidel)