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Vega & Bosca – Alte Liebe rostet nicht

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lung vor. Die­ses Mal: Vega & Bos­ca mit "Alte Lie­be ros­tet nicht".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Kol­la­boal­ben sind ein ganz spe­zi­el­les Ding. Künstler:innen mit eige­nen Vor­stel­lun­gen ver­su­chen, zusam­men einen Sound zu fin­den, der im Opti­mal­fall auch noch ver­schie­de­ne Fan­ba­ses abholt. Das kann schief­ge­hen. 2016 wag­ten Vega und Bos­ca den Ver­such und mach­ten auf "Alte Lie­be ros­tet nicht" gemein­sa­me Sache. Zuge­ge­ben: Die Gefahr, sound­mä­ßig nicht zusam­men­zu­fin­den, war bei den "Freun­de von Niemand"-Künstlern ver­gleichs­wei­se gering. Ohne­hin fehl­te bis dato auf kaum einer Solo-​Platte der bei­den Hes­sen ein Fea­ture des jeweils ande­ren. War­um also nicht ein­mal gemein­sam auf Albumlänge?

Im Nach­hin­ein behaup­ten weder Vega noch Bos­ca, dass "A.L.R.N." ihr bes­tes oder wich­tigs­tes Release war. Objek­tiv betrach­tet mag das stim­men, aller­dings ent­schei­den manch­mal ganz ande­re Fak­to­ren, wel­che Plat­te einem ans Herz wächst. Für mich ver­kör­pert die­ses Album einen Teil mei­ner Jugend und wird mich immer zurück in einen bestimm­ten Moment kata­pul­tie­ren: Ich bin 17 und sit­ze ein­ge­engt zwi­schen älte­ren Typen in einem klapp­ri­gen VW Bora. Es ist schon spät und wir befin­den uns auf der feucht­fröh­li­chen Rück­fahrt von einem Aus­wärts­spiel unse­res gelieb­ten Fuß­ball­clubs. Wäh­rend drau­ßen dunk­le Land­schaf­ten vor­bei­flie­gen, rap­pen Vega und Bos­ca aus der Bluetooth-​Box in der Mit­tel­kon­so­le abwech­selnd über die ers­ten klei­nen Rei­be­rei­en mit dem Gesetz, Freund­schaft, Jack Daniel's und Gäs­te­blö­cke. Alko­hol und ein­set­zen­de Müdig­keit sor­gen dafür, dass die Stim­mung auf der Rück­bank sen­ti­men­ta­ler wird. Einer der älte­ren Typen fällt Bos­ca ins Wort: "Was der sagt, ist genau unser Leben. So wird's immer sein, Leu­te." Mein jugend­li­ches Ich nippt naiv grin­send an sei­nem Bier und nickt.

Heu­te bin ich so alt wie der Typ im Auto damals und weiß: Irgend­wie hat er recht behal­ten. Und irgend­wie ist die alte Lie­be zum Kol­la­bo­al­bum von Vega und Bos­ca nicht ein­ge­ros­tet. Auch bei den zwei Rap­pern selbst ist fast zehn Jah­re spä­ter übri­gens noch vie­les beim Alten. Bos­ca erklär­te zwar jüngst per Insta­gram, dass er seit zwei Alben inde­pen­dent arbei­te. Ein Part von Vega durf­te auf der neu­en Solo­plat­te, die Anfang Mai erschien, natür­lich trotz­dem nicht fehlen.

(Enri­co Gerharth)