In der deutschen Rap-Szene wurden über viele Jahre die Namen und die Arbeit der Producer:innen eher nachlässig behandelt. Dieser Umgang änderte sich in den letzten Jahren enorm. Immer mehr Artists sorgen aktiv für eine Sichtbarkeit der Menschen, die letztlich für große Teile der Musik zuständig sind. Diese Credits für Produzent:innen sind längst überfällig, nicht nur monetär. Ein Producer, der auch schon vor über zehn Jahren enorm erfolgreich und bekannt war, ist Bazzazian. Gemeinsam mit Farhot bildet er das Producerduo "Die Achse" und produzierte unter anderem für Rapper wie Samy Deluxe, Azad, Apsilon und Tarek K.I.Z. Unverkennbar ist auch das Soundgewand, welches er seit 2010 den Projekten von Haftbefehl verleiht. Im vergangenen Herbst veröffentlichte der Producer nun endlich sein erstes eigenes Album "100Angst", das mit zahlreichen spannenden Featuregästen aufwartet. Gemeinsam mit ihm sprachen wir über die Entstehung seines Albums, den Unterschied zwischen Producer:innen und Beatmaker:innen und seinen Einstieg in die Musikszene.
MZEE.com: Wir möchten zunächst mit dir über deine künstlerische Entwicklung sprechen. Du bist schon seit Langem hauptberuflich Produzent, aber war das auch dein Traumberuf?
Bazzazian: Nein, so richtig erinnere ich mich nicht daran. Aber ich kann mich an eine Zeit erinnern, die vor der Ära des Kabelfernsehens lag. Ich wurde 1979 geboren und bin mit einem Schwarz-Weiß-Fernseher und drei Programmen aufgewachsen. Es gab eine Sendung namens "Formel Eins" im Ersten. Das war eine Musiksendung, bei der auch Videoclips gezeigt wurden, so wie bei MTV damals. Ich fand das immer faszinierend. Musikvideos und Musik im Allgemeinen haben mich schon damals sehr begeistert. Aber was ich als Kind genau werden wollte, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Ich habe schon recht früh angefangen, Musik zu machen – mit etwa zwölf, dreizehn Jahren habe ich Gitarre gespielt.
MZEE.com: Haben deine Eltern das gefördert und dich dabei unterstützt?
Bazzazian: Meine Eltern haben mich immer sehr unterstützt. Früher wollte mein Vater, dass ich Klavier spielen lerne, aber das hatte ich nie wirklich auf dem Schirm. Als ich zwölf war, hat mein bester Freund angefangen, E-Gitarre zu spielen – das wollte ich dann auch. Es war nie ein Zwang von meinen Eltern, aber als es so weit war, haben sie mich voll unterstützt.
MZEE.com: War schnell klar, dass du "klassischer" Produzent werden würdest?
Bazzazian: Überhaupt nicht. Ich hatte mehrere Bands, aber irgendwann ging es immer auseinander. Als ich dann eine Zeit lang keine Mitstreiter:innen für eine Band hatte und trotzdem Musik machen wollte, bin ich in einen Musikladen in Köln gegangen und habe dem Typen dort mein Leid geklagt. Der hat mir dann tollerweise eine MPC und einen PC mit Logic empfohlen. Dass ich Produzent werden wollte, hatte ich damals überhaupt nicht im Kopf, ich wollte einfach Musik für mich selbst machen. Aber irgendwie, wenn ich so darüber nachdenke, habe ich heute eher die Rolle eines herkömmlichen Produzenten aus den 60er, 70er und 80er Jahren. Die meisten, die heutzutage als Producer:innen im HipHop unterwegs sind, sind eigentlich keine Produzent:innen im klassischen Sinne. Früher war es ja so, dass ein:e Produzent:in eigentlich nichts mit der Musikproduktion an sich zu tun hatte. Wenn man es genau nimmt, ist Rick Rubin der einzige "Oldschool-Produzent". Denn er hört einfach nur zu, gibt seinen Senf dazu und sagt: "Warum spielst du das nicht ein bisschen anders? Wir können noch einen Bassisten dazu holen und machen das dann noch mal neu." Das war früher der Job eines:einer Produzent:in – nicht dazusitzen und Beats zu machen. Ich glaube, dass die Songs besser werden, wenn man sich mehr Gedanken darüber macht, anstatt einfach einen Beat zu machen und weiterzugeben. Denn viele Produzent:innen haben tolle Ideen und Vorstellungen. Es würde den Künstler:innen gut tun, sich diese anzuhören. Viele, die nur Beats machen, könnten auch super Produzent:innen sein. Sie könnten den Künstler:innen bei vielen Dingen im Studio helfen und ihnen Tipps geben.
MZEE.com: Und wann hast du dich entschieden, Produzent zu werden?
Bazzazian: Ich habe mir, glaube ich, 1999 eine MPC gekauft, die 2000XL. Die habe ich immer noch, aber ich benutze sie mittlerweile nicht mehr. Aber mit der MPC habe ich angefangen.
MZEE.com: Womit produzierst du jetzt?
Bazzazian: Ich habe alle gängigen Softwareprogramme, aber ich arbeite hauptsächlich mit Logic. Momentan versuche ich auch, Ableton Live zu lernen. Denn ich merke, dass ich bei meiner Arbeit immer etwas Neues brauche. Irgendetwas, das ich vorher noch nicht hatte, um einen Schritt weiterzukommen. Ich finde das wichtig, dass ich immer etwas Neues entdecke, was mich weiterbringt.
MZEE.com: Das ist nachvollziehbar. Bei dir ist es ja auch so, dass du für verschiedene Künstler:innen produzierst, zum Beispiel auch mit Farhot gemeinsam als "Die Achse". Wie hat sich dein musikalischer Geschmack und Produktionsstil im Laufe dieser verschiedenen Kooperationen und Projekte verändert?
Bazzazian: Ich denke schon, dass sich meine Musik über die Jahre verändert hat. Für meinen Stil habe ich nie wirklich eine Schublade definiert, zum Beispiel "Oldschool-Rap" oder "East Coast Style". Ich mag rumpelige Sample-Beats, aber finde auch "Future"-Musik spannend – und damit meine ich nicht nur die aktuelle Future-Szene, sondern auch den sogenannten Future-Pop, wie er zum Beispiel bei Charlie xcx zu hören ist. Gestern habe ich zum Beispiel einen Beat mit 83 bpm produziert. Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Aber wenn ich Lust habe, an alten Drumcomputern zu arbeiten, wie dem 909, dann mache ich das. Ich folge einfach meiner Lust und Kreativität. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich keine Musik höre, wenn ich in einem bestimmten Projekt voll drin bin – nur Sachen, die damit nichts zu tun haben. Ich möchte nicht, dass diese äußeren Einflüsse zu sehr in meine eigene Musik einfließen. Trotzdem sind diese ganzen Erinnerungen und Einflüsse ja auch der Grund, warum du Musik machst, wie du sie machst. Wenn ein KI-Programm mit Musik zugeballert wird und daraus irgendwelche Sachen zusammenwürfelt, sind das auch Erinnerungen und Einflüsse. Ich bin nicht gegen KI, aber es hat für mich einfach nicht den gleichen Wert. Denn meine Musik entsteht aus einem Gefühl heraus und das hat nichts mit Logik oder Algorithmen zu tun. Ich weiß nicht genau, wie ein KI-Programm funktioniert, das Musik erstellt. Aber für mich ist Musik wie Malen: Ein:e Künstler:in hat verschiedene Farben und Pinsel als Werkzeuge, aber es ist immer der:die Künstler:in, der:die entscheidet, wie man sie einsetzt.
MZEE.com: Sprechen wir doch mal über dein Album "100Angst": Gab es einen inspirierenden Moment, der dich dazu gebracht hat, ein Producer-Album zu machen? Oder war die Idee schon immer da und es war einfach der richtige Zeitpunkt?
Bazzazian: Ich glaube, es war eher Letzteres. Ich habe schon vor etwa 15 Jahren darüber nachgedacht, ein eigenes Album zu machen. Das erste Mal, als ich diesen Gedanken hatte, war, als The Alchemist "1st Infantry" rausgebracht hat. Das ist schon eine lange Zeit her, aber ich fand das Album damals Hammer. Seitdem habe ich darüber nachgedacht, aber irgendwie ist es wieder in den Hintergrund geraten. Der Gedanke, eigene Musik zu machen, war immer da, aber es gab stets externe Faktoren, die mich davon abgehalten haben. Wir haben zwar als "Die Achse" mit Farhot eigene Musik gemacht. Bei meiner Platte habe ich jetzt aber alles allein entschieden. Trotzdem war ich von vielen äußeren Faktoren abhängig. Zum Beispiel wollte ich unbedingt nur eine Single aus dem Album rausbringen: "Lass los", den ich mit Schmyt gemacht habe. Für mich war das immer der Song, nach dem der Rest des Albums hätte kommen können, das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Aber das ist eben das Schwierige an der Sache und davor hatte ich immer etwas Angst. Ich wusste, dass ich alles mit den Künstler:innen, Manager:innen und Labels klären musste. Aber es hat am Ende geklappt und ich bin froh, dass ich mich darauf eingelassen habe.
MZEE.com: Was macht denn für dich ein gutes Producer:innen-Album aus? Ist es die Vielfalt an Features oder vielleicht der einzigartige Sound der Produzierenden?
Bazzazian: Es ist definitiv beides. Wenn du als Produzent:in ein Album machst und Künstler:innen darauf haben möchtest, bist du abhängig davon, ob die Menschen tatsächlich für dich arbeiten wollen. Das betrifft sowohl die Musik als auch den Sound. Es war mein Plan, weniger Rapper auf meinem Album zu haben. Ich wollte auf jeden Fall mehr Sänger und Sängerinnen einbinden. Vielleicht mache ich das nächste Mal ein Album nur mit Sängerinnen – das hat Mark Ronson auch mal gemacht und ich fand das einen coolen Move. Was mich wirklich freut, ist, dass viele Leute gesagt haben, dass man merkt, wie viel Mühe sich alle für das Album gegeben haben. Das finde ich großartig, weil es eben auch viele Alben gibt, bei denen man merkt, dass sie nur aus Resten bestehen oder dass es so klingt, als wären die Künstler:innen nicht wirklich in die Produktion involviert. Aber bei meinem Album hört man, dass alle mit Leidenschaft dabei waren. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass da jemand nur auf halber Geschwindigkeit unterwegs war. Das finde ich gut, weil es eben nicht selbstverständlich ist, dass jeder immer zu 100 % dabei ist. Es gab zum Beispiel eine Situation mit Souly, in der etwas nicht funktionierte und ich ihn dringend noch einmal brauchte. Er kam dann sogar früher aus seinem Urlaub zurück und reiste auf eigene Kosten von Berlin nach Köln. Das war beeindruckend. Viele haben sich außergewöhnlich engagiert. Das war eine sehr positive Erfahrung.
MZEE.com: Das Album heißt "100Angst". Hattest du ein bestimmtes Konzept für die Songs im Kopf?
Bazzazian: Der Titel kam erst später dazu. Anfangs habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, was die Leute wohl denken könnten. Das hat mich zunächst ziemlich blockiert. Irgendwann habe ich entschieden, das einfach loszulassen. Viele sagen, dass es ein Konzeptalbum sei, aber das ist es nicht wirklich. Es hat sich vielmehr organisch entwickelt. Am Ende ergab alles ein stimmiges Gesamtbild. Mein Manager Max Mönster brachte dann den Begriff "Angst" ins Spiel. Zunächst war ich unsicher, da ich mich nicht durchgehend als ängstliche Person empfinde. Doch später sprach ich mit Chehad Abdallah, einem Freund und visuellen Künstler, der ebenfalls meinte, dass das passt. Ich habe dann auch erkannt, dass dieser Titel sehr treffend ist. Er steht für die Ängste und Zweifel, die ich in den kreativen Prozess eingebracht habe. Das Album hat sich für mich wie eine Art Verarbeitung dieser Gefühle angefühlt. Jemand verglich es einmal mit einer Währung: Die Platte ist das Produkt all dieser Ängste, mit denen sie "bezahlt" wurde. Diese Perspektive fand ich sehr passend. Vielleicht folgt ja noch ein Album namens "100Hass". Wer weiß?
MZEE.com: Da du gerade von deinen Ängsten gesprochen hast: Welche Rolle haben Angst, Depressionen oder andere psychische Probleme in deinem Leben gespielt?
Bazzazian: Ich glaube, dass wir alle in gewisser Weise ein Produkt unserer Umgebung und Erfahrungen sind. Ängste im Allgemeinen haben sicherlich immer eine Rolle in meinem Leben gespielt. Ich würde nicht direkt sagen, dass dies bewusst Einfluss auf das Album genommen hat, aber sicherlich unterbewusst. Der kreative Prozess war nicht durchgeplant und vieles entstand einfach intuitiv. Mein musikalischer Arbeitsprozess folgt oft keiner festen Struktur. Ich lasse Dinge einfach geschehen und vertraue darauf, dass sich alles zusammenfügt. Zu Beginn der Produktion hatte ich beispielsweise keine Lust mehr, Drums zu bauen, obwohl das sonst ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist. Ich wollte absichtlich und bewusst auf Drums und andere bekannte Muster verzichten. Diese Art des Arbeitens hat sich für mich als stimmig erwiesen.
MZEE.com: Du hast bereits in vielen Interviews erwähnt, dass du dich bei deinem Album stärker in die Lyrics eingebracht hast.
Bazzazian: Ich habe mich schon immer zu einem gewissen Grad eingebracht, wenn ich etwas nicht gut fand. Wenn ich für andere Künstler:innen produziere, kann ich natürlich nur beratend zur Seite stehen. Bei meinem eigenen Album war das anders. Dort konnte ich meine eigenen Vorstellungen direkt umsetzen. Ich habe nicht unbedingt selbst Texte geschrieben, aber viel Feedback gegeben. Wenn ich das Gefühl hatte, dass ein Part emotional noch intensiver sein sollte, habe ich das angesprochen. Die meisten Künstler:innen haben sich darauf eingelassen, was ich sehr schätze. Das ist nicht selbstverständlich, aber in meinem Umfeld haben die Menschen Vertrauen in meine Einschätzungen. Letztlich ging es darum, Emotionen zu transportieren. Wenn ein Part zwar technisch gut war, mich aber nicht berührte, habe ich das kommuniziert.
MZEE.com: Eine aktuelle Studie zeigt, dass der Sound von Produzent:innen oft viel unverwechselbarer ist als der von Vokalist:innen. Man könnte also eher von einem "Bazzazian-Sound" sprechen als etwa von einem spezifischen Stil von einem:einer Rapper:in.
Bazzazian: Man kann jedes A cappella eines Songs nehmen und unterschiedliche Musik darunterlegen, wie bei einem Remix. Das kann sogar sehr gut funktionieren und perfekt zusammenpassen. Am Ende macht die Musik den entscheidenden Unterschied, während der Text und der Gesang des:der Künstler:in gleich bleiben. Ich denke, das ist auch richtig so. Man könnte beispielsweise unter einen Nas-Track eine Klavierballade legen oder einen klassischen Premier-Beat daruntermischen und schon klingt es nach New York-Premier-Sound. Oft höre ich die Frage, ob Produzent:innen genug Anerkennung bekommen – wahrscheinlich nicht. Aber letztlich sind sie es, die den Sound ausmachen. Vor einiger Zeit habe ich darüber nachgedacht, dass viele Menschen inzwischen von Trap-Beats genervt sind. Das liegt leider auch an vielen Produzent:innen, die immer wieder dieselben Beats machen. Dabei könnte man doch auch etwas Neues probieren. Ich finde es schade, wenn Produzierende es sich zu einfach machen. Klar, jede:r kann Musik machen, wie er:sie möchte, aber Plattformen wie "Splice" (Anm. d. Red.: Plattform, um Samples zu erwerben) tragen aus meiner Sicht dazu bei, dass viel Musik heute gleich klingt. Ein Gegenbeispiel ist Tyler, The Creator: Ich war nie ein großer Fan seiner Stimme, aber sein neues Album ist beeindruckend. Der erste Song darauf ist so eigen und weit entfernt von dem, was Plattenfirmen typischerweise erwarten würden. Und doch ist er damit erfolgreich. Das zeigt, dass unkonventionelle Ansätze ebenfalls funktionieren können.
MZEE.com: Unkonventionelle Ansätze können aber auch als "schlecht" oder "nervig" wahrgenommen werden. Gab es denn einen Moment, in dem du unsicher warst, ob dein Album gut genug wird?
Bazzazian: Definitiv. Als mein Kollege Max einen Plan gemacht hatte, wann wir die Tracklist veröffentlichen wollen. Ich poste auf Instagram nur, wenn ich etwas zu sagen habe – nicht jeden Tag oder nach festen Zeiten. Aber Max hatte eben diesen Plan gemacht, der auch gut war. Als wir dann entschieden hatten, die Tracklist in drei Tagen zu posten, wurde mir bewusst: Jetzt gibt es keinen Weg zurück. Das war schon ein Moment der Unsicherheit. Ich fragte mich, ob alles gut genug ist. Aber irgendwann musste ich loslassen und darauf vertrauen, dass es funktioniert.
MZEE.com: Deine Fans hatten bestimmt gewisse Erwartungen, nicht nur soundtechnisch. Zum Beispiel wurde bestimmt oft gefragt, warum Haftbefehl nicht auf deinem Album ist.
Bazzazian: Wir haben schon viel Musik zusammen gemacht und ich hatte keine Lust, einfach das zu machen, was von mir erwartet wird. Es gab Leute, die gesagt haben, dass sie es sogar gut finden, dass Haftbefehl nicht auf dem Album ist – nicht weil sie seine Musik nicht mögen, sondern weil es eben mal anders ist. Viele meinten später auch, dass sie ihn gar nicht vermisst haben, und das hat mich beruhigt. Es gab einen Song, auf dem ich ihn gern gehabt hätte, aber dieser Track hat es letztlich gar nicht auf die Platte geschafft.
MZEE.com: Die Dinge, die ihr zusammen gemacht habt, existieren ja auch weiterhin.
Bazzazian: Genau. Und ich weiß ja auch, welchen Einfluss diese Songs hatten und was sie für mich bewirkt haben. Ich sage das auch immer: "Russisch Roulette" hat für mich alles verändert. Ich habe vorher auch schon Musik gemacht, ebenfalls erfolgreich mit bekannten Leuten, aber nach dieser Platte war auf jeden Fall alles anders. Das kann uns niemand nehmen und das wissen die Leute. Wer weiß, vielleicht machen wir noch mal Musik zusammen – ich weiß es nicht. Ich habe auch mit Leuten Musik gemacht, die halb so alt sind wie ich, und da merke ich schon, dass ich an einem anderen Punkt im Leben stehe als diese Personen. Es gibt aber auch Beispiele wie Mike Dean, der mit 60 immer noch am Puls der Zeit ist. Und das zeigt, dass man auch in diesem Alter noch relevant sein kann.
MZEE.com: Das ist eine gute Überleitung zur nächsten Frage. Du hast auf deinem Album eine Mischung aus etablierten und jüngeren Künstler:innen. Hast du diese bewusst ausgewählt und kombiniert? Hattest du eine Art Konzept oder ist das eher zufällig durch Begegnungen und gemeinsame Erlebnisse entstanden?
Bazzazian: Es gab auf jeden Fall Listen mit Leuten. Es ist nicht so, dass mir diese Kombinationen einfach zufällig begegnet sind – die habe ich mir schon überlegt. Aber diese Listen haben sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert und ich hatte von Anfang an einen Plan mit bestimmten Leuten. Ansonsten war die Auswahl teilweise sehr spontan. Ich habe festgestellt, dass es oft besser funktioniert, wenn man die Dinge einfach passieren lässt. Ich kann meine Chancen versuchen zu nutzen, aber wenn ich Dinge zu sehr erzwingen will, klappt es meistens nicht. Ich glaube, manche Leute sind super darin, alles bis ins kleinste Detail zu planen, und dann funktioniert das auch. Bei mir war das nie so und ich lasse die Dinge lieber ein bisschen auf mich zukommen.
MZEE.com: Lass uns abschließend noch in die Zukunft blicken. Gibt es Projekte, die du in Zukunft umsetzen möchtest? Hat dich dein Album vielleicht inspiriert, eine neue Richtung einzuschlagen?
Bazzazian: Auf jeden Fall. Ich habe schon gemerkt, dass mir diese Aufmerksamkeit gutgetan hat. Es hat mir einfach gefallen, meine eigene Vision und Musik zu veröffentlichen. Das möchte ich weiterverfolgen und ich habe auch Lust, Songs mit anderen Leuten zu machen. Aber ich habe auch schon mal in einem anderen Interview gesagt: Musikmachen ist für mich irgendwie begrenzt – nicht im negativen Sinne. Aber es gibt halt nichts anderes, was mich so begeistert. Ich habe ja kein anderes Hobby. Musik ist mein Hobby und ich habe das Glück, dass ich es beruflich machen kann. Denn es gibt viele, die irgendwann nur noch mechanisch Musik machen, weil es ihr Job ist. Letztens war ich bei einer Diskussionsrunde, bei der jemand gefragt hat: "Was kann ich tun, um so zu werden wie du?" Ich habe geantwortet: "Hey, vielleicht machst du Musik einfach als Hobby. Das ist doch auch total okay." Denn es kann schnell passieren, wenn man finanziell davon abhängig wird, dass man falsche Entscheidungen trifft oder einfach keine authentische Musik mehr macht. Ich werde auf jeden Fall weiter eigene Musik machen, das steht fest. Gerade bin ich aber noch ein bisschen am Suchen, weil ich mich ungern wiederholen möchte. Es muss sich schon richtig anfühlen – so ein "Klick"-Moment, bei dem man merkt: Okay, das ist es jetzt. Ich habe kürzlich mit einem wirklich beeindruckenden Instrumentalisten gearbeitet und das hat mir großen Spaß gemacht. Ich glaube, damit rechnet niemand und solche Überraschungen finde ich spannend.
(Jan Hartmann & Alec Weber)
(Bilder von William Minke & Phillip Kaminiak)