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Interview

Bazzazian – ein Gespräch über das Entstehen seines Producer-Albums

"'Rus­sisch Rou­lette' hat für mich alles ver­än­dert. Ich habe vor­her auch schon mit bekann­ten Leu­ten Musik gemacht, aber nach die­ser Plat­te war alles anders." – Baz­z­azi­an über den gro­ßen Wen­de­punkt sei­ner Kar­rie­re und sein ers­tes Producer-​Album "100Angst".

In der deut­schen Rap-​Szene wur­den über vie­le Jah­re die Namen und die Arbeit der Producer:innen eher nach­läs­sig behan­delt. Die­ser Umgang änder­te sich in den letz­ten Jah­ren enorm. Immer mehr Artists sor­gen aktiv für eine Sicht­bar­keit der Men­schen, die letzt­lich für gro­ße Tei­le der Musik zustän­dig sind. Die­se Cre­dits für Produzent:innen sind längst über­fäl­lig, nicht nur mone­tär. Ein Pro­du­cer, der auch schon vor über zehn Jah­ren enorm erfolg­reich und bekannt war, ist Baz­z­azi­an. Gemein­sam mit Farhot bil­det er das Pro­du­cer­duo "Die Ach­se" und pro­du­zier­te unter ande­rem für Rap­per wie Samy Delu­xe, Azad, Apsi­lon und Tarek K.I.Z. Unver­kenn­bar ist auch das Sound­ge­wand, wel­ches er seit 2010 den Pro­jek­ten von Haft­be­fehl ver­leiht. Im ver­gan­ge­nen Herbst ver­öf­fent­lich­te der Pro­du­cer nun end­lich sein ers­tes eige­nes Album "100Angst", das mit zahl­rei­chen span­nen­den Fea­ture­gäs­ten auf­war­tet. Gemein­sam mit ihm spra­chen wir über die Ent­ste­hung sei­nes Albums, den Unter­schied zwi­schen Producer:innen und Beatmaker:innen und sei­nen Ein­stieg in die Musikszene. 

MZEE​.com​: Wir möch­ten zunächst mit dir über dei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung spre­chen. Du bist schon seit Lan­gem haupt­be­ruf­lich Pro­du­zent, aber war das auch dein Traumberuf?

Baz­z­azi­an: Nein, so rich­tig erin­ne­re ich mich nicht dar­an. Aber ich kann mich an eine Zeit erin­nern, die vor der Ära des Kabel­fern­se­hens lag. Ich wur­de 1979 gebo­ren und bin mit einem Schwarz-​Weiß-​Fernseher und drei Pro­gram­men auf­ge­wach­sen. Es gab eine Sen­dung namens "For­mel Eins" im Ers­ten. Das war eine Musik­sen­dung, bei der auch Video­clips gezeigt wur­den, so wie bei MTV damals. Ich fand das immer fas­zi­nie­rend. Musik­vi­de­os und Musik im All­ge­mei­nen haben mich schon damals sehr begeis­tert. Aber was ich als Kind genau wer­den woll­te, weiß ich ehr­lich gesagt nicht mehr. Ich habe schon recht früh ange­fan­gen, Musik zu machen – mit etwa zwölf, drei­zehn Jah­ren habe ich Gitar­re gespielt.

MZEE​.com​: Haben dei­ne Eltern das geför­dert und dich dabei unterstützt?

Baz­z­azi­an: Mei­ne Eltern haben mich immer sehr unter­stützt. Frü­her woll­te mein Vater, dass ich Kla­vier spie­len ler­ne, aber das hat­te ich nie wirk­lich auf dem Schirm. Als ich zwölf war, hat mein bes­ter Freund ange­fan­gen, E-​Gitarre zu spie­len – das woll­te ich dann auch. Es war nie ein Zwang von mei­nen Eltern, aber als es so weit war, haben sie mich voll unterstützt.

MZEE​.com​: War schnell klar, dass du "klas­si­scher" Pro­du­zent wer­den würdest?

Baz­z­azi­an: Über­haupt nicht. Ich hat­te meh­re­re Bands, aber irgend­wann ging es immer aus­ein­an­der. Als ich dann eine Zeit lang kei­ne Mitstreiter:innen für eine Band hat­te und trotz­dem Musik machen woll­te, bin ich in einen Musik­la­den in Köln gegan­gen und habe dem Typen dort mein Leid geklagt. Der hat mir dann tol­l­er­wei­se eine MPC und einen PC mit Logic emp­foh­len. Dass ich Pro­du­zent wer­den woll­te, hat­te ich damals über­haupt nicht im Kopf, ich woll­te ein­fach Musik für mich selbst machen. Aber irgend­wie, wenn ich so dar­über nach­den­ke, habe ich heu­te eher die Rol­le eines her­kömm­li­chen Pro­du­zen­ten aus den 60er, 70er und 80er Jah­ren. Die meis­ten, die heut­zu­ta­ge als Producer:innen im Hip­Hop unter­wegs sind, sind eigent­lich kei­ne Produzent:innen im klas­si­schen Sin­ne. Frü­her war es ja so, dass ein:e Produzent:in eigent­lich nichts mit der Musik­pro­duk­ti­on an sich zu tun hat­te. Wenn man es genau nimmt, ist Rick Rubin der ein­zi­ge "Oldschool-​Produzent". Denn er hört ein­fach nur zu, gibt sei­nen Senf dazu und sagt: "War­um spielst du das nicht ein biss­chen anders? Wir kön­nen noch einen Bas­sis­ten dazu holen und machen das dann noch mal neu." Das war frü­her der Job eines:einer Produzent:in – nicht dazu­sit­zen und Beats zu machen. Ich glau­be, dass die Songs bes­ser wer­den, wenn man sich mehr Gedan­ken dar­über macht, anstatt ein­fach einen Beat zu machen und wei­ter­zu­ge­ben. Denn vie­le Produzent:innen haben tol­le Ideen und Vor­stel­lun­gen. Es wür­de den Künstler:innen gut tun, sich die­se anzu­hö­ren. Vie­le, die nur Beats machen, könn­ten auch super Produzent:innen sein. Sie könn­ten den Künstler:innen bei vie­len Din­gen im Stu­dio hel­fen und ihnen Tipps geben.

MZEE​.com​: Und wann hast du dich ent­schie­den, Pro­du­zent zu werden?

Baz­z­azi­an: Ich habe mir, glau­be ich, 1999 eine MPC gekauft, die 2000XL. Die habe ich immer noch, aber ich benut­ze sie mitt­ler­wei­le nicht mehr. Aber mit der MPC habe ich angefangen.

MZEE​.com​: Womit pro­du­zierst du jetzt?

Baz­z­azi­an: Ich habe alle gän­gi­gen Soft­ware­pro­gram­me, aber ich arbei­te haupt­säch­lich mit Logic. Momen­tan ver­su­che ich auch, Able­ton Live zu ler­nen. Denn ich mer­ke, dass ich bei mei­ner Arbeit immer etwas Neu­es brau­che. Irgend­et­was, das ich vor­her noch nicht hat­te, um einen Schritt wei­ter­zu­kom­men. Ich fin­de das wich­tig, dass ich immer etwas Neu­es ent­de­cke, was mich weiterbringt.

MZEE​.com​: Das ist nach­voll­zieh­bar. Bei dir ist es ja auch so, dass du für ver­schie­de­ne Künstler:innen pro­du­zierst, zum Bei­spiel auch mit Farhot gemein­sam als "Die Ach­se". Wie hat sich dein musi­ka­li­scher Geschmack und Pro­duk­ti­ons­stil im Lau­fe die­ser ver­schie­de­nen Koope­ra­tio­nen und Pro­jek­te verändert?

Baz­z­azi­an: Ich den­ke schon, dass sich mei­ne Musik über die Jah­re ver­än­dert hat. Für mei­nen Stil habe ich nie wirk­lich eine Schub­la­de defi­niert, zum Bei­spiel "Oldschool-​Rap" oder "East Coast Style". Ich mag rum­pe­li­ge Sample-​Beats, aber fin­de auch "Future"-Musik span­nend – und damit mei­ne ich nicht nur die aktu­el­le Future-​Szene, son­dern auch den soge­nann­ten Future-​Pop, wie er zum Bei­spiel bei Char­lie xcx zu hören ist. Ges­tern habe ich zum Bei­spiel einen Beat mit 83 bpm pro­du­ziert. Das habe ich schon lan­ge nicht mehr gemacht. Aber wenn ich Lust habe, an alten Drum­com­pu­tern zu arbei­ten, wie dem 909, dann mache ich das. Ich fol­ge ein­fach mei­ner Lust und Krea­ti­vi­tät. Ich habe irgend­wann gemerkt, dass ich kei­ne Musik höre, wenn ich in einem bestimm­ten Pro­jekt voll drin bin – nur Sachen, die damit nichts zu tun haben. Ich möch­te nicht, dass die­se äuße­ren Ein­flüs­se zu sehr in mei­ne eige­ne Musik ein­flie­ßen. Trotz­dem sind die­se gan­zen Erin­ne­run­gen und Ein­flüs­se ja auch der Grund, war­um du Musik machst, wie du sie machst. Wenn ein KI-​Programm mit Musik zuge­bal­lert wird und dar­aus irgend­wel­che Sachen zusam­men­wür­felt, sind das auch Erin­ne­run­gen und Ein­flüs­se. Ich bin nicht gegen KI, aber es hat für mich ein­fach nicht den glei­chen Wert. Denn mei­ne Musik ent­steht aus einem Gefühl her­aus und das hat nichts mit Logik oder Algo­rith­men zu tun. Ich weiß nicht genau, wie ein KI-​Programm funk­tio­niert, das Musik erstellt. Aber für mich ist Musik wie Malen: Ein:e Künstler:in hat ver­schie­de­ne Far­ben und Pin­sel als Werk­zeu­ge, aber es ist immer der:die Künstler:in, der:die ent­schei­det, wie man sie einsetzt.

MZEE​.com​: Spre­chen wir doch mal über dein Album "100Angst": Gab es einen inspi­rie­ren­den Moment, der dich dazu gebracht hat, ein Producer-​Album zu machen? Oder war die Idee schon immer da und es war ein­fach der rich­ti­ge Zeitpunkt?

Baz­z­azi­an: Ich glau­be, es war eher Letz­te­res. Ich habe schon vor etwa 15 Jah­ren dar­über nach­ge­dacht, ein eige­nes Album zu machen. Das ers­te Mal, als ich die­sen Gedan­ken hat­te, war, als The Alche­mist "1st Inf­an­try" raus­ge­bracht hat. Das ist schon eine lan­ge Zeit her, aber ich fand das Album damals Ham­mer. Seit­dem habe ich dar­über nach­ge­dacht, aber irgend­wie ist es wie­der in den Hin­ter­grund gera­ten. Der Gedan­ke, eige­ne Musik zu machen, war immer da, aber es gab stets exter­ne Fak­to­ren, die mich davon abge­hal­ten haben. Wir haben zwar als "Die Ach­se" mit Farhot eige­ne Musik gemacht. Bei mei­ner Plat­te habe ich jetzt aber alles allein ent­schie­den. Trotz­dem war ich von vie­len äuße­ren Fak­to­ren abhän­gig. Zum Bei­spiel woll­te ich unbe­dingt nur eine Sin­gle aus dem Album raus­brin­gen: "Lass los", den ich mit Schmyt gemacht habe. Für mich war das immer der Song, nach dem der Rest des Albums hät­te kom­men kön­nen, das hat aus ver­schie­de­nen Grün­den nicht geklappt. Aber das ist eben das Schwie­ri­ge an der Sache und davor hat­te ich immer etwas Angst. Ich wuss­te, dass ich alles mit den Künstler:innen, Manager:innen und Labels klä­ren muss­te. Aber es hat am Ende geklappt und ich bin froh, dass ich mich dar­auf ein­ge­las­sen habe.

MZEE​.com​: Was macht denn für dich ein gutes Producer:innen-Album aus? Ist es die Viel­falt an Fea­tures oder viel­leicht der ein­zig­ar­ti­ge Sound der Produzierenden?

Baz­z­azi­an: Es ist defi­ni­tiv bei­des. Wenn du als Produzent:in ein Album machst und Künstler:innen dar­auf haben möch­test, bist du abhän­gig davon, ob die Men­schen tat­säch­lich für dich arbei­ten wol­len. Das betrifft sowohl die Musik als auch den Sound. Es war mein Plan, weni­ger Rap­per auf mei­nem Album zu haben. Ich woll­te auf jeden Fall mehr Sän­ger und Sän­ge­rin­nen ein­bin­den. Viel­leicht mache ich das nächs­te Mal ein Album nur mit Sän­ge­rin­nen – das hat Mark Ron­son auch mal gemacht und ich fand das einen coo­len Move. Was mich wirk­lich freut, ist, dass vie­le Leu­te gesagt haben, dass man merkt, wie viel Mühe sich alle für das Album gege­ben haben. Das fin­de ich groß­ar­tig, weil es eben auch vie­le Alben gibt, bei denen man merkt, dass sie nur aus Res­ten bestehen oder dass es so klingt, als wären die Künstler:innen nicht wirk­lich in die Pro­duk­ti­on invol­viert. Aber bei mei­nem Album hört man, dass alle mit Lei­den­schaft dabei waren. Ich habe jeden­falls nicht das Gefühl, dass da jemand nur auf hal­ber Geschwin­dig­keit unter­wegs war. Das fin­de ich gut, weil es eben nicht selbst­ver­ständ­lich ist, dass jeder immer zu 100 % dabei ist. Es gab zum Bei­spiel eine Situa­ti­on mit Sou­ly, in der etwas nicht funk­tio­nier­te und ich ihn drin­gend noch ein­mal brauch­te. Er kam dann sogar frü­her aus sei­nem Urlaub zurück und reis­te auf eige­ne Kos­ten von Ber­lin nach Köln. Das war beein­dru­ckend. Vie­le haben sich außer­ge­wöhn­lich enga­giert. Das war eine sehr posi­ti­ve Erfahrung.

MZEE​.com​: Das Album heißt "100Angst". Hat­test du ein bestimm­tes Kon­zept für die Songs im Kopf?

Baz­z­azi­an: Der Titel kam erst spä­ter dazu. Anfangs habe ich mir vie­le Gedan­ken dar­über gemacht, was die Leu­te wohl den­ken könn­ten. Das hat mich zunächst ziem­lich blo­ckiert. Irgend­wann habe ich ent­schie­den, das ein­fach los­zu­las­sen. Vie­le sagen, dass es ein Kon­zept­al­bum sei, aber das ist es nicht wirk­lich. Es hat sich viel­mehr orga­nisch ent­wi­ckelt. Am Ende ergab alles ein stim­mi­ges Gesamt­bild. Mein Mana­ger Max Möns­ter brach­te dann den Begriff "Angst" ins Spiel. Zunächst war ich unsi­cher, da ich mich nicht durch­ge­hend als ängst­li­che Per­son emp­fin­de. Doch spä­ter sprach ich mit Che­had Abdal­lah, einem Freund und visu­el­len Künst­ler, der eben­falls mein­te, dass das passt. Ich habe dann auch erkannt, dass die­ser Titel sehr tref­fend ist. Er steht für die Ängs­te und Zwei­fel, die ich in den krea­ti­ven Pro­zess ein­ge­bracht habe. Das Album hat sich für mich wie eine Art Ver­ar­bei­tung die­ser Gefüh­le ange­fühlt. Jemand ver­glich es ein­mal mit einer Wäh­rung: Die Plat­te ist das Pro­dukt all die­ser Ängs­te, mit denen sie "bezahlt" wur­de. Die­se Per­spek­ti­ve fand ich sehr pas­send. Viel­leicht folgt ja noch ein Album namens "100Hass". Wer weiß?

MZEE​.com​: Da du gera­de von dei­nen Ängs­ten gespro­chen hast: Wel­che Rol­le haben Angst, Depres­sio­nen oder ande­re psy­chi­sche Pro­ble­me in dei­nem Leben gespielt?

Baz­z­azi­an: Ich glau­be, dass wir alle in gewis­ser Wei­se ein Pro­dukt unse­rer Umge­bung und Erfah­run­gen sind. Ängs­te im All­ge­mei­nen haben sicher­lich immer eine Rol­le in mei­nem Leben gespielt. Ich wür­de nicht direkt sagen, dass dies bewusst Ein­fluss auf das Album genom­men hat, aber sicher­lich unter­be­wusst. Der krea­ti­ve Pro­zess war nicht durch­ge­plant und vie­les ent­stand ein­fach intui­tiv. Mein musi­ka­li­scher Arbeits­pro­zess folgt oft kei­ner fes­ten Struk­tur. Ich las­se Din­ge ein­fach gesche­hen und ver­traue dar­auf, dass sich alles zusam­men­fügt. Zu Beginn der Pro­duk­ti­on hat­te ich bei­spiels­wei­se kei­ne Lust mehr, Drums zu bau­en, obwohl das sonst ein wich­ti­ger Teil mei­ner Arbeit ist. Ich woll­te absicht­lich und bewusst auf Drums und ande­re bekann­te Mus­ter ver­zich­ten. Die­se Art des Arbei­tens hat sich für mich als stim­mig erwiesen.

MZEE​.com​: Du hast bereits in vie­len Inter­views erwähnt, dass du dich bei dei­nem Album stär­ker in die Lyrics ein­ge­bracht hast.

Baz­z­azi­an: Ich habe mich schon immer zu einem gewis­sen Grad ein­ge­bracht, wenn ich etwas nicht gut fand. Wenn ich für ande­re Künstler:innen pro­du­zie­re, kann ich natür­lich nur bera­tend zur Sei­te ste­hen. Bei mei­nem eige­nen Album war das anders. Dort konn­te ich mei­ne eige­nen Vor­stel­lun­gen direkt umset­zen. Ich habe nicht unbe­dingt selbst Tex­te geschrie­ben, aber viel Feed­back gege­ben. Wenn ich das Gefühl hat­te, dass ein Part emo­tio­nal noch inten­si­ver sein soll­te, habe ich das ange­spro­chen. Die meis­ten Künstler:innen haben sich dar­auf ein­ge­las­sen, was ich sehr schät­ze. Das ist nicht selbst­ver­ständ­lich, aber in mei­nem Umfeld haben die Men­schen Ver­trau­en in mei­ne Ein­schät­zun­gen. Letzt­lich ging es dar­um, Emo­tio­nen zu trans­por­tie­ren. Wenn ein Part zwar tech­nisch gut war, mich aber nicht berühr­te, habe ich das kommuniziert.

MZEE​.com​: Eine aktu­el­le Stu­die zeigt, dass der Sound von Produzent:innen oft viel unver­wech­sel­ba­rer ist als der von Vokalist:innen. Man könn­te also eher von einem "Bazzazian-​Sound" spre­chen als etwa von einem spe­zi­fi­schen Stil von einem:einer Rapper:in.

Baz­z­azi­an: Man kann jedes A cap­pel­la eines Songs neh­men und unter­schied­li­che Musik dar­un­ter­le­gen, wie bei einem Remix. Das kann sogar sehr gut funk­tio­nie­ren und per­fekt zusam­men­pas­sen. Am Ende macht die Musik den ent­schei­den­den Unter­schied, wäh­rend der Text und der Gesang des:der Künstler:in gleich blei­ben. Ich den­ke, das ist auch rich­tig so. Man könn­te bei­spiels­wei­se unter einen Nas-​Track eine Kla­vier­bal­la­de legen oder einen klas­si­schen Premier-​Beat dar­un­ter­mi­schen und schon klingt es nach New York-​Premier-​Sound. Oft höre ich die Fra­ge, ob Produzent:innen genug Aner­ken­nung bekom­men – wahr­schein­lich nicht. Aber letzt­lich sind sie es, die den Sound aus­ma­chen. Vor eini­ger Zeit habe ich dar­über nach­ge­dacht, dass vie­le Men­schen inzwi­schen von Trap-​Beats genervt sind. Das liegt lei­der auch an vie­len Produzent:innen, die immer wie­der die­sel­ben Beats machen. Dabei könn­te man doch auch etwas Neu­es pro­bie­ren. Ich fin­de es scha­de, wenn Pro­du­zie­ren­de es sich zu ein­fach machen. Klar, jede:r kann Musik machen, wie er:sie möch­te, aber Platt­for­men wie "Spli­ce" (Anm. d. Red.: Platt­form, um Samples zu erwer­ben) tra­gen aus mei­ner Sicht dazu bei, dass viel Musik heu­te gleich klingt. Ein Gegen­bei­spiel ist Tyler, The Crea­tor: Ich war nie ein gro­ßer Fan sei­ner Stim­me, aber sein neu­es Album ist beein­dru­ckend. Der ers­te Song dar­auf ist so eigen und weit ent­fernt von dem, was Plat­ten­fir­men typi­scher­wei­se erwar­ten wür­den. Und doch ist er damit erfolg­reich. Das zeigt, dass unkon­ven­tio­nel­le Ansät­ze eben­falls funk­tio­nie­ren können.

MZEE​.com​: Unkon­ven­tio­nel­le Ansät­ze kön­nen aber auch als "schlecht" oder "ner­vig" wahr­ge­nom­men wer­den. Gab es denn einen Moment, in dem du unsi­cher warst, ob dein Album gut genug wird?

Baz­z­azi­an: Defi­ni­tiv. Als mein Kol­le­ge Max einen Plan gemacht hat­te, wann wir die Track­list ver­öf­fent­li­chen wol­len. Ich pos­te auf Insta­gram nur, wenn ich etwas zu sagen habe – nicht jeden Tag oder nach fes­ten Zei­ten. Aber Max hat­te eben die­sen Plan gemacht, der auch gut war. Als wir dann ent­schie­den hat­ten, die Track­list in drei Tagen zu pos­ten, wur­de mir bewusst: Jetzt gibt es kei­nen Weg zurück. Das war schon ein Moment der Unsi­cher­heit. Ich frag­te mich, ob alles gut genug ist. Aber irgend­wann muss­te ich los­las­sen und dar­auf ver­trau­en, dass es funktioniert.

MZEE​.com​: Dei­ne Fans hat­ten bestimmt gewis­se Erwar­tun­gen, nicht nur sound­tech­nisch. Zum Bei­spiel wur­de bestimmt oft gefragt, war­um Haft­be­fehl nicht auf dei­nem Album ist.

Baz­z­azi­an: Wir haben schon viel Musik zusam­men gemacht und ich hat­te kei­ne Lust, ein­fach das zu machen, was von mir erwar­tet wird. Es gab Leu­te, die gesagt haben, dass sie es sogar gut fin­den, dass Haft­be­fehl nicht auf dem Album ist – nicht weil sie sei­ne Musik nicht mögen, son­dern weil es eben mal anders ist. Vie­le mein­ten spä­ter auch, dass sie ihn gar nicht ver­misst haben, und das hat mich beru­higt. Es gab einen Song, auf dem ich ihn gern gehabt hät­te, aber die­ser Track hat es letzt­lich gar nicht auf die Plat­te geschafft.

MZEE​.com​: Die Din­ge, die ihr zusam­men gemacht habt, exis­tie­ren ja auch weiterhin.

Baz­z­azi­an: Genau. Und ich weiß ja auch, wel­chen Ein­fluss die­se Songs hat­ten und was sie für mich bewirkt haben. Ich sage das auch immer: "Rus­sisch Rou­lette" hat für mich alles ver­än­dert. Ich habe vor­her auch schon Musik gemacht, eben­falls erfolg­reich mit bekann­ten Leu­ten, aber nach die­ser Plat­te war auf jeden Fall alles anders. Das kann uns nie­mand neh­men und das wis­sen die Leu­te. Wer weiß, viel­leicht machen wir noch mal Musik zusam­men – ich weiß es nicht. Ich habe auch mit Leu­ten Musik gemacht, die halb so alt sind wie ich, und da mer­ke ich schon, dass ich an einem ande­ren Punkt im Leben ste­he als die­se Per­so­nen. Es gibt aber auch Bei­spie­le wie Mike Dean, der mit 60 immer noch am Puls der Zeit ist. Und das zeigt, dass man auch in die­sem Alter noch rele­vant sein kann.

MZEE​.com​: Das ist eine gute Über­lei­tung zur nächs­ten Fra­ge. Du hast auf dei­nem Album eine Mischung aus eta­blier­ten und jün­ge­ren Künstler:innen. Hast du die­se bewusst aus­ge­wählt und kom­bi­niert? Hat­test du eine Art Kon­zept oder ist das eher zufäl­lig durch Begeg­nun­gen und gemein­sa­me Erleb­nis­se entstanden?

Baz­z­azi­an: Es gab auf jeden Fall Lis­ten mit Leu­ten. Es ist nicht so, dass mir die­se Kom­bi­na­tio­nen ein­fach zufäl­lig begeg­net sind – die habe ich mir schon über­legt. Aber die­se Lis­ten haben sich im Lau­fe der Zeit immer wie­der geän­dert und ich hat­te von Anfang an einen Plan mit bestimm­ten Leu­ten. Ansons­ten war die Aus­wahl teil­wei­se sehr spon­tan. Ich habe fest­ge­stellt, dass es oft bes­ser funk­tio­niert, wenn man die Din­ge ein­fach pas­sie­ren lässt. Ich kann mei­ne Chan­cen ver­su­chen zu nut­zen, aber wenn ich Din­ge zu sehr erzwin­gen will, klappt es meis­tens nicht. Ich glau­be, man­che Leu­te sind super dar­in, alles bis ins kleins­te Detail zu pla­nen, und dann funk­tio­niert das auch. Bei mir war das nie so und ich las­se die Din­ge lie­ber ein biss­chen auf mich zukommen.

MZEE​.com​: Lass uns abschlie­ßend noch in die Zukunft bli­cken. Gibt es Pro­jek­te, die du in Zukunft umset­zen möch­test? Hat dich dein Album viel­leicht inspi­riert, eine neue Rich­tung einzuschlagen?

Baz­z­azi­an: Auf jeden Fall. Ich habe schon gemerkt, dass mir die­se Auf­merk­sam­keit gut­ge­tan hat. Es hat mir ein­fach gefal­len, mei­ne eige­ne Visi­on und Musik zu ver­öf­fent­li­chen. Das möch­te ich wei­ter­ver­fol­gen und ich habe auch Lust, Songs mit ande­ren Leu­ten zu machen. Aber ich habe auch schon mal in einem ande­ren Inter­view gesagt: Musik­ma­chen ist für mich irgend­wie begrenzt – nicht im nega­ti­ven Sin­ne. Aber es gibt halt nichts ande­res, was mich so begeis­tert. Ich habe ja kein ande­res Hob­by. Musik ist mein Hob­by und ich habe das Glück, dass ich es beruf­lich machen kann. Denn es gibt vie­le, die irgend­wann nur noch mecha­nisch Musik machen, weil es ihr Job ist. Letz­tens war ich bei einer Dis­kus­si­ons­run­de, bei der jemand gefragt hat: "Was kann ich tun, um so zu wer­den wie du?" Ich habe geant­wor­tet: "Hey, viel­leicht machst du Musik ein­fach als Hob­by. Das ist doch auch total okay." Denn es kann schnell pas­sie­ren, wenn man finan­zi­ell davon abhän­gig wird, dass man fal­sche Ent­schei­dun­gen trifft oder ein­fach kei­ne authen­ti­sche Musik mehr macht. Ich wer­de auf jeden Fall wei­ter eige­ne Musik machen, das steht fest. Gera­de bin ich aber noch ein biss­chen am Suchen, weil ich mich ungern wie­der­ho­len möch­te. Es muss sich schon rich­tig anfüh­len – so ein "Klick"-Moment, bei dem man merkt: Okay, das ist es jetzt. Ich habe kürz­lich mit einem wirk­lich beein­dru­cken­den Instru­men­ta­lis­ten gear­bei­tet und das hat mir gro­ßen Spaß gemacht. Ich glau­be, damit rech­net nie­mand und sol­che Über­ra­schun­gen fin­de ich spannend.

(Jan Hart­mann & Alec Weber)
(Bil­der von Wil­liam Min­ke & Phil­lip Kaminiak)