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Interview

Rockstah – ein Gespräch über Gaming

"Ich glau­be, Video­spie­le waren für mich immer ein Stück weit Eska­pis­mus. Beson­ders in mei­ner Jugend, als ich mit Mob­bing und ande­ren Pro­ble­men in der Schu­le zu kämp­fen hat­te, wur­de die N64 für mich wie ein Freund." – Rock­stah über die Rol­le von Gam­ing in sei­nem Leben.

Max "Rock­stah" Nachts­heim ist ein Rap­per, der Fil­me und Schall­plat­ten sam­melt. Er ist außer­dem ein Come­di­an, der in Instagram-​Reels neue LEGO-​Sets vor­stellt und dazu ein Pod­cas­ter, der in sei­nem Online-​Shop Action­fi­gu­ren, Plüsch­tie­re sowie Pokémon-​Karten ver­kauft. Kurz gesagt: ein Mann mit vie­len Jobs, der durch Medi­en­land­schaft, Deutschrap sowie Gaming-​Szene tin­gelt und Pop­kul­tur wie wahr­schein­lich kein Zwei­ter kon­su­miert. Oder, wie er es selbst mit Augen­zwin­kern for­mu­liert: "Ich mache eure Hob­bys haupt­be­ruf­lich." Doch sei­ne größ­te Lei­den­schaft ist das Gam­ing. Der Retro-​Fan Rock­stah ist Exper­te für Video­spie­le und Kon­so­len aller Art und bewegt sich bereits seit Jahr­zehn­ten inner­halb der Spiele-​Industrie. Gegen Ende des letz­ten Jah­res woll­ten wir im Inter­view von ihm wis­sen, was in der Sze­ne gera­de los ist, wel­che Rol­le Games in sei­nem Leben gespielt haben und wie er auf pro­ble­ma­ti­sche Inhal­te und Streamer:innen in der Gaming-​Landschaft blickt.

MZEE​.com: Wir haben über­legt, unser Inter­view wie gewohnt mit einer durch­dach­ten Ein­stiegs­fra­ge zu begin­nen, aber heu­te wol­len wir statt­des­sen mal ganz prak­tisch star­ten: Was zockst du zurzeit?

Rock­stah: Tat­säch­lich etwas, was ich für mein Video­spiel­jahr 2024 gar nicht mehr auf dem Schirm hat­te: die Kam­pa­gne des neu­en "Call of Duty". Eigent­lich hat­te ich mich vor Jah­ren von der Rei­he ver­ab­schie­det, weil ich das Gefühl hat­te, dass das The­ma kom­plett aus­ge­lutscht und durch­ge­kaut war. Doch mit der neu­en Kam­pa­gne haben sie echt posi­tiv über­rascht und etwas Groß­ar­ti­ges abge­lie­fert. Da es sowie­so im Xbox Game Pass ent­hal­ten ist, habe ich auch mal rein­ge­schaut. Jetzt bin ich kom­plett dar­auf hän­gen geblie­ben und kann es kaum erwar­ten, nach Hau­se zu kom­men und wei­ter­zu­spie­len. Wirk­lich ver­rückt. Die Wochen zuvor habe ich mit dem neu­en "The Legend of Zel­da: Echo­es of Wis­dom" ver­bracht. Ins­ge­samt war das Ende von 2024, was Video­spie­le angeht, rich­tig gut, nach­dem der ers­te Teil des Jah­res eher mau war und ich nur sehr weni­ge Titel gespielt habe.

MZEE​.com: Das heißt, dass es bei dir inten­si­ve­re Pha­sen gibt und sol­che, in denen du nur gele­gent­lich zockst?

Rock­stah: Abso­lut. Es ist abhän­gig vom Release-​Kalender. Ich spie­le nicht nur gro­ße Games wie "Call of Duty" oder "Silent Hill", son­dern ger­ne auch klei­ne­re Sachen oder mal etwas retro­mä­ßi­ges. Aber es hängt davon ab, was gera­de drau­ßen ist und was ich sonst noch zu tun habe. Ich spie­le auch nicht nur Video­spie­le, son­dern gucke auch Fil­me und Seri­en und fah­re ger­ne ins Dis­ney­land. Dadurch kon­su­mie­re ich eh von mor­gens bis abends Pop­kul­tur. Der Tag hat aber nur 24 Stun­den und ich arbei­te dazwi­schen auch noch sehr viel, weil ich aktu­ell fünf Jobs mache. Da muss ich mir die Zeit ein­fach ein­tei­len. Aber gera­de der Herbst ist geseg­net für Leu­te, die Video­spie­le mögen. In der küh­len Zeit lüm­melt man sich nach einem lan­gen Tag abends ger­ne mal auf die Couch und ver­bringt zwei, drei Stun­den mit Zocken. Das mag ich wirklich.

MZEE​.com: Du beschäf­tigst dich nicht erst seit ges­tern mit Gam­ing. Wel­che Rol­le nah­men und neh­men Video­spie­le in dei­nem Leben ein?

Rock­stah: Genau wie Seri­en und Fil­me spie­len Video­spie­le eine gro­ße Rol­le für mich und haben mich enorm geprägt. Ich habe damit ange­fan­gen, da war ich erst fünf Jah­re alt. Jetzt bin ich 40, das heißt, Video­spie­le sind seit 35 Jah­ren ein Teil mei­nes Lebens. Mei­ne Eltern haben sich damals schei­den las­sen. In die­ser Zeit kam der Game Boy auf den Markt und ich habe einen geschenkt bekom­men. Das soll­te mich ablen­ken. Ich habe mir damit auto­di­dak­tisch "Super Mario Land" bei­gebracht und "Tetris" gespielt. So ging das mit dem Zocken los und ich bin dar­in auf­ge­blüht. Mei­ne Eltern haben lus­ti­ger­wei­se bei­de auch auf ein­mal ange­fan­gen, Game Boy zu spie­len und mehr Spie­le zu kau­fen. Der Game Boy ist bis heu­te mei­ne Lieb­lings­kon­so­le. Ein­mal im Jahr "Super Mario Land" durch­zu­spie­len, ist für mich wie ein Ritu­al. Damals war ich eines Tages bei einem Freund, der mir sein NES (Anm. d. Red.: Nin­ten­do Enter­tain­ment Sys­tem) gezeigt hat. Das war wie der Game Boy, nur auf dem Fern­se­her, und hat mich total geflasht. Es fühl­te sich an, als hät­te man mir eine Sprit­ze Hero­in gege­ben. Ab die­sem Zeit­punkt war ich wie abhän­gig. Seit­dem habe ich jede Gene­ra­ti­on von Kon­so­len mit­ge­nom­men. Wäh­rend mei­ner Jugend kam auch die Play­Sta­ti­on 1 raus. Damit wur­den Video­spie­le sozu­sa­gen par­al­lel zu mir erwach­sen. Spie­le aus die­ser Zeit, wie "Resi­dent Evil", "Metal Gear" oder "The Legend of Zel­da: Oca­ri­na of Time" haben eine gan­ze Gene­ra­ti­on geprägt und ich spü­re heu­te noch viel Lie­be dafür. Ich bin immer wie­der begeis­tert, wenn nicht nur ganz neue Din­ge gemacht wer­den, son­dern man auch ver­sucht, alte Din­ge neu zu bele­ben. Ich beschäf­ti­ge mich auch ger­ne damit, was im Hin­ter­grund pas­siert. Es ist ein­fach mei­ne Lei­den­schaft. Durch das Pod­cas­ten habe ich noch stär­ker gemerkt, wie geil das alles ist. Seit­dem bin ich wie­der tie­fer drin und es wur­de noch nerdi­ger. Als wir einen Pod­cast über die Kon­so­le N64 auf­nah­men, habe ich gecheckt, dass das auch eine mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­kon­so­len ist und ange­fan­gen, alle Spie­le dazu zu sam­meln. Mitt­ler­wei­le habe ich tat­säch­lich ein ori­gi­nal ver­pack­tes Full­set fer­tig­ge­stellt. (Anm. d. Red.: Für Nin­ten­do 64 wur­den von 1996 bis 2002 welt­weit ins­ge­samt 388 Spie­le ver­öf­fent­licht. In Euro­pa erschie­nen davon ins­ge­samt 239 Spiele.)

MZEE​.com: Du bist also nicht nur ein lei­den­schaft­li­cher Gamer, son­dern auch Samm­ler? Was ist dein Holy Grail?

Rock­stah: Ja, ein biss­chen habe ich tat­säch­lich schon immer gesam­melt. Aber als Jugend­li­cher hat man nicht immer Koh­le und muss Din­ge auch wie­der ver­kau­fen. Da sam­melst du alles akku­rat für den Super Nin­ten­do, dann kommt die neue N64 und du willst natür­lich die dafür pas­sen­den Spie­le. Also ver­kaufst du dei­ne gan­ze Samm­lung wie­der. Das Gan­ze wie­der­holt sich zwei, drei Mal. Wobei ich mit der N64 ange­fan­gen habe, Spie­le zu behal­ten. Da sind dann schon eini­ge Per­len dabei, die heu­te etwas wert sind. Mein "Conker's Bad Fur Day" war damals schon rela­tiv gefragt und ich habe es heu­te noch in der Ori­gi­nal­ver­pa­ckung von 2001. Das ist zeit­wei­se 500 bis 600 Euro wert gewe­sen. Da freut man sich, so schlau gewe­sen zu sein, etwas auf­zu­he­ben. Ich bin nach wie vor ein gro­ßer Freund des phy­si­schen Medi­ums. Ich kau­fe auch immer noch ger­ne Fil­me in schö­nen Edi­ti­ons, weil ich es wert­voll fin­de, wenn man eine Art Biblio­thek hat. Wie mit Büchern, nur eben mit Spie­len, Fil­men oder Plat­ten. Vinyl ist auch so ein gei­les Medi­um, weil es das Gen­re, für das es steht, auf eine Wei­se ehrt. Das ist genau das, was ich am phy­si­schen Medi­um lie­be. Man hält etwas in der Hand. Mit aktu­ell unge­fähr 7 000 Video­spie­len bin ich schon ein lei­den­schaft­li­cher Sammler.

MZEE​.com: Mit dei­ner Lie­be zu Vinyl rennst du hier bei MZEE auf jeden Fall offe­ne Türen ein.

Rock­stah: Vinyl zu sam­meln ist ein­fach geil. Es gibt mitt­ler­wei­le auch vie­le Videospiel-​Soundtracks auf Vinyl, mit coo­len Vari­an­ten und Covern. Ich fin­de es schön, dass sich da so viel getan hat. Das ist das Gute dar­an, dass phy­si­sche Medi­en aus­ster­ben. Jetzt kommt alles in hoch­wer­ti­gen Edi­tio­nen her­aus und wird nicht lieb­los pro­du­ziert. Heu­te bekommt man Fil­me in gei­len Steel­books. Vinyl ist da ähn­lich. Ich kau­fe inzwi­schen zwar nicht mehr so vie­le Plat­ten, weil man irgend­wann Prio­ri­tä­ten set­zen muss. (lacht) Aber hin und wie­der gön­ne ich mir schon mal einen schö­nen Sound­track als Colo­red Vinyl. Neu­lich habe ich mir außer­dem das Album "BRAT" von Char­li xcx gekauft. Es ist ein­fach hun­dert Mal mehr wert, wenn du es in der Hand hast.

MZEE​.com: Haben Video­spie­le in dei­ner Jugend auch eine the­ra­peu­ti­sche Rol­le gespielt, bei­spiels­wei­se als Zufluchts­ort vor Pro­ble­men oder schwie­ri­gen Pha­sen? Sind sie auch heu­te noch ein Mit­tel gegen Stress oder hat sich das geändert?

Rock­stah: Ich glau­be, Video­spie­le waren für mich immer ein Stück weit Eska­pis­mus. Beson­ders in mei­ner Jugend, als ich mit Mob­bing und ande­ren Pro­ble­men in der Schu­le zu kämp­fen hat­te, wur­de die N64 für mich wie ein Freund. Ich erin­ne­re mich, wie ich in einer schwe­ren Pha­se mit 14 oder 15 Jah­ren zum ers­ten Mal "Oca­ri­na of Time" gespielt habe. Es war ein reg­ne­ri­scher Tag, ich saß im Dach­zim­mer bei mei­ner Mut­ter und leg­te das Spiel ein. Plötz­lich waren sie­ben Stun­den ver­gan­gen. Das hat mich kom­plett aus dem All­tag geris­sen und mir gehol­fen, mich neu zu sor­tie­ren. Obwohl mei­ne Puber­tät von vie­len nega­ti­ven Erfah­run­gen geprägt war, bleibt sie mir genau wegen sol­cher Momen­te trotz­dem posi­tiv in Erin­ne­rung. Viel­leicht ver­klä­re ich das etwas, aber die­se schö­nen Augen­bli­cke sind der Grund, war­um ich so retro­ver­liebt bin. Seit zehn Jah­ren mache ich einen Retro-​Podcast. (Anm. d. Red.: Radio Nuku­lar) Retro fes­selt alle irgend­wie und ver­setzt einen in eine bes­se­re Zeit zurück. Aber natür­lich ist das auch gefähr­lich, weil man das ursprüng­li­che Gefühl nie wie­der ein­ho­len kann. Heu­te haben Video­spie­le für mich eine ande­re Rol­le inne als frü­her. Sie sind weni­ger The­ra­pie, weil mein Leben durch Fami­lie, Freund:innen und Beruf zum Glück viel aus­ge­gli­che­ner ist. Trotz­dem sind sie ein wich­ti­ger Ruhe­pol. Selbst ein stres­si­ges Hor­ror­spiel wie "Silent Hill 2" gibt mir am Ende ein gutes Gefühl, auch wenn ich wäh­rend­des­sen kom­plett ange­spannt bin. Ges­tern Abend zum Bei­spiel: Nach einem lan­gen Arbeits­tag war es fast Mit­ter­nacht. Ich habe mich auf die Couch gesetzt und drei Stun­den "Call of Duty" gespielt. Das hilft mir, run­ter­zu­kom­men. Auch wenn es ein Spiel ist, in dem man schießt und kämpft.

MZEE​.com: Ich ken­ne Fäl­le von autis­ti­schen Kin­dern, die in Spie­len wie "Mine­craft" inne­re Ruhe fin­den, weil sie dar­in eine Welt erschaf­fen kön­nen, die nach ihrer Logik und nicht nach Regeln das all­täg­li­chen Lebens funk­tio­niert. Denkst du, im Gam­ing liegt ein unge­nutz­tes päd­ago­gi­sches Potenzial?

Rock­stah: Auf jeden Fall kön­nen gut gemach­te Video­spie­le Kin­dern etwas bei­brin­gen, ohne dass es sich wie Ler­nen anfühlt. Als wir unse­ren ers­ten PC hat­ten, spiel­te mei­ne Schwes­ter zum Bei­spiel vie­le sol­cher Lern­spie­le wie "Addy Juni­or". Die waren eine gute Mischung aus Spaß und Lern­ef­fekt. "Mine­craft" ist auch ein gutes Bei­spiel. Es för­dert Krea­ti­vi­tät und ersetzt für vie­le Kids die LEGO-​Kiste, weil du aus dem Nichts sehr viel erschaf­fen kannst. "Fort­ni­te" kann ich nicht so rich­tig bewer­ten, zumin­dest frü­her konn­te man da auch Din­ge bau­en. Je nach Spiel kann man also schon etwas mit­neh­men, wobei das auch eine Fra­ge der Auf­fas­sungs­ga­be ist. Ich glau­be, ich habe selbst aus Video­spie­len etwas gelernt, bei denen ande­re gesagt hät­ten, dar­aus lernt man nichts.

MZEE​.com: Hast du auch Schat­ten­sei­ten des Gamings ken­nen­ge­lernt, bei­spiels­wei­se Sucht­ge­fahr oder Ver­nach­läs­si­gung ande­rer Lebensbereiche?

Rock­stah: Schat­ten­sei­ten gibt es zu 100 Pro­zent. Ich erzäh­le hier gera­de zwar sehr viel dar­über, wie viel ich spie­le, aber ich habe das nie mei­nem sons­ti­gen Leben vor­ge­zo­gen. Ich bin auch nie in Online-​Welten ver­sun­ken, weil ich nicht im Multiplayer-​Modus spie­le. Ich bin ein rei­ner Sin­gle­play­er. Bei "Call of Duty" spie­le ich kei­ne Sekun­de im Mul­ti­play­er gegen ande­re. Ich hat­te einen Kum­pel, der hat damals "World of War­craft" gespielt. Der hat­te nicht so ein gutes Leben in die­ser Zeit und es ist vie­les schief­ge­lau­fen, was Fami­lie, Job und Geld anbe­lang­te. Am Ende muss­ten ihn sei­ne engs­ten Freun­de aus sei­ner Woh­nung zer­ren, weil er unter­ernährt war und in sei­nem Kühl­schrank nur noch ein Ei war. Der ist aus die­sem Ding nicht mehr selbst her­aus­ge­kom­men. Sowas habe ich ein paar­mal mit­er­lebt. Es ist wie bei allen Din­gen. Vor 20 Jah­ren haben wir ja auch schon die Debat­te über Kil­ler­spie­le geführt. Ich glau­be aber, es ist nie abhän­gig vom Medi­um selbst, son­dern von der Psy­che und Emp­fäng­lich­keit der Leu­te, die die­ses Medi­um kon­su­mie­ren. Du kannst auch bei einem Splat­ter­film sagen, dass er Leu­te zu schlech­ten Taten inspi­rie­ren kann. Ja, aber dann ist die Psy­che eh schon ange­knackst. So wie Leu­te süch­tig nach Video­spie­len wer­den, wer­den sie auch Social-​Media-​abhängig, hän­gen wie frü­her in irgend­wel­chen Chat­rooms ab oder ver­lie­ren sich in ihrer Arbeit.

MZEE​.com: Gam­ing hat auch eine sozia­le Kom­po­nen­te. Das For­mat der LAN-​Party, bei der sich Freund:innen tref­fen, um gemein­sam an ihren PCs zu spie­len, ist fast aus­ge­stor­ben. Dafür kann man heu­te ein­fa­cher denn je online mit Men­schen aus aller Welt zocken und Teil einer digi­ta­len Com­mu­ni­ty sein. Ist Gam­ing sozia­ler oder unso­zia­ler geworden?

Rock­stah: Ich glau­be, die­se Multiplayer-​Aspekte haben Gam­ing defi­ni­tiv sozia­ler gemacht. Ich bin zum Bei­spiel in einer WhatsApp-​Gruppe, in der Jungs aus dem HipHop- und Gaming-​Kosmos seit Jah­ren zusam­men zocken – sei es "Tom Clancy's Rain­bow Six Sie­ge", "Call of Duty" oder ande­re Spie­le. Das hat die rich­tig zusam­men­ge­schweißt. Manch­mal habe ich mich fast ein biss­chen iso­liert gefühlt, wenn sie gefragt haben, ob ich auch mal dazu­kom­me, ich es aber zeit­lich oft nicht ein­rich­ten konn­te. (lacht) Games sind eine tol­le Basis, um zusam­men­zu­kom­men. Das kann hel­fen, wenn du Freund­schaf­ten hast, aber wegen räum­li­cher Distanz nicht den gan­zen Tag zusam­men abhän­gen kannst. Mei­ne Freun­din wohnt zum Bei­spiel auch zwei­ein­halb Stun­den ent­fernt und wir kön­nen uns nicht immer tref­fen. Seit sie eine Xbox hat, spie­len wir dafür ab und zu ein paar klei­ne­re Games zusam­men. Ich ken­ne auch Leu­te, die sind durch "World of War­craft" Freund:innen gewor­den. Du kannst viel dar­aus machen. Du kannst natür­lich auch jeden Tag davor­sit­zen, alle "H***nsohn" nen­nen und ins Mikro schrei­en. Aber wenn du es cool machst, lernst du auch Leu­te ken­nen, die dir spä­ter im ech­ten Leben begeg­nen wer­den. Es hat ja einen Grund, war­um jedes Jahr eine hal­be Mil­li­on Men­schen auf die Games­com pendeln.

MZEE​.com: Die Indus­trie hin­ter den Video­spie­len kämpft mit Pro­ble­men. In vie­len Ent­wick­ler­stu­di­os wer­den Stel­len abge­baut, gleich­zei­tig haben Gamer:innen mit "Stop Kil­ling Games" ein EU-​Bürgerbegehren gestar­tet und Stand heu­te über 400 000 Unter­schrif­ten gesam­melt. Hat sich die Indus­trie von den Bedürf­nis­sen der Spieler:innen entfernt?

Rock­stah: Ich glau­be, der Markt regu­liert sich in der Hin­sicht immer selbst. Neh­men wir mal eine pro­mi­nen­te Fir­ma wie Ubi­s­oft als Bei­spiel. Die sind ver­ant­wort­lich für Spie­le wie "Assassin's Creed", "Rain­bow Six" oder das neue "Star Wars Out­laws". Ubi­s­oft steht seit Jah­ren dafür in der Kri­tik, dass sie oft ein­fach das glei­che Spiel nur in einem ande­ren Skin machen. Dann fühlt sich "Star Wars" Spie­len an wie "Assassin's Creed", und "Assassin's Creed" wie "Ava­tar". Die krie­gen dafür aufs Maul und mer­ken das auch an ihren Ver­kaufs­zah­len. Dann regu­liert sich das wie­der von selbst. "Call of Duty" war auch mal schlech­ter. Jetzt ist es wie­der bes­ser. Bei FIFA, oder EA Sports FC, wie es jetzt heißt, läuft es gera­de auch nicht so gut, habe ich mir sagen las­sen. Bei den gro­ßen Fir­men sind das alles Zyklen von Aufs und Abs. Es kann auch nicht immer nur nach oben gehen. Wobei ich glau­be, dass es uns Gamer:innen gera­de schon gut geht. Ich fin­de, 2024 wur­den wir in vie­ler­lei Hin­sicht ver­wöhnt und haben viel gutes Zeug bekom­men. Auch wenn viel­leicht nicht jedes Ubisoft- oder EA-​Game geil ist. Für mich fühlt es sich an wie immer. Und klar, hier und da wer­den Stel­len abge­baut, aber anders­wo wer­den auch wie­der neue Ent­wick­ler­stu­di­os auf­ge­macht. Micro­soft hat sich zum Bei­spiel über­nom­men, weil sie gefühlt alles auf­ge­kauft haben und mit Ach und Krach gegen Sony antre­ten woll­ten. Aber du kannst nicht 50 Stu­di­os auf­kau­fen, von denen dann nur zehn Spie­le im Jahr kom­men. Das macht wirt­schaft­lich kei­nen Sinn und dafür ste­hen sie zurecht in der Kri­tik. Ankün­di­gen, auf­kau­fen, nicht wis­sen, was man damit machen soll, und wie­der schlie­ßen, ist halt schei­ße. Trotz­dem ist die Games­com jedes Jahr noch voll und es wer­den gei­le Sachen releast. Ich glau­be, da gibt es kein Ende.

MZEE​.com: The­ma Games­com: Der bekann­te You­Tuber Gron­kh hat mal bemän­gelt, dass mitt­ler­wei­le oft Influencer:innen und Con­tent Creator:innen im Mit­tel­punkt ste­hen und es auf Mes­sen wie der Games­com nicht mehr haupt­säch­lich um Games geht. Gibt es heut­zu­ta­ge zu viel Per­so­nen­kult in der Szene?

Rock­stah: Defi­ni­tiv ja. Wir haben auf jeden Fall zu viel Per­so­nen­kult. Aber die­ses Pro­blem hat die Games­com im Gegen­satz zu ande­ren nicht selbst ver­ur­sacht. Was sie ver­ur­sacht hat, ist, dass gro­ße Fir­men wie Nin­ten­do oder Sony wegen der hohen Stand­ge­büh­ren nicht mehr dabei sind. Des­we­gen gibt es auch die Spie­le­mes­se E3 in Ame­ri­ka nicht mehr. Die Gro­ßen sagen: "F*ckt euch, wir machen ein­fach selbst unse­re Pres­se­kon­fe­ren­zen." Die sind heu­te online so stark auf­ge­stellt, müs­sen Neu­es ein­fach nur mit einem eige­nen YouTube-​Video ankün­di­gen und spa­ren so Unmen­gen an Geld. Das ist ein Pro­blem der Games­com. Ich war 2024 mal wie­der da, nach­dem ich eini­ge Jah­re nicht dort war. Wenn man durch die Hal­len läuft, fühlt sich eigent­lich alles noch an wie frü­her. Die Leu­te haben auch Inter­es­se an den Spie­len. Die Schlan­gen waren über­all lang, selbst in der Indie Are­na Booth, wo die klei­nen Stu­di­os aus­stel­len. Das Gaming-​Thema ist noch da, nur die Influencer:innen haben es über­nom­men. Das kann die Games­com aber gar nicht regu­lie­ren. Es gibt Con­tent Creator:innen und Streamer:innen im Über­fluss. Da ist inhalt­lich auch viel Schund dabei. Auch neue Mes­sen wie die Pola­ris Con­ven­ti­on in Ham­burg Anfang Okto­ber, bei der es eben­falls ums Gam­ing geht, sind schon wie­der so über­la­den mit Influencer:innen. Du kannst gar nicht ver­hin­dern, dass die über­all auf­tau­chen. Die Games­com ist jetzt ein Influencer:innen-Treff. Spä­tes­tens als Mon­ta­na Black da 2022 mit einer Meu­te von Tau­sen­den Kids hin­ter sich durch die Hal­len gezo­gen ist. Ich fin­de das viel zu viel Per­so­nen­kult. Frü­her war das anders. Ich bin ein alter Mann, ich war noch auf der Games Con­ven­ti­on in Leip­zig. (lacht) Ich weiß noch, wie ich eine hal­be Stun­de für "Resi­dent Evil" anste­hen muss­te. Das war das meist­be­gehr­te Spiel der Mes­se. Heu­te stehst du für ein Spiel, das in drei Wochen raus­kommt, sechs Stun­den an. Das steht in gar kei­nem Ver­hält­nis mehr. Damals war es klein und lie­be­voll gemacht. Du hast an jedem Stand ein T-​Shirt bekom­men, 20 Euro aus­ge­ge­ben und bist mit 500 Euro an Zeug nach Hau­se gekom­men. So was wünscht man sich zurück, aber so wird es nicht mehr wer­den. Ich wür­de auch ger­ne mal wie­der ein­fach durch die Hal­len lau­fen und ein, zwei Sachen zocken. Aber ich stel­le mich doch nicht an einem Frei­tag zwei Stun­den lang für ein Star Wars-​Spiel an, was am Mon­tag dar­auf releast wird. Dann hän­ge ich lie­ber mit Freun­den ab oder gehe etwas essen. (lacht)

MZEE​.com: Du sag­test, von Sei­ten der Con­tent Creator:innen und Influencer:innen sei inhalt­lich auch viel Schund dabei. Ende Sep­tem­ber erschien eine Aus­ga­be des ZDF Maga­zin Roya­le zum The­ma Gam­ing und Strea­ming. Auf­hän­ger der Sen­dung war, dass die Sze­ne sich ger­ne als unpo­li­ti­schen Raum begreift, gleich­zei­tig aber Ras­sis­mus, Sexis­mus und rechts­extre­mes Gedan­ken­gut zum All­tag gehö­ren. Emp­fin­dest du die Sze­ne als unpolitisch?

Rock­stah: Das muss man je nach Fall betrach­ten. Mon­ta­na Black zum Bei­spiel kann sich nicht davon frei­spre­chen, eine bestimm­te Hal­tung zu reprä­sen­tie­ren, so viel wie er sich über Poli­tik auf­regt. Er sagt zwar, er sei kein Poli­ti­ker und will nicht poli­tisch sein, aber er ist es auto­ma­tisch, wenn er sich im Live-​Stream über Poli­tik auf­regt. Zum Bei­spiel, wenn er aus Pro­test mit 260 km/​h auf der lin­ken Spur fährt oder sich beim Rad­fah­ren über einen Pfos­ten in sei­nem Weg beschwert, den angeb­lich die Grü­nen auf­ge­stellt hät­ten. Was völ­li­ger Quatsch ist. Das sind poli­ti­sche State­ments, ob er will oder nicht. Da legt er Feu­er in die fal­sche Rich­tung. Wir leben in einer sehr auf­ge­heiz­ten und pro­ble­ma­ti­schen Zeit. Ich fin­de es wirk­lich das Aller­letz­te, wenn Leu­te immer wie­der her­vor­he­ben, wie schlimm die "Woken" sind, mit Absicht Feu­er schü­ren und dafür sor­gen, dass alles immer wei­ter aus­ein­an­der­klafft. Das ist rich­tig, rich­tig uncool und über­all ein Rie­sen­pro­blem, nicht nur im Gam­ing. Wir füh­ren heu­te ja gar kei­ne Dis­kur­se mehr. Jede:r hat einen Stand­punkt und häm­mert auf die ande­re Sei­te ein. Auch die­se gan­ze Dis­kus­si­on um Shur­jo­ka und KuchenTV ist so ein Fall. (Anm. d. Red.: Die öster­rei­chi­sche Strea­me­rin Shur­jo­ka warf J.K. Row­ling 2023 Trans­feind­lich­keit vor und rief zum Boy­kott des neu­en Har­ry Potter-​Spiels "Hog­warts Lega­cy" auf. Der You­Tuber KuchenTV ver­öf­fent­lich­te in Fol­ge meh­re­re Vide­os über die The­ma­tik und es ent­wi­ckel­te sich eine Aus­ein­an­der­set­zung mit gegen­sei­ti­gen Anfein­dun­gen in Live-​Streams. KuchenTV wur­de zeit­wei­se von der Streaming-​Plattform Twitch wegen belei­di­gen­der Inhal­te gesperrt, klag­te spä­ter jedoch erfolg­reich gegen die Sper­rung sei­nes Accounts.) Was wir machen müss­ten, und das klingt jetzt Hippie-​mäßig, wäre Kom­pro­mis­se zu fin­den und zusam­men­zu­rü­cken. Aber das pas­siert ja nicht. Und wenn sich ein Mon­ta­na Black über Ricar­da Lang wegen eines Pfos­tens auf dem Fahr­rad­weg auf­regt und sei­ne Fans alle dar­auf auf­sprin­gen, wird die Kluft nur immer wei­ter auf­ge­hen. Und ich bin selbst nicht ein­mal super­links oder woke oder so. Aber der ein­zi­ge Kom­pro­miss wäre, ein­fach mal nicht noch wei­ter Öl ins Feu­er zu gie­ßen. Die­se gan­zen Leu­te, über die wir jetzt gespro­chen haben, wur­den groß, indem man sie vor eine Kame­ra gesetzt hat und sie ein­fach los­ge­la­bert haben. Da gibt es kei­nen Fil­ter, nie­man­den der sagt "Mach das mal nicht" und kein Nach­den­ken. Es wird ein­fach reak­tio­när her­aus­ge­rotzt. Ich fin­de es sehr scha­de, dass vie­le sich da so aus der Ver­ant­wor­tung neh­men. Vor allem Leu­te mit gro­ßer Reich­wei­te könn­ten die­se mal dafür nut­zen, etwas zu ent­schleu­ni­gen. Einem Mon­ta­na Black hören mehr Leu­te zu als man­chen Poli­ti­kern. Aber es wird immer nur rein­ge­bret­tert und draufgehauen.

MZEE​.com: Und was ist dein Stand­punkt zum Böhmermann-Beitrag?

Rock­stah: Obwohl ich sei­nen Stand­punkt ver­tre­te, fand ich ihn über­haupt nicht gut gemacht. Es wur­de an allen Ober­flä­chen nur gekratzt und man ist nicht wirk­lich zum Punkt gekom­men. Die Kern­aus­sa­ge war: "In der Gaming-​Szene gibt's auch Arsch­lö­cher, und das sind die­je­ni­gen von denen ihr schon dach­tet, dass sie Arsch­lö­cher sind." Auch die­se Doku führt zu gar nichts. Du führst damit kei­nen Dis­kurs. Ein Jan Böh­mer­mann wäre eigent­lich in der Posi­ti­on, Leu­te zusam­men­zu­brin­gen und die Kluft klei­ner zu machen. Aber er macht in dem Video genau das Glei­che wie die ande­ren, nur auf intel­lek­tu­el­ler Basis. Es war kein gut recher­chier­tes Video und nicht beson­ders schlau gemacht.

MZEE​.com: Böh­mer­mann for­der­te dar­in unter ande­rem: "Macht doch mal das Maul auf, lie­be Gamer." – Hät­te er in dei­nen Augen selbst die Chan­ce dazu bes­ser nut­zen sol­len, anstatt Streamer:innen und den Rest der Gaming-​Szene dazu aufzufordern?

Rock­stah: Ja, die­se Chan­ce hat er nicht genutzt. Er hat auch nur ober­fläch­lich in eine Rich­tung geschos­sen. Das hat er in der Ver­gan­gen­heit schon klü­ger gelöst. Auf ein­mal war das Video vor­bei und ich dach­te mir: "Was ist jetzt die Poin­te? Wo soll's hin­ge­hen?" Natür­lich hat­te er mit vie­len Aus­sa­gen recht. Zuletzt gab es ja die­sen Vor­wurf, dass Mon­ta­na Black eine 17-​jährige Freun­din hat. Ganz vie­le aus der YouTube-​Szene, die ansons­ten auf jeden drauf­ge­hen, den sie kri­ti­sie­ren kön­nen, haben den gro­ßen Mon­te auf ein­mal nicht ange­grif­fen. Weil sie Angst hat­ten, dass ihnen das scha­det oder sie von sei­nen Fans atta­ckiert wer­den. Sol­che Fäl­le gab es ja auch schon im Rap.

MZEE​.com: Aber gibt es wirk­lich nie­man­den in die­ser rie­si­gen Gaming-​Szene mit ihren tau­sen­den Streamer:innen, der:die sich in sol­chen Fäl­len in der Ver­ant­wor­tung sieht, Stel­lung zu bezie­hen? Was ist denn bei­spiel­wei­se mit dir selbst?

Rock­stah: Ich fin­de nicht so sehr in die­ser Sze­ne statt. Ich bin Pod­cas­ter und rede in mei­nem Pod­cast auch dar­über. Aber ich habe gar nicht die Reich­wei­te, um groß etwas zu bewir­ken. Ich glau­be schon, dass vie­le "klei­ne­re" Leu­te über sol­che Din­ge quat­schen. Manch­mal ist es auch nur ein Ret­weet, um ein Zei­chen zu set­zen, dass man etwas wahr­nimmt und nicht gut fin­det. Doch gera­de in der obers­ten Liga mit den gro­ßen Streamer:innen wer­den so vie­le dum­me Sachen gesagt und nie­man­dem wird übers Maul gefah­ren. Das muss ja nicht bedeu­ten, dass man alle direkt can­celt. Aber es muss Leu­ten auch mal ganz klar gesagt wer­den, wenn sie Schei­ße reden. Und die müs­sen dann nicht den­ken, dass ihnen alles weg­ge­nom­men wer­den soll. Die sol­len ein­fach nur ein­se­hen, dass sie weni­ger reak­tio­nä­re Schei­ße labern sol­len, und ver­ste­hen, wel­che Bubble sie sonst füt­tern. Aber das kapie­ren die­se Leu­te nicht, weil es ihnen nie­mand sagt. Jemand wie Gron­kh hält sich auch zurück, weil er eben sei­ne Wohlfühl-​Community hat – und gar kei­ne Lust, sich zu äußern. Ich ver­ste­he das auch in man­chen Fäl­len. Es ist eine Fra­ge der Psy­che, ob es einem selbst gut geht und ob man den Nerv dafür hat, sich im gro­ßen Stil mit jeman­dem zu fet­zen. Man­che kön­nen das nicht aus­hal­ten, und das respek­tie­re ich auch. Zusam­men­ge­fasst: Die Gaming-​Landschaft hat ein Pro­blem. Aber es ist kein Pro­blem die­ser Sze­ne, son­dern ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem. Und über­trägt sich in alle mög­li­chen Berei­che. Weil Pop­kul­tur poli­tisch ist. Alles ist politisch.

MZEE​.com: Lass uns mit etwas Ver­söhn­li­chem enden und dabei an den Beginn anknüp­fen: Auf wel­ches anste­hen­de Game-​Release freust du dich gerade?

Rock­stah: Ich freue mich in die­sem Jahr (Anm. d. Red.: 2024) noch auf das neue "India­na Jones"-Spiel. Ansons­ten die Ant­wort, die die hal­be Welt gibt: Ich bin super gespannt, was mit "GTA VI" pas­sie­ren wird. Ansons­ten war­te ich auf vie­le Sachen, die noch nicht ange­kün­digt sind. Ein neu­es Mario wäre toll.

(Jan Hart­mann & Enri­co Gerharth)
(Fotos von Max Mül­ler & Özüm Yilmaz)