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Kommentar

Zeig mal bisschen mehr Respekt vor Gewalt – Battlerap ist nur Entertainment

Eine Schlä­ge­rei jüngst bei einem Batt­le zeigt: Es gibt ein fal­sches Ver­ständ­nis davon, was Batt­ler­ap bewir­ken kann. Ihm wer­den imma­nen­te Kräf­te zuge­schrie­ben, die schlicht nicht exis­tie­ren. Über Kunst als Ablenkung.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unser Redak­teur Simon mit dem fal­schen gesell­schaft­li­chen Nar­ra­tiv von Batt­ler­ap auseinander.

 

Der Batt­ler­ap­per Mars B. schlug bei einer Ver­an­stal­tung Ende 2024 den Rap­per Shi­zu vor einem Auf­tritt der­art hef­tig, dass er sich wohl selbst an der Hand ver­letz­te. Das Batt­le wur­de dar­auf­hin zu Recht abge­sagt. So schlimm der Vor­fall für den Betrof­fe­nen auch sein mag, ins­ge­samt wird die­ser kei­ne gro­ße Empö­rungs­wel­le aus­lö­sen. Zu wenig bekannt sind die Künst­ler dafür auf der einen Sei­te. Zu nor­mal ist so ein Vor­fall auf der ande­ren Sei­te aber auch: Wenn Men­schen sich belei­di­gen, kann so man­cher damit nicht umge­hen und schlägt zu. Auf jedem Schul­hof ist das Tages­ge­schäft. Zudem ist das Gan­ze jetzt schon ein paar Wochen her, inzwi­schen dürf­te es schon fünf bis sechs neue Strei­te­rei­en zwi­schen Deutschrap-​Artists gege­ben haben. Inter­es­sant ist die­ser Vor­fall aus mei­ner Sicht nur des­halb, weil die ver­ein­zel­ten empör­ten Reak­tio­nen von einem ver­klär­ten Bild zeu­gen, das sowohl sze­nein­tern als auch in der brei­ten Medi­en­land­schaft davon exis­tiert, was das Sub­gen­re ist und zu leis­ten ver­mag. Inso­fern bie­tet sich hier ein geeig­ne­ter Anlass, mal mit dem Mythos "Batt­ler­ap als Heils­brin­ger" aufzuräumen.

Ver­kürzt und pole­misch zusam­men­ge­fasst ist die Geschich­te, die sich über Batt­ler­ap erzählt wird, näm­lich die fol­gen­de: Es war ein­mal ganz viel Gewalt, Mord und Tot­schlag in den ver­arm­ten und mehr­heit­lich von PoCs bewohn­ten Vier­teln der US-​amerikanischen Groß­städ­te. Aus Grün­den – auf deren Ursprün­ge und poli­ti­sche Funk­ti­on in der Regel in den ent­spre­chen­den Dokus nicht näher ein­ge­gan­gen wird – ent­stan­den Gangs, die die­se Gewalt noch­mals pro­fes­sio­na­li­sier­ten und eska­lie­ren lie­ßen. Eines schö­nen Tages jedoch, viel­leicht im Zuge der ers­ten Block-​Partys, stan­den sich zwei Men­schen mit einem Mikro­fon gegen­über, um her­aus­zu­fin­den, wer den ande­ren krea­ti­ver belei­di­gen kann. Die phy­si­sche Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den bei­den wur­de damit über­flüs­sig und der Batt­ler­ap war gebo­ren. Seit­her ist ein neu­es Tor offen für alle, die ihre Wut und Frus­tra­ti­on raus­las­sen müs­sen. Klär dei­nen Streit in einem Batt­le, dann musst du dich nicht hau­en, ste­chen oder erschie­ßen – das ist bes­ser für alle. Das führt dann zu absur­den Über­schrif­ten wie "Battle-​Rap hilft bei Demokratie-​Erziehung" vom NDR.

Die­se Erzäh­lung ergibt weder logisch noch his­to­risch Sinn. Natür­lich mag es Ein­zel­per­so­nen geben, die dadurch so eine gro­ße Auf­wer­tung des Selbst­wert­ge­fühls erfah­ren, dass sie anders mit ihren Aggres­sio­nen umge­hen kön­nen. Für ande­re ist sich auf Büh­nen belei­di­gen viel­leicht ein ähn­li­cher Aus­gleich wie Sport. Das kann alles für bestimm­te Per­so­nen zutref­fen. Es gibt auch Leu­te, bei denen Glo­bu­li zu wir­ken schei­nen. Die Vor­stel­lung aber, Batt­ler­ap eröff­ne bis dato unge­kann­te Mög­lich­kei­ten, den Hass so zu kana­li­sie­ren, dass er danach nicht mehr "gefähr­lich" sprich in einem gewis­sen Maß vor­han­den ist, abs­tra­hiert sich so voll­stän­dig von den Grün­den für den Hass – sodass man nicht mal von Medi­zin in homöo­pa­thi­schen Dosen spre­chen kann. Als hät­ten die Leu­te nicht vor­her gewusst, dass man sich auch belei­di­gen kann. Als hät­ten die besorg­ten Eltern nicht schon vor­her ver­sucht, Gewalt zu ver­hin­dern. Batt­ler­ap war nie eine Lösung, son­dern maxi­mal eine neue Ablen­kung. Das klingt viel­leicht red­un­dant, aber Kunst hat über­haupt kei­nen Ein­fluss dar­auf, wer mar­gi­na­li­siert und unter­drückt wird. Die Armut, die Poli­zei­ge­walt, der Ras­sis­mus, die Per­spek­tiv­lo­sig­keit, die (Über-)Ausbeutung: All das wird nicht im Gerings­ten ange­tas­tet dadurch, dass man sich auch batt­len kann. Jemand, der aus den genann­ten und ande­ren Grün­den so viel Hass in sich trägt, dass er einen ande­ren Men­schen abste­chen wür­de, der trägt die­sen Hass auch noch in sich, nach­dem er bei einem Batt­le mit­ge­macht hat. Es sei denn, es gab eine Mil­li­on Dol­lar Preis­geld. Dann ist die Situa­ti­on aber auch für die Per­son eine ande­re. War­um gab es denn in den 90ern dau­ernd Schlä­ge­rei­en bei ent­spre­chen­den Ver­an­stal­tun­gen in Deutsch­land und heut­zu­ta­ge kaum noch? Das liegt nicht dar­an, dass alle ruhig und ver­nünf­tig gewor­den sind, son­dern dar­an, dass sich frü­her nicht nur gut situ­ier­te Stu­die­ren­de auf der Büh­ne gegen­über­stan­den. Die Leu­te, die sich eher geboxt haben und auch heu­te noch boxen, sind ein­fach nicht mehr im sel­ben Maß Teil des Gan­zen. Batt­len kann und wird, wie jede ande­re Kunst­form auch, nichts an den gege­be­nen gesell­schaft­li­chen Umstän­den ändern, son­dern ist immer nur ein Aus­druck der­sel­ben. Es geht kei­ne imma­nen­te posi­ti­ve Kraft davon aus. Wer das denkt, ver­schließt die Augen vor den Ursachen.

Damit soll nicht gesagt sein, dass Batt­ler­ap nicht auch sehr unter­halt­sam sein und eine posi­ti­ve Wir­kung auf das Leben Ein­zel­ner haben kann. Aller­dings gilt das Glei­che auch im Nega­ti­ven. Mit Sicher­heit haben Leu­te an dem Druck und den Belei­di­gun­gen schon psy­chisch Scha­den genom­men. Eine Medi­zin, die so belie­big funk­tio­niert, ist kei­ne. Es las­sen sich kei­ner­lei Rück­schlüs­se dar­auf schlie­ßen, ob und wel­che Kon­se­quen­zen dar­aus ent­ste­hen. Egal, ob indi­vi­du­ell oder gesell­schaft­lich. Im Gegen­teil: Hier einen Heils­brin­ger oder auch nur eine Lin­de­rung für die Gewalt zu sehen, die auch Aus­druck der oben genann­ten Pro­ble­me ist, zeugt von einer Ver­mi­schung von Sym­pto­men und Ursa­chen und einem man­gel­haf­ten Ver­ständ­nis derselben.

(Simon Back)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)