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DJ Sixkay: Kreativität zwischen Spontanität und glücklichen Zufällen – ein Porträt

Wie wird man Teil­neh­mer bei einer DJ-​WM? Kann man als deut­scher Underground-​DJ auf Euro­pa­tour fah­ren? Und wie wird man zum fes­ten DJ einer deut­schen Rap-​Legende? All das weiß DJ Six­kay, der in sei­nem Leben stets Krea­ti­vi­tät und Lei­den­schaft über den finan­zi­el­len Erfolg stellt. 

Wie wird man Teil­neh­mer bei einer DJ-​WM? Kann man als deut­scher Underground-​DJ auf Euro­pa­tour fah­ren? Und wie wird man zum fes­ten DJ einer deut­schen Rap-​Legende? All das weiß DJ Six­kay, der in sei­nem Leben stets Krea­ti­vi­tät und Lei­den­schaft über den finan­zi­el­len Erfolg stellt.

 

Unschein­bar steht Six­kay in sei­nem dezent beleuch­te­ten Wohn­zim­mer. Sei­ne Cap hat er tief ins Gesicht gezo­gen. In der rech­ten Hand hält er eine Kan­ne Tee, in Vor­be­rei­tung auf einen kal­ten Abend in Mün­chen. Mit der lin­ken Hand deu­tet er auf sei­nen Plat­ten­spie­ler, der mit­ten im Raum steht und der sei­ne Lei­den­schaft für das DJing einst entfachte.

 

Der Weg von Mann­heim nach München

Der 1982 in Mann­heim gebo­re­ne DJ ent­deckt die HipHop-​Kultur durch sei­ne zwei älte­ren Brü­der, die ihm ihre Plat­ten näher­brin­gen. Er beschreibt sich selbst als "Thea­ter­kind", da sei­ne Mut­ter als Anklei­de­rin in die­sem Bereich tätig war. Ers­te Büh­nen­er­fah­rung sam­melt er eben­falls im Kin­der­chor des Theaters.

Sei­ne Jugend ver­bringt Six­kay, der bür­ger­lich Jonas Wach­holz heißt, in Ulm. Dort sieht er 1994 im ROXY ein Kon­zert des legen­dä­ren Wu-​Tang Clan und reka­pi­tu­liert: "Ich stam­me aus einer poli­ti­schen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Fami­lie. Dem­entspre­chend hat mich die­ser 'Gegen das System'-Vibe sofort ange­spro­chen." Die­se Ein­stel­lung ist bis heu­te geblie­ben, nicht nur poli­tisch. Der DJ beob­ach­tet die Ent­wick­lun­gen in der Musik­in­dus­trie kri­tisch und kann mit Rapper:innen, die ihre Stim­me nur nut­zen, um Geld zu ver­die­nen, nichts anfan­gen. "Ich lebe Hip­Hop, auch wenn sich das komisch anhört. Und mer­ke, wenn das ande­re Leu­te eben­falls tun oder nicht."

Sei­ne ers­ten krea­ti­ven Erfah­run­gen sam­melt er am Plat­ten­spie­ler sei­ner Eltern, bei dem Ver­such zu scrat­chen. Da die­ser dafür aber nicht gemacht ist, spart er auf ein eige­nes DJ-​Setup, bestehend aus zwei Gemi­ni PT-​1000-​Plattenspielern und einem "Kack-​Mixer" dazwi­schen. Nach den ers­ten Aufleg-​Erfahrungen, unter ande­rem in Jugend­zen­tren, fol­gen Ende der 1990er bereits ers­te Gigs in Clubs. "Das mache ich heu­te nicht mehr, weil ich da kei­nen Spaß dran habe. Die Leu­te wol­len meis­tens ihre Lieb­lings­songs hören und haben kei­ne Lust auf eine DJ-​Show."

1999 nimmt der DJ an einem DJ-​Contest im Cha­ri­va­ri in Ulm teil und wird zwei­ter. Zum Gig kommt er gemein­sam mit einem sei­ner Brü­der per Schlauch­boot, da zu die­sem Zeit­punkt das Jahr­hun­dert­hoch­was­ser die Stra­ßen von Ulm über­flu­tet. Hier ent­steht sein Künst­ler­na­me. Nach­dem der Musi­ker ins­ge­samt sechs ande­re DJs besieg­te, nen­nen ihn sei­ne Freun­de "Six­kil­ler", ange­lehnt an die Figur Bob­by Six­kil­ler aus der Serie "Rene­ga­de". Da der DJ sich mit dem Begriff "Kil­ler" nicht wohl­fühlt, adap­tiert er den Namen etwas und nennt sich seit­dem Sixkay.

 

Von den Snow­goons bis zur eige­nen Firma

In sei­nem Wohn­zim­mer stel­len die Turn­ta­bles eine Art Raum­tren­ner da. Blickt man an der – mitt­ler­wei­le auf dem Wohn­zim­mer­tisch abge­stell­ten – Tee­kan­ne vor­bei, ist sein akku­rat ein­ge­rich­te­tes Home­stu­dio zu sehen. Hier ent­ste­hen neben Beats vor allem Scrat­ches und Cuts. "Manch­mal höre ich Songs und bin mir nicht sicher, ob die Cuts von mir sind", gibt der Musi­ker zu. Dies liegt nicht an sei­ner Ver­gess­lich­keit, son­dern an der Men­ge der Songs, an denen er betei­ligt ist. Ende der 1990er erschei­nen die ers­ten Mix­tapes unter dem Namen "Acou­stic Infect" gemein­sam mit DJ Ille­gal, ehe 2001 die Plat­te "Teu­fels­kü­che" der 2 Bros erscheint, an der Six­kay betei­ligt ist. Gemein­sam mit DJ Ille­gal ist er Mit­glied der "DJ-​Abteilung" der Snow­goons. Das Producer-​Team pro­du­ziert seit 1999 sowohl für deutsch­spra­chi­ge als auch für inter­na­tio­na­le Rapper:innen. Zudem fährt der DJ mit den Snow­goons auf Euro­pa­tour und spielt unter ande­rem in Frank­reich, Grie­chen­land, Ita­li­en, Kroa­ti­en und Slo­we­ni­en. Dank der Grup­pe spielt er auch gemein­sa­me Live-​Shows mit den ame­ri­ka­ni­schen Rap-​Acts Onyx, REKS oder R.A. The Rug­ged Man. Iro­nisch deu­tet Six­kay auf eine Aus­zeich­nung, die direkt vor sei­nen Turn­ta­bles im Wohn­zim­mer steht. Das Snowgoons-​Album "Goon Bap" erreich­te über fünf Mil­lio­nen Streams bei Spo­ti­fy. "Kau­fen kann ich mir davon nichts, aber ich lie­be das Album so oder so", hält der Musi­ker fest. Anfang der 2000er Jah­re zieht Six­kay zudem nach Mün­chen, wo er bis heu­te lebt. Dort lernt er Roger Mang­lus, Rap­per der eins­ti­gen Band Blu­men­topf, bei der "Ghet­to Blas­ter Classikz"-Partyreihe ken­nen. Es ent­steht eine lang­jäh­ri­ge Freund­schaft, aller­dings zunächst ohne gemein­sa­me Musik.

Neben den gro­ßen Boxen im Home­stu­dio von Six­kay liegt eine Kame­ra, deren Objek­tiv in Rich­tung eines Ring­lich­tes zeigt. Die­ses steht in der Nähe sei­ner Turn­ta­bles, eben­falls in der Mit­te des Rau­mes. Abseits sei­ner Lie­be für Hip­Hop hat der DJ eine wei­te­re gro­ße Pas­si­on: die Foto- und Video­pro­duk­ti­on. Mit sei­nem lang­jäh­ri­gen Freund Björn Lent­föhr grün­det er bereits 2005 die Fir­ma Hertz&Kopf, die sich unter ande­rem um die Umset­zung von Musik­vi­de­os, Pres­se­fo­tos oder die Pro­duk­ti­on von Dokuse­r­i­en küm­mert. "Es ist mein finan­zi­el­les Stand­bein. Dadurch habe ich die Frei­heit, mei­ner Krea­ti­vi­tät frei­en Lauf zu las­sen, ohne dar­auf ange­wie­sen zu sein." An den visu­el­len Pro­duk­tio­nen befreun­de­ter Künstler:innen betei­ligt er sich aber auch ger­ne, ohne finan­zi­el­le Gewin­ne zu fokus­sie­ren. "Mir ist es wich­tig, auch auf die­ser Ebe­ne einen Bei­trag zu leis­ten und die HipHop-​Kultur auf­le­ben zu las­sen."

 

DJ-​WM und Sta­di­on­tour mit Blumentopf

In sei­nem Home­stu­dio steht noch eine wei­te­re Aus­zeich­nung. 2008 und 2009 wird Six­kay als Teil des DJ-​Trios The Deck­pa­ckers Vize-​Weltmeister in der Show Cate­go­ry bei den World Cham­pi­on­ships der Inter­na­tio­nal DJ Asso­cia­ti­on in War­schau und Kra­kau. "Das fin­de ich immer noch cra­zy und es ist absur­der­wei­se aus einer spon­ta­nen Idee ent­stan­den." 2008 besucht der DJ als Zuschau­er zusam­men mit Roger Rekless den deut­schen Vor­ent­scheid für die Welt­meis­ter­schaft. In der Show Cate­go­ry hat­te sich ledig­lich ein Teil­neh­mer ange­mel­det. Six­kay mel­det sich spon­tan mit zwei wei­te­ren DJ-​Kollegen für den Vor­ent­scheid an und geht mit wahl­lo­sen Plat­ten auf die Büh­ne, um auf­zu­le­gen. "Ich fän­de es lang­wei­lig, wenn jemand ohne Wett­kampf wei­ter­kom­men wür­de. Wir mein­ten unse­re Anmel­dung nicht ernst, aber haben tat­säch­lich gegen den einen Kon­tra­hen­ten gewon­nen und uns für die WM in War­schau qua­li­fi­ziert." Die drei DJs Aspect, Six­kay und Snat­cha­tec fei­len über drei Mona­te an ihrem Show­ca­se für die WM. "Du hast bei der WM nur einen Ver­such und exakt sechs Minu­ten Zeit, um abzu­lie­fern. Ich zit­ter­te wäh­rend unse­rer Per­for­mance und hat­te mei­ne Hän­de nicht unter Kon­trol­le, aus Angst, einen Feh­ler zu machen. Denn wäre das pas­siert, wäre der gesam­te Show­ca­se für uns im Eimer gewe­sen. Es lief aller­dings alles glatt und wir sind absur­der­wei­se Vize-​Weltmeister gewor­den." Kurz dar­auf fun­gie­ren The Deck­pa­ckers auf­grund ihrer Leis­tun­gen und Erfol­ge selbst als Juro­ren bei Wett­kämp­fen der IDA in Öster­reich und wer­den in Polen für DJ-​Sets gebucht.

2014 geht Blu­men­topf, als Vor­band der Sport­freun­de Stil­ler, auf Sta­di­on­tour. Aus pri­va­ten Grün­den kann Topf-​DJ Sepa­lot nicht an der Tour teil­neh­men. "Das war eine beson­de­re Situa­ti­on, denn Sepa­lot fehl­te bis dahin nie bei einer Tour. Roger frag­te mich, ob ich ein­sprin­gen könn­te. Das wur­den für mich die größ­ten Shows", erin­nert sich Six­kay. Er und Roger bil­den seit­dem musi­ka­lisch ein fes­tes Team. Gemein­sam ent­steht unter ande­rem 2019 das Album "Flens­burg 37". Auf die­sem sind bei fast jedem Song Cuts des DJs zu hören.

Mitt­ler­wei­le sitzt der DJ kopf­ni­ckend vor sei­nem Drum-​Controller und bas­telt an Beat­skiz­zen. "Wäh­rend Coro­na muss­te ich mei­ne musi­ka­li­schen Akti­vi­tä­ten lei­der sehr ein­schrän­ken, aber das Feu­er ist wie­der da", so der Musi­ker. Für die Zukunft sind eini­ge Pro­jek­te geplant: Neben einem gemein­sa­men Beat­pro­jekt mit dem Pro­du­cer Tony Crisp und einem neu­en Snowgoons-​Album arbei­tet Six­kay an einem Cypher-​Videoformat, das "Get on the mic, aight!" hei­ßen soll. "Hier tref­fen mei­ne bei­den gro­ßen Lei­den­schaf­ten erneut auf­ein­an­der: Video­pro­duk­ti­on und Hip­Hop. Ich möch­te Men­schen, die die Kul­tur lie­ben, eine Platt­form bie­ten, um sich zu prä­sen­tie­ren", erzählt der DJ mit strah­len­den Augen.

(Alec Weber)
(Fotos von Alex­an­dra Poll)