Am 23. Februar 2025 stehen in Deutschland verfrüht die Bundestagswahlen an. Ein entscheidender Moment, der die politische Landschaft Deutschlands langfristig prägen wird. Es geht um weitaus mehr als die Entscheidung, wer Bundeskanzler:in wird. Mit dem Erstarken der AfD und ihrer menschenverachtenden Ausrichtung stehen nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Grundwerte und -rechte auf dem Spiel. Es drohen massive Veränderungen für unser Zusammenleben und das macht diese Wahl zu einer der bedeutendsten der letzten Jahrzehnte.
In so politisch turbulenten Zeiten ist es uns wichtig, Stimmen zu hören, die nicht nur klar und reflektiert sind, sondern auch empathisch und nahbar. Genau das war der Grund, warum wir uns entschieden haben, mit Savvy zu den bevorstehenden Wahlen zu sprechen. Denn der Berliner Rapper mit kubanischer Familiengeschichte schafft es immer wieder und nicht nur in seinen Songs, gesellschaftliche Themen authentisch zu transportieren.
Dieses Interview ist allerdings nur der Anfang. Wir haben uns vorgenommen, uns einige Wochen nach der Wahl erneut zu treffen, um gemeinsam zu reflektieren. Was hat sich verändert? Welche Befürchtungen haben sich bewahrheitet – oder vielleicht glücklicherweise doch nicht? Denn eins steht fest: Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie braucht Menschen, die nicht wegschauen, sondern sich einmischen – laut, unbequem und unermüdlich.
Es ging in diesem Interview nicht nur um politische Prognosen, es war auch ein Gespräch über Verantwortung, Solidarität und die Gefahr, die von der zunehmenden Stärke rechter Strömungen in Deutschland ausgeht. Savvy sprach offen darüber, was es bedeutet, sich gegen Hass und Ausgrenzung zu positionieren – und warum gerade jetzt der Moment ist, aufzustehen und für unsere gemeinsamen Werte und Rechte einzustehen.
MZEE.com: Du hast erst ein wenig darüber nachgedacht, bevor du diesem Interview zugesagt hast – darf ich fragen, was dich am Ende dazu bewegt hat?
Savvy: Ich finde, gerade ist es wirklich schwer mit allem, was abgeht, hinterherzukommen, weil sich jeden Tag die Ereignisse überschlagen. In dem Moment war ich im Urlaub, hab' mal zwei, drei Tage keine Nachrichten geschaut und mich schon wieder so uninformiert gefühlt. Aber es soll ja um Beobachtungen und Emotionen gehen und ich finde es absolut wichtig, darüber zu reden. Egal, ob ich Antworten auf Fragen habe, die andere spannend finden, oder ich am Ende selbst etwas aus diesem Gespräch mitnehmen kann – jeder Diskurs ist aktuell von Bedeutung. Jede Stimme, die der ganzen rechten Scheiße, die gerade abgeht, gegenübersteht, ist notwendig. Es ist an der Zeit, auf den Punkt zu kommen.
MZEE.com: Wen würdest du denn mit deinen Worten gerne erreichen?
Savvy: Mit meiner Musik habe ich eigentlich immer den Anspruch, auch etwas Positives in die Welt zu senden. Und wenn es dabei eine politische Message gibt, habe ich natürlich auch den Wunsch, damit Menschen zu erreichen, die sich auf einem falschen Weg befinden. Ich möchte aber auch Menschen bestärken, eine klare Meinung zu haben. Es gibt aktuell so viele Leute, die am Zweifeln sind, sich vielleicht nicht genug informieren konnten oder unseriöse Quellen und Fake News in ihren Feeds haben. Ist doch super, wenn so jemand etwas mitnehmen kann. Trotzdem ist mir bewusst, dass meine Musik nah mit meiner Person verknüpft und dadurch sehr subjektiv ist. Meine Worte sind nicht immer die objektive Wahrheit, aber ich freue mich über jede Person, die darin ein bisschen Wahrheit für sich finden kann.
MZEE.com: Gibt es Themen, die dir dabei besonders am Herzen liegen? Vielleicht auch, weil sie von "der Politik" zu wenig Aufmerksamkeit bekommen?
Savvy: Momentan ist das Thema Migration ja sehr umstritten, weil es viel Platz einnimmt. Es ist mir aber trotzdem mit am wichtigsten, weil auch meine Familie eine Migrationsgeschichte hat und wir von Rassismus betroffen sind. Davon abgesehen – und das konnte man auch gut beim Quadrell (Anm. d. Red.: TV-Debatte auf RTL mit den vier Kanzlerkandidat:innen Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU/CSU), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) vom 16.02.2025) beobachten –, kommt meiner Meinung nach die Bildung zu kurz. Ich finde es besorgniserregend, wie viele junge Menschen mittlerweile rechts gepolt sind und das kaum aufhaltbar ist. Als Lehrkraft oder Pädagog:in ist es natürlich auch wichtig, dass die Bildung nicht meinungsmachend ist. Aber ich glaube, an gewissen Punkten ist es genauso wichtig, zu bestimmten Themen eine Position einzunehmen – vor allem, wenn es um unsere Geschichte geht. Aktuell wird die Geschichte von jungen, rechten Menschen zu oft verherrlicht und für Themen wie den 2. Weltkrieg gibt es eine Faszination. Durch soziale Medien und TikTok im Speziellen wird so etwas noch potenziert. Sobald du ein Sylt-Video schaust, wird dir nur noch AfD-Content reingespült. Gerade junge Leute sind so einfach mit Parolen, die ihre Ängste befeuern, abzugreifen, weil sie noch nicht wissen, wo es mit ihnen hingeht. Sie sind aber der Grundstein für das, was in der Zukunft passiert. Sie sind die nächste Generation und wenn es jetzt gerade wieder cool ist, rechts zu sein und sich wie Nazis mit weißen Schnürsenkeln und Deutschland-Patches zu kleiden, haben wir in fünf Jahren ein richtiges Problem. Wir haben jetzt schon ein Problem, aber das wird dann richtig, richtig gruselig und ich glaube, der einzige Weg, dem entgegenzuwirken, ist Bildung.
MZEE.com: Ich muss zugeben, ich weiß gar nicht mehr so genau, wie es in Schulen abläuft, weil ich lange nicht mehr in einer war und ich auch wenig Berührungspunkte damit habe. An meine Schulzeit kann ich mich aber natürlich noch gut erinnern und ich denke, du auch. Gibt es denn etwas, das du dir für deine Schulzeit gewünscht hättest?
Savvy: Ich war lange auf einer bilingualen Schule, die viele Kids aus Lateinamerika oder mit einem lateinamerikanischen Hintergrund besucht haben – meine Mum kommt ja aus Kuba. Danach bin ich auf ein Gymnasium in Prenzlauer Berg gegangen und das war eine ganz andere Welt – kaum Diversität. Ich war einer der wenigen, die augenscheinlich Migrationshintergrund hatten. Und ich hätte mir gewünscht, dass zum Beispiel zum Thema Rassismus mehr aufgeklärt wird. Es gab vielleicht einmalige Präventionstage, an denen gesagt wurde: "Hey, Rassismus ist nicht gut und gebt euch die Hand." Aber das ist ja ein Thema, das sich nonstop weiterentwickelt. Klar waren das andere Zeiten, aber 14-Jährige machen immer noch rassistische, sexistische, queerfeindliche und antisemitische Witze. Das ist so, das war zu meiner Schulzeit auch nicht anders. Und das färbt natürlich ab und normalisiert gewisse Dinge. Wenn du dann nicht konstant zu diesen Themen aufgeklärt wirst, ist es, glaube ich, schwer, andere Perspektiven zu betrachten. Ich weiß nicht, ob es heutzutage ganz anders ist. Ich habe ähnlich wie du schon länger keinen Einblick mehr in Schulen gehabt. Sicherlich wird sich hier und da etwas getan haben, aber das sollte kontinuierlich stattfinden. Nicht einmal in fünf Jahren, sondern jedes Jahr.
MZEE.com: Lass uns den Blick wieder auf deine heutige Lebensrealität und die aktuellen Wahlen richten: Was meinst du, welchen Einfluss könnte eine Regierung rechts der Mitte auf unsere Subkultur haben?
Savvy: Momentan fällt es mir schwer, solche Themen rational zu betrachten. Ich habe viele Ängste und Sorgen, aber ich versuche, objektiv zu antworten. Merz betont zwar, dass er nicht mit der AfD koalieren wird, aber ob man ihm das glauben kann? Keine Ahnung. Fakt ist: Die AfD ist die zweitstärkste Kraft im Land, und das bereitet mir vor allem wegen der offensichtlichen Themen, aber auch in Bezug auf Subkultur Sorgen. Da ist einerseits der kapitalistische Druck: Club-Betreiber:innen können die Mieten nicht mehr zahlen, Läden und Konzertstätten schließen wie das RAW-Gelände an der Warschauer Straße, das dem Erdboden gleich gemacht werden soll. Ohne solche Orte stellt sich die Frage, wo wir hinsollen. Die Subkultur kann solchen wirtschaftlichen Entwicklungen wenig entgegensetzen. Früher oder später stehen wir vor Bauzäunen, werden weggedrängt oder eingekesselt. Das passiert ja schon, Stück für Stück. Und eine CDU oder AfD könnte das noch verstärken, nach dem Motto: "Macht das platt, wir brauchen Büros und Eigentumswohnungen." Andererseits gibt es auch noch den Aspekt der Zensur. Gerade für HipHop hoffe ich, dass der Grundgedanke unserer Subkultur weiterhin da ist. Ich denke, gegen politische Zensur oder Einschränkungen in Texten wären wir wehrhafter als gegen die kapitalistische Gefahr. Ich will da nicht fatalistisch rangehen, dennoch glaube ich, dass wir als Subkultur dem etwas entgegensetzen können und müssen. Den Mund werden wir uns jedenfalls nicht verbieten lassen.
MZEE.com: Die schwierige wirtschaftliche Lage ist an allen Ecken zu beobachten. Ich hätte aber gedacht, dass Corona dazu führt, sich besser zu organisieren. Es wirkt, als würden viele zusehen, wie die Subkultur ausstirbt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Leute gerade richtig Bock haben, dagegenzuhalten und zu sagen: "Jetzt ist mal Schluss!" Könnte eine rechte Regierung zivilgesellschaftlich vielleicht auch andere Auswirkungen – wie beispielsweise eine stärkere Haltung – hervorbringen?
Savvy: Voll, ich sehe das auch. Man merkt bei den Demos und im Wahlkampf, dass jetzt, wo es brennt, viele Leute aktiv sind. Ich finde es wichtig, das nicht schlechtzureden oder zu denken, es sei zu spät. Jede Stimme zählt. Trotzdem ist es schwer, weil diese Entwicklungen schon vor Corona eingesetzt haben, besonders in Berlin. Subkultur ist eben nicht Mainstream – das macht es schwieriger, genug Rückhalt zu mobilisieren. Aber es ist möglich! Besetzte Häuser zeigen, dass man sich gegen Mietpreiswahn wehren kann. Aber es braucht einen langen Atem und oft auch finanzielle Mittel, Spenden und solidarische Netzwerke. Ich glaube, in Metropolen wie München, Köln, Hamburg oder Berlin ist das eher machbar. In kleineren Städten hingegen wird es richtig schwer, genug Leute zu vereinen, um solche Räume zu verteidigen.
MZEE.com: Politische Räume sind wichtig. Gerade durch Subkulturen vernetzen sich Menschen politisch und werden aktiv. Diese Orte haben Relevanz und könnten in Zukunft noch mehr zum Ziel werden.
Savvy: Solche Räume könnten der Regierung oder Staatsgewalt ein Dorn im Auge sein. Musikrichtungen wie Techno, Punk oder HipHop haben alle politische Ursprünge. Und schon jetzt passiert das schleichend, ohne eine öffentliche Kampagne dagegen. Aber wer sagt, dass das nicht bald offensiver wird? Ich kann mir gut vorstellen, dass so etwas auf der Agenda von Leuten wie Alice Weidel landet: "Keine HipHop-Clubs mehr, da sind uns zu viele Migranten." Im Zuge der Wahlen finde ich es wichtig, bei bestimmten Themen keine Kompromisse zu machen. Es gibt Grenzen, Punkt. Gleichzeitig merke ich, wie schwer es für mich geworden ist, andere Meinungen auszuhalten, auch wegen dieser Bubbles. Manchmal versuche ich, mit AfD-Wähler:innen zu reden, aber oft denke ich dann: Das bringt nichts, die sind völlig gehirngewaschen und teilweise einfach dreckige Nazis. Ich schwanke ständig zwischen Diskurs und klarer Kante. Gerade brauchen wir oft eher Widerstand als Harmonie, aber das alles unter einen Hut zu bekommen, ist superschwierig. Am Ende muss jede:r wissen, was er:sie leisten kann und will. Manche Menschen haben die Kraft, sich ständig zu engagieren – ich nicht immer. Wichtig ist, eine Meinung zu haben und in den richtigen Momenten dafür einzustehen, ohne sich selbst zu zerreißen. Wir sind nicht alle Politiker:innen, und das ist okay. Sich bilden, eine Haltung haben und dann präsent sein, wenn's drauf ankommt, ist was zählt.
MZEE.com: Ich glaube, gerade in der Familie oder bei der Arbeit haben viele ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht ständig diskutieren wollen. Aber man muss nicht jeden Kampf kämpfen. Es geht auch um Selbstschutz, um in den richtigen Momenten die Energie dafür zu haben.
Savvy: Im Endeffekt geht es darum, in den richtigen Momenten da zu sein. Natürlich kann man mit seinem Onkel, der ein fragwürdiges Frauenbild hat, immer wieder auf's Neue diskutieren. Im besten Fall ändert es sich dadurch ein bisschen, aber vielleicht ist die Kraft manchmal woanders besser investiert. So wie du sagst: Nicht jeder Kampf ist es wert, geführt zu werden. Wenn du zum Beispiel auf Demos gehst oder Zivilcourage zeigst und dich vor allem stets weiterbildest und dazulernst, schafft das einen größeren Wert.
MZEE.com: Zu Beginn meintest du, es sei dir wichtig, dass es einen Diskurs gibt. Ich habe kürzlich eine Ankündigung gesehen, dass Massiv und Sahra Wagenknecht zusammen auf Instagram live gehen. (Anm. d. Red.: hat nach dem Interview stattgefunden) Siehst du in solchen Verbindungen eher Gefahren, weil Artists durch Politiker:innen instrumentalisiert werden können, oder Chancen, weil sich zwei Seiten austauschen, die sonst nicht miteinander sprechen und hauptsächlich von sehr unterschiedlichen Menschen wahrgenommen werden?
Savvy: Ich finde, die Gefahr ist dabei größer. Wenn es wirklich gewollt wäre, zwei Welten zusammenzuführen oder voneinander zu lernen, kann man das abseits eines Wahlkampfes tun. Alles, was in diesem Kontext gerade stattfindet, ist für mich Instrumentalisierung. Die sind ja nicht blöd und machen sich auch Gedanken, wie sie junge Menschen und Wähler:innen erreichen können, an die sie normalerweise nicht rankommen. Sahra Wagenknecht denkt sich ja nicht, dass es lustig wäre, wenn sie sich mal mit Massiv unterhalten würde. Deswegen sehe ich das schon sehr kritisch – auch gewisse Rapper, die sich mit CDU-Mitgliedern fotografieren lassen. Es muss nicht immer gegen das System sein, aber die Art und Weise ist entscheidend.
MZEE.com: In deinem Song "Pass auf dich auf" rappst du: "Wenn du nachts S-Bahn fährst nach Lichtenberg, dann pass auf dich auf. Und vertrau deiner Faust, noch viel besser, Bruder, lauf. Denn hinter blauen Lichtern schimmеrt's braun." – Aus welcher Zeit stammen diese Zeilen?
Savvy: Ich würde sagen, diese Zeilen kommen aus der Zeit, als ich zwischen 18 und 20 Jahre alt war. Einmal hat jemand in der Straßenbahn einen Hitlergruß gemacht, ich habe ihn konfrontiert und wurde angegriffen. Damals hatte ich oft Angst, vor allem vor rassistischen Übergriffen durch Nazis. Momentan finde ich aber vor allem auch die Polizeigewalt besorgniserregend. Allein, was auf den Palästina-Demos in Berlin passiert, ist absolut erschreckend. Egal, ob es um Nazis oder die Polizei geht – sie geben sich ja auch gerne mal die Hand –, habe ich schon das Gefühl, dass sich gerade wieder etwas zuspitzt. Letztens war in Friedrichshain eine rechte Demo, die durch die Rigaer Straße führen sollte. Das ist hier die linke Hochburg mit vielen besetzten Häusern, also die reine Provokation. Die Route wurde zum Glück nicht genehmigt, sie sind dann aber trotzdem mit Springerstiefeln, Deutschland-Patches, White-Power-Zeichen und Ostdeutschland-Rufen durch Friedrichshain gelaufen. Also so full-on aggressiv und provokant. Und die durften laufen. Zu keinem Zeitpunkt konnte die Gegendemo irgendwie ran, alle Sitzblockaden wurden mit Gewalt und Pfefferspray geräumt. Dass solche Leute von der Polizei geschützt werden, ist halt ein Sinnbild dafür, dass etwas in eine ganz falsche Richtung läuft. Das sind ja auch größtenteils junge Menschen. In Berlin zum Beispiel führt "Der Dritte Weg" Kampfsporttrainings in öffentlichen Parks durch. Und das in einem linken Kiez. Das ist doch krass.
MZEE.com: Du hast dich früher auch viel in Antifa-Kreisen bewegt – hast du das bewusst geändert?
Savvy: Das war ein ziemlich natürlicher und nicht bewusster Prozess. Im Endeffekt habe ich mit einem Kumpel, der dort aktiver war, viel Musik gemacht. Dadurch hat er uns die ersten Auftritte klargemacht, aber ich war nie ein wirklich aktiver Teil. Das würde ich mir nicht anmaßen zu sagen, weil ich auch wesentlich weniger Risiken ausgesetzt war als andere dort. Wir haben einfach öfter auf Demos und Solipartys gespielt. Die Freundschaft und auch das Musikding haben sich auseinandergelebt und dadurch war ich auch weniger in diesen Kreisen unterwegs. Aber ohne die Antifa hätten Nazis schon viel früher Einzug in unsere Kieze gehalten – das ist wichtig dazuzusagen. Persönlich komme ich da aber wieder an den Punkt, für was man Kapazitäten hat und welche Kämpfe man führen möchte und kann. Wenn Nazis durch meinen Kiez laufen, bin ich Teil der Blockade, aber ich bin nicht draußen und jag' Faschos oder so. Ich glaube, es gibt gerade eine wichtige Aufgabe, für die wir uns so vereinen müssen, und wie sich die Meinungen dann im Detail verlaufen, spielt dabei weniger eine Rolle.
MZEE.com: Wir werden uns ja in ein paar Wochen noch mal zusammensetzen und darüber sprechen, was seit diesem Gespräch alles passiert ist. Was hoffst du für die kommende Wahl und unser Gespräch?
Savvy: Es geht nicht nur um Migrationspolitik, sondern auch um Gleichberechtigung, den Schutz von Frauen, queeren Menschen oder Menschen mit chronischen Krankheiten. Die AfD plant beispielsweise gravierende Einschnitte im Gesundheitssystem. Meine Frau ist Diabetikerin, und wenn Insulin plötzlich 300 Dollar kostet, wie unter Trump in den USA, ist das lebensbedrohlich. Themen wie Frauenquoten oder Inklusion stehen auf dem Spiel. Vieles, wofür jahrelang gekämpft wurde, würde mit einer AfD in der Regierung schnell verschwinden. Die Auswirkungen wären gravierend, und ich glaube, vielen ist nicht bewusst, wie tief diese Einschnitte gehen würden – nicht nur für Minderheiten. Viele unterschätzen, wie stark eine AfD-Regierung unser gesellschaftliches Gefüge verändern würde. Und die Menschen, die die AfD jetzt aus Protest wählen, werden sich wundern, wenn ihre eigenen Lebensbereiche betroffen sind. Ich hoffe also, dass die linke Opposition stark wird.
MZEE.com: Was möchtest du zum Abschluss noch sagen?
Savvy: Wir müssen gut aufeinander aufpassen, Rücksicht nehmen und dürfen trotz allem die Hoffnung nicht verlieren. Ohne Hoffnung fehlt die Kraft für die notwendigen Kämpfe. Und: wählen gehen. Wählen gehen gegen rechts!
(Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von Clara Renner)