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Interview

Savvy – ein Gespräch zu den bevorstehenden Bundestagswahlen

"Sie sind mit Sprin­ger­stie­feln, Deutschland-​Patches, White Power-​Zeichen und Ostdeutschland-​Rufen durch Fried­richs­hain gelau­fen. Dass sol­che Leu­te von der Poli­zei geschützt wer­den, zeigt, dass etwas in eine ganz fal­sche Rich­tung läuft." ‒ Sav­vy im Inter­view über die aktu­el­le poli­ti­sche Lage.

Am 23. Febru­ar 2025 ste­hen in Deutsch­land ver­früht die Bun­des­tags­wah­len an. Ein ent­schei­den­der Moment, der die poli­ti­sche Land­schaft Deutsch­lands lang­fris­tig prä­gen wird. Es geht um weit­aus mehr als die Ent­schei­dung, wer Bundeskanzler:in wird. Mit dem Erstar­ken der AfD und ihrer men­schen­ver­ach­ten­den Aus­rich­tung ste­hen nicht nur poli­ti­sche, son­dern auch gesell­schaft­li­che Grund­wer­te und -rech­te auf dem Spiel. Es dro­hen mas­si­ve Ver­än­de­run­gen für unser Zusam­men­le­ben und das macht die­se Wahl zu einer der bedeu­tends­ten der letz­ten Jahrzehnte.

In so poli­tisch tur­bu­len­ten Zei­ten ist es uns wich­tig, Stim­men zu hören, die nicht nur klar und reflek­tiert sind, son­dern auch empa­thisch und nah­bar. Genau das war der Grund, war­um wir uns ent­schie­den haben, mit Sav­vy zu den bevor­ste­hen­den Wah­len zu spre­chen. Denn der Ber­li­ner Rap­per mit kuba­ni­scher Fami­li­en­ge­schich­te schafft es immer wie­der und nicht nur in sei­nen Songs, gesell­schaft­li­che The­men authen­tisch zu transportieren.

Die­ses Inter­view ist aller­dings nur der Anfang. Wir haben uns vor­ge­nom­men, uns eini­ge Wochen nach der Wahl erneut zu tref­fen, um gemein­sam zu reflek­tie­ren. Was hat sich ver­än­dert? Wel­che Befürch­tun­gen haben sich bewahr­hei­tet – oder viel­leicht glück­li­cher­wei­se doch nicht? Denn eins steht fest: Demo­kra­tie ist kein Selbst­läu­fer. Sie braucht Men­schen, die nicht weg­schau­en, son­dern sich ein­mi­schen – laut, unbe­quem und unermüdlich.

Es ging in die­sem Inter­view nicht nur um poli­ti­sche Pro­gno­sen, es war auch ein Gespräch über Ver­ant­wor­tung, Soli­da­ri­tät und die Gefahr, die von der zuneh­men­den Stär­ke rech­ter Strö­mun­gen in Deutsch­land aus­geht. Sav­vy sprach offen dar­über, was es bedeu­tet, sich gegen Hass und Aus­gren­zung zu posi­tio­nie­ren – und war­um gera­de jetzt der Moment ist, auf­zu­ste­hen und für unse­re gemein­sa­men Wer­te und Rech­te einzustehen.

MZEE​.com: Du hast erst ein wenig dar­über nach­ge­dacht, bevor du die­sem Inter­view zuge­sagt hast – darf ich fra­gen, was dich am Ende dazu bewegt hat? 

Sav­vy: Ich fin­de, gera­de ist es wirk­lich schwer mit allem, was abgeht, hin­ter­her­zu­kom­men, weil sich jeden Tag die Ereig­nis­se über­schla­gen. In dem Moment war ich im Urlaub, hab' mal zwei, drei Tage kei­ne Nach­rich­ten geschaut und mich schon wie­der so unin­for­miert gefühlt. Aber es soll ja um Beob­ach­tun­gen und Emo­tio­nen gehen und ich fin­de es abso­lut wich­tig, dar­über zu reden. Egal, ob ich Ant­wor­ten auf Fra­gen habe, die ande­re span­nend fin­den, oder ich am Ende selbst etwas aus die­sem Gespräch mit­neh­men kann – jeder Dis­kurs ist aktu­ell von Bedeu­tung. Jede Stim­me, die der gan­zen rech­ten Schei­ße, die gera­de abgeht, gegen­über­steht, ist not­wen­dig. Es ist an der Zeit, auf den Punkt zu kommen.

MZEE​.com: Wen wür­dest du denn mit dei­nen Wor­ten ger­ne erreichen?

Sav­vy: Mit mei­ner Musik habe ich eigent­lich immer den Anspruch, auch etwas Posi­ti­ves in die Welt zu sen­den. Und wenn es dabei eine poli­ti­sche Mes­sa­ge gibt, habe ich natür­lich auch den Wunsch, damit Men­schen zu errei­chen, die sich auf einem fal­schen Weg befin­den. Ich möch­te aber auch Men­schen bestär­ken, eine kla­re Mei­nung zu haben. Es gibt aktu­ell so vie­le Leu­te, die am Zwei­feln sind, sich viel­leicht nicht genug infor­mie­ren konn­ten oder unse­riö­se Quel­len und Fake News in ihren Feeds haben. Ist doch super, wenn so jemand etwas mit­neh­men kann. Trotz­dem ist mir bewusst, dass mei­ne Musik nah mit mei­ner Per­son ver­knüpft und dadurch sehr sub­jek­tiv ist. Mei­ne Wor­te sind nicht immer die objek­ti­ve Wahr­heit, aber ich freue mich über jede Per­son, die dar­in ein biss­chen Wahr­heit für sich fin­den kann.

MZEE​.com: Gibt es The­men, die dir dabei beson­ders am Her­zen lie­gen? Viel­leicht auch, weil sie von "der Poli­tik" zu wenig Auf­merk­sam­keit bekommen?

Sav­vy: Momen­tan ist das The­ma Migra­ti­on ja sehr umstrit­ten, weil es viel Platz ein­nimmt. Es ist mir aber trotz­dem mit am wich­tigs­ten, weil auch mei­ne Fami­lie eine Migra­ti­ons­ge­schich­te hat und wir von Ras­sis­mus betrof­fen sind. Davon abge­se­hen – und das konn­te man auch gut beim Quadrell (Anm. d. Red.: TV-​Debatte auf RTL mit den vier Kanzlerkandidat:innen Olaf Scholz (SPD), Fried­rich Merz (CDU/​CSU), Ali­ce Wei­del (AfD) und Robert Habeck (Bünd­nis 90/​Die Grü­nen) vom 16.02.2025) beob­ach­ten –, kommt mei­ner Mei­nung nach die Bil­dung zu kurz. Ich fin­de es besorg­nis­er­re­gend, wie vie­le jun­ge Men­schen mitt­ler­wei­le rechts gepolt sind und das kaum auf­halt­bar ist. Als Lehr­kraft oder Pädagog:in ist es natür­lich auch wich­tig, dass die Bil­dung nicht mei­nungs­ma­chend ist. Aber ich glau­be, an gewis­sen Punk­ten ist es genau­so wich­tig, zu bestimm­ten The­men eine Posi­ti­on ein­zu­neh­men – vor allem, wenn es um unse­re Geschich­te geht. Aktu­ell wird die Geschich­te von jun­gen, rech­ten Men­schen zu oft ver­herr­licht und für The­men wie den 2. Welt­krieg gibt es eine Fas­zi­na­ti­on. Durch sozia­le Medi­en und Tik­Tok im Spe­zi­el­len wird so etwas noch poten­ziert. Sobald du ein Sylt-​Video schaust, wird dir nur noch AfD-​Content rein­ge­spült. Gera­de jun­ge Leu­te sind so ein­fach mit Paro­len, die ihre Ängs­te befeu­ern, abzu­grei­fen, weil sie noch nicht wis­sen, wo es mit ihnen hin­geht. Sie sind aber der Grund­stein für das, was in der Zukunft pas­siert. Sie sind die nächs­te Gene­ra­ti­on und wenn es jetzt gera­de wie­der cool ist, rechts zu sein und sich wie Nazis mit wei­ßen Schnür­sen­keln und Deutschland-​Patches zu klei­den, haben wir in fünf Jah­ren ein rich­ti­ges Pro­blem. Wir haben jetzt schon ein Pro­blem, aber das wird dann rich­tig, rich­tig gru­se­lig und ich glau­be, der ein­zi­ge Weg, dem ent­ge­gen­zu­wir­ken, ist Bildung.

MZEE​.com: Ich muss zuge­ben, ich weiß gar nicht mehr so genau, wie es in Schu­len abläuft, weil ich lan­ge nicht mehr in einer war und ich auch wenig Berüh­rungs­punk­te damit habe. An mei­ne Schul­zeit kann ich mich aber natür­lich noch gut erin­nern und ich den­ke, du auch. Gibt es denn etwas, das du dir für dei­ne Schul­zeit gewünscht hättest? 

Sav­vy: Ich war lan­ge auf einer bilin­gua­len Schu­le, die vie­le Kids aus Latein­ame­ri­ka oder mit einem latein­ame­ri­ka­ni­schen Hin­ter­grund besucht haben – mei­ne Mum kommt ja aus Kuba. Danach bin ich auf ein Gym­na­si­um in Prenz­lau­er Berg gegan­gen und das war eine ganz ande­re Welt – kaum Diver­si­tät. Ich war einer der weni­gen, die augen­schein­lich Migra­ti­ons­hin­ter­grund hat­ten. Und ich hät­te mir gewünscht, dass zum Bei­spiel zum The­ma Ras­sis­mus mehr auf­ge­klärt wird. Es gab viel­leicht ein­ma­li­ge Prä­ven­ti­ons­ta­ge, an denen gesagt wur­de: "Hey, Ras­sis­mus ist nicht gut und gebt euch die Hand." Aber das ist ja ein The­ma, das sich non­stop wei­ter­ent­wi­ckelt. Klar waren das ande­re Zei­ten, aber 14-​Jährige machen immer noch ras­sis­ti­sche, sexis­ti­sche, que­er­feind­li­che und anti­se­mi­ti­sche Wit­ze. Das ist so, das war zu mei­ner Schul­zeit auch nicht anders. Und das färbt natür­lich ab und nor­ma­li­siert gewis­se Din­ge. Wenn du dann nicht kon­stant zu die­sen The­men auf­ge­klärt wirst, ist es, glau­be ich, schwer, ande­re Per­spek­ti­ven zu betrach­ten. Ich weiß nicht, ob es heut­zu­ta­ge ganz anders ist. Ich habe ähn­lich wie du schon län­ger kei­nen Ein­blick mehr in Schu­len gehabt. Sicher­lich wird sich hier und da etwas getan haben, aber das soll­te kon­ti­nu­ier­lich statt­fin­den. Nicht ein­mal in fünf Jah­ren, son­dern jedes Jahr.

MZEE​.com: Lass uns den Blick wie­der auf dei­ne heu­ti­ge Lebens­rea­li­tät und die aktu­el­len Wah­len rich­ten: Was meinst du, wel­chen Ein­fluss könn­te eine Regie­rung rechts der Mit­te auf unse­re Sub­kul­tur haben?

Sav­vy: Momen­tan fällt es mir schwer, sol­che The­men ratio­nal zu betrach­ten. Ich habe vie­le Ängs­te und Sor­gen, aber ich ver­su­che, objek­tiv zu ant­wor­ten. Merz betont zwar, dass er nicht mit der AfD koalie­ren wird, aber ob man ihm das glau­ben kann? Kei­ne Ahnung. Fakt ist: Die AfD ist die zweit­stärks­te Kraft im Land, und das berei­tet mir vor allem wegen der offen­sicht­li­chen The­men, aber auch in Bezug auf Sub­kul­tur Sor­gen. Da ist einer­seits der kapi­ta­lis­ti­sche Druck: Club-Betreiber:innen kön­nen die Mie­ten nicht mehr zah­len, Läden und Kon­zert­stät­ten schlie­ßen wie das RAW-​Gelände an der War­schau­er Stra­ße, das dem Erd­bo­den gleich gemacht wer­den soll. Ohne sol­che Orte stellt sich die Fra­ge, wo wir hin­sol­len. Die Sub­kul­tur kann sol­chen wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen wenig ent­ge­gen­set­zen. Frü­her oder spä­ter ste­hen wir vor Bau­zäu­nen, wer­den weg­ge­drängt oder ein­ge­kes­selt. Das pas­siert ja schon, Stück für Stück. Und eine CDU oder AfD könn­te das noch ver­stär­ken, nach dem Mot­to: "Macht das platt, wir brau­chen Büros und Eigen­tums­woh­nun­gen." Ande­rer­seits gibt es auch noch den Aspekt der Zen­sur. Gera­de für Hip­Hop hof­fe ich, dass der Grund­ge­dan­ke unse­rer Sub­kul­tur wei­ter­hin da ist. Ich den­ke, gegen poli­ti­sche Zen­sur oder Ein­schrän­kun­gen in Tex­ten wären wir wehr­haf­ter als gegen die kapi­ta­lis­ti­sche Gefahr. Ich will da nicht fata­lis­tisch ran­ge­hen, den­noch glau­be ich, dass wir als Sub­kul­tur dem etwas ent­ge­gen­set­zen kön­nen und müs­sen. Den Mund wer­den wir uns jeden­falls nicht ver­bie­ten lassen.

MZEE​.com: Die schwie­ri­ge wirt­schaft­li­che Lage ist an allen Ecken zu beob­ach­ten. Ich hät­te aber gedacht, dass Coro­na dazu führt, sich bes­ser zu orga­ni­sie­ren. Es wirkt, als wür­den vie­le zuse­hen, wie die Sub­kul­tur aus­stirbt. Trotz­dem habe ich das Gefühl, dass die Leu­te gera­de rich­tig Bock haben, dage­gen­zu­hal­ten und zu sagen: "Jetzt ist mal Schluss!" Könn­te eine rech­te Regie­rung zivil­ge­sell­schaft­lich viel­leicht auch ande­re Aus­wir­kun­gen – wie bei­spiels­wei­se eine stär­ke­re Hal­tung – hervorbringen? 

Sav­vy: Voll, ich sehe das auch. Man merkt bei den Demos und im Wahl­kampf, dass jetzt, wo es brennt, vie­le Leu­te aktiv sind. Ich fin­de es wich­tig, das nicht schlecht­zu­re­den oder zu den­ken, es sei zu spät. Jede Stim­me zählt. Trotz­dem ist es schwer, weil die­se Ent­wick­lun­gen schon vor Coro­na ein­ge­setzt haben, beson­ders in Ber­lin. Sub­kul­tur ist eben nicht Main­stream – das macht es schwie­ri­ger, genug Rück­halt zu mobi­li­sie­ren. Aber es ist mög­lich! Besetz­te Häu­ser zei­gen, dass man sich gegen Miet­preis­wahn weh­ren kann. Aber es braucht einen lan­gen Atem und oft auch finan­zi­el­le Mit­tel, Spen­den und soli­da­ri­sche Netz­wer­ke. Ich glau­be, in Metro­po­len wie Mün­chen, Köln, Ham­burg oder Ber­lin ist das eher mach­bar. In klei­ne­ren Städ­ten hin­ge­gen wird es rich­tig schwer, genug Leu­te zu ver­ei­nen, um sol­che Räu­me zu verteidigen.

MZEE​.com: Poli­ti­sche Räu­me sind wich­tig. Gera­de durch Sub­kul­tu­ren ver­net­zen sich Men­schen poli­tisch und wer­den aktiv. Die­se Orte haben Rele­vanz und könn­ten in Zukunft noch mehr zum Ziel werden.

Sav­vy: Sol­che Räu­me könn­ten der Regie­rung oder Staats­ge­walt ein Dorn im Auge sein. Musik­rich­tun­gen wie Tech­no, Punk oder Hip­Hop haben alle poli­ti­sche Ursprün­ge. Und schon jetzt pas­siert das schlei­chend, ohne eine öffent­li­che Kam­pa­gne dage­gen. Aber wer sagt, dass das nicht bald offen­si­ver wird? Ich kann mir gut vor­stel­len, dass so etwas auf der Agen­da von Leu­ten wie Ali­ce Wei­del lan­det: "Kei­ne HipHop-​Clubs mehr, da sind uns zu vie­le Migran­ten." Im Zuge der Wah­len fin­de ich es wich­tig, bei bestimm­ten The­men kei­ne Kom­pro­mis­se zu machen. Es gibt Gren­zen, Punkt. Gleich­zei­tig mer­ke ich, wie schwer es für mich gewor­den ist, ande­re Mei­nun­gen aus­zu­hal­ten, auch wegen die­ser Bubbles. Manch­mal ver­su­che ich, mit AfD-Wähler:innen zu reden, aber oft den­ke ich dann: Das bringt nichts, die sind völ­lig gehirn­ge­wa­schen und teil­wei­se ein­fach dre­cki­ge Nazis. Ich schwan­ke stän­dig zwi­schen Dis­kurs und kla­rer Kan­te. Gera­de brau­chen wir oft eher Wider­stand als Har­mo­nie, aber das alles unter einen Hut zu bekom­men, ist super­schwie­rig. Am Ende muss jede:r wis­sen, was er:sie leis­ten kann und will. Man­che Men­schen haben die Kraft, sich stän­dig zu enga­gie­ren – ich nicht immer. Wich­tig ist, eine Mei­nung zu haben und in den rich­ti­gen Momen­ten dafür ein­zu­ste­hen, ohne sich selbst zu zer­rei­ßen. Wir sind nicht alle Politiker:innen, und das ist okay. Sich bil­den, eine Hal­tung haben und dann prä­sent sein, wenn's drauf ankommt, ist was zählt.

MZEE​.com: Ich glau­be, gera­de in der Fami­lie oder bei der Arbeit haben vie­le ein schlech­tes Gewis­sen, wenn sie nicht stän­dig dis­ku­tie­ren wol­len. Aber man muss nicht jeden Kampf kämp­fen. Es geht auch um Selbst­schutz, um in den rich­ti­gen Momen­ten die Ener­gie dafür zu haben. 

Sav­vy: Im End­ef­fekt geht es dar­um, in den rich­ti­gen Momen­ten da zu sein. Natür­lich kann man mit sei­nem Onkel, der ein frag­wür­di­ges Frau­en­bild hat, immer wie­der auf's Neue dis­ku­tie­ren. Im bes­ten Fall ändert es sich dadurch ein biss­chen, aber viel­leicht ist die Kraft manch­mal woan­ders bes­ser inves­tiert. So wie du sagst: Nicht jeder Kampf ist es wert, geführt zu wer­den. Wenn du zum Bei­spiel auf Demos gehst oder Zivil­cou­ra­ge zeigst und dich vor allem stets wei­ter­bil­dest und dazu­lernst, schafft das einen grö­ße­ren Wert.

MZEE​.com: Zu Beginn mein­test du, es sei dir wich­tig, dass es einen Dis­kurs gibt. Ich habe kürz­lich eine Ankün­di­gung gese­hen, dass Mas­siv und Sahra Wagen­knecht zusam­men auf Insta­gram live gehen. (Anm. d. Red.: hat nach dem Inter­view statt­ge­fun­den) Siehst du in sol­chen Ver­bin­dun­gen eher Gefah­ren, weil Artists durch Politiker:innen instru­men­ta­li­siert wer­den kön­nen, oder Chan­cen, weil sich zwei Sei­ten aus­tau­schen, die sonst nicht mit­ein­an­der spre­chen und haupt­säch­lich von sehr unter­schied­li­chen Men­schen wahr­ge­nom­men werden? 

Sav­vy: Ich fin­de, die Gefahr ist dabei grö­ßer. Wenn es wirk­lich gewollt wäre, zwei Wel­ten zusam­men­zu­füh­ren oder von­ein­an­der zu ler­nen, kann man das abseits eines Wahl­kamp­fes tun. Alles, was in die­sem Kon­text gera­de statt­fin­det, ist für mich Instru­men­ta­li­sie­rung. Die sind ja nicht blöd und machen sich auch Gedan­ken, wie sie jun­ge Men­schen und Wähler:innen errei­chen kön­nen, an die sie nor­ma­ler­wei­se nicht ran­kom­men. Sahra Wagen­knecht denkt sich ja nicht, dass es lus­tig wäre, wenn sie sich mal mit Mas­siv unter­hal­ten wür­de. Des­we­gen sehe ich das schon sehr kri­tisch – auch gewis­se Rap­per, die sich mit CDU-​Mitgliedern foto­gra­fie­ren las­sen. Es muss nicht immer gegen das Sys­tem sein, aber die Art und Wei­se ist entscheidend.

MZEE​.com: In dei­nem Song "Pass auf dich auf" rappst du: "Wenn du nachts S-​Bahn fährst nach Lich­ten­berg, dann pass auf dich auf. Und ver­trau dei­ner Faust, noch viel bes­ser, Bru­der, lauf. Denn hin­ter blau­en Lich­tern schimmеrt's braun." – Aus wel­cher Zeit stam­men die­se Zeilen?

Sav­vy: Ich wür­de sagen, die­se Zei­len kom­men aus der Zeit, als ich zwi­schen 18 und 20 Jah­re alt war. Ein­mal hat jemand in der Stra­ßen­bahn einen Hit­ler­gruß gemacht, ich habe ihn kon­fron­tiert und wur­de ange­grif­fen. Damals hat­te ich oft Angst, vor allem vor ras­sis­ti­schen Über­grif­fen durch Nazis. Momen­tan fin­de ich aber vor allem auch die Poli­zei­ge­walt besorg­nis­er­re­gend. Allein, was auf den Palästina-​Demos in Ber­lin pas­siert, ist abso­lut erschre­ckend. Egal, ob es um Nazis oder die Poli­zei geht – sie geben sich ja auch ger­ne mal die Hand –, habe ich schon das Gefühl, dass sich gera­de wie­der etwas zuspitzt. Letz­tens war in Fried­richs­hain eine rech­te Demo, die durch die Riga­er Stra­ße füh­ren soll­te. Das ist hier die lin­ke Hoch­burg mit vie­len besetz­ten Häu­sern, also die rei­ne Pro­vo­ka­ti­on. Die Rou­te wur­de zum Glück nicht geneh­migt, sie sind dann aber trotz­dem mit Sprin­ger­stie­feln, Deutschland-​Patches, White-​Power-​Zeichen und Ostdeutschland-​Rufen durch Fried­richs­hain gelau­fen. Also so full-​on aggres­siv und pro­vo­kant. Und die durf­ten lau­fen. Zu kei­nem Zeit­punkt konn­te die Gegen­de­mo irgend­wie ran, alle Sitz­blo­cka­den wur­den mit Gewalt und Pfef­fer­spray geräumt. Dass sol­che Leu­te von der Poli­zei geschützt wer­den, ist halt ein Sinn­bild dafür, dass etwas in eine ganz fal­sche Rich­tung läuft. Das sind ja auch größ­ten­teils jun­ge Men­schen. In Ber­lin zum Bei­spiel führt "Der Drit­te Weg" Kampf­sport­trai­nings in öffent­li­chen Parks durch. Und das in einem lin­ken Kiez. Das ist doch krass.

MZEE​.com: Du hast dich frü­her auch viel in Antifa-​Kreisen bewegt – hast du das bewusst geändert?

Sav­vy: Das war ein ziem­lich natür­li­cher und nicht bewuss­ter Pro­zess. Im End­ef­fekt habe ich mit einem Kum­pel, der dort akti­ver war, viel Musik gemacht. Dadurch hat er uns die ers­ten Auf­trit­te klar­ge­macht, aber ich war nie ein wirk­lich akti­ver Teil. Das wür­de ich mir nicht anma­ßen zu sagen, weil ich auch wesent­lich weni­ger Risi­ken aus­ge­setzt war als ande­re dort. Wir haben ein­fach öfter auf Demos und Soli­par­tys gespielt. Die Freund­schaft und auch das Musik­ding haben sich aus­ein­an­der­ge­lebt und dadurch war ich auch weni­ger in die­sen Krei­sen unter­wegs. Aber ohne die Anti­fa hät­ten Nazis schon viel frü­her Ein­zug in unse­re Kieze gehal­ten – das ist wich­tig dazu­zu­sa­gen. Per­sön­lich kom­me ich da aber wie­der an den Punkt, für was man Kapa­zi­tä­ten hat und wel­che Kämp­fe man füh­ren möch­te und kann. Wenn Nazis durch mei­nen Kiez lau­fen, bin ich Teil der Blo­cka­de, aber ich bin nicht drau­ßen und jag' Faschos oder so. Ich glau­be, es gibt gera­de eine wich­ti­ge Auf­ga­be, für die wir uns so ver­ei­nen müs­sen, und wie sich die Mei­nun­gen dann im Detail ver­lau­fen, spielt dabei weni­ger eine Rolle.

MZEE​.com: Wir wer­den uns ja in ein paar Wochen noch mal zusam­men­set­zen und dar­über spre­chen, was seit die­sem Gespräch alles pas­siert ist. Was hoffst du für die kom­men­de Wahl und unser Gespräch?

Sav­vy: Es geht nicht nur um Migra­ti­ons­po­li­tik, son­dern auch um Gleich­be­rech­ti­gung, den Schutz von Frau­en, quee­ren Men­schen oder Men­schen mit chro­ni­schen Krank­hei­ten. Die AfD plant bei­spiels­wei­se gra­vie­ren­de Ein­schnit­te im Gesund­heits­sys­tem. Mei­ne Frau ist Dia­be­ti­ke­rin, und wenn Insu­lin plötz­lich 300 Dol­lar kos­tet, wie unter Trump in den USA, ist das lebens­be­droh­lich. The­men wie Frau­en­quo­ten oder Inklu­si­on ste­hen auf dem Spiel. Vie­les, wofür jah­re­lang gekämpft wur­de, wür­de mit einer AfD in der Regie­rung schnell ver­schwin­den. Die Aus­wir­kun­gen wären gra­vie­rend, und ich glau­be, vie­len ist nicht bewusst, wie tief die­se Ein­schnit­te gehen wür­den – nicht nur für Min­der­hei­ten. Vie­le unter­schät­zen, wie stark eine AfD-​Regierung unser gesell­schaft­li­ches Gefü­ge ver­än­dern wür­de. Und die Men­schen, die die AfD jetzt aus Pro­test wäh­len, wer­den sich wun­dern, wenn ihre eige­nen Lebens­be­rei­che betrof­fen sind. Ich hof­fe also, dass die lin­ke Oppo­si­ti­on stark wird.

MZEE​.com: Was möch­test du zum Abschluss noch sagen?

Sav­vy: Wir müs­sen gut auf­ein­an­der auf­pas­sen, Rück­sicht neh­men und dür­fen trotz allem die Hoff­nung nicht ver­lie­ren. Ohne Hoff­nung fehlt die Kraft für die not­wen­di­gen Kämp­fe. Und: wäh­len gehen. Wäh­len gehen gegen rechts!

(Yas­mi­na Rossmeisl)
(Fotos von Cla­ra Renner)