Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen – schon wieder gab es in den letzten Wochen musikalische Jahresbestenlisten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob generell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wurde rauf und runter bewertet, als gäb's kein Morgen mehr. Da machen wir natürlich mit! … kleiner Scherz. Aber: Über manche Songs und Alben möchten wir doch noch ein paar Worte verlieren. Musikalische Werke, die uns im vergangenen Jahr im Bereich Rap, vornehmlich deutschem Rap, begeistert und beeindruckt haben. Die in uns etwas ausgelöst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgendeinem weiteren Grund, den wir Euch gerne verraten, noch einmal besonders hervorheben möchten. In diesem Sinne: Vorhang auf für unseren Jahresrückblick, verpackt in die schöne Hülle des musikalischen MZEE Recaps 2024.
Du hast wohl Beef mit mir, aber mich juckt kein Prozent.
Damals in 36, hatte Migräne schon mit 12.
Im Jahr 2024 hat die Musikszene viele bemerkenswerte Veröffentlichungen erlebt, aber keine hat mich so abgeholt wie Wa22ermanns Album "22:22". Das Zitat am Anfang dieses Abschnitts stammt aus dem ersten Track "Naan & Lassi" und bringt für mich die gesamte Attitüde der "22:22"-Platte in zwei Zeilen auf den Punkt. Bis zum Jahr 2024 konnte die Künstlerin bei mir bereits mit ihren Singles und EPs punkten. Mit ihrem dann neu erschienenen Album hat sie ihre Attitüde auf ein Level gehoben, bei dem ich mich ernsthaft frage: Wie kann sie das noch toppen?
Sie präsentiert mit ihrem Debütalbum "22:22" ein kraftvolles Statement, die Tracks sind geprägt von harten Beats und politischen Texten, die das Leben in Berlin-Kreuzberg authentisch widerspiegeln. Sie setzt auf eine Mischung aus Selbstbewusstsein und kritischer Reflexion. Ihre Fähigkeit, Geschichten mit einer Melange aus Abgeklärtheit und Selbstbewusstsein zu erzählen, hebt sie von vielen anderen Künstler:innen ab. Sie behandelt komplexe Themen mit einer Leichtigkeit, die sowohl unterhaltsam als auch tiefgründig ist. Das Ganze hat sie mit der Auswahl ihrer Features – Donna Savage aus Wien und OG LU aus Frankfurt – in ein Album verpackt. In "Naan & Lassi" rappt Wa22ermann scharfe Zeilen über den Beat von Palazzo, der untermalt ist von sanften Bässen. Sie nimmt ihre Konkurrenz ins Visier und bildet textlich einen spannenden Kontrast zu dem eher ruhigen Beat. Diese Dualität zieht sich durch das gesamte Album. In "Khudahafiz" schafft ATP Beatz beispielsweise eine Balance zwischen modernen Instrumentals und traditionellen Einflüssen. Hier treffen orientalische Klänge auf moderne Rap-Elemente und schlagen so eine Brücke zwischen den zwei Kulturen, in denen Wa22ermann sozialisiert wurde. Sie scheut sich nicht, ihre Wurzeln und Identität in ihrer Musik zu thematisieren.
Mit der Wahl ihrer Features zeigt Wa22ermann zum einen, wie wichtig ihr die Zusammenarbeit mit Frauen ist, zum anderen ehrt sie in genau diesen beiden Feature-Tracks andere Rapperinnen, die ihr und anderen Frauen den Weg in die HipHop-Szene geebnet haben. "Kitty Kat Flow" mit OG LU zollt der Rapperin Kitty Kat Respekt – der Song ist eine Hommage an weibliche Vorbilder im HipHop. "Dickes Fell" mit Donna Savage ehrt Künstlerinnen wie Missy Elliott oder Shirin David und betont die Bedeutung starker weiblicher Vorbilder.
Wa22ermann hat es meiner Meinung nach geschafft, ein Werk zu konzipieren, das sowohl zum Nachdenken anregt als auch zum Tanzen einlädt. Die Texte sind durchzogen von einer klaren Botschaft: Sie ist hier, um zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen. Ihre Mischung aus Selbstlob und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen macht "22:22" zu einem bemerkenswerten Debütalbum.
(Lena Pinto)