Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen – schon wieder gab es in den letzten Wochen musikalische Jahresbestenlisten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob generell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wurde rauf und runter bewertet, als gäb's kein Morgen mehr. Da machen wir natürlich mit! … kleiner Scherz. Aber: Über manche Songs und Alben möchten wir doch noch ein paar Worte verlieren. Musikalische Werke, die uns im vergangenen Jahr im Bereich Rap, vornehmlich deutschem Rap, begeistert und beeindruckt haben. Die in uns etwas ausgelöst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgendeinem weiteren Grund, den wir Euch gerne verraten, noch einmal besonders hervorheben möchten. In diesem Sinne: Vorhang auf für unseren Jahresrückblick, verpackt in die schöne Hülle des musikalischen MZEE Recaps 2024.
Ich sag', bald geh'n wir, wenn ihr so weitermacht.
Dicka, meine Welt brennt, wo ist die Leidenschaft?
Schon wieder ein neu gesampelter alter Song und schon wieder ein Rapsong mit einem alteingesessenen Musiker als Featuregast? Hatten wir davon nicht schon genug in letzter Zeit, wie Apache207 mit Udo Lindenberg und Ski Aggu mit Otto Waalkes? Das sind meine ersten Gedanken, als ich mitbekomme, dass $OHO BANI einen Song mit dem musikalischen Urgestein Herbert Grönemeyer rausbringen wird. Meine Meinung habe ich dann aber ganz schnell geändert. Denn $OHO BANI bleibt dem Original treu und hat gleichzeitig einen Song geschrieben, der aktueller nicht sein könnte.
Genauso wie Herbert Grönemeyer es 2006 geschafft hat, den damaligen Zeitgeist einzufangen, schafft das auch $OHO BANI: Das Original erschien zur Fußball-Weltmeisterschaft, letztes Jahr erschien der Song zur Europameisterschaft. $OHO BANI entwickelte den Song weiter und verlieh ihm, ganz in Grönemeyers Sinne, einen sehr politischen Einschlag. Von Hoffnungslosigkeit und Schwarzmalerei jedoch keine Spur. Mit Lyrics, die man – wie vom Rapper aufgefordert – gut auswendig lernen kann, fing der Künstler das Gefühl von Frustration und Tatendrang ein, das wohl viele von uns aktuell plagt. Auf subtile Art und Weise spricht er von Rassismus, er prangert den Status quo an, er animiert zum Ungehorsam. Dazu passt ebenso die düstere Stimmung im Musikvideo, in dem Protestierende auf Polizeikräfte treffen.
Diese politische Message findet sich auch in $OHO BANIs Äußerungen im Rahmen seiner Machiavelli-Session wieder. Er distanziert sich bewusst von Rap, in dem es nur um Oberflächlichkeiten geht und plädiert für eine Umverteilung von Ressourcen. Zudem ist er sich bewusst, dass ein Song keine Veränderung per se hervorbringen, aber womöglich die Zuhörenden dazu animieren kann, auf eine Demo zu gehen und für ihre und die Rechte anderer einzustehen.
Zu dieser Aufbruchstimmung in den Lyrics passt wunderbar die voluminöse Melodie, die von Streicher:innen und Chor getragen und von Ericson, den Drunken Masters sowie dem Rapper selbst mit einem epischen Beat untermauert wurde. Ich bekomme bei so viel Rap-Orchestermusik direkt Gänsehaut und habe mir die Machiavelli-Session gleich ein paar mal hintereinander reingezogen. Der Song funktioniert vermutlich nicht als Partylied und doch kann er wahrscheinlich eine große Menge Menschen zum Beben bringen. Da kann man ja nur in Aufbruchstimmung kommen.
(Emily Niklas)