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MZEE Recap 2024: #16 "Dark Times" von Vince Staples

2024 ist vor­bei, aber man­che Tracks und Alben blei­ben uns im Gedächt­nis – und in unse­ren Play­lists. Im MZEE Recap 2024 stel­len wir Euch noch mal musi­ka­li­sche Wer­ke vor, die uns beson­ders beein­druckt haben. Heu­te: "Dark Times" von Vin­ce Staples.

Schon wie­der hat ein neu­es Jahr begon­nen – schon wie­der gab es in den letz­ten Wochen musi­ka­li­sche Jah­res­bes­ten­lis­ten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob gene­rell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wur­de rauf und run­ter bewer­tet, als gäb's kein Mor­gen mehr. Da machen wir natür­lich mit! … klei­ner Scherz. Aber: Über man­che Songs und Alben möch­ten wir doch noch ein paar Wor­te ver­lie­ren. Musi­ka­li­sche Wer­ke, die uns im ver­gan­ge­nen Jahr im Bereich Rap, vor­nehm­lich deut­schem Rap, begeis­tert und beein­druckt haben. Die in uns etwas aus­ge­löst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgend­ei­nem wei­te­ren Grund, den wir Euch ger­ne ver­ra­ten, noch ein­mal beson­ders her­vor­he­ben möch­ten. In die­sem Sin­ne: Vor­hang auf für unse­ren Jah­res­rück­blick, ver­packt in die schö­ne Hül­le des musi­ka­li­schen MZEE Recaps 2024.

 

Zoned in, wai­tin' for my favo­ri­te song.

Vin­ce Stap­les zeich­net sich durch eine unver­kenn­ba­re künst­le­ri­sche Hand­schrift aus, die tief­grün­di­ge Tex­te – sowohl intro­spek­tiv als auch gesell­schafts­kri­tisch – mit inno­va­ti­ven Pro­duk­tio­nen ver­bin­det. Sein aktu­el­les Album "Dark Times" mag kei­ne groß­ar­ti­gen Über­ra­schun­gen bereit­hal­ten, son­dern viel­mehr den roten Faden sei­nes bis­he­ri­gen musi­ka­li­schen Schaf­fens wei­ter­spin­nen, doch es hat mich auch des­halb so begeis­tert. Es lie­fert genau das, was ich mir von einem Vin­ce Stap­les-Album erhof­fe: eine düs­te­re, nach­denk­li­che Refle­xi­on dar­über, was uns zu dem Men­schen formt, der wir sind. Was prägt uns? War­um füh­ren wir zwi­schen­mensch­li­che Bezie­hun­gen so, wie wir es tun, und wel­che Kon­se­quen­zen hat das?

Das nun­mehr letz­te Album, das der Kali­for­ni­er über Def Jam releas­te, hat mei­ner Mei­nung nach sei­ne Höhe­punk­te mit "Shame On The Devil", "Étouf­fée" und "Radio". Dabei ist für mich die Aus­ein­an­der­set­zung mit tief­ge­hen­den Berüh­run­gen in zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen und die Schwie­rig­keit, sich zu öff­nen, auf "Shame On The Devil" beson­ders ein­drück­lich. Auch die Geschich­te eines Ver­lus­tes auf "Étouf­fée" sowie die Beschrei­bung der musi­ka­li­schen Sozia­li­sa­ti­on des Künst­lers in "Radio" las­sen tief bli­cken. Hin­zu kommt, dass der Rap­per aus Long Beach sehr gekonnt dar­in ist, klei­ne Schön­hei­ten zwi­schen sei­nen Songs unter­zu­brin­gen. "Liars" zum Bei­spiel ist ein melo­disch unter­leg­ter kur­zer Aus­schnitt eines Gesprächs zwi­schen der Schrift­stel­le­rin Nik­ki Gio­van­ni und dem Autor James Bald­win: "'Cau­se what the hell do I care about the truth? I care if you're the­re." Und auch das Intro "Clo­se Your Eyes And Swing" lei­tet auf per­fek­te Wei­se in die Atmo­sphä­re des Albums ein und setzt den Ton für das, was fol­gen wird.

"Dark Times" ist die Ver­söh­nung mit der Ver­gan­gen­heit und das Ende eines Kapi­tels – und genau so fühlt es sich beim Hören auch an. Sei es als Gan­zes oder in Form ein­zel­ner Songs, die sich in mei­nen Play­lists wie­der­fin­den: Die Musik von Vin­ce Stap­les berei­tet mir in ihrer aktu­el­len Form gro­ße Freu­de. Zudem passt sie per­fekt zum grau melier­ten Win­ter­him­mel, der einen gera­de beglei­tet – "Why Won't The Sun Come Out?".

(Yas­mi­na Rossmeisl)