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MZEE Recap 2024: #07 "Wilmersdorfs Kind" von Ski Aggu

2024 ist vor­bei, aber man­che Tracks und Alben blei­ben uns im Gedächt­nis – und in unse­ren Play­lists. Im MZEE Recap 2024 stel­len wir Euch noch mal musi­ka­li­sche Wer­ke vor, die uns beson­ders beein­druckt haben. Heu­te: "Wil­mers­dorfs Kind" von Ski Aggu.

Schon wie­der hat ein neu­es Jahr begon­nen – schon wie­der gab es in den letz­ten Wochen musi­ka­li­sche Jah­res­bes­ten­lis­ten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob gene­rell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wur­de rauf und run­ter bewer­tet, als gäb's kein Mor­gen mehr. Da machen wir natür­lich mit! … klei­ner Scherz. Aber: Über man­che Songs und Alben möch­ten wir doch noch ein paar Wor­te ver­lie­ren. Musi­ka­li­sche Wer­ke, die uns im ver­gan­ge­nen Jahr im Bereich Rap, vor­nehm­lich deut­schem Rap, begeis­tert und beein­druckt haben. Die in uns etwas aus­ge­löst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgend­ei­nem wei­te­ren Grund, den wir Euch ger­ne ver­ra­ten, noch ein­mal beson­ders her­vor­he­ben möch­ten. In die­sem Sin­ne: Vor­hang auf für unse­ren Jah­res­rück­blick, ver­packt in die schö­ne Hül­le des musi­ka­li­schen MZEE Recaps 2024.

 

Wer hört Ski Aggu auf Ernst?
Wer geht ernst­haft auf ein Ski Aggu-Konzert?

Ich füh­le mich aktu­ell ein biss­chen an mein 13-​jähriges Ich erin­nert. Damals him­mel­te ich einen Rap­per mit Pan­da­mas­ke an. Heu­te ist es ein Rap­per mit Ski­bril­le. Und egal ob die Mas­kie­rung ein Marketing-​Gag sein oder dem per­sön­li­chen Schutz die­nen soll, sie kom­plet­tiert das Bild eines Künst­lers, der die Deutschrap­sze­ne ordent­lich auf­mischt – ob man sei­ne Musik nun mag oder nicht.

Es lohnt sich, Ski Aggus drit­tes Album "Wil­mers­dorfs Kind" am Stück anzu­hö­ren. Zum einen gehen die Songs naht­los inein­an­der über und zwei Inter­lu­des bie­ten Hin­ter­grund­in­fos zur Ent­ste­hung der Tracks. Zum ande­ren macht das Intro Refe­ren­zen zu eini­gen von Aggus älte­ren Releases, dar­un­ter "miet­frei" und "Par­ty Sah­ne", auf denen das neue Album auf­baut. Das Out­ro, beti­telt mit "intro für mein nächs­tes album", bie­tet in die­sem Sin­ne einen Aus­blick in die Zukunft. Das ech­te Intro hin­ge­gen ist ein Atzen­lied zum Mitgröh­len à la "Dis­co Pogo", wie man es von Ski Aggu bereits kennt. Doch das Album ist unglaub­lich viel­sei­tig. Genre-​technisch sind sei­ne Songs von Drill, House, Indie und Tech­no geprägt. Außer­dem macht Aggu nicht nur Par­ty, son­dern er zeigt sich von sei­ner emo­tio­na­len Sei­te und spricht über sei­ne Erfol­ge. Er reflek­tiert sich selbst, aber reflek­tiert auch sein Reflek­tie­ren: "Krass reflek­tiert, wa'? Doch ich laber nur, Baby, ich änder' nie was." Was er auf jeden Fall ändert: das Bild von tra­di­tio­nel­len Geschlech­ter­rol­len im deut­schen Rap. Nach­dem er in der Ver­gan­gen­heit bereits mit einem Buch der bri­ti­schen Femi­nis­tin Flo­rence Given auf Social Media posier­te und auf "MAXIMUM RIZZ" für ein­ver­nehm­li­ches Flir­ten plä­diert, lässt er sich auf sei­nem neu­en Album die Nägel lackie­ren, tanzt "bauch­frei im Club", spricht expli­zit über Sex und bricht mit dem gene­ri­schen Mas­ku­li­num: "Eine Schwes­ter ist DJ, sie zückt ekli­ge Songs."

Zum Gesamt­kunst­werk des Albums gehö­ren auch die visu­el­len Ele­men­te im typi­schen Aggu-Style, unter ande­rem wirkt das Cover wie eine bil­li­ge Photoshop-​Bearbeitung. Die­se nicht kon­for­me Ästhe­tik setzt sich in den Song­ti­teln des Albums fort, zum Bei­spiel sind eini­ge nur in Groß-, ande­re nur in Klein­buch­sta­ben geschrie­ben. Visu­ell spie­gelt all das wider, wofür Ski Aggu steht: für aktu­el­le Trends wie Techno-​Partys und das Come­back der 2000er, aber auch dafür, dass er mit alten Mus­tern bricht, indem er die Sze­ne ein biss­chen hops nimmt und sich einen Femi­nis­ten nennt. Ski Aggu bringt dadurch Enter­tain­ment und poli­ti­sches Den­ken unter einen Hut – oder bes­ser gesagt, unter einen Skihelm.

(Emi­ly Niklas)