Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen – schon wieder gab es in den letzten Wochen musikalische Jahresbestenlisten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob generell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wurde rauf und runter bewertet, als gäb's kein Morgen mehr. Da machen wir natürlich mit! … kleiner Scherz. Aber: Über manche Songs und Alben möchten wir doch noch ein paar Worte verlieren. Musikalische Werke, die uns im vergangenen Jahr im Bereich Rap, vornehmlich deutschem Rap, begeistert und beeindruckt haben. Die in uns etwas ausgelöst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgendeinem weiteren Grund, den wir Euch gerne verraten, noch einmal besonders hervorheben möchten. In diesem Sinne: Vorhang auf für unseren Jahresrückblick, verpackt in die schöne Hülle des musikalischen MZEE Recaps 2024.
We went from rags to riches.
And we got a wee machine that's be cleaning our dishes.
Du weißt, dass du nicht mehr am Puls der Zeit bist, wenn du durch das Feuilleton Alben und Artists kennenlernst. So ist es mir bei KNEECAP und der Online-Ausgabe der ZEIT ergangen. Ein Moment, der mich betroffen und ratlos zurückgelassen hat. Dennoch eine wertvolle Erfahrung, denn das dort vorgestellte Album "Fine Art" lohnt sich wirklich. Die drei Nordiren führen auf dem Album durch eine lange Nacht voller drogenindizierter Ekstase, verrauchter Kneipen, Raver:innen und Engländer:innen, denen man alles verkaufen kann (aber nur Letztere werden über den Tisch gezogen).
Musikalisch ist das alles zwar spannend, doch auch nicht unbedingt bahnbrechend. Orientiert an der Doku "Dancing on Narrow Ground" finden sich viele Referenzen auf Dance Music der 90er Jahre. Die hochgehaltene Identifikation mit der nordirischen Kultur findet sich in Flötensamples und so mancher melodischen Hook wieder. Was Band und Album aber wirklich hervorstechen lassen, sind die Energie und Sprache. Gut die Hälfte des Albums ist auf Irisch-Gälisch, das von weniger als 100 000 Menschen gesprochen wird. Trotzdem reichen die eingeworfenen englischen Zeilen und vor allem die schon erwähnte Power, mit der hier gerappt wird, um die ganze Zeit am Ball zu bleiben. Inhaltlich geht es um Realitätsflucht, Wut auf das schlechte Leben, Liebe und das schöne Gefühl, manchmal doch ein bisschen mehr Geld in der Tasche zu haben.
KNEECAP sind sprachlich um Welten konsequenter als "Hinterhofjargon", politisch brisanter und relevanter, als K.I.Z es jemals sein könnten, und so sympathisch-rough, wie Teuterekordz gerne wären. Die halbironische (V-)Erklärung vom politischen Kampf gegen die englische Besatzung, die permanent zumindest mitschwingt, ist dabei nur die Kirsche auf der Torte.
(Simon Back)