Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen – schon wieder gab es in den letzten Wochen musikalische Jahresbestenlisten auf die Ohren, so weit das Auge reicht. Ob generell Musik oder "nur" Rap, ob Alben oder Tracks – alles wurde rauf und runter bewertet, als gäb's kein Morgen mehr. Da machen wir natürlich mit! … kleiner Scherz. Aber: Über manche Songs und Alben möchten wir doch noch ein paar Worte verlieren. Musikalische Werke, die uns im vergangenen Jahr im Bereich Rap, vornehmlich deutschem Rap, begeistert und beeindruckt haben. Die in uns etwas ausgelöst und uns bewegt haben. Oder die wir aus irgendeinem weiteren Grund, den wir Euch gerne verraten, noch einmal besonders hervorheben möchten. In diesem Sinne: Vorhang auf für unseren Jahresrückblick, verpackt in die schöne Hülle des musikalischen MZEE Recaps 2024.
Wenn sie mich nicht lieben, wer liebt mich dann?
Wie kann ich mich denn lieben, wenn sie's nicht kann?
In einem Interview sagte Ebow kürzlich, auf ihren Konzerten heulten die Fans meist an zwei Stellen: bei "Free." und bei "Ebru's Story". Ähnlich empfand ich es auch beim Anhören ihrer neuesten Platte "FC Chaya".
"Free." packt den Schmerz, den viele Menschen mit Migrationsbiografie empfinden, so einfühlsam in Worte, dass man sofort einen riesigen Kloß im Hals verspürt. Die Zeile "Hoffnung fühlt sich gerade an wie ein leeres Wort – doch hoffnungslos zu sein, wäre mein eigener Tod" trifft den Nerv der Zeit und ist in 2024 leider eine sehr treffende Zustandsbeschreibung.
Bei Ebow ist aber auch das Private politisch. Schon immer ist sie unter den türkischstämmigen Migrant:innen die Kurdin, unter den Kurd:innen die Alevitin und unter den Alevit:innen die lesbische Frau. Auch wenn das alles schon in ihren letzten Alben zur Sprache kam, gibt es mir genau diese Hoffnung zurück, ihre Geschichte vom "Geheimnis, das ich trug, seitdem ich klein bin. Betete zu Gott, er soll mich heilen." aus "Ebru's Story" bis hin zur erwachsenen, unverzagten Ebow in "Lesbisch" mitzuverfolgen.
Neben den persönlichen und gesellschaftlich relevanten Themen bietet "FC Chaya" auch universellere Tracks: Mit "Juicy" und "Big Simpin" etwa liefert Ebow soulige Banger, die zum Feiern einladen. "Lightspeed" verhandelt Beziehungsprobleme, mit denen man auch relaten kann, wenn man nicht queer ist. Das ganze Album ist durchzogen von Zeilen, die zum Nachdenken anregen und bei denen man das Gefühl hat, nicht allein zu sein.
(Kerstin Klein)