"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Un corazón emoji, yo sé que significa" – zu Deutsch "ein Emoji-Herz, ich weiß, was das bedeutet". Und wirklich, wenn von Young Miko die Rede ist, sehe ich nur noch rosarot. Zum ersten Mal bin ich auf die Künstlerin aus Puerto Rico durch Zufall auf YouTube gestoßen. Dabei wurde mir eine Studio-Version ihres Songs "Riri" vorgeschlagen, auf welchem ihr Producer Mauro den Klassiker "Teach Me How to Dougie" samplet. Und obwohl ich kaum Spanisch spreche, ist mir ihr Flow direkt im Kopf geblieben.
Wenn sie mit ihrer etwas rauen, aber dennoch soften Stimme singt oder rappt, klingt das immer so, als würde sie gerade auf dem Sofa chillen. Und gleichzeitig, oder vielleicht gerade deswegen, bringt sie eine sehr vertraute Stimmung zustande. Dadurch schafft sie es einerseits, eine gewisse Intimität zu erzeugen, und andererseits, Feel-Good-Musik zu machen, bei der man ihr verschmitztes Grinsen heraushört. Einer meiner Lieblingssongs auf ihrem Debütalbum "att." ist daher "princess peach". Das knallbunte Musikvideo und die gute Laune, die der Song vermittelt, stehen im Gegensatz zu der toxischen Liebesbeziehung, um die es anscheinend geht. Ebenso vielseitig ist die Bandbreite an Songs auf dem Album, die sich von poppigen Balladen über tanzbare Trap-Beats bis zu "MADRE" erstreckt, einem queeren Partysong, welcher die transweibliche, nicht-binäre Künstlerin Villano Antillano featuret und den ich irgendwo zwischen Hyperpop und House einordnen würde. Dieser ist ein perfektes Beispiel für Mikos Auftreten als Botschafterin der LGBTQIA+-Community, da sie in vielen ihrer Lieder ihre Homosexualität thematisiert. Und auch innerhalb jedes einzelnen Songs passiert unglaublich viel. "tamagotchi" beginnt beispielsweise mit einem hohen Synthesizer-Sample, wozu später unter anderem ein klassischer Reggaeton-Beat, rockige Gitarrenriffs und Schlagzeug hinzukommen. Diese Abwechslung holt mich total ab.
Ich habe ein Faible für Künstler:innen, die sich gerne von unterschiedlichen Einflüssen inspirieren lassen, diese auch schätzen und dadurch die Grenzen verschiedener Genres überwinden. Da meine Spanischkenntnisse eben sehr begrenzt sind, kann ich nicht viel zur Bedeutung ihrer Lyrics sagen, aber ich fühle ihre Musik einfach, wie jugend so sagt. Das Gesamtpaket Young Miko erfüllt mir somit einen Fan-Traum, an den andere Artists nur schwer rankommen werden.
(Emily Niklas)