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Interview

Ebow – ein Gespräch über weibliche Vorbilder

"Für mich als Künst­le­rin war klar, dass ein Album mit les­bi­schen Lie­bes­lie­dern im deutsch­spra­chi­gen Rap fehlt und ich das machen woll­te. Sol­che Songs hät­ten mir als Kind viel bedeu­tet." – Ebow im Gespräch über die Bedeu­tung von weib­li­chen Vor­bil­dern, Queer-​sein und künst­le­ri­sche Verantwortung.

Pop­stars wie Tay­lor Swift haben eine enor­me Vor­bild­funk­ti­on: Sie errei­chen nicht nur mit ihrer Musik, son­dern auch durch ihr Enga­ge­ment und ihre Hal­tung Mil­lio­nen Men­schen zu wich­ti­gen gesell­schaft­li­chen The­men. Durch die Bot­schaf­ten, die Musi­ke­rin­nen wie sie in ihren Song­tex­ten ver­mit­teln, geben sie vor allem Frau­en und quee­ren Per­so­nen die Mög­lich­keit, sich mit ihren Wer­ten zu iden­ti­fi­zie­ren. Doch nicht nur in der Pop­mu­sik spie­len weib­li­che Vor­bil­der eine wich­ti­ge Rol­le. Beson­ders im Rap – einem der popu­lärs­ten Gen­res heut­zu­ta­ge, das immer noch von Män­nern domi­niert wird – ist es wich­tig, dass die­se Per­spek­ti­ven sicht­bar wer­den. Denn hier­bei geht es um mehr als nur Musik: Es geht um Empower­ment, Prä­senz und Selbst­be­wusst­sein. Die Rap­pe­rin Ebow ver­kör­pert genau die­se Schlag­wör­ter. Mit ihrer Musik durch­bricht sie bestehen­de Vor­ur­tei­le und stellt sich gegen patri­ar­cha­le Struk­tu­ren, indem sie auf Viel­falt und neue Per­spek­ti­ven setzt. Im Inter­view sprach sie über die Bedeu­tung weib­li­cher Vor­bil­der, ihre Ver­ant­wor­tung als Künst­le­rin und wie sie mit ihren Songs ins­be­son­de­re die les­bi­sche Com­mu­ni­ty anspricht.

MZEE​.com​: Zum Ein­stieg wür­de ich ger­ne wis­sen, wer dei­ne per­sön­li­chen Vor­bil­der sind.

Ebow: Wenn man älter ist, hat man nicht mehr das Gefühl, dass Per­so­nen eine kras­se Vor­bild­funk­ti­on für einen haben, weil man erkennt, dass das alles auch nur Men­schen sind. Mis­sy Elliott ist schon seit dem Teen­ager­al­ter ein Vor­bild für mich. Sie war mein ers­tes Idol. Es gab zu der Zeit vie­le ande­re Rap­pe­rin­nen, die ich auch cool fand, aber Mis­sy Elliott hat etwas Beson­de­res aus­ge­strahlt. Sie hat mir gezeigt, dass man nicht super­fe­mi­nin sein oder einem Schön­heits­ide­al ent­spre­chen muss, das damals wie heu­te so stark pro­pa­giert wird. Sie war ein­fach sie selbst. Dar­in habe ich mich gese­hen. Es hat mir gezeigt, dass ich auch rap­pen und mit mei­ner Musik erfolg­reich sein kann, ohne gewis­sen Nor­men zu ent­spre­chen. Aus ande­ren Berei­chen sehe ich Enis­sa Ama­ni als ein Vor­bild. Vie­le mei­ner Vor­bil­der sind nicht so bekannt, weil es Akti­vis­tin­nen sind, die nicht so prä­sent auf Social Media sind. Vie­le rich­ti­ge Hel­din­nen ken­nen wir viel­leicht gar nicht, weil sie sich eben nicht so gut selbst pro­mo­ten kön­nen oder wollen.

MZEE​.com​: Wel­che Eigen­schaf­ten sind es, die dich an den Per­so­nen beson­ders beeindrucken?

Ebow: Mut ist etwas, das ich bewun­de­re. Cool­ness ist etwas, das man auch ger­ne bei sich selbst sehen wür­de. Natür­lich auch Krea­ti­vi­tät und wie die Leu­te mit dem, was sie machen, umgehen.

MZEE​.com​: Hat sich das mit der Zeit ver­än­dert? Gibt es mitt­ler­wei­le viel­leicht Leu­te, die du frü­her cool fan­dest und jetzt nicht mehr? 

Ebow: M.I.A. war für mich mal ein Vor­bild. Lei­der ist sie ein biss­chen abge­drif­tet und ist jetzt Trump-​Supporterin. Leu­te sagen über sie, dass die alte M.I.A. die jet­zi­ge gehasst hät­te. Ich war mal ein gro­ßer Fan von ihr, aber ich kann das, wofür sie jetzt steht, nicht mehr ver­tre­ten. Dazu kommt, dass ich an ihr bewun­dert habe, dass sie eine poli­tisch akti­ve Künst­le­rin war, die sich für Sachen aus­ge­spro­chen hat, was sich ande­re Künst­ler nicht getraut haben.

MZEE​.com​: Dei­ne Mut­ter war im Vor­sitz der Ale­vi­ti­schen Gemein­de und du hast sie oft auf Demos lau­fen oder auf Büh­nen spre­chen sehen. Man könn­te sagen, du bist mit einem star­ken, weib­li­chen Vor­bild auf­ge­wach­sen. In wel­chen Aspek­ten hat dei­ne Mut­ter dich beson­ders geprägt?

Ebow: Mich hat stark geprägt, dass ich mei­ne Mama schon sehr jung immer vor vie­len Men­schen reden gese­hen habe. Sie hat vor Zehn­tau­sen­den gespro­chen. Dadurch habe ich gemerkt, dass ihre Stim­me wich­tig ist und Leu­te ihr zuhö­ren. Das hat mich total geprägt, aber ich habe es erst im Nach­hin­ein gemerkt. Es hat sich auf mein Selbst­be­wusst­sein aus­ge­wirkt und etwas mit mir gemacht, da es für mich natür­lich war, mei­ne Mut­ter so zu sehen. Als Kind oder Teen­ager hat­te ich nie Angst davor, sel­ber auf der Büh­ne zu ste­hen und mei­ne Gedan­ken oder Tex­te vorzutragen.

MZEE​.com​: Du rappst: "Mein Baba ist ein Femi­nist, dei­ner ist ein Weich­ei." – Wel­che Rol­le hat Femi­nis­mus in dei­nem Eltern­haus gespielt?

Ebow: Ich kom­me aus einer sehr weib­lich gepräg­ten Fami­lie. Wir sind mehr Frau­en als Män­ner und das spürt man auch. Mei­ne Mama hat­te bei allem mehr zu sagen als mein Papa, nicht gezwun­ge­ner­ma­ßen, son­dern weil es sich auf­grund ihrer Cha­rak­te­re so erge­ben hat. Mei­ne Onkel wür­den nicht über sich sagen, dass sie Femi­nis­ten sind. Aber sie sind den­noch so geprägt wor­den, da sie mit meh­re­ren Schwes­tern auf­ge­wach­sen sind. Ohne dem Gan­zen jetzt einen Stem­pel auf­set­zen zu wol­len, wür­de ich sagen, dass bei uns zu Hau­se eher ein Matri­ar­chat herrschte.

MZEE​.com​: Män­ner, die mit star­ken, weib­li­chen Vor­bil­dern auf­wach­sen, haben ein ganz ande­res Ver­ständ­nis für Femi­nis­mus. Für sie ist es selbst­ver­ständ­lich, dass Frau­en alles tun kön­nen, was sie möch­ten, ohne sich dadurch bedroht zu fühlen.

Ebow: Dar­über habe ich letz­tens mit mei­nem Cou­sin gespro­chen. Er war auch sein Leben lang von star­ken Frau­en umge­ben. Das schüch­tert Men­schen wie ihn dann nicht ein, son­dern hat eine Natür­lich­keit und ist inspi­rie­rend. Mei­ne gan­zen Cou­sins sind die swee­tes­ten Typen.

MZEE​.com​: Wie haben dei­ne männ­li­chen Ver­wand­ten dei­ne femi­nis­ti­sche Ein­stel­lung geprägt? 

Ebow: Mei­ne Cou­sins, mei­ne Onkel und mein Papa haben mir immer das Gefühl gege­ben, dass es völ­lig egal ist, wel­ches Geschlecht ich habe. Sie haben mir ver­mit­telt, dass mei­ne Stim­me zählt und ich mir den Raum neh­men kann, den ich möch­te. Das hat mir ermög­licht, die Per­son zu wer­den, die ich sein will. Ich wur­de total frei erzo­gen. Die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit, die ich dadurch ent­wi­ckelt habe, führ­te aller­dings auch dazu, dass ich als jun­ge Frau Schwie­rig­kei­ten hat­te, wenn ich auf Män­ner traf, die ande­re Vor­stel­lun­gen davon hat­ten, wie Frau­en sein soll­ten. Die­se Män­ner waren nicht dar­an gewöhnt, Frau­en viel Raum zu geben. Das war für mich total ver­wir­rend, weil ich nicht wuss­te, wie ich damit umge­hen soll­te, da ich das nicht kannte.

MZEE​.com​: In dei­ner Musik trans­por­tierst du oft ein Gefühl von Gemein­schaft und schreibst Hym­nen für ver­schie­de­ne Grup­pie­run­gen wie "K4L", "Free" oder "Les­bisch". Was hat dich dazu gebracht, die­se Ver­ant­wor­tung zu übernehmen?

Ebow: Es war kei­ne bewuss­te Ent­schei­dung, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Ich kom­me aus einem poli­ti­schen Haus­halt. Es war nor­mal für mich, dass das auch in mei­ne Musik ein­fließt. Musik und Kunst haben für mich eine gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung. Sie sind nicht nur dafür da, dass ich dadurch als Künst­le­rin pro­fi­tie­re. Es geht viel­mehr dar­um, dass sie etwas mit Men­schen machen. Musik ist etwas Spi­ri­tu­el­les. Sie kann Din­ge bewe­gen und Men­schen direkt ins Herz tref­fen. Man muss sich als Musi­ke­rin dar­über bewusst sein, was für eine Ver­ant­wor­tung mit der Kunst einhergeht.

MZEE​.com​: Wie geht es dir damit, dadurch mög­li­cher­wei­se ein Vor­bild für ande­re zu sein?

Ebow: Ich will kein Vor­bild für irgend­je­man­den sein. Dann wird von einem erwar­tet, dass man feh­ler­frei ist. Ich glau­be, dass jeder Mensch Feh­ler hat. Wir alle ler­nen die gan­ze Zeit dazu und ich habe das Gefühl, wenn man als Vor­bild wahr­ge­nom­men wird, erwar­ten alle, dass man immer rich­tig liegt oder schon aus­ge­lernt hat. Aller­dings fän­de ich den Gedan­ken schön, dass ich jun­ge Mäd­chen inspi­rie­re. Oder dass ich für ande­re Türen auf­ma­chen kann. Denn ich bin Inde­pen­dent Artist und lebe von mei­ner Musik. Ich habe ein tol­les Umfeld und bin dank­bar, dass ich mit den Leu­ten, mit denen ich zusam­men­ar­bei­te, etwas auf­bau­en konn­te, abseits vom Main­stream. Ich hof­fe, dass das viel­leicht ande­re inspi­riert. Das wäre mir lie­ber, als ein Vor­bild zu sein.

MZEE​.com​: Du erwähnst in dei­nen Tex­ten eini­ge ein­fluss­rei­che Frau­en, zum Bei­spiel auf "Puna­ni Power". Dort rappst du: "Bin Fri­da Kahlo der Stra­ßen." Fri­da Kahlo ist eine Künst­le­rin, die mit den tra­di­tio­nel­len Vor­stel­lun­gen von Weib­lich­keit gebro­chen hat. Wie hat sie dich in dei­ner eige­nen Vor­stel­lung von Weib­lich­keit inspiriert?

Ebow: Fri­da Kahlo ist eine wahn­sin­ni­ge Künst­le­rin. Es ist krass, was sie geschaf­fen hat, und ich lie­be vie­le von ihren Wer­ken. Aber ich wür­de nicht sagen, dass sie mich in mei­nem Leben inspi­riert hat, etwas Bestimm­tes zu machen. Es ist eher so: Ich benut­ze in mei­ner Musik vie­le Frau­en­na­men, zum Bei­spiel auch Shelly-​Ann Fraser-​Pryce, weil ich es wich­tig fin­de, bedeu­ten­de Frau­en im Rap zu reprä­sen­tie­ren. Ich habe einen Song nach ihr benannt, weil sie zu dem Zeit­punkt die schnells­te Läu­fe­rin der Welt war. Im Rap geht es viel um Repre­sen­ting. Ich fin­de, dass wir als Frau­en die­se Ver­ant­wor­tung mit­tra­gen. Ich will in mei­nen Tex­ten Frau­en reprä­sen­tie­ren, ihre Names drop­pen und mit ihnen posen. Jungs drop­pen die gan­ze Zeit irgend­wel­che Typen, die krass sind. Musik archi­viert durch so etwas einen aktu­el­len Zustand. Wenn ich die Namen ver­wen­de, dann exis­tie­ren sie für die Ewig­keit, so wie es in einem Archiv funk­tio­niert. Denn die Musik wird es hof­fent­lich immer geben. Ich habe nicht unbe­dingt zu jeder die­ser ein­zel­nen Per­so­nen eine Sto­ry. Ich baue auch Typen ein, aber eher sehr sel­ten und denen wür­de ich kei­nen Song­ti­tel wid­men. Auf "K4L" drop­pe ich am Ende ganz vie­le Namen. Es war eine bewuss­te Ent­schei­dung nur nicht-​binäre Per­so­nen und Frau­en zu erwähnen.

MZEE​.com​: Ein wei­te­res The­ma, über das ich gern spre­chen wür­de, ist Mut. Es erfor­dert sicher­lich sehr viel Kraft und Über­win­dung für jeman­den, der aus einer mus­li­mi­schen Com­mu­ni­ty kommt, über Queer-​sein und ein Coming-​out zu spre­chen. Woher nimmst du die­se Kraft? 

Ebow: Das ist kei­ne bewuss­te Ent­schei­dung. Auf der Büh­ne zu ste­hen und zu rap­pen fühlt sich für mich so natür­lich an. Das hat für mich nichts mit Mut oder Kraft zu tun. Ande­re den­ken viel­leicht, dass es mutig ist, über gewis­se Din­ge zu rap­pen oder bestimm­te Sachen zu reprä­sen­tie­ren, aber für mich ist es supernatürlich.

MZEE​.com​: Am Anfang hast du gesagt, dass du muti­ge Men­schen bewun­derst, und genau das Glei­che kann man über dich den­ken. Schon auf "Puna­ni Power" und bei "Ebru's Sto­ry" beweist du viel Mut. Du schaffst ein weib­li­ches Vor­bild im deut­schen Rap, wel­ches es so vor­her nicht gab.

Ebow: Ja, krass, ich neh­me das echt nicht so wahr. Mein Antrieb, das Gan­ze zu machen, ist eine Not­wen­dig­keit, die ich sehe. Wenn ich auf einer Büh­ne ste­he, ste­he ich nicht nur für mich auf der Büh­ne, son­dern für kur­di­sche Frau­en und que­e­re Per­so­nen. Nicht weil ich den­ke, ich bin das Sprach­rohr für all die­se Leu­te, son­dern weil ich weiß, was ich reprä­sen­tie­re. Ich weiß, wie hart mei­ne Vor­fah­ren gekämpft haben, damit ich da sein kann, wo ich heu­te bin. Das ist der Grund, war­um ich wei­ter­ma­che. Ich lie­be Hip­Hop, nicht aus dem Gefühl her­aus, dass ich die Musik gera­de für mich ent­deckt habe, son­dern weil ich tat­säch­lich Musik lie­be. Ich sehe mei­ne eige­ne Ver­ant­wor­tung dem Gen­re gegen­über und die­se Ver­ant­wor­tung bedeu­tet für mich auch, etwas Neu­es zu kre­ieren, was es so zuvor noch nicht gab. Ich hät­te auch ein­fach ein gan­zes Album machen kön­nen mit Songs, die ähn­lich sind wie "Free", und das hät­te wahr­schein­lich super funk­tio­niert, weil man das eben von mir erwar­tet. Für mich als Künst­le­rin war klar, dass ein Album mit les­bi­schen Lie­bes­lie­dern im deutsch­spra­chi­gen Rap fehlt und ich das machen woll­te. Sol­che Songs hät­ten mir als Kind viel bedeu­tet. Genau dar­in sehe ich mei­ne Ver­ant­wor­tung und mei­nen Antrieb: etwas zu schaf­fen, das not­wen­dig ist und vor­her gefehlt hat.

MZEE​.com​: Wie fühlst du dich, nach­dem du sol­che Songs ver­öf­fent­licht hast? Was bekommst du da an Ener­gie zurück?

Ebow: Jedes Mal, wenn ich "Free" per­for­me, muss ich wei­nen. Ich habe es noch nie geschafft, den zu per­for­men, ohne am Ende Trä­nen in den Augen zu haben. Es wird immer bes­ser, im Sin­ne von dass ich es wirk­lich schaf­fe, ihn bis zum Ende zu per­for­men. Aber es ist so schön zu sehen, dass die Leu­te den füh­len und mit­ge­hen. Es ist ein wahn­sin­nig schö­nes Gefühl, auf einem Kon­zert die Ener­gie mit­ein­an­der zu tei­len und uns zusam­men­ge­hö­rig zu füh­len. Bei "Ebru's Sto­ry" weiß ich ehr­lich gesagt nicht, wie ich das live spie­len soll. Ich wer­de ein­fach weinen.

MZEE​.com​: "Les­bisch" hat ein kras­ses Ohrwurm-​Potenzial. Der funk­tio­niert auf der Büh­ne bestimmt gut, oder? 

Ebow: Es ist so fun­ny. Die­ser Song macht so viel Spaß auf der Büh­ne, weil alle mit­sin­gen bei "Dein Boy­fri­end ist häss­lich". Es ist mir wich­tig, Songs für die les­bi­sche Com­mu­ni­ty zu schrei­ben, die es vor­her noch nicht gab. Des­we­gen ist "Les­bisch" auch ein wich­ti­ger Song, weil es viel­leicht die ers­te Lie­bes­ge­schich­te die­ser Art im deut­schen Rap ist und es trotz­dem jeder nach­emp­fin­den kann. Es geht gar nicht dar­um, ob man les­bisch ist oder nicht. Jeder kennt die Situa­ti­on: Man steht auf jeman­den, aber die Per­son ist mit jemand ande­rem zusam­men, und man denkt sich nur: War­um aus­ge­rech­net die­se Per­son? Nimm doch lie­ber mich. In einem les­bi­schen Kon­text hat es noch mal etwas Fre­ches, weil es ein biss­chen gegen Män­ner geht, die ihre Freun­din­nen nicht gut behan­deln. Die­se wären aber in einer les­bi­schen Bezie­hung viel­leicht bes­ser aufgehoben.

MZEE​.com​: Zwar hat sich die Gleich­be­rech­ti­gung in unse­rer Gesell­schaft all­ge­mein ver­bes­sert, jedoch ist sie noch immer nicht voll­stän­dig erreicht. Was braucht es dei­ner Mei­nung nach, um das in Zukunft noch bes­ser zu machen?

Ebow: Das ist eine schwie­ri­ge Fra­ge. Das Pro­blem ist, dass, obwohl es die MeToo-​Bewegung gibt und H&M Girl Power-​T-​Shirts ver­kauft, die­ses Move­ment wie­der zurück­ge­gan­gen ist. Ich habe das Gefühl, es gab eine Zeit lang die­sen Trend und dann wur­de er kapi­ta­li­siert. Jetzt sind die Leu­te fast wie­der an einem Punkt, wo sie die Not­wen­dig­keit infra­ge stel­len. Ich glau­be, was es braucht, ist Durch­hal­te­ver­mö­gen und den Wil­len, sich nicht mit dem ers­ten Fort­schritt zufrie­den­zu­ge­ben. Es ist wich­tig, wei­ter­zu­ma­chen und zu ver­ste­hen, dass es ein anhal­ten­der Kampf sein wird. Mit dem wach­sen­den Rechts­po­pu­lis­mus haben wir auch einen kras­sen Ver­lust an Moral erlit­ten. Moral ist etwas, das man nur schwer wie­der­auf­bau­en kann, wenn sie ein­mal ver­lo­ren ist. Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, dass wei­ter­hin kei­ne Gleich­be­rech­ti­gung herrscht. Es gibt immer noch vie­le Femi­zi­de, es gibt immer noch vie­le Ungleich­hei­ten in der Gesell­schaft. Es ist wich­tig, dass wir als Frau­en, auch wenn wir müde davon sind, nicht auf­hö­ren soll­ten, ein­zu­for­dern, was wir brauchen.

MZEE​.com​: Der Trend geht in vie­len Län­dern momen­tan dahin, dass jun­ge Frau­en nach links rücken, wäh­rend jun­ge Män­ner dazu ten­die­ren, rech­ter zu wäh­len als frü­her. Das ist ein bedroh­li­cher Rückschritt. 

Ebow: Ich fin­de, dass sozia­le Medi­en da eine gro­ße Ver­ant­wor­tung tra­gen, der sie ein­fach nicht nach­kom­men. Es ist echt krass, was man­che Tik­To­ker für Unsinn ver­brei­ten, ohne dass die Platt­form sie sperrt. Das­sel­be pas­siert auch auf ande­ren Platt­for­men. Oder dass Elon Musk, der Ekli­ge, über sei­ne Platt­form X ein­fach Falsch­in­for­ma­tio­nen ver­brei­ten kann, ohne dass er dafür belangt wird. Denn man kann Mas­sen von Men­schen leicht len­ken, wenn man elo­quent genug ist und weiß, wie man Leu­te manipuliert.

MZEE​.com​: Das ist beson­ders pro­ble­ma­tisch, wenn Men­schen nicht bei­gebracht bekom­men, wie sie sol­che Infor­ma­tio­nen kri­tisch hin­ter­fra­gen, Quel­len prü­fen oder Fak­ten che­cken können. 

Ebow: Es ist vor allem wich­tig, dass man Kin­dern so etwas bei­bringt. Man regt sich immer dar­über auf, dass die Eltern irgend­wel­che WhatsApp-​Sachen direkt wei­ter­lei­ten und fal­sche Infor­ma­tio­nen ver­brei­ten. Wir machen das Glei­che mit Tik­Tok. Wir schau­en irgend­was an und den­ken, es hört sich nach einer fun­dier­ten Mei­nung an, nur weil das Video schön geschnit­ten ist.

MZEE​.com​: Da ist noch sehr viel zu tun. Es ist frag­lich, wie sich das in Zukunft ent­wi­ckeln wird und ob es irgend­wann stär­ker regle­men­tiert wird. 

Ebow: Man hat in der Schu­le viel über das Drit­te Reich gelernt. Aber ich glau­be, der wich­tigs­te Unter­richt für mich war, als ein Leh­rer uns erklärt hat, mit wel­cher Rhe­to­rik die NSDAP es damals geschafft hat, die Leu­te von etwas zu über­zeu­gen. Das ist bei mir und vie­len ande­ren in der Klas­se hän­gen geblie­ben. Es war hilf­reich, weil man das Kon­zept auf alles anwen­den kann. Man hat gelernt, wie die Sät­ze und The­sen auf­ge­baut sind. Über das Netz­werk "Schu­le ohne Ras­sis­mus" gibt es Work­shops, in denen man lernt, wie man rech­te Zei­chen oder Netz­wer­ke erkennt. Ich fin­de, sowas müss­te es an Schu­len mehr geben, damit die Kids das lernen.

(Malin Teegen)
(Fotos von Nikolas-​Petros Androbik)