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Interview

Deine Freunde – ein Gespräch über die Relevanz von Rap für Kids

"Ich kann von einem Kind nicht erwar­ten, dass es ein humo­ris­ti­sches Abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen besitzt, um zu ver­ste­hen, war­um ich die Aggro Berlin-​Sachen wit­zig fin­de." – Dei­ne Freun­de im Gespräch über die musi­ka­li­sche Erzie­hung von Kindern.

Kin­der sind unse­re Zukunft. Dem­entspre­chend wich­tig ist es, ihnen ein opti­ma­les Auf­wach­sen zu ermög­li­chen. Dass das gar nicht so ein­fach ist, kön­nen nahe­zu alle Eltern und Fami­li­en bestä­ti­gen. Schließ­lich gibt es für die Erzie­hung zwar unend­lich vie­le Tipps und Tricks, aber trotz­dem kein all­ge­mein­gül­ti­ges Geheim­re­zept. Etwas, das aller­dings trotz­dem im All­tag fast aller Kin­der statt­fin­det, ist die Musik. Seit 2012 hat es sich die Band Dei­ne Freun­de zur Auf­ga­be gemacht, Musik zu pro­du­zie­ren, die Kin­der in ihrer Lebens­rea­li­tät abholt. Dabei set­zen sie haupt­säch­lich auf Rap und ver­mit­teln den Kids die ver­schie­dens­ten The­men aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven. Ihre Musik rich­tet sich haupt­säch­lich an die Alters­grup­pe zwi­schen sechs und zwölf Jah­ren. Vor ihrer gemein­sa­men Zeit als Band haben Flo­ri­an Sump, Lukas Nim­scheck und Mar­kus Pau­li bereits lan­ge Musik "für Erwach­se­ne" gemacht. Im Inter­view mit Flo­ri­an und Pau­li, Rap­per und DJ der Band, spra­chen wir über die Rele­vanz von Rap für Kids: Was muss bei einem Kon­zert für Kin­der beach­tet wer­den? Braucht es die Unter­schei­dung von Kinder- und Erwach­se­nen­mu­sik? Und inwie­weit soll­ten die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten Ein­fluss auf den Musik­kon­sum ihrer Kids nehmen?

MZEE​.com​: Begin­nen wir doch mit einer ein­fa­chen, aber umfas­sen­den Fra­ge: Was möch­tet ihr den Kids mit eurer Musik vermitteln?

Flo­ri­an: Wir haben nicht eine bestimm­te Mes­sa­ge, dafür sind unse­re Lie­der und die The­men­fel­der, in denen wir uns bewe­gen, zu viel­fäl­tig. Aber es ist meis­tens aus dem Kos­mos Fami­li­en­le­ben. Wenn es eine Bot­schaft gibt, die wir seit fast acht Alben immer wie­der zwi­schen den Zei­len ver­mit­teln, dann ist es, dass nie­mand mehr das Bild einer per­fek­ten und har­mo­ni­schen Fami­lie braucht. Die­ses Bild wur­de jahr­zehn­te­lang in der Wer­bung, in Fil­men und der Kin­der­mu­sik trans­por­tiert. Wir fin­den es in Ord­nung, dass es Cha­os in einer Fami­lie gibt, dass sie feh­ler­haft und nicht per­fekt sind. Wir kön­nen mit Humor auf unse­re eige­ne Unper­fekt­heit bli­cken. Man muss nicht immer alles rich­tig machen und so tun, als wür­de man als Fami­lie immer funktionieren.

Pau­li: Wir haben uns selbst auch kei­nen päd­ago­gisch wert­vol­len Stem­pel ver­passt. Das, was wir tun, soll Spaß machen. Wir wol­len nicht den Zei­ge­fin­ger heben und sagen, dass müsst ihr so machen und das dürft ihr nicht.

Flo­ri­an: Außer­dem geht es uns dar­um, Augen­hö­he zu schaf­fen, wenn wir auf die Büh­ne oder in den direk­ten Aus­tausch mit unse­rem Publi­kum gehen. Wir müs­sen uns nicht ver­stel­len. Es ist oft so, wenn Erwach­se­ne zu Kin­dern spre­chen, dass sie der Mei­nung sind, ihre gan­ze Spra­che ver­än­dern zu müs­sen. Das ist gesell­schaft­lich nor­ma­li­siert. Wir haben das am Anfang auch gelernt und nicht gewusst, dass es anders gehen kann. Wäh­rend unse­rer 13 Jah­re als Band haben wir immer mehr gecheckt, dass wir den Kin­dern so begeg­nen kön­nen, wie wir sind. Kin­der ver­ste­hen sehr viel und haben ganz vie­le Inter­es­sen, an die man manch­mal gar nicht denkt. Oft glaubt man, man müs­se die Schwie­rig­kei­ten der Welt von denen fern­hal­ten, damit sie län­ger Kin­der blei­ben dür­fen. In Wirk­lich­keit aber haben vie­le Kin­der ein intrin­si­sches Inter­es­se dar­an, die Welt zu ver­ste­hen. Ich glau­be, die wol­len gar nicht, dass man mit allem so hin­ter dem Berg hält und denen eine hei­le Welt ver­kauft – die es auch nicht gibt und viel­leicht auch noch nie gege­ben hat.

MZEE​.com​: Wie gehen die Kids denn auf euch zu?

Pau­li: In der Regel machen die das unkom­pli­ziert. Gegen­über von unse­rem Stu­dio ist eine Schu­le und wir sehen dort jeden Tag vie­le Kin­der, die uns zuwin­ken, rüber­schrei­en, ob wir Auto­gram­me haben oder wis­sen wol­len, wie es uns geht. Die haben eine kras­se Nähe. Ich habe mich zum Bei­spiel wie ein Mega-​Fanboy ver­hal­ten und mich geschämt, als ich Q-​Tip begeg­net bin. Das machen die meis­ten Kids bei uns nicht, auch wenn man das natür­lich nicht ver­all­ge­mei­nern kann. Die Kids begeg­nen uns aber "natür­lich".

Flo­ri­an: Die Kin­der über­le­gen sich vor­her nicht, wie sie uns gegen­über­tre­ten dür­fen, um dann selbst gut oder cool dazu­ste­hen. Ich hat­te die­se Über­le­gun­gen damals bei allen Deutschrapper:innen. Wenn ich in Ham­burg mal Samy Delu­xe oder Eiß­feldt auf einer Par­ty gese­hen habe, hat­te ich das Bedürf­nis, jetzt irgend­et­was Coo­les sagen zu wol­len oder sie irgend­wie zu beein­dru­cken. Ich woll­te denen zei­gen, dass ich die voll che­cke. Da hat man dann als Fan einen Gel­tungs­drang, zumin­dest war das bei mir so. Man ist voll ver­un­si­chert und äußert sich mega­kramp­fig, aus Angst vor den Leu­ten, die man cool fin­det, zu ver­ka­cken. Auch wenn die Kids uns abfei­ern, haben sie nicht die­ses kramp­fi­ge Gefühl, das ich gera­de beschrie­ben habe.

Pau­li: Man sieht das teil­wei­se sogar eher bei den Eltern. Wenn die uns als Fami­lie sehen, sind sie es, die die­se erha­be­ne Distanz wah­ren und die Situa­ti­on grö­ßer machen als sie ist: "Ja, geh' doch mal hin!" Die Erwach­se­nen sind dann meis­tens auf­ge­reg­ter, Kin­der ste­hen auch im Publi­kum und gäh­nen. (lacht)

Flo­ri­an: Aber stel­le dir jetzt nicht vie­le gäh­nen­de Kin­der bei unse­ren Kon­zer­ten vor. Die ach­ten halt nicht dar­auf, wie sie aus­se­hen, oder über­prü­fen mit Tau­send Fil­tern, wie sie sich gera­de beneh­men. Die sind halt ein­fach und das macht es für uns sehr erfrischend.

MZEE​.com​: Flo­ri­an, du hast ja bereits als Erzie­her gear­bei­tet. Inwie­weit hilft dir die­se Erfah­rung, um kind­li­che Per­spek­ti­ven bes­ser ver­ste­hen und in Song­tex­ten beschrei­ben zu können?

Flo­ri­an: Ich habe den Job zehn Jah­re gemacht und er hat mir gehol­fen, einen bes­se­ren Ein­blick zu bekom­men, was die Kin­der beschäf­tigt. Aber es hat mir vor allem auf der Ebe­ne gehol­fen, zu che­cken, dass die Dyna­mi­ken und The­men, die Kin­der heu­te beschäf­ti­gen, sehr ähn­lich sind zu der Zeit, in der wir Kin­der waren. Das fand ich über­ra­schend. Die Welt hat sich an so vie­len Stel­len in den letz­ten 30 Jah­ren ver­än­dert. Den­noch gibt es immer noch die­se inner-​familären Dyna­mi­ken, die gleich­ge­blie­ben und ver­mut­lich auch noch in 50 Jah­ren ähn­lich sind. Da leh­ne ich mich jetzt viel­leicht sehr weit aus dem Fens­ter. Das sind die The­men, die uns als Dei­ne Freun­de am meis­ten begeis­tern und aus denen wir ver­su­chen, Songs zu machen. Wenn wir das Gefühl haben, das war vor 30 Jah­ren aktu­ell, irgend­wie ist es das immer noch und viel­leicht ist es das auch noch in naher Zukunft. Das ist bei fast all unse­ren Songs so, dass wir dazu selbst einen direk­ten Bezug haben und nicht ver­su­chen müs­sen, uns da von außen irgend­wie rein­zu­den­ken. Es ent­steht sehr viel aus unse­ren eige­nen Erin­ne­run­gen, obwohl Pau­li, Lukas und ich in kom­plett unter­schied­li­chen Kon­stel­la­tio­nen auf­ge­wach­sen sind …

Pau­li: … ich zum Bei­spiel in einer super­rei­chen Fami­lie. (lacht) Nein, Spaß!

Flo­ri­an: Trotz­dem gibt es sehr vie­le Din­ge, die in unse­rer Kind­heit ähn­lich waren. Wenn uns das ver­eint, dann gibt es da drau­ßen bestimmt noch ganz vie­le ande­re Men­schen, die das ähn­lich erlebt haben, also ver­su­chen wir, dar­aus einen Song zu machen.

MZEE​.com​: Trotz­dem gibt es auch Din­ge, die es damals viel­leicht noch nicht gab, wel­che aber heu­te omni­prä­sent sind, wie zum Bei­spiel das Smart­phone. Wie sieht es damit aus?

Pau­li: Wir haben vor­hin dar­über gere­det, ob wir einen Song über die Bild­schirm­zeit machen. (lacht)

Flo­ri­an: Da müss­ten wir uns nur über­le­gen, wel­chen Stand­punkt wir ver­tre­ten: Den des Kin­des, das Bock auf mehr Bild­schirm­zeit hat, den der Eltern, die sagen, da muss man schon etwas drauf ach­ten, oder den des Bild­schirms. (lacht) Das wäre wahr­schein­lich die bes­te Idee. Wir haben bereits Lie­der aus der Sicht von Matsch und Bäl­len, die auf Dächer geschos­sen wur­den, gemacht. War­um nicht mal ein Lied aus der Sicht eines Bild­schirms? Da gibt es ver­schie­de­ne Her­zen, die in unse­rer Brust schla­gen. Bei mir war das frü­her die Fern­seh­zeit. Ich durf­te nicht viel Fern­se­hen gucken. Das woll­ten mei­ne Eltern nicht. Ich war immer nei­disch auf die Kin­der aus der Nach­bar­schaft, bei denen die Eltern den gan­zen Tag gear­bei­tet haben. Ich konn­te das gar nicht app­re­cia­ten, dass mei­ne Mut­ter zu Hau­se war, Mit­tag­essen gekocht hat und sich um uns geküm­mert hat. Ich woll­te auch, dass sie weg ist und ich Fern­se­hen gucken kann. Dass das damals ganz gro­ße Vor­tei­le für mich hat­te, habe ich erst spä­ter im Erwach­se­nen­al­ter kapiert.

Pau­li: Aber selbst im Erwach­se­nen­al­ter gibt es die­se Momen­te, in denen du dich selbst ertappst: Fuck, ich bin jetzt hier schon wie­der 30 Minu­ten am Insta­gram such­ten. Da sind wir zum Glück mit einer gewis­sen Distanz auf­ge­wach­sen, wodurch wir selbst eher sagen kön­nen: Okay, reicht jetzt. Ich glau­be, es ist heut­zu­ta­ge viel schwe­rer, das zu regulieren.

Flo­ri­an: Ich habe selbst zwei Kin­der, die sind sie­ben und acht. Bei denen gibt es die ers­ten Kin­der in der Klas­se, die ein Han­dy haben. Die wol­len das dann auch. Das ist ein sehr heik­les The­ma, bei dem man genau abwä­gen muss, wie und mit wel­chen Regeln man das macht. Das war frü­her ein­fa­cher, denn der Fern­se­her stand defi­ni­tiv nur zu Hau­se. Den hast du nicht in der Tasche gehabt. Von sol­chen The­men gibt es vie­le, an man­che wagen wir uns ran und bei ande­ren den­ken wir, dass es irgend­wie schwie­rig ist. Meis­tens grei­fen wir uns "leich­te­re" The­men oder neh­men uns schwe­re The­men und ver­su­chen, die mit Humor zu bearbeiten.

Pau­li: Da sind wir dann bei die­sem päd­ago­gi­schen Zei­ge­fin­ger. Den wol­len wir vermeiden.

Flo­ri­an: Genau, denn es geht als Band – auch als Kin­der­band – nicht dar­um, Lösun­gen auf­zu­zei­gen oder zu behaup­ten, man wüss­te, wie man etwas am bes­ten macht. Wir füh­len uns zu Hau­se, wenn wir etwas abbil­den, wie es ist, ohne eine Lösung anzu­bie­ten. Beim The­ma Bild­schirm­zeit wol­len wir dann nicht sagen, wie viel Zeit opti­mal ist, son­dern eher den Wunsch umschrei­ben, dass man Bock hat, sich ein biss­chen berie­seln zu las­sen. Es geht uns nicht um eine fina­le Bewertung.

MZEE​.com​: Es wird manch­mal behaup­tet, dass Musik kon­kre­te Lösun­gen für Pro­ble­me parat haben müsste.

Flo­ri­an: Kin­der­mu­sik wur­de lan­ge genau­so gemacht, dass man den Kin­dern sagt, wie sie über die Stra­ße gehen sol­len. Es waren oft Benimm­re­geln fürs Leben oder ging um Lern­in­hal­te. Das habe ich zum Bei­spiel in mei­ner Zeit als Erzie­her fest­ge­stellt. Nicht, dass die dama­li­ge Kin­der­mu­sik schlecht war, ich moch­te vie­les aus den 70ern und 80ern, aber es war in der Sum­me viel zu wenig. Wenn du dir mal ansiehst, wie­viel Musik es für Erwach­se­ne in unter­schied­li­chen Gen­res gab und wie facet­ten­reich das war. Im Ver­gleich dazu gab es für Kin­der voll wenig. Natür­lich kann man sagen, dass Kin­der auch Erwach­se­nen­mu­sik hören kön­nen, und das stimmt auch. Aber es war für uns trotz­dem ein gro­ßer Reiz, etwas zu machen, das die in ihrer Lebens­rea­li­tät abholt. Was sol­len die Kin­der zum Bei­spiel inhalt­lich mit Lie­dern über gebro­che­ne Her­zen anfan­gen? Es sei denn, sie sind mal mit sechs unglück­lich ver­liebt. Das war ich auch mal, aber das ist ein "ande­res" Verliebtsein.

MZEE​.com​: Ihr alle habt bereits vor eurer gemein­sa­men Band Musik gemacht, aller­dings immer "für Erwach­se­ne". Wie ent­stand die Idee, lang­fris­tig Musik für Kin­der zu machen?

Pau­li: Ich glau­be, das Wort "lang­fris­tig" war, als wir damals ange­fan­gen haben, gar nicht ange­dacht. Aber es stimmt, dass wir mitt­ler­wei­le mit sie­ben bis acht Alben etwas Kon­stan­tes ent­wi­ckelt haben. Es gibt vie­le Bands, die sich schon nach dem drit­ten Album nichts mehr zu sagen haben oder "fer­tig" sind. Wir haben uns über die Zeit immer mehr lie­ben gelernt, aus­ge­tauscht und spie­len uns ger­ne Bäl­le zu. Dazu kommt das vie­le posi­ti­ve Feed­back von den Zuhörer:innen …

Flo­ri­an: … und die Kon­zer­te. Wir haben so vie­le Shows gemein­sam gespielt und das Gefühl der Begeis­te­rung nutzt sich nicht ab. Dadurch, dass es Kin­der und deren Eltern sind und die bei unse­ren Kon­zer­ten gemein­sam eine Par­ty fei­ern, ist es auch für uns auf der Büh­ne etwas ganz Beson­de­res. Wir sagen uns auch immer wie­der, dass wir das so lan­ge machen wol­len, wie es nicht pein­lich ist. (lacht)

Pau­li: Auch pro­duk­ti­ons­tech­nisch haben wir uns wei­ter­ent­wi­ckelt. Beim ers­ten Album waren die Beats noch sehr zurück­hal­tend. Das war nicht krass aus­pro­du­ziert, son­dern mini­ma­lis­tisch. Wir wuss­ten noch nicht, ob das viel­leicht zu "doll" wer­den könn­te. Da waren wir viel vor­sich­ti­ger. Bei den ers­ten zwei Alben sind noch sehr vie­le Gre­at Paulukka-​Beats von Lukas und mir mit rein­ge­kom­men. Wir haben uns aus­pro­biert und es war ein ste­ti­ger Work-​in-​Progress-​Prozess. Auch das Beob­ach­ten, ob es live funk­tio­niert und ange­nom­men wird. Aber auch the­ma­tisch waren wir anfangs wirk­lich vor­sich­tig. Darf man Tex­te aus Sicht der Eltern schrei­ben? Das kam erst im Lau­fe der Zeit dazu, als wir gemerkt haben, dass auch die Eltern das abfei­ern. Außer­dem war es für uns anfangs noch ein rei­nes Spaß­pro­jekt. Es war nicht geplant, dass wir uns gemein­sam hin­set­zen und hier jetzt "die" Kin­der­mu­sik machen und 13 Jah­re dabei­blei­ben. Auf dem ers­ten Album waren es wirk­lich nur Classic-​HipHop-​Beats. Danach wur­de es dann wesent­lich elek­tro­ni­scher und pop­pi­ger. Jetzt kön­nen wir es ja ruhig sagen, weil er nicht da ist (lacht): Lukas liebt zum Bei­spiel Musi­cals und bringt von uns drei­en auch am meis­ten Pop in die Songs. Ich kom­me wie­der­um aus einem HipHop-​Umfeld und so ergab sich eine tol­le Mischung.

MZEE​.com​: Ihr habt vor­hin bereits eure Kon­zer­te erwähnt. Wor­auf müsst ihr denn dort beson­ders ach­ten, im Hin­blick auf das eher jun­ge Publi­kum und Awareness-Strukturen?

Flo­ri­an: Der größ­te Unter­schied zu nor­ma­len Kon­zer­ten ist, dass wir vor der Büh­ne einen geson­der­ten Bereich für die Kin­der haben. Der Kin­der­be­reich ist immer mit einem Flat­ter­band abge­sperrt und da dür­fen nur die Kin­der rein. Die Eltern ste­hen dahin­ter. Wir haben ver­schie­de­ne Treff­punk­te über­all, die durch sehr gro­ße Fah­nen gekenn­zeich­net sind. Meis­tens sind es drei Treff­punk­te, damit die Fami­li­en sich abspre­chen kön­nen, wo man sich trifft, wenn es mal zu viel wird. Für vie­le Eltern sind unse­re Kon­zer­te die ers­ten, bei denen sie ihre Kin­der für 90 bis 100 Minu­ten in so einen Pulk von 3 000 ande­ren Kin­dern rein­las­sen. Die müs­sen sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass die­se Kin­der gesund und mun­ter wie­der zurück­kom­men. Im bes­ten Fall stark ver­schwitzt und glücklich.

Pau­li: Wir haben je nach Grö­ße der Kon­zer­te eige­ne Leu­te dabei, die dar­auf ach­ten, dass dort kei­ne Kin­der ran­dom­mä­ßig ver­irrt und allei­ne rum­lau­fen oder wei­nen. Wir haben eine eige­ne Security-​Frau dabei, die zwar auch auf uns auf­passt, aber pri­mär dafür ver­ant­wort­lich ist, dass die Secu­ri­tys der jewei­li­gen Kon­zert­häu­ser genau wis­sen, wie unse­re Kon­zer­te ablau­fen. Die weist die spe­zi­ell ein, weil es ande­re Sachen als bei Erwach­se­nen­kon­zer­ten gibt, auf die man bei uns ach­ten muss. Das wis­sen vie­le Security-​Firmen gar nicht oder sind dar­auf nicht spezialisiert.

Flo­ri­an: Genau, der Umgangs­ton mit Fami­li­en, Sen­si­bi­li­tät, was den Kon­takt mit Kin­dern angeht. Andrea stimmt die Sicher­heits­kräf­te vor Ort immer rich­tig gut ein.

Pau­li: Unser Team und unse­re Erfah­rung sind über die Jah­re immer mehr gewach­sen. Allein der Umgang am Merchandise-​Stand: Wie kön­nen wir die Situa­ti­on dort opti­mie­ren und an das Ver­hal­ten der Kids anpas­sen? Die Kin­der bekom­men von uns auch Bänd­chen. Auf die­ses kön­nen die Eltern ihre Han­dy­num­mer schrei­ben und wenn unse­re Leu­te ein Kind ent­de­cken, rufen sie die Eltern an. Im bes­ten Fall gehen die Eltern dann auch ran und sagen nicht: "Sor­ry, ich bin gera­de auf 'nem Kon­zert. Ich kann nicht." (lacht) Das hat­ten wir auch schon.

Flo­ri­an: Gera­de bei so 5 000er-​Hallen kön­nen wir als Kin­der­band nicht nur über unse­re Show nach­den­ken, son­dern müs­sen für die Eltern mit­den­ken, die uns letzt­lich ihre Kin­der anver­trau­en. Wir wol­len uns des­sen wür­dig erwei­sen und zei­gen, dass wir uns Gedan­ken dar­über machen, dass alle einen schö­nen Nach­mit­tag haben kön­nen. Auch sound­mä­ßig, denn auf der einen Sei­te wol­len wir die jun­gen emp­find­li­chen Gehö­re der klei­nen Men­schen nicht über­stra­pa­zie­ren, aber auf der ande­ren Sei­te soll es natür­lich auch rum­sen. Wir sind froh, dass die Tech­nik so weit ist, dass wir das machen kön­nen. Es tut im Ohr nicht weh, aber der Bass unten­rum drückt trotzdem.

Pau­li: Das Glei­che gilt für unse­re Licht­show. Es soll ein rich­ti­ges Kon­zert­fee­ling ent­ste­hen. Gera­de die Kin­der vor­ne sind dann manch­mal etwas erschla­gen beim Anblick der rie­si­gen Büh­ne. Um noch mal etwas bezüg­lich der Sicher­heit der Kin­der zu ergän­zen: Am Anfang waren wir noch extrem ange­spannt, ob das wohl alles gut über die Büh­ne geht. Über die Jah­re sind wir da locke­rer gewor­den, weil wir als Team super funk­tio­nie­ren und uns pro­fes­sio­na­li­siert haben.

Flo­ri­an: Es sind alle awa­re, auch bei den Grö­ßen, die wir mitt­ler­wei­le spie­len. Dar­auf kön­nen wir uns ver­las­sen. Sowohl unse­re Security-​Chefin macht da einen super Job, aber auch wir machen von der Büh­ne aus bestimm­te Ansa­gen: "Bei uns läuft es so: Die grö­ße­ren Kin­der pas­sen auf die klei­ne­ren auf. Ach­tet auf­ein­an­der." Zu Beginn des Kon­zerts sagen wir meis­tens, dass die Kids sich mal nach links und rechts dre­hen kön­nen, um sich gegen­sei­tig zu begrü­ßen. Es sol­len alle ein Gemein­schafts­ge­fühl ver­spü­ren und die Kin­der neh­men das super an. "Wir sind gemein­sam hier, ach­ten auf­ein­an­der und respek­tie­ren uns." Mich freut es, dass das bei grö­ße­ren Fes­ti­vals, zum Bei­spiel dem splash!, auch immer mehr in den Mode­ra­tio­nen statt­fin­det, selbst wenn das nicht unbe­dingt von den Künstler:innen aus­geht: "Macht kei­ne sexis­ti­sche Schei­ße." Das gab es frü­her nicht, aber seit ein paar Jah­ren ist das bei Fes­ti­vals immer prä­sen­ter. Ich fin­de das gut, denn dann haben alle auto­ma­tisch einen ande­ren Blick auf sich selbst in die­sem Raum.

MZEE​.com​: Auch abseits eurer Musik arbei­tet ihr an ver­schie­de­nen For­ma­ten, um Kids zu unter­hal­ten: Es gibt einen Pod­cast oder auch eine Hör­spiel­rei­he. Habt ihr noch wei­te­re kin­der­taug­li­che Aus­flü­ge geplant?

Pau­li: Die Hör­spiel­rei­he fängt gera­de erst an, es gibt aktu­ell nur zwei Tei­le. Das wer­den aber min­des­tens zehn. Das macht Mega­spaß und auch der Pod­cast ist cra­zy für mich. (lacht) Ich bin eigent­lich in die­se Welt gebo­ren und woll­te kein Rap­per und Sän­ger wer­den. Ich woll­te stil­ler DJ sein, aber es macht tat­säch­lich unfass­bar viel Spaß. Ich mer­ke dann auch, dass ich mei­ne Unsi­cher­heit, die ich in mir tra­ge, gar nicht haben muss.

Flo­ri­an: Du wächst über dich hin­aus. Und zu der Fra­ge, ob da noch mehr in Pla­nung ist: Es kann immer pas­sie­ren. Aber wir sind jetzt nicht die Band, die ver­sucht, die Kuh zu mel­ken, solan­ge sie Milch gibt.

Pau­li: Es soll auf jeden Fall eine Nach­hal­tig­keit haben und ein Hör­spiel oder den Pod­cast kön­nen sich die Leu­te auch noch in fünf Jah­ren anhö­ren. Die Fra­gen, die wir dort beant­wor­ten, sind über­wie­gend nicht zeit­ge­bun­den. Wir haben jetzt auch eine Orches­ter­tour ange­kün­digt. Im April 2025 gehen wir zwei Wochen mit einem rund 80-​köpfigen Orches­ter auf Tour. Das ist auch etwas, wo wir uns bis­her nie rein­be­wegt haben. Das machen wir gemein­sam mit der STÜBA Phil­har­mo­nie aus Erfurt und Jena. Da ver­las­sen wir mal unse­re Kom­fort­zo­ne. Anfang nächs­ten Jah­res kommt außer­dem unser Hör­spiel als Buch raus. Das ist ver­rückt und hät­ten wir nie gedacht, dass so was pas­sie­ren könnte.

Flo­ri­an: Unterm Strich haben wir Bock, "gute" Pro­duk­te zu gestal­ten. "Gut" ist zwar ein sub­jek­ti­ver Begriff, aber wir wol­len das für Kin­der pro­du­zie­ren, was wir als gut erach­ten und wor­über wir uns selbst als Kin­der gefreut hätten.

MZEE​.com​: War­um eig­net sich denn gera­de Rap als Musik­form für Kin­der­mu­sik? Bis­her stammt Musik für Kin­der zumeist aus der Pop- und Volksmusik.

Pau­li: Rap ist inzwi­schen kom­plett in der Mit­te der Gesell­schaft ange­kom­men, gera­de wenn man das mit der Zeit von vor 15 oder 20 Jah­ren ver­gleicht. Das fin­det in jedem Bereich statt und die Men­schen, die jetzt Kin­der haben, haben damals oft selbst Rap gehört. Dadurch hast du eine viel grö­ße­re Akzep­tanz. Ich habe mich zum Bei­spiel frü­her von mei­nen Eltern abgren­zen wol­len, als ich ange­fan­gen habe, Hip­Hop zu hören. Ich habe die ers­ten CDs von mei­nem Bru­der gehört, Run-​DMC und Public Ene­my, und mei­ne Eltern haben das über­haupt nicht ver­stan­den. Das hast du in der Form gar nicht mehr. Es sei denn, man unter­schei­det jetzt zwi­schen ver­schie­de­nen Rap-​Subgenres. Es gibt zum Bei­spiel Gangs­ter­rap, der immer noch für Kids als Abgren­zungs­tool funk­tio­nie­ren kann.

Flo­ri­an: Genau, also die Kids kön­nen auf jeden Fall wei­ter­hin scho­ckie­ren, wenn sie wollen.

Pau­li: Frü­her war es aber eher so, dass du viel­leicht drei Leu­te in der Schu­le hat­test, die eine Cap getra­gen haben, und dann wuss­test du: Okay, die:der hört auch HipHop.

Flo­ri­an: Als Kunst­form bie­tet sich Rap an, weil du das Fami­li­en­le­ben schön schnör­kel­los und unper­fekt abbil­den kannst. Mit Rap kannst du extrem viel erzäh­len und mit Spra­che und Wor­ten ganz anders spie­len. Du kannst die Sachen viel direk­ter beschrei­ben, weil du nicht gezwun­gen bist, alles poe­tisch zu ver­schnör­keln. Das kannst du auch machen, aber du musst es nicht. Du kannst die Din­ge sehr ein­fach, klar und direkt ver­mit­teln. Rap ist per­fekt, um das chao­ti­sche und unper­fek­te Fami­li­en­le­ben geil rüberzubringen.

Pau­li: Es gibt aber auch zum Bei­spiel Metal-Kindermusik.

Flo­ri­an: Stimmt, wir haben die Leu­te von Hea­vy­Sau­rus letz­tes Jahr ken­nen­ge­lernt. Das sind ech­te Metal-​Heads. Aber wie gesagt, mit Rap kannst du geil erzäh­len. Klar, kannst du auch in jedem ande­ren Gen­re erzäh­len, wenn du willst. Aber Rap bie­tet sich da beson­ders an, weil du alle Mög­lich­kei­ten hast. Das ist eine Spiel­wie­se, auf der sich jede:r aus­to­ben kann. Ich war zum Bei­spiel von Anfang an froh, etwas zu machen, wofür ich nicht sin­gen kön­nen muss. Ich habe trotz­dem super­ger­ne Tex­te mit Rhyth­mus geschrie­ben, aber habe mich immer von Melo­dien ferngehalten.

Pau­li: Es liegt auch dar­an, was man selbst kann und was nicht. Ich kann kein Instru­ment spie­len und habe statt­des­sen irgend­wann ange­fan­gen, Samples zu dig­gen und dar­aus Beats zu bau­en. Ich habe mich da natür­lich wei­ter­ent­wi­ckelt, aber Lukas ist zum Bei­spiel der Ein­zi­ge bei uns, der rich­tig gut Kla­vier spie­len kann. Der setzt sich dann manch­mal fünf Minu­ten ans Kla­vier und spielt mir was Coo­les ein, wofür ich wahr­schein­lich drei Stun­den gebraucht hät­te. Aber letzt­end­lich sind wir mit Hip­Hop auf­ge­wach­sen und das ist das, was wir am bes­ten kön­nen. Zumin­dest, wenn ich von mir spre­che. Flo­ri­an war auch Schlag­zeu­ger (Anm. d. Red.: für die Band Echt), aber konn­te dafür nicht sin­gen. (lacht)

MZEE​.com​: Es gibt den legen­dä­ren Satz: "Wu Tang is for the child­ren." Inwie­weit wür­det ihr die­sem State­ment zustim­men und wie blickt ihr auf die oft expli­zi­ten Tex­te im Rap-Kosmos?

Flo­ri­an: Wu Tang wür­de ich mei­nen Kin­dern vor­spie­len, die sind ja noch nicht so fit in Eng­lisch. Da sehe ich erst mal kein Pro­blem. Vor allem, wenn du dir anguckst, was für Songs mitt­ler­wei­le im Radio lau­fen, die kein Rap sind. Letz­tes Jahr haben mei­ne Kin­der zum Bei­spiel immer "What the fuck" von die­sem Radio­hit gesun­gen, der ein­fach über­all im Main­stream lief. Des­halb soll­ten die Leu­te nicht immer alles auf die "böse" HipHop-​Musik schie­ben. Ich selbst habe zum Bei­spiel eine ganz gro­ße Schwä­che für Gangs­ter­rap und ken­ne auch ganz vie­le schlaue Leu­te, die ger­ne das "schlim­me" Zeug hören.

MZEE​.com​: Hät­test du viel­leicht ein kon­kre­tes Bei­spiel dafür?

Flo­ri­an: Jemand, der für mich damals vie­les ver­eint hat, also das super­har­te Stra­ßen­le­ben, den Slang und die Poe­sie, war Haft­be­fehl. Da kön­nen sich auch vie­le drauf eini­gen. Aber als ich jün­ger war, haben mich auch die Aggro Berlin-​Sachen kom­plett abge­holt. Das wür­de ich mei­nen Kin­dern heu­te nicht vor­spie­len. Trotz­dem hat das eine unfass­ba­re Fas­zi­na­ti­on auf mich gehabt. Es ging mir da auch um Abgren­zung und die Mög­lich­keit, der Gesell­schaft mal den F*ckfinger zu zei­gen. Ich habe es nie ein­ge­se­hen, mich irgend­ei­nem Lager zuzu­ord­nen. Es war zum Bei­spiel eine Zeit lang unmög­lich, Kool Savas und Fet­tes Brot gleich­zei­tig geil zu fin­den. Bei Kin­dern, auch weil ich selbst wel­che habe, den­ke ich schon, dass man dar­auf ach­ten soll­te, wel­che Musik in wel­chem Alter gehört wird. Das ist ähn­lich wie bei Fil­men, wo eini­ge eben ab sechs und ande­re erst ab 18 sind. Ich kann von einem Kind nicht erwar­ten, dass es ein humo­ris­ti­sches Abs­trak­ti­ons­ver­mö­gen besitzt, um zu ver­ste­hen, war­um ich die Aggro Berlin-​Sachen wit­zig fin­de oder manch­mal im Auto höre. Zumin­dest, wenn ich allei­ne Auto fahre.

Pau­li: Bei einem eng­li­schen Album geht das dann schnel­ler klar. Wu Tang hat schö­ne Melo­dien und Soul-​Samples in den Alben. Ich habe frü­her, wenn ich Rap oder ande­re Musik gehört habe, oft nicht auf die Tex­te geach­tet. Mir ging es da pri­mär um die Beats. Da gibt es auch Unter­schie­de, ob sich die Kin­der auf die Lyrics fokus­sie­ren oder erst mal nur die Musik fühlen.

Flo­ri­an: Mei­ner Mei­nung nach über­trei­ben wir Erwach­se­nen manch­mal aber auch. Im Sin­ne von: "Das ver­gif­tet unse­re Kin­der." Das jüngs­te Bei­spiel ist "Bauch Bei­ne Po" von Shirin David. Das ken­nen mei­ne Kin­der aus­wen­dig und fei­ern es kom­plett. Aber ich den­ke, dass mei­ne Toch­ter kein fal­sches Bild davon bekommt, wie sie irgend­wann mal als Frau zu sein hät­te. Der Song pflanzt nicht sofort etwas in ihrem Kopf, das sie in eine komi­sche Rich­tung zieht. Die liebt ein­fach das Mit­sin­gen: "Mit den Waf­fen einer Frau…"

MZEE​.com​: Span­nen­de Per­spek­ti­ve. Wir haben in der Redak­ti­on viel dar­über gespro­chen, inwie­weit der Song pro­ble­ma­tisch sein könn­te im Hin­blick auf das Rol­len­bild von Frau­en und Feminismus.

Flo­ri­an: Klar, das ist ein wich­ti­ges The­ma und die Zei­len soll­te man auch alle dis­ku­tie­ren. Aber mei­ne Toch­ter weiß zum Bei­spiel noch nicht, was mit "Geh ins Gymi, wer­de skin­ny" gemeint ist. Das ist eine Zei­le, wo ich ihr klar sage: Du musst nicht unbe­dingt skin­ny sein. Auch mit dem Cham­pa­gner, der dann gesippt wird, kann mei­ne Toch­ter noch nichts anfan­gen. Da muss man dann je nach Alter abwä­gen, ob man über sol­che The­men spre­chen muss. Gibt es einen Bereich, in dem man als Erwach­se­ner auf­klä­re­ri­sche Arbeit leis­ten muss? Oder ist es aktu­ell "nur" ein Song, der gute Lau­ne macht? Das bie­tet ein brei­tes Span­nungs­feld. Aber ich den­ke letzt­end­lich, wenn du ein sta­bi­les Umfeld hast, bestehend aus Men­schen, die dich lie­ben, auf dich auf­pas­sen und dar­auf ach­ten, dass dei­ne mensch­li­che Ent­wick­lung in gesun­den Bah­nen ver­läuft, kannst du dir zwi­schen­durch auch mal sol­che Sachen geben. Ohne dass du sofort befürch­ten musst, dass es für dei­ne Toch­ter auf die schie­fe Bahn geht, wenn sie den ein oder ande­ren Song hört. Ich den­ke, sie kann sich trotz­dem emanzipieren.

Pau­li: Eine zu har­te Ein­schrän­kung der Kids in die­sem Bereich wür­de auch bedeu­ten, dass du jun­ge Men­schen gene­rell nicht mehr aus dem Haus las­sen könn­test. Denn sol­che Gefah­ren lau­ern über­all und nicht nur in Songs.

MZEE​.com​: Kom­men wir noch mal zurück zur Musik: Wie blickt ihr auf die Unter­schei­dung von "Kinder-" und "Erwach­se­nen­mu­sik"?

Flo­ri­an: Ich fin­de, es braucht die­se Unter­schei­dung nicht. Musik ist Musik. Ich habe selbst bereits als Kind super­ger­ne bestimm­te "Erwach­se­nen­mu­sik" gehört. Wir lie­ben trotz­dem das, was wir tun. Wir lie­ben es, als Dei­ne Freun­de Musik zu machen, und sind stolz dar­auf, der "Kin­der­mu­sik" ein eige­nes Kapi­tel hin­zu­ge­fügt zu haben. Aber gene­rell den­ken wir: Musik ist Musik.

Pau­li: Total. Als es Fet­tes Brot noch gab und wir par­al­lel gespielt haben, war mei­ne größ­te Unter­schei­dung die Uhr­zei­ten, zu denen wir gespielt haben. Dadurch war Fet­tes Brot die "erns­te­re Band", weil es spä­ter war. Das war aber nur mei­ne eige­ne Wahr­neh­mung und hat­te nichts mit den Leu­ten zu tun, die vor der Büh­ne ste­hen. Ich habe kein Scham­ge­fühl, wenn wir als Dei­ne Freun­de auf die Büh­ne gehen. Ich ver­stel­le mich da nicht. Bei den Bro­ten war es live eher ein "besof­fe­nes" Gefühl, wenn die Leu­te nach 22 Uhr bereits eini­ges an Bier intus hat­ten. Das ist dann ein wil­de­res Publi­kum gewe­sen und man hat­te einen ande­ren Adre­na­lin­pe­gel. Aber auch bei Dei­ne Freunde-​Auftritten ist der Adre­na­lin­pe­gel hoch. Wir haben auch schon auf der Fusi­on gespielt, wo dann nur drei Kin­der vor der Büh­ne stan­den und der Rest waren Erwachsene.

Flo­ri­an: Erwach­se­ne auf Sub­stan­zen. (lacht)

MZEE​.com​: Also doch wie­der Kinder.

Pau­li: Wir haben auch auf dem Lol­la­pa­loo­za gespielt, wo nur ganz hin­ten ein paar Fami­li­en stan­den, der Rest waren die Fans von einer K-​Pop-​Band. Das war auch rich­tig lus­tig und des­halb wür­de ich das vor allem live nicht unterscheiden.

Flo­ri­an: Grund­sätz­lich ist Musik gleich Musik. Es kommt dar­auf an, wo du releaten kannst und was dich inter­es­siert. In die­sem Zusam­men­hang fin­den wir, dass man den Kin­dern mehr bie­ten soll­te, weil sie es ver­die­nen. Es geht uns dar­um, sie in ihrer eige­nen Lebens­rea­li­tät abzu­ho­len. Wir wol­len kei­ne Musik pro­du­zie­ren, die sie erst in zehn Jah­ren kom­plett inhalt­lich ver­ste­hen können.

MZEE​.com​: Wie neh­men euch denn die Erwach­se­nen wahr?

Flo­ri­an: Ich habe lus­ti­ger­wei­se das Gefühl, dass die uns ken­nen wür­den. Denn wir geben ziem­lich viel von uns preis.

Pau­li: Nicht zuletzt durch den Pod­cast. Da bekommt man häu­fig Feed­back. Aber es kom­men manch­mal auch Nach­rich­ten à la "Macht doch mal so was". Die kom­men dann häu­fig von Leu­ten aus dem sozia­len Bereich, wie Pädagog:innen. Es gibt auch Leu­te, die haben eine Idee, die sie ger­ne mit uns zusam­men machen wür­den. In den meis­ten Fäl­len fei­ern die das kom­plett ab. Es wird auch gecheckt, dass das nicht aus­ge­dacht oder ein Wer­be­kon­strukt ist. Die mer­ken, dass wir das authen­tisch ver­kör­pern und ernst meinen.

Flo­ri­an: Wir sind zugäng­lich, dadurch dass wir so viel Per­sön­li­ches in die Musik und in den Pod­cast rein­ste­cken. Wenn man uns irgend­wo trifft, ent­steht schnell eine gewis­se Bin­dung zuein­an­der, auch wenn es oft auf der einen Sei­te anonym bleibt. Die­se Ver­bin­dung fühlt sich echt an, auch wenn sie an der Ober­flä­che bleibt. Die hat trotz­dem ihren Wert und es stört uns nie, ange­quatscht zu wer­den. Wir sind nicht wie irgend­wel­che Schla­ger­stars, die dich auf der Büh­ne anlä­cheln und hin­ten­rum haben die über­haupt kei­nen Bock auf irgendwas.

Pau­li: Natür­lich ist nicht immer hei­le Welt, manch­mal hat man einen Scheiß­tag. Aber grund­sätz­lich sind wir nicht abge­neigt, wenn man uns anspricht. Schließ­lich sind wir alle Menschen.

(Alec Weber)
(Fotos von Michi Schunk)