An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des:der Autor:in und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
Im Folgenden befasst sich unser Redakteur Alec mit den GEMA-Rechten, die gerade für kleinere Künstler:innen eher ein lästiges Unterfangen als finanzielle Entlohnung sein können.
Sowohl der Schutz als auch die Verwertung von Musik sind Themen, die auf der einen Seite enorm wichtig sind und auf der anderen Seite oft als nervig empfunden werden. In Deutschland denkt man dabei sofort an die GEMA. Diese existiert seit über 90 Jahren, ist eine klassische Verwertungsgesellschaft und hat die Rechtsform eines wirtschaftlichen Vereins. "GEMA" steht dabei für Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Sie bietet Künstler:innen, Labels und Verlegern von Musik die Möglichkeit, für ihre Musik finanziell entlohnt zu werden. Grob umrissen sorgt der Verein für eine Entlohnung bei öffentlicher Vorführung der Musik seiner über 90.000 Mitglieder. Wie hoch diese Entlohnung ausfällt, kann dabei stark variieren. Der Verein erwirtschaftete in den letzten beiden Jahren jeweils über eine Milliarde Euro für seine Mitglieder. Die Verwertungsgesellschaft ist damit in Deutschland eine der entscheidenden Schnittstellen zwischen Musiker:innen und Musiknutzer:innen.
Anfang Juni 2024 entdeckte der Rapper Inspektah laut eigener Aussage bei einigen seiner älteren Songs, dass zwei – ihm bis dato unbekannte – Firmen mit Verlagsrechten ausgestattet sind und dementsprechend GEMA-Einnahmen mithilfe seiner Songs generieren. Doch der Musiker hatte bisher scheinbar nie einen Verlagsdeal unterzeichnet. Es stellt sich die Frage, wie diese Situation zustande kommen konnte. Um dies zu erfahren, hilft es vielleicht, sich einige GEMA-Prozesse näher anzusehen.
Die GEMA bietet verschiedenen Gruppen von Nutzer:innen unterschiedliche Funktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Anmeldung und Bearbeitung musikalischer Werke. Verlage haben die Möglichkeit, sofern sie über 1 000 Werke pro Jahr anmelden müssen, dies durch das Verfahren Common Work Registration (CWR) zu tun. Dieses vereinfacht den Datenaustausch zwischen den Verlagen und der GEMA. Unabhängig davon, in welcher Form Verlage ihre Rechte anmelden, müssen sie das Elektronische Bestätigungsverfahren, kurz EBV, durchführen. Dieses ist im Prinzip eine Mitteilung darüber, dass ein Verlag bei musikalischen Werken bestimmte (Teil-)Rechte besitzt und die zugehörigen Urheber:innen einer GEMA-Ausschüttung an den Verlag zustimmen. Die GEMA hält in der eigenen Beschreibung des Verfahrens allerdings selbst bereits eine Problematik fest: Da die Werkanmeldung in der Regel durch den Verlag erfolgt, können die Musik-Urheber:innen erst danach einer finanziellen Beteiligung zustimmen. Interessanterweise verlor die GEMA bereits 2016 vor dem Bundesgerichtshof aus einem ähnlichen Grund ein Verfahren: Damals wurde geurteilt, dass es nicht rechtens ist, wenn die Verwertungsgesellschaft die Musikverlage pauschal an den Einnahmen der Musikurheber:innen beteiligt.
Um dieses Problem zu lösen, ist im aktuellen GEMA-Verteilungsplan in § 26 festgehalten, dass die Urheber:innen einer Tantiemen-Ausschüttung an Verlage aktiv zustimmen müssen. Die GEMA bezieht sich dabei auf das sogenannte Verwertungsgesellschaftengesetz, kurz VGG, welches 2016 in Kraft getreten ist. In diesem ist ein ganzer Teilbereich festgehalten, welcher sich explizit um die Vorschriften für die Vergabe von Online-Rechten an Musikwerken dreht. Trotzdem sind die rechtlichen Vorgaben an vielen Stellen relativ undurchsichtig. Dies führt dazu, dass die GEMA zwar, laut eigener Satzung, entsprechende Nachweise seitens der Verlage und Subverlage hinsichtlich eines Vertrags mit den Urheber:innen der Musik verlangt, aber sich nicht verpflichtet sieht, diese auch aktiv zu überprüfen. Eine Prüfung erfolgt erst, wenn eine Partei – Urheber:innen oder Verlag – aktiv Einspruch erhebt. Diesen Einspruch gibt es nun wohl von Inspektah, der einer Beteiligung an seinen GEMA-Einnahmen von zwei Verlagen widerspricht.
Nach einem kurzen Aufruf, dass sich andere Betroffene bei ihm melden können, soll es DMs bei Inspektah gehagelt haben. Es meldeten sich scheinbar etliche Künstler:innen, denen ein Producer – dem einer der zwei besagten Verlage gehört – ungefragt Beat-Pakete via Mail schickte. Außerdem ist sein Label wohl auch bei vielen anderen Künstler:innen bei der GEMA als Verlag hinterlegt. Der womöglich dadurch entstandene Schaden könnte insgesamt eine relativ hohe Geldsumme sein, denn je nach Verlagsdeal können die als Verlag hinterlegten Akteur:innen üblicherweise 10 bis 20 Prozent von den GEMA-Einnahmen als Tantiemen einziehen.
Auffällig sei laut Inspektah, dass bei vielen Werken, die von dem entsprechenden Producer "verlegt" wurden, Sentric Music als Sub-Verlag eingetragen ist. Das britische Unternehmen arbeitet global und fokussiert sich ironischerweise auf "Selfmade"-Künstler:innen. Sub-Verlage haben in der Regel die Aufgabe, Werke bei ausländischen Verwertungsgesellschaften anzumelden. Ihre Rolle ist auch im Kontext des VGG von 2016 wichtiger geworden. Denn eins der Ziele des "neuen" Gesetzes war es, die internationale Lizensierung von Musik zu vereinfachen und zu beschleunigen. Mittlerweile existiert eine Liste von mehreren 100 Songs, bei denen beide Labels vermutlich unrechtmäßig an den GEMA-Einnahmen partizipieren.
Sentric Music geriet diesbezüglich bereits vor zehn Jahren in die Kritik: Unter einem Interview von 2014 mit Christina Otto-Sauer, der Ansprechpartnerin des Verlags für alle Künstler:innen in Deutschland, häufen sich bis heute Beschwerden hinsichtlich zu geringer, verspäteter oder nie stattgefundener Ausschüttungen. Zudem heißt es in einem zugehörigen Artikel der Backstage PRO in Bezugnahme auf den Fall eines Künstlers: "Sentric wirbt mit einer Kündigungsfrist von nur einem Monat, [sic] und diese hatte der Autor dann auch in Anspruch genommen und ist zu einem anderen Verlag gewechselt. Trotzdem seien die Werke auch nach der Kündigung teilweise noch unter Sentric Music bei Verwertungsgesellschaften gemeldet gewesen." Dass es nun erneut Schwierigkeiten mit dem Verlag gibt, scheint also nicht von ungefähr zu kommen.
Der nun anstehende Nachweisprozess hinsichtlich falscher Verlagsrechte bei der GEMA gestaltet sich für Inspektah und Co. vermutlich wesentlich langwieriger als die erste Anmeldung dieser. Der Bearbeitungs- und Überprüfungsprozess kann sich über mehrere Monate ziehen, sollten sich die Verlage und Urheber:innen nicht einigen. Während dieser Zeit wird zudem die Ausschüttung von Tantiemen für die zugehörigen Werke vollständig ausgesetzt.
Laut Instagram-Story von Inspektah sind auch Künstler:innen betroffen, die über 150 000 monatliche Hörer:innen haben. Die meisten Betroffenen sind aber eher typische Untergrund-Rapper:innen. Von diesen haben viele keinen direkten Zugriff auf ihre Daten und Infos bei der GEMA, wodurch sich die Überprüfung der eigenen Teilrechte an Werken schwierig gestaltet. Für viele rentiert sich eine GEMA-Mitgliedschaft nicht, da die Anmeldung als Mitglied die Einnahmen um ein Vielfaches übersteigen würde. Aktuell kostet die Anmeldung als Mitglied einmalig 90 Euro und einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 50 Euro. Finanziell lohnt sich die Mitgliedschaft für Künstler:innen erst, wenn entweder regelmäßig Touren beziehungsweise Konzerte gespielt werden oder die Musik häufiger lizensiert genutzt wird, zum Beispiel für Werbung, in Filmen oder auf Veranstaltungen. Dies ist gerade im Untergrundbereich nicht der Fall und Auftritte haben sich für viele Newcomer:innen in den letzten Jahren – auch durch die Pandemiejahre bedingt – eher selten ergeben.
Die Situation zeigt jedenfalls eine weitere Schattenseite des Musikgeschäfts, speziell für kleinere Künstler:innen, die auch unabhängig davon kaum etwas an ihrer Musik verdienen. Offen bleibt, wie einfach es Musikverlagen gemacht wird, Verlagsrechte anzumelden und wie genau die GEMA die zugehörigen Verträge überprüfen müsste. Es ist von außen nur schwer zu überblicken, an welchen Stellen die Prozesse der Verwertungsgesellschaft dringend optimiert werden müssen. Trotzdem sollten gerade Firmen wie Sentric Music von der GEMA genauer überprüft werden.
Grundsätzlich ist die Arbeit von Verwertungsgesellschaften, Musikverlagen und Labels ein wichtiger Faktor für Musiker:innen. Es fällt allerdings immer wieder auf, dass die zugehörigen Prozesse an vielen Stellen zu undurchsichtig sind und so zu ungleichen Machtverhältnissen führen. Schuld daran sind nicht nur die oft zu Recht kritisierten, unbekümmert ausgefüllten Verträge seitens der Künstler:innen, sondern auch die Arbeitsweisen von der GEMA und manchen Musikverlagen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es noch wesentlich mehr solcher Fälle wie den von Inspektah gibt.
(Alec Weber)
(Grafik von Daniel Fersch)