"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Seine Tracks sind jedes mal [sic] so gut und clean produziert, holy shit", schreibt ein User auf reddit. Und wie Recht er hat – doch von vorne. Wir alle kennen vermutlich Jan Kawelke, den Musikjournalisten, vom Podcast "Machiavelli – Rap & Politik". Und ja, es ist das letzte Mal, dass diese Verbindung erwähnt werden muss, da Jan nun nicht mehr nur Jan, sondern auch Bruno heißt und ganz wunderbare Musik macht.
Lange konnte man sich von seinem Talent, zu schreiben und zu dichten, auf seiner Instagram-Seite berühren lassen. Vor etwa neun Monaten begann er dann, als "Bruno Kawelke" ganz außergewöhnliche Musik zu veröffentlichen. Außergewöhnlich, weil sie zumindest für mich nicht zu 100 Prozent greifbar ist. Ein bisschen poetisch und an Gedichte angelehnt. Ein bisschen Gesang. Und teils auch ein bisschen Rap. Doch, wie auch immer man das Ganze betiteln möchte: Seine Musik berührt mich sehr. Die Sätze dabei hervorragend auf den Punkt formuliert und die Produktionen von moran, na ja, "so gut und clean produziert – holy shit". Was die beiden da zusammen zaubern, gibt mir das Gefühl, dass keine andere Kombination für genau diese Art Musik besser passen könnte.
Diese Art Musik, die ganz kleine Momente bis ins noch viel kleinere Detail beschreibt. Die Gedanken und Gefühle so verdammt gut in Worte fassen kann, wie hier auf "Monet": "Wir stehen im Wasser, die Gischt küsst unsere Füße. Wollten nicht ins Meer, aber im Meer gewesen sein." Oder: "Die Sonne legt all ihre Kleider auf die See – und ich verstehe Claude Monet. Uns fehlen die Namen für die Farben. Und die Farben, die wir sehen, kann kein Pinsel jemals malen. Und doch siehst du was ich seh'."
Das Meer als Motiv findet sich in einigen Tracks wieder, so zum Beispiel auch in "Pollen", einem der ersten Songs, die Bruno veröffentlichte. Und einer, der sich wiederum komplett anders anfühlt, ganz gegenteilig zum Sommernachtsvibe von Monet. Viel härter instrumentiert, weniger hoffnungsvoll, aber nicht minder ausdrucksstark und pointiert.
Doch: Da ich nicht halb so gut wie Bruno Kawelke in seinen Texten beschreiben kann, was ich wiederum bei seiner Musik empfinde, würde ich vorschlagen, demnächst mal ein paar Minuten abendliche Ruhe zu finden und in seine Tracks reinzuhören. Passend zu den heißen Tagen bitte als erstes in "Monet". Und sich vom Sommernachtsvibe kurz ein wenig davontragen zu lassen.
(Florence Bader)