Science-Fiction: Für manche ein krudes Genre und Hobby, mit dem nur Nerds etwas anfangen können, für andere eine große Leidenschaft, die kaum überblickbare Welten und Ideen vereint. Die kreativen Werke – egal, ob Buch oder Film – sind gerade deshalb so faszinierend, weil sie sich auch auf die Zeiten beziehen, in denen sie entstehen und oft schon fast prophetischen Charakter haben. Dies führt zu einer spannenden Kombination aus zu der Zeit aktuellen gesellschaftlichen Themen und Zukunftsvisionen – denkt man zum Beispiel an eine Serie wie "The Expanse", in der viele soziale und politische Themen wie Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Rassismus und Kriege ihren Platz finden. Dabei geht es nicht nur darum, diese Themen anzusprechen, sondern genauso mögliche Entwicklungsszenarien aufzuzeigen, und zwar sowohl utopisch als auch, wie im Falle von "The Expanse", eher dystopisch. Eine Künstlerin, die sich leidenschaftlich mit Science-Fiction auseinandersetzt, ist Haszcara. Abseits ihrer großen Liebe "Star Trek" finden sich auch in vielen ihrer Releases immer wieder Sci-Fi-Referenzen. Gemeinsam mit ihr sprachen wir über ihre ersten Berührungspunkte mit Science-Fiction, gesellschaftliche Veränderungen für eine bessere Zukunft, das "Fremde" und ihre liebsten Figuren und Franchises des Genres.
MZEE.com: Wie bist du das erste Mal mit Science-Fiction in Berührung gekommen?
Haszcara: Tatsächlich war das "Star Wars". Im Nachhinein würde ich "Star Wars" aber nicht als Sci-Fi bezeichnen. Auch wenn es häufig so kategorisiert wird, ist es für mich keine Science-Fiction. (Anm. d. Red.: "Star Wars" wird mittlerweile überwiegend als "Space Opera" bezeichnet, unter anderem weil das Franchise viele märchentypische Erzählelemente beinhaltet.) Etwa zeitgleich entdeckte ich noch die Filmreihe "Spy Kids", wenn man das als Science-Fiction zählen möchte. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich das Genre geliebt habe. Passend dazu habe ich eine sehr schöne Kindheitserinnerung: Ich habe kroatische Wurzeln. Als wir in Kroatien waren, hat mich meine Mutter auf den Arm genommen, ist mit mir spazieren gegangen und hat mit mir "Sternen-Taxi" gespielt – so nannte sie das immer. Wir sind spazieren gegangen und haben uns die Sterne angeguckt, weil man davon in Kroatien mehr als in Deutschland sehen kann. Sie hat mir erklärt, was man alles am Himmel sehen kann. Das war mein erster Berührungspunkt mit dem Universum und der Galaxie. Dadurch entstand mein Interesse für das Genre.
MZEE.com: Was genau fasziniert dich denn an Science-Fiction und den Welten, die dabei kreiert werden?
Haszcara: Ich liebe Science-Fiction, weil das Genre immer eine Geschichte davon erzählt, wie die Welt werden könnte. Gleichzeitig wird aber auch erzählt, wie die Welt ist. Sie wird nämlich so, wie wir sie gestalten. Das kann in verschiedene Richtungen gehen, zum Beispiel superdystopisch wie bei der Serie "The Expanse". Dort herrscht ein Hyperkapitalismus und Ressourcen werden im Asteroidengürtel abgebaut. Es gibt dauerhaft politische Spannungen zwischen den Menschen, die im Asteroidengürtel aufwachsen, und den Bevölkerungen auf dem Mars und der Erde. Meine große Liebe "Star Trek" geht da eher in eine utopische Richtung: Wie könnte die Welt schön aussehen? Die Serien wirken sehr oft wie Fabeln. Es werden ganz aktuelle Themen besprochen, zum Beispiel künstliche Intelligenz. Das formt auch unser Denken darüber, wie wir heute leben: Was könnten mögliche Konsequenzen sein? Das liebe ich daran und das passiert spielerisch, aber hat politische und philosophische Dimensionen.
MZEE.com: In deinem Song "Leiche zu Fighter" rappst du: "Das hier ist Leben wie im Comic." – Würdest du Science-Fiction auch als eine Möglichkeit beschreiben, um dich von der Welt abzulenken beziehungsweise aus ihr zu fliehen?
Haszcara: Es kommt drauf an, welche Art von Science-Fiction. Bei Utopien wie "Star Trek" auf jeden Fall. Gleichzeitig hast du aber immer den Bezug zur jetzigen Welt. Die Frage, was unsere jetzigen Handlungen in der Zukunft auslösen, schwingt immer mit. Du kannst die Gegenwart nie ganz ausklammern.
MZEE.com: In fast allen Science-Fiction-Erzählungen stehen menschliche Akteur:innen im Mittelpunkt. Obwohl das Genre häufig mit Aliens assoziiert wird, funktioniert es nur selten losgelöst vom menschlichen Leben.
Haszcara: Genau, denn sonst wäre es Fantasy. Manche sagen, dass es da nicht so einen krassen Unterschied gibt. Natürlich ist das "Science" in Science-Fiction auch nicht immer vorhanden. Es werden viele unwissenschaftliche beziehungsweise nicht realisierbare Sachen dargestellt, aber es geht eben stets um die Vorstellung von unserer Zukunft. Das macht es spannend.
MZEE.com: Der Begriff "Alien" wird auch gern als Bezeichnung für Außenseiter:innen verwendet. Kannst du dich mit diesem Bild identifizieren?
Haszcara: (lacht) Auf jeden Fall. Ich finde Aliens spannend, weil diese Figuren symbolisieren, wie von uns Menschen das Fremde wahrgenommen wird. Aktuell haben wir eine nationalstaatliche Weltordnung und viele Menschen nehmen einander als Fremde wahr, weil sie unterschiedliche Pässe haben. In der Science-Fiction wird das etwas größer – dort gibt es zum Beispiel Erdlinge und Marsmenschen. Hier gibt es einen Shift und "das Fremde" verschiebt sich.
MZEE.com: Die Größenordnung ist eine ganz andere.
Haszcara: Es ist auch ein guter Perspektivwechsel, um zu schauen, was uns alle auf dieser Erde verbindet. In den 40er Jahren ist Garry Davis vor die UN getreten und hat vorgeschlagen, dass es einen "World Passport" geben sollte. (Anm. d. Red.: Garry Davis war ein staatenloser kosmopolitischer Friedensaktivist und Initiator der sogenannten Weltbürgerbewegung.) Das ist voll spannend, dass dieser Mann die Menschheit als eine "Gruppe" vereinen wollte. Gerade in der Science-Fiction, zum Beispiel bei "Star Trek", geht es immer wieder um den "First Contact", also den ersten Kontakt einer Spezies mit Außerirdischen. Es werden dann meistens zwei Szenarien erzählt: Entweder die Spezies empfängt die Aliens mit Interesse und erweitert ihren Horizont oder sie grenzt sich ab und radikalisiert sich. Das nimmt dann oft eine politische Dimension an, die sich manchmal auch auf das ganze Gefüge in der Galaxis auswirken kann.
MZEE.com: Was würde denn deiner Meinung nach bei einem Erstkontakt mit außerirdischen Lebensformen passieren?
Haszcara: Mit der Erde? In dieser Zeit? (überlegt) Ich glaube, es gäbe viele Menschen, die voll offen wären. Aber es geht auch darum, wer gerade global gesehen politisch an der Macht ist. Das wäre aktuell eine Katastrophe und die würden sich leider alle umbringen, nur um vorne mit dabei zu sein. Der Erstkontakt ist auch der Grund, warum ich unbedingt zur "Starfleet" möchte, falls es das mal geben sollte. (lacht) (Anm. d. Red.: Organisation bei "Star Trek", die unter anderem wissenschaftliche und diplomatische Aufgaben übernimmt, wenn Neues im All entdeckt wird) Ich habe Kulturanthropologie studiert und würde gerne dabei sein. Das bietet so große Chancen und wird in Science-Fiction ganz oft durchgespielt: Was macht uns menschlich? Was sind Emotionen? Was ist Zusammenhalt? Was sind unsere Werte?
MZEE.com: Hilft die Abstraktion durch Sci-Fi eventuell auch, reale aktuelle Probleme deutlicher anzusprechen als in vielen anderen Genres?
Haszcara: Sci-Fi hat oft wie gesagt einen Fabelcharakter, denn es spielt in der Zukunft, aber eigentlich werden immer heutige Themen reflektiert. Ich muss jetzt wieder "Star Trek" als Beispiel nehmen. Die haben in den fucking 60er Jahren eine Serie produziert, die für damalige Verhältnisse superdivers war.
MZEE.com: Spannend ist, dass sich zu der Zeit Zuschauer:innen darüber teilweise sogar echauffiert haben.
Haszcara: Es gab damals – erzählerisch erzwungen – den ersten Kuss zwischen einer Schwarzen und weißen Person im Fernsehen. (Anm. d. Red.: Die Szene, in der die beiden Protagonist:innen gezwungen werden, sich zu küssen, sorgte Ende der 60er Jahre in den USA für großes Aufsehen, da das Land noch stark durch die Jahrzehnte der Rassentrennung geprägt war. Das Produktionsstudio der Serie wollte die Szene zunächst auch nicht drehen lassen, doch die Darsteller:innen setzten sich durch.) Aus feministischer Perspektive geht das natürlich gar nicht, aber es verkörpert trotzdem diesen Traum, wie eine andere Welt aussehen könnte. Dystopien sind jedoch auch sehr wichtig, da sie negative Gefühle auslösen. Wir brauchen diese, um wirklich etwas verändern zu wollen. Hast du jemals jemanden sagen hören, dass alles gut läuft und man deshalb alles anders machen will? Nein, Veränderung geschieht aus dem Gefühl heraus, dass man etwas nicht will, zum Beispiel dass die Welt in zehn Jahren untergeht. Wir müssen etwas tun und parallel können uns Utopien, die Hunderte von Jahren in der Zukunft spielen, Hoffnung geben. In diesen Erzählungen ist schon ganz viel passiert; Kriege und Konflikte wurden aufgelöst. Diese Gedanken finde ich schön und kraftspendend.
MZEE.com: Oft verwandeln sich utopisch geglaubte Welten aber auch in Dystopien. Siehst du da Parallelen zu aktuellen politischen und sozialen Geschehnissen?
Haszcara: Absolut. Auch wenn ich kein großer Fan der Serie bin: Bei "Black Mirror" werden zum Beispiel technische Neuerungen viel thematisiert und kritisch betrachtet. Bei "The Orville" finden ähnliche kritische Einordnungen statt. Das ist generell eine großartige Serie! In einer Folge wird zum Beispiel auf einem fremden Planeten mithilfe von sozialen Bewertungen versucht, eine bessere Welt zu schaffen. Du kannst dort Leuten einen Up- oder Downvote geben und das führt zu ganz schlimmen Konsequenzen: Leute mit zu vielen Downvotes kriegen dann eine Lobotomie. Die werden am Gehirn operiert, weil andere mit ihnen nicht klarkamen und deren Verhalten scheinbar nicht in Ordnung fanden. Das Kranke muss "wegoperiert" werden.
MZEE.com: Eine sehr dystopische Vorstellung. Aber wie würde denn deine Utopie aussehen?
Haszcara: Ein großes Thema ist die Verfügbarkeit von Ressourcen, mit denen wir unser Leben "finanzieren". Doch selbst wenn wir unbegrenzten Zugriff auf Ressourcen hätten, wäre es möglich, dass wir uns in eine dystopische Richtung entwickeln. Wie meine Utopie aussieht, ist eine sehr vielschichtige Frage. Ich könnte jetzt die Standardbegriffe droppen: Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Support für alle und Solidarität. Meine Utopie wäre zunächst, dass alle über die gleichen monetären Ressourcen verfügen. Bei "Star Trek" gibt es unter anderem "Replikatoren", die ziemlich viele Dinge einfach so herstellen können. Man braucht also kein Geld mehr. Außerdem wünsche ich mir, dass jede:r sich frei entfalten kann, damit Menschen ihr Leben individuell führen können, wie sie es möchten. Selbstverwirklichung ohne Grenzen.
MZEE.com: Fällt dir da eventuell eine ganz alltägliche Sache ein?
(Stille, Haszcara überlegt)
MZEE.com: Ein gemütlicher Schlafplatz wäre eine tolle Sache. (Anm. d. Red.: Haszcara berichtete im Vorfeld des Interviews über einen sehr schlechten Schlafplatz in der vorherigen Nacht.)
Haszcara: Du hast gar nicht so unrecht, denn es geht um die Deckung der Grundbedürfnisse. Ich war vor Kurzem auf einem Demokratieseminar der Betzavta-Methode. (Anm. d. Red.: Betzavta ist eine Methode für demokratische Aushandlungsprozesse und gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher Standpunkte.) Wir haben dort bemerkt, dass Personen, die zum Beispiel müde sind, an einem bestimmten Punkt nicht mehr am demokratischen Prozess teilnehmen können. Diese Menschen werden dann aus dem Prozess ausgeschlossen, während die anderen weiterhin an Entscheidungsprozessen arbeiten. Die Frage ist, wie wir alle Menschen in den gesellschaftlichen Aushandlungsprozess inkludieren können – schließlich geht es darum, wie wir gemeinsam leben wollen. Dafür ist die Deckung der Grundbedürfnisse – zum Beispiel ein geiler Schlafplatz – essenziell. Ein weiterer Punkt ist zudem die Auseinandersetzung mit dem Internet und künstlicher Intelligenz: Wie werden diese Tools zu einer Ergänzung und Hilfe, aber nicht zu einem Ersatz für Menschen? Wir dürfen nicht verlernen, selbst zu denken, und es ist wichtig, dass alle mündig sind und bleiben.
MZEE.com: Deine Release-Titel haben oft auch astronomische Anlehnungen, zum Beispiel "Polaris" und "Roter Riese" – ein Sternenbild und ein Sterntyp. Inwieweit interessiert dich denn die wissenschaftliche Perspektive?
Haszcara: Mich interessiert das absolut. Wenn ich nicht so schlecht in den Naturwissenschaften wäre, würde ich auch Astrophysik studieren. Schon als Kind war mein Wunsch, Astronautin zu werden. Ich hatte auch immer einen Galaxy-themed Birthday, den passenden Galaxy-Scout-Rucksack und später natürlich auch diese Space-Leggings. Ich habe dazu sogar mal ein Seminar belegt. Während meiner Studienzeit gab es die Möglichkeit, "Astronomie für Studierende aller Fakultäten" zu wählen, das war echt cool. In einem Song von mir sage ich auch, dass ich immer nur wegwollte. Der Grund für mein Interesse ist dieser Blick in die Sterne und die damit einhergehende Wahrnehmung, wie klein wir doch sind … Für mich ist das schön. Es gibt zwei Kategorien von Menschen: Den einen macht es Angst, zu realisieren, wie klein und unbedeutend wir sind, den anderen gibt es ein Gefühl von Hoffnung und Glück. Wir sind auf einem "Steinbrocken", der durch das Weltall rast. Wie random ist das? Mir gibt es innerlich viel Ruhe, da mal rauszuzoomen. Ich würde supergerne ins Weltall fliegen. Das wird wahrscheinlich nicht klappen, aber das ist ein Wunsch meines inneren Kindes. Ich glaube, es verändert dich langfristig, wenn du die Welt von außen sehen könntest.
MZEE.com: Kommen wir zurück zu den künstlerischen Themen: Welche Figuren aus dem Science-Fiction-Bereich inspirieren dich denn besonders?
Haszcara: Hier muss ich wieder sofort an "Star Trek" denken. Ich liebe Janeway, die Kapitänin aus "Voyager" (Anm. d. Red.: Teil des "Star Trek"-Franchises), der Serie aus den 90ern. Sie ist eine nicht perfekte, aber coole Frauenrolle, speziell für die Zeit, in der die Serie gedreht wurde. Sie ist eine tolle Kapitänin, die viele komplizierte Entscheidungen für eine Menge Menschen treffen muss. Ansonsten interessieren mich Figuren besonders, die nicht menschlich sind, zum Beispiel ein Androide wie Delta oder Vulkanier wie Spock und Tuvok. An diesen Figuren wird immer viel Menschlichkeit ausgehandelt: Was ist Humor? Was ist Liebe? Was ist Freundschaft? Dadurch entstehen immer total süße und tiefgründige Folgen. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns diesen Fragen stellen müssen, denn Leute freunden sich mit künstlichen Intelligenzen an. Außerdem finde ich gemischte Identitäten spannend, zum Beispiel B'Elanna Torres. Die ist Halbmensch und Halbklingonin, auch wenn man kritisieren kann, dass ihre Rolle diesem Latina-Klischee entspricht. Ich bin zum Beispiel zwischen drei Landeskulturen aufgewachsen. Wie krass muss es dann sein, wenn du Halbalien und Halbmensch bist? (lacht) Also ich kann mir nicht vorstellen, womit man sich dann identifizieren würde, und finde es schön, dass diese Themen dort aufgegriffen werden. Das hat wieder diesen Fabelcharakter, ihr klingonischer Anteil ist superspicy und ihr menschlicher Anteil ist etwas softer. Sie hat einen menschlichen Freund beziehungsweise Mann, wodurch einige kulturelle Konflikte entstehen. Ich fühle mich darin auch repräsentiert. Einige Sci-Fi-Geschichten reproduzieren zwar viel Bullshit, aber es gibt generell starke Frauenrollen und viel Platz zum Exploren von coolen Sachen. Ein gutes Beispiel ist auch der Klassiker "Alien", denn die Hauptrolle Ripley wurde urspünglich für einen Mann geschrieben. Aber es wurde dann entschieden, dass die Figur eine Frau sein soll. Der Film ist genial und zeitlos und das war, soweit ich weiß, auch die erste Action-Hauptrolle einer Frau. Die wurde nicht übersexualisiert, sondern ganz "normal" als Badass dargestellt. In Science-Fiction werden solche Neuerungen immer wieder ausprobiert, weil es halt in einer fernen Zukunft spielt. Da fällt es leichter darzustellen, dass eine Frau eine Kapitänin ist oder dass non-binary Figuren in "Star Trek" existieren. In "The Expanse" gibt es poly- beziehungsweise pansexuelle Beziehungen und das wird nicht hinterfragt, das ist einfach so. Das liebe ich an dem Genre, denn es zeichnet eine Welt, wie sie sein könnte. Den Weg dahin müssen wir selbst finden, aber es kann uns inspirieren, in bestimmte Richtungen gehen oder nicht gehen zu wollen.
MZEE.com: Apropos Zukunft: In welche Zeit würdest du denn gerne mal reisen und wen würdest du dort treffen wollen?
Haszcara: Das hat uns mal unser Geschichtslehrer gefragt. Mittlerweile fände ich es auch interessant, in die Vergangenheit zu reisen. Aber damals meinte ich, dass ich nirgendwohin möchte und wenn, dann in die Zukunft. Das ist schon etwas länger her, ich fand es prinzipiell gut, wie wir leben. Es gab halt so übertrieben problematische Phänomene wie Trump oder die AfD noch nicht.
MZEE.com: Man ist als Schüler:in vielleicht auch noch etwas weniger aufmerksam hinsichtlich solcher Dinge.
Haszcara: Ich habe mich schon mit vielen darüber unterhalten. In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, hatten die meisten Leute das Gefühl, dass es immer besser wird. Dieses Gefühl geriet dann aber spätestens mit Trump ins Wanken. Ich habe damals überhaupt nicht mit seiner Wahl gerechnet, kurz danach wurde die AfD immer stärker und mittlerweile folgt eine Krise auf die nächste. Ich bin sehr politisch aufgewachsen und war schon 2009 aktiv im Bildungsstreik. (Anm. d. Red.: Während des bundesweiten Bildungsstreiks wurde unter anderem von Schüler:innen und Student:innen der unbeschränkte Zugang zu Bildung gefordert.) Ich hatte das Gefühl, dass sich durchaus etwas in der Gesellschaft bewegt und es immer "besser" wird. Viele Themen wurden gesellschaftsfähiger, man sprach über problematische Umstände, die MeToo-Bewegung wurde größer und Queerness präsenter. Dann folgte aber Stück für Stück dieser erneute Rechtsruck. Auch hinsichtlich des Klimawandels dachte ich zunächst, dass wir das hinkriegen, gerade wenn man an Filme wie "Eine unbequeme Wahrheit" oder "The Day After Tomorrow" denkt. Aktuell bin ich mir sehr unsicher, ob wir das noch retten können. Auch wenn wir in Deutschland noch relativ lange überleben können, werden die Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen immer mehr und bedrohen uns global. Aber ich glaube, jetzt bin ich etwas von der ursprünglichen Frage abgekommen …
MZEE.com: Eigentlich war die Frage, in welche Zeit du gerne reisen wollen würdest.
Haszcara: Ich würde schon gerne hundert oder zweihundert Jahre in die Zukunft reisen, um zu schauen, wie die Welt sich entwickeln wird. Ich weiß nicht, wer dann lebt, aber falls Aliens am Start wären, würde ich die gerne kennenlernen: "Willkommen auf der Erde. Schön, dass du da bist. Das ist meine Crib." (lacht)
MZEE.com: "Mein Haus, mein Baum …"
Haszcara: "… mein Planet, mein Fluss". (lacht) Ist ein bisschen cringe, aber könnte man eigentlich machen.
MZEE.com: Kurz den Beat gecrackt und eine Sci-Fi-Version von "Mein Block" für Soundcloud gebastelt.
Haszcara: Aber zurück zur Reise in die Zukunft: Ich finde Kryoschlaf superspannend und habe dazu neulich ein richtig geiles Buch gelesen, in dem das Thema behandelt wird: "Beyond Berlin" von Björn Sülter. (Anm. d. Red.: Kryoschlaf ist in vielen Sci-Fi-Erzählungen eine Möglichkeit, um Menschen schlafend zu konservieren und sie irgendwann in der Zukunft wieder zum Leben zu erwecken.) Er hat eine dystopische Trilogie über Berlin geschrieben. In den Büchern ist es für die Leute, die sich eingefroren haben, ganz schlimm gelaufen, inklusive Abschaltung der Geräte. Das wirkte stellenweise sehr real. Ich denke, ich würde trotzdem gerne zweihundert Jahre in die Zukunft reisen. Tausend Jahre wären etwas krass, so "Futurama"-mäßig.
MZEE.com: Ob diese Zukunft dann noch auf der Erde wäre …
Haszcara: Das ist die Frage, ob man das, was man dann sieht, auch sehen will. Stell dir vor, du bist die einzige Person auf der Welt, die das gesehen hat. Das ist dann wie bei diesem Fluch aus der griechischen Mythologie: Die Figur Kassandra kann zwar die Zukunft vorhersagen, aber niemand glaubt ihr. Eventuell wäre das so und das stelle ich mir ganz schlimm vor. Aus Interesse würde ich auch gerne in eine Zeit reisen, in der es noch kein Internet und keine Smartphones gab. Das Bedürfnis zurückzureisen hatte ich, als ich jünger war, nicht – aber mittlerweile schon.
MZEE.com: Ich glaube, das ist auch ein Phänomen "unserer" Generation. Man ist noch ohne die permanente Verfügbarkeit des Internets aufgewachsen, hat aber im Teenie-Alter die großen Sprünge der Digitalisierung und das Entstehen von Smartphones miterlebt.
Haszcara: Ja, voll! Es gibt den Begriff der "großen Beschleunigung", auf Englisch findet man dazu mehr (Anm. d. Red.: "The Great Acceleration"). In den letzten hundert bis zweihundert Jahren hat sich die Welt so schnell verändert wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Wenn du jetzt hundert Jahre in die Vergangenheit reist, ist das mindblowing. Aber in den Jahrhunderten davor passierten nicht so viele Veränderungen, die den Alltag der Menschen betrafen. Das finde ich wichtig zu berücksichtigen, wenn wir darauf blicken, wie wir als Generation miteinander umgehen und wie verschiedene Generationen klarkommen. Die Generationskonflikte zwischen Boomern, Millenials, Gen Z und Gen Alpha entstehen, weil sich das Aufwachsen der verschiedenen Generationen ganz unterschiedlich gestaltet. Ich kenne Leute, die sind nur fünf oder zehn Jahre jünger als ich, und wir verstehen uns teilweise nicht, weil wir ganz unterschiedlich aufgewachsen sind.
MZEE.com: Ein Dauerbrenner in "Star Trek" ist auch das Holodeck, auf dem man eine beliebige Umgebung simulieren und darstellen kann. Welchen Ort würden wir denn auf deinem Holodeck finden?
Haszcara: Auf meinem Holodeck?! (überlegt) Ich würde da einfach richtig gerne Kampfsport betreiben, mit einer niedrigen Sicherheitsstufe. Also man soll natürlich nicht sterben. Aber da ich Kampfsport mache, fände ich es richtig cool, gegen Klingonen oder andere Menschen auf dem Holodeck zu kämpfen.
MZEE.com: Dann hätten wir noch eine abschließende Frage: Welche Science Fiction-Werke sind für dich die wichtigsten? Welche würdest du vielleicht auch kompletten Neueinsteiger:innen empfehlen?
Haszcara: Auf jeden Fall "Star Trek", das ist einfach meine größte Liebe. Hier würde ich mit "The Next Generation" beginnen und wenn dir das gefällt, kannst du es mal mit der Original Series probieren. Ich habe damit angefangen, aber die ist noch mal ganz anders. Danach kann man sich dann Stück für Stück reinarbeiten, zum Beispiel mit "Voyager". Ansonsten finde ich "The Expanse" voll gut, aber die Bücher, auf denen die Serie basiert, fand ich richtig schlimm. Die sind an einigen Stellen rassistisch, sexistisch und widerlich – doch die Serie ist echt toll. Außerdem fällt mir gerade noch "Under the Skin" ein, ein Film mit Scarlett Johansson. Der geht ein bisschen in Richtung Horror und ist eher unbekannt, aber ich fand den sehr krass und der beschäftigt mich bis heute. Sie spielt dort ein Alien, das auf die Welt kommt und versucht, die Menschen zu verstehen. Der Film beschäftigt sich mit unserer Oberflächlichkeit und endet ganz tragisch. Zum Einstieg ist vielleicht auch etwas Humorvolles wie "The Orville" gut geeignet. Es gibt auch superviel zum Lesen: Ich habe einiges auf meiner Liste wie "Dune", aber komme einfach nicht hinterher. Ich bin ehrlich, ich gucke eher Serien als zu lesen, auch wenn ich eigentlich Bock auf Bücher hätte. Es gibt auch viel queere Literatur in diesem Bereich. Generell sollte man sich nicht unter Druck setzen lassen à la: "Oh mein Gott, du kennst das und das nicht?!" Man sollte sich auf das fokussieren, was einen selbst abholt und interessiert.
(Alec Weber & Max Raska)
(Fotos von Rafael Dada & boutphotography)