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Zugezogen Maskulin & LGoony – Füchse 2015

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Zuge­zo­gen Mas­ku­lin und LGo­o­ny mit "Füch­se 2015".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künst­ler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der Gesprächs­part­ner ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Wer sich an die Neu­in­ter­pre­ta­ti­on alter Klas­si­ker wagt, bewegt sich im Deutschrap auf dün­nem Eis. Ent­we­der wird das Ori­gi­nal so abs­trakt ver­ar­bei­tet, dass von ihm nichts mehr übrig bleibt, oder der Remix ist so unin­spi­riert, dass man es gleich hät­te sein las­sen kön­nen. Die gol­de­ne Mit­te zu fin­den, ist also eine gro­ße Kunst. Drei Rap­per, die es sich in die­ser Mit­te gemüt­lich gemacht haben, sind grim104, Tes­to und LGo­o­ny. Mit "Füch­se 2015" lie­fer­ten sie einen Track, der beim Klas­si­ker Anlei­hen nimmt, ihn wei­ter­ent­wi­ckelt, aber gleich­zei­tig State­ments gegen ihn setzt.

Die­se Mischung gelingt zuerst durch den Beat. Pro­du­zent Ena­ka sam­pelt zwar das Ori­gi­nal der Abso­lu­ten Beg­in­ner und Samy Delu­xe von 1998, macht es aller­dings düs­te­rer und ver­sieht es mit den für ihn typi­schen Trap-​Elementen. Das macht den Song dyna­mi­scher und treibt ihn ins 21. Jahr­hun­dert. Auch die Rap­per ZM und LGo­o­ny bedie­nen sich ab und zu am Ori­gi­nal, aller­dings erin­nern nur ver­ein­zel­te Zei­len und die Hook an den Klas­si­ker. Viel­mehr ist und war "Füch­se 2015" ein kom­plet­ter Rund­um­schlag, der mit der Sze­ne abrech­net. Ehe­mals rele­van­te Wack-​MCs krie­gen ihr Fett weg und die Pro­fit­gier man­cher Kolleg:innen wird kri­ti­siert. Aber viel span­nen­der fin­de ich einen ande­ren Ang­le. Vor allem LGo­o­ny macht in sei­nem Part eine Dis­kus­si­on auf, die direkt Bezug aufs Ori­gi­nal nimmt – der Kon­flikt zwi­schen Old­school und News­chool. Die­ser Streit kommt bis heu­te unter ande­rem in Samys Songs vor, die Vor­wür­fe blei­ben dabei gleich: MCs sind nicht mehr real und so wei­ter. In mei­nen Augen ist das zu kurz gegrif­fen. Eine Wei­ter­ent­wick­lung des Gen­res wird durch sol­che Aus­sa­gen gebremst und es wird außer Acht gelas­sen, dass sich neue­re Künstler:innen mitt­ler­wei­le gänz­lich von den Vorreiter:innen des Gen­res eman­zi­piert haben. Die­sen Streit durf­ten die bei­den übri­gens ein paar Jah­re spä­ter auf dem RedBull-​Soundclash auf der Büh­ne austragen.

Für mich ist "Füch­se 2015" ein per­fek­ter Remix. Die Künst­ler neh­men Ele­men­te des Ori­gi­nals auf, gleich­zei­tig lösen sie sich ganz bewusst vom Vor­bild und der frü­he­ren Gene­ra­ti­on. Die­se genia­le Mischung funk­tio­niert bis heu­te und wäre auf dem ein oder ande­ren Klassiker-​Remix wün­schens­wert gewesen.

(Jakob Zim­mer­mann)