"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Wer sich an die Neuinterpretation alter Klassiker wagt, bewegt sich im Deutschrap auf dünnem Eis. Entweder wird das Original so abstrakt verarbeitet, dass von ihm nichts mehr übrig bleibt, oder der Remix ist so uninspiriert, dass man es gleich hätte sein lassen können. Die goldene Mitte zu finden, ist also eine große Kunst. Drei Rapper, die es sich in dieser Mitte gemütlich gemacht haben, sind grim104, Testo und LGoony. Mit "Füchse 2015" lieferten sie einen Track, der beim Klassiker Anleihen nimmt, ihn weiterentwickelt, aber gleichzeitig Statements gegen ihn setzt.
Diese Mischung gelingt zuerst durch den Beat. Produzent Enaka sampelt zwar das Original der Absoluten Beginner und Samy Deluxe von 1998, macht es allerdings düsterer und versieht es mit den für ihn typischen Trap-Elementen. Das macht den Song dynamischer und treibt ihn ins 21. Jahrhundert. Auch die Rapper ZM und LGoony bedienen sich ab und zu am Original, allerdings erinnern nur vereinzelte Zeilen und die Hook an den Klassiker. Vielmehr ist und war "Füchse 2015" ein kompletter Rundumschlag, der mit der Szene abrechnet. Ehemals relevante Wack-MCs kriegen ihr Fett weg und die Profitgier mancher Kolleg:innen wird kritisiert. Aber viel spannender finde ich einen anderen Angle. Vor allem LGoony macht in seinem Part eine Diskussion auf, die direkt Bezug aufs Original nimmt – der Konflikt zwischen Oldschool und Newschool. Dieser Streit kommt bis heute unter anderem in Samys Songs vor, die Vorwürfe bleiben dabei gleich: MCs sind nicht mehr real und so weiter. In meinen Augen ist das zu kurz gegriffen. Eine Weiterentwicklung des Genres wird durch solche Aussagen gebremst und es wird außer Acht gelassen, dass sich neuere Künstler:innen mittlerweile gänzlich von den Vorreiter:innen des Genres emanzipiert haben. Diesen Streit durften die beiden übrigens ein paar Jahre später auf dem RedBull-Soundclash auf der Bühne austragen.
Für mich ist "Füchse 2015" ein perfekter Remix. Die Künstler nehmen Elemente des Originals auf, gleichzeitig lösen sie sich ganz bewusst vom Vorbild und der früheren Generation. Diese geniale Mischung funktioniert bis heute und wäre auf dem ein oder anderen Klassiker-Remix wünschenswert gewesen.
(Jakob Zimmermann)