Kategorien
Kommentar

Rap-​Bots: die neue Generation an Rapper:innen?

Die Mög­lich­kei­ten von künst­li­cher Intel­li­genz wer­den immer grö­ßer und hal­ten auch in den HipHop-​Kosmos Ein­zug . Doch kann KI mensch­li­che Artists erset­zen und ist das über­haupt wün­schens­wert? Über den Platz von KI in der Musik­in­dus­trie und ihre Qua­li­tä­ten als MC.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unser Redak­teur Felix mit den Fähig­kei­ten von künst­li­cher Intel­li­genz aus­ein­an­der und stellt die Fra­ge nach ihrem Platz im HipHop-Kosmos.

 

"Die fort­schrei­ten­de Ent­wick­lung von künst­li­cher Intel­li­genz, im Eng­li­schen auch 'Arti­fi­cal Intel­li­gence' (AI) genannt, hat die Musik­in­dus­trie in den letz­ten Jah­ren grund­le­gend ver­än­dert. Ins­be­son­de­re die Fähig­keit von AI, Musik zu kom­po­nie­ren und zu gene­rie­ren, hat zu erstaun­li­chen Ergeb­nis­sen geführt. Der welt­be­kann­te DJ und Pro­du­zent David Guet­ta hat die­se Tech­no­lo­gie auf die nächs­te Stu­fe gebracht, indem er eine AI ver­wen­de­te, um einen Rap-​Part in einem Future-​Rave-​Song zu erstel­len, der wie der Stil des berühm­ten Rap­pers Emi­nem klang. Die­se Krea­ti­on wirft jedoch Fra­gen auf, ob AI in der Lage ist, auf dem Niveau mensch­li­cher Künst­ler zu rap­pen, und ob es über­haupt wün­schens­wert ist, dass Arti­fi­cal Intel­li­gence in der Musik­in­dus­trie Fuß fasst."

Eine berech­tig­te Fra­ge. Die­ser ers­te Absatz zum Bei­spiel ist kom­plett von der Open-​AI ChatGPT ver­fasst wor­den. Eine KI kann also schrei­ben, das ist rein tech­nisch bewie­sen. Die Ein­lei­tung von die­sem Kom­men­tar war bin­nen Sekun­den erstellt. Aller­dings sind auch ande­re Text­ar­ten wie Lyrik kein Pro­blem. Zei­len von Rap­pern wie Play­boi Car­ti oder Tra­vis Scott las­sen sich von jedem mit­tels Gratis-​Software erstel­len. Wie sieht es aber mit all den ande­ren Facet­ten von Rap-​Artists aus? Ein geschrie­be­ner Text will ja auch ent­spre­chend ver­tont wer­den. Auch Stim­men bekann­te­rer Rapper:innen kann eine KI imi­tie­ren. Platt­for­men wie You­Tube sind voll von sol­chen Vide­os. Es gibt dort alles – von einem Juice World-​Cover von "Hey the­re Deli­lah" bis zu dem ein­gangs erwähn­ten "Auf­tritt" von Emi­nem bei dem Set von David Guet­ta. Zwar sind die Unter­schie­de zu den Ori­gi­na­len noch klar hör­bar, doch die KI lernt ste­tig dazu. Was bleibt dann für die Rapper:innen übrig? Nicht mehr viel. Denn auch die dazu pas­sen­den Beats oder sogar Musik­vi­de­os kön­nen mit­hil­fe von KI erstellt wer­den. Das Reper­toire eines Rap-​Artists und des­sen Team sind somit mehr als abgedeckt.

Was wie eine Zukunfts­vi­si­on wirkt, ist schon längst Rea­li­tät. Für sol­che soge­nann­ten "KI-Rapper:innen" gibt es schon ers­te Bei­spie­le. Im August letz­ten Jah­res sorg­te der Rap­per FN Meka mit sei­nem Sig­ning bei einem Major-​Label für Auf­merk­sam­keit. Das Irr­wit­zi­ge dar­an: Der Rap­per exis­tiert nur vir­tu­ell. FN Meka ist ein ani­mier­ter Cha­rak­ter, eine bizar­re Mischung aus 6ix9ine und einem Cyborg. Das ein­zig Rea­le an ihm ist die Stim­me, die ihm ein Unbe­kann­ter leiht. Der Text wird nicht mehr von Men­schen geschrie­ben, nur kura­tiert. Der Deal zwi­schen dem Pro­jekt FN Meka und Capi­tol Records hielt jedoch gera­de ein­mal zehn Tage, da Kri­tik über die ste­reo­ty­pi­sche Dar­stel­lung des Rap­pers aus­ge­übt wur­de. Zwar wur­de der Rap­per schluss­end­lich gecan­celt, die blo­ße Exis­tenz des KI-​Rappers zeigt aber: Rap-​Artists sind herstellbar.

Gera­de für die Musik­in­dus­trie ist das eine inter­es­san­te Erkennt­nis. Ein Artist, der nie krank wird, auf Knopf­druck neu­es Mate­ri­al lie­fert und kei­nen Lohn ver­langt, klingt nach einem Traum. Auch Live-​Auftritte sind für sol­che Artists kein Hin­der­nis. Schließ­lich geben Bands wie die Goril­laz oder Künstler:innen wie Hats­une Miku auch Live-​Shows und Kon­zer­te. Durch die sozia­len Medi­en kann man auch gut eine para­so­zia­le Bin­dung zu den Fans und Zuschauer:innen auf­bau­en und mit die­sen inter­agie­ren. FN Meka war auf Tik­Tok zum Bei­spiel sehr erfolg­reich, bevor das Pro­jekt been­det wur­de. In die­ser Hin­sicht ste­hen den Maschi­nen also alle Wege offen, gera­de wenn man Rap mit jedem aktu­el­len Trend ver­bin­det. Zwar haben auch ech­te Rapper:innen oft kein Pro­blem mit Sell­out – doch irgend­wo hin­ter McDo­nalds und dem zehn­ten Eis­tee liegt auch deren Gren­ze. Eine KI hat da kei­ne Gewis­sens­bis­se und kann sich jeden noch so bescheu­er­ten Trend ein­ver­lei­ben. Das ist auch gut hin­sicht­lich der schnell­le­bi­gen Musik­land­schaft. Ohne Pri­vat­le­ben und ande­re mensch­li­che Bedürf­nis­se kann man die sozia­len Kanä­le stän­dig mit Con­tent befeu­ern, um für den Algo­rith­mus rele­vant zu blei­ben. Vor allem aber kann ein KI-​Artist alle zwei Wochen einen Song her­aus­brin­gen. Der Traum einer jeden Streaming-​Plattform und eben genau das, was vie­le Artists mitt­ler­wei­le nervt. Musik wird so zu purem Content.

Doch ganz so schnell wird die­se düs­te­re Zukunfts­vi­si­on nicht wahr. Wer schon ein­mal einen Deepf­ake eines bekann­te­ren Rap-​Artists gese­hen hat, weiß: Rich­tig fühlt sich das nicht an. Klar, da sind die tech­ni­schen Makel und die Wortmalerei-​artigen Tex­te. Aber da fehlt noch etwas. Es fehlt die Per­son hin­ter den Tex­ten. Denn gera­de im Rap ist sonst immer die Rede von Authen­ti­zi­tät und Real­ness. Jemand, der über die Stra­ße rappt, muss die­se auch reprä­sen­tie­ren kön­nen. Eine Maschi­ne kann nicht von Armut und Dro­gen­de­als berich­ten, zumin­dest nicht authen­tisch. Genau­so wenig kann ein Pro­jekt wie FN Meka Opfer von Poli­zei­ge­walt wer­den, so wie es auf Tik­Tok insze­niert wur­de. Aus die­sen Grün­den gilt Ghost­wri­ting für vie­le auch als No-​Go. Die Tex­te müs­sen von den Rapper:innen selbst erlebt und ver­kör­pert wer­den. Wie ord­net man dann eine schrei­ben­de Maschi­ne ein? Daten kön­nen ja nicht lei­den. Auch fehlt eine stär­ke­re Ver­bin­dung zwi­schen Fans und KI-Rapper:innen. Auf­ge­bau­te para­so­zia­le Bin­dun­gen kön­nen Mas­sen bewe­gen, das bewei­sen Influencer:innen Tag für Tag. Aber lang­jäh­ri­ge und treue Fans erkämpft man sich nicht durch aggres­si­ves Pos­ten. Zwar hat ein Rap­per wie FN Meka über zehn Mil­lio­nen Fol­lower auf Tik­Tok, vie­le treue Fans wer­den trotz­dem nicht dabei sein. Denn in ers­ter Linie geht es um eins: das Spek­ta­kel rund um die­sen neu­en Trend. Lässt man die­ses Gim­mick der KI außen vor, bleibt auch schon nichts mehr übrig. Wirk­li­chen Gehalt hat das nicht.

Natür­lich kön­nen künst­li­che Intel­li­genz und real exis­tie­ren­de Rapper:innen auch in Frie­den zusam­men­le­ben. KI kann etwa als Hil­fe beim Musik­ma­chen die­nen. Bei Schreib­blo­cka­den oder Ähn­li­chem sind die aus­ge­spuck­ten Tex­te und Stich­wör­ter der KI bestimmt ein guter Anfangs­punkt. Wenn aber eine künst­li­che Intel­li­genz den Rapper:innen den Schreib­pro­zess wei­test­ge­hend abnimmt, dann ver­än­dern sich auch die Anfor­de­run­gen an die Rapper:innen. Im Vor­der­grund steht dann der Geschmack und die Aus­wahl­kri­te­ri­en der jewei­li­gen Artists. Künst­li­che Intel­li­genz wird also die Musik­in­dus­trie und die Art, Musik zu machen, stark ver­än­dern – aber genau das ist nach jedem tech­ni­schen Fort­schritt der Fall. Es wird span­nend zu sehen sein, wie die gan­ze Rap-​Szene auf die neue Tech­no­lo­gie reagiert. Die Reak­tio­nen von ver­bis­se­nen Untergrund-​Ikonen dürf­ten ganz anders aus­fal­len als die der Major-​Label-​Hitmaschinen. Aller­dings führt an die­ser neu­en Tech­no­lo­gie wohl kein Weg mehr vorbei.

(Fejo­so)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)