Ob Journalisten oder Rapper:innen, Produzent:innen oder DJs – von Jan Kawelke über Donvtello und Pimf bis hin zu DJ Ron und V.Raeter: Sie alle waren schon in unserem Format "DIGGEN mit …" am Start. Sie alle haben uns Playlisten zu Themen zusammengestellt, die ihnen ganz besonders am Herzen liegen. Und sie alle haben uns Track für Track Rede und Antwort gestanden, erzählt, warum genau dieser eine Song es in ihre Playlist geschafft hat und was sie mit ihm verbinden.
Zum Jahresende möchten wir, die MZEE Redaktion, Euch mit unserem diesjährigen Adventskalender nun eine eigene DIGGEN-Playlist schenken: "DIGGEN 2022" beinhaltet 24 Lieblingslieder der Redaktion aus diesem Jahr. Wir öffnen somit jeden Tag ein neues Türchen und erzählen Euch von einem Song und warum wir ihn so sehr schätzen.
Der Track für das heutige Türchen wurde von unserer Redakteurin Mana aus dem Empfehlungen-Team ausgewählt.
Im heutigen Türchen zu finden ist:
5. CONNY – Kannst du woanders traurig sein (prod. by ok schade.)
Mana: Da ich schon über 20 Jahre Deutschrap höre, denke ich oft, dass mich nichts mehr so richtig überraschen kann. Aber jedes Jahr gibt es eben doch wieder mindestens diesen einen Track, der es schafft. CONNY hat mich mit seinem Song und auch dem dazugehörigen interaktiven Video voll abgeholt. Mit einem Kloß im Hals und einem Haufen Emotionen saß ich nach dem ersten Hören wortlos da und habe die Frage, ob ich "woanders traurig sein" kann, am Ende seines Videos per Mausklick beantwortet. Ich liebe es, wenn Rapper:innen auch mal den Mut haben, unpopuläre Themen wie Depressionen aufzugreifen, besonders wenn sie wie in CONNYs Track eigentlich absolut präsent in unserem Alltag sind und sich jede:r auf eine Art und Weise damit auseinandersetzen sollte.
Alle bisher geöffneten Türchen gibt es hier zum Nachlesen:
1. Mariybu – Datenight (prod. by Kronsberg)
Marie: Ich habe eine Schwäche für Rache-Songs. "CopKKKilla" von Haftbefehl etwa ist einer meiner absoluten Lieblingssongs. In diesem Jahr war aber "Datenight" von Mariybu einer meiner großen Favoriten. Auch sie rächt sich, wie schon Haft, in diesem Song an Polizisten. Warum? "Weil ich Cops nicht mag", erklärt sie selbst im Song. Anders als Hafti setzt sie in ihrer Rachefantasie allerdings weniger auf rohe Gewalt als auf etwas, das man in den 90ern wohl "Die Waffen einer Frau" genannt hätte. Sie datet einen Polizisten, nur um ihn bei sich zu Hause zu verführen, zu fesseln und ihm anschließend Geld und Karre zu klauen. Oder wie sie es nennt: "Heut ist Datenight und du bezahlst." Im Video ist zu sehen, wie sie anschließend eine Freundin in das geklaute Auto einlädt und die zwei durch die Nacht fahren. Selbstermächtigung, die ich in diesem Jahr gefühlt habe.
2. $oho Bani – PLACEBO (prod. by Jurij Gold & Falconi)
Enrico: 2022 war für mich ein Jahr, in dem ich nach langen Einschränkungen durch die Pandemie endlich wieder etwas erleben wollte. Auf Festivals gehen, Partys feiern, jung, dumm und unvernünftig sein. Den richtigen Sound dafür hat mir persönlich in diesem Sommer $oho Bani geliefert. Der Berliner hat mich mit seiner unbekümmerten Art schon mit seinem Debütalbum gecatcht und dieses Jahr mit "Kids aus dem Versteck" noch mal einen draufgesetzt. Folgerichtig sollte der Besuch seiner Tour zum für mich ersten Konzert seit Langem werden. Verschwitzt, mit einem dicken Knöchel und überglücklich verließ ich die Münchner Muffathalle und war endgültig zum Fan der E-Gitarren, Technobässe und seiner jugendlichen Leichtigkeit geworden. All das findet man beispielhaft auch auf "Placebo". Und genau diesen Sound habe ich dieses Jahr gebraucht.
3. Waving the Guns – Gran Canaria (prod. by DJ Joaf & BRYCK)
Elias: Ich finde Widersprüche superspannend. Auch der Track "Gran Canaria" von Waving The Guns startet mit einer Schere zwischen Beat und Text. Während BRYCKs Instrumental zu Beginn bei mir für Sommerlaune sorgt, verpasst mir Milli Dance hingegen wenig später mit den Wörtern "Handbrüche" und "Brandbriefe" die lyrische Wach-auf-Schelle. Eine so wohlige Melodie wie diese schafft es meist, mich in leichte Trance zu versetzen. Milli Dance lässt das mit seinen gesellschaftskritischen Punchlines in "Gran Canaria" allerdings nicht zu. Stattdessen nicke ich mit und denke mit einer Mischung aus Wut und Euphorie: Fühlt sich gut an, mit der soziopolitischen Lage nicht zufrieden zu sein. Und gleichzeitig erinnern mich WTG an die eigene Inkonsequenz: "Auch meine Weste fleckig und die Hände blutig."
4. Lugatti & 9ine – AK (prod. by Traya)
Mina: Ich habe dieses Jahr so viele beschissene Live-Shows gesehen, ich kann sie nicht mehr zählen – Playback auf der Bühne, durchgehend Moshpit ohne Sinn und Verstand im Publikum. Und viele Rapper, die Menschenmassen besorgniserregend aufstacheln oder aber völlig kalt lassen. Außerdem Müll von Einmal-E-Zigaretten mit fancy Geschmäckern wie Blueberry Cheesecake so weit das Auge sieht. Ich verachte alles daran. Was den aktuellen Rap-Zeitgeist angeht, überzeugen mich Lugatti & 9ine allerdings jedes Mal wieder davon, dass man auch würdevoll performen kann. Bei ihren Konzerten findet man alles, das ein Fan-Herz erwärmt: ein "Fick Red Bull!", eine irre, aber ungefährliche Energie im Publikum, guten Live-Rap, emotionale Songs, Humor, Zuschauer:innen, die gesamte Texte mitrappen können, und ein bisschen Pyro für die Freund:innen der visuellen Untermalung. Das Trio ist einfach für die Bühne gemacht und "AK" macht mir bei jedem Hören Lust auf ein kühles Erfrischungsgetränk bei einem ihrer Auftritte.
(die MZEE.com Redaktion)
(Titelbild von Daniel Fersch)