"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Duzoes Diskografie liest sich bereits vor 2020 schon recht beachtlich: diverse EPs – solo, mit anderen Künstler:innen oder als ODMGDIA mit John – und sogar ein ODMGDIA-Album. Das Einzige, was noch fehlte, war ein Soloalbum. Sagt er 2018 auf dem Intro der "unfollow.me"-EP noch, dass er keines machen möchte, folgt im Juli 2020 dennoch endlich das von mir langersehnte Debüt "watchmeburn".
Dieses Album setzt konsequent fort, was Duzoe auf der zuvor erwähnten EP begonnen und seitdem auf dem Großteil seiner Songs gezeigt hat. Statt auf Battlerap, der vordergründig in seiner musikalischen Vergangenheit zu finden war, legt er den Fokus überwiegend auf persönliche Themen und rückt dabei seine mentale und psychische Gesundheit sowie die Ursachen dafür in den Vordergrund. "watchmeburn" lässt sich aber nicht nur auf diese Themen herunterbrechen – es gibt nach wie vor auch Battletracks und Representer. Doch was den entscheidenden Gegensatz zu den vorherigen Releases ausmacht, ist das Konzept sowie das zusammenhängende Soundgerüst dahinter. Zwischen dem Opener "Caillou" und dem letzten Song "Endpunkt" bekomme ich ein tatsächliches Gefühl für den Menschen hinter Duzoe, der mir schonungslos ehrlich seine Erlebnisse schildert und sich dabei auch selbst nicht immer im besten Licht darstellt. Diese im Rap eher ungewohnte Offenheit und die Detailverliebtheit der Produktionen – hierbei sind die Instrumentals zu "F.T.P. II" von Maximlian Ikarus und "Wenn du gehst" von KCVS meine Highlights – ziehen mich noch heute in ihren Bann.
Deutscher Rap ist ein Genre, das gerade im Mainstream den Anschein erweckt, von toxischer Männlichkeit geprägt zu sein und keine tiefgehenden Emotionen zuzulassen. Viele Artists, die versuchen, einen Gegenpol darzustellen, versinken entweder in übertriebenem Pathos oder driften gar ins Jammern ab. Duzoe meistert auf seinem Debütalbum "watchmeburn" diese Gratwanderung und liefert ein gewaltiges Debüt ab, dessen Feuer für mich auch anderthalb Jahre nach Release noch eine lange Zeit brennen wird.
(Michael Collins)