An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des:der Autor:in und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
Im Folgenden setzt sich unser Redakteur Felix mit den empörten Fan-Reaktionen auf die Shirin David-McDonalds-Kollaboration auseinander.
Woran denkt man, wenn man den Namen McDonalds hört? Vielleicht an lauwarme Pommes, Pappkarton-Fleisch und billig produziertes Spielzeug? Oder an das leuchtend-gelbe Logo und den dazugehörigen Slogan "Ich liebe es"? Alles verständliche Assoziationen. Denn bis vor Kurzem hätte wohl niemand an Shirin David gedacht – doch genau das ist der geplante Effekt der neuen Werbekampagne. Shirin David ist in diesem Winter das Gesicht von McDonalds. Als erste "Miss Monopoly" ist sie das Testimonial für die McDonalds Monopoly-Aktion. Sie spricht dabei Werbeslogans ein, dreht ein aufwendiges Musikvideo und singt oder rappt sogar zwei neue Songs. Eigentlich nichts Ungewöhnliches – trotzdem wird Kritik laut.
Die Kommentare bei Instagram sind voll davon. Enttäuschte Fans zweifeln Shirins Ehrlichkeit an, stellen ihre politische Haltung infrage, unterstellen ihr das Unterstützen von Ausbeutung und Tierquälerei. Ganz schön viel Wut und Entrüstung. Dabei sind Rapper:innen-Kollaborationen mit McDonalds keine Neuheit. Das beste Beispiel: die "Famous Order"-Kampagne mit Travis Scott oder die "Vergesse nie die Street"-Aktion mit RAF Camora. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Die größte Kritik an der RAF Camora-Aktion war, dass sie leider nur in Österreich stattfand. Eine Unverschämtheit. Oder dass die Qualität von McDonalds schlecht sei. Unerwartet. Währenddessen wird Shirin Davids Image gerade in den Kommentaren zerstückelt. Fans fühlen sich von ihrem Idol hintergangen. Aber woran liegt das?
Das Image der Rapperin ist ein gutes Stichwort. Denn das ist einer der Gründe, weshalb sich McDonalds eine Shirin David schnappt. Neben der gewonnenen Reichweite bringen prominente Testimonials ja auch ihre eigenen Inhalte und Versprechen mit. Shirin ist Rapperin, Influencerin und Unternehmerin. Sie ist "rotzfrech, kompromisslos, feminin", wie sie in einer Caption auf Instagram schreibt. Sie scheut nicht vor politischen Themen zurück: Sie lehnt einen Juryplatz bei DSDS wegen fehlender Diversity ab, solidarisiert sich mit den Frauen-Protesten im Iran. Der Slogan "Zan, Zendegi, Azadi" also "Frauen, Leben, Freiheit" steht mittig in ihrer Instagram-Biografie. Vor allem aber eröffnet sie das "Spielfeld für die Gays, für die Girls und die Bi-Babes". Das rappt sie zumindest auf der neuen McDonalds-Version von ihrem Nummer-eins-Hit "Lieben wir". Eine katastrophale Zeile in Bezug auf die WM in Katar. Mit McDonalds als Sponsor. Verständlich, dass den Fans das nicht ins Bild passt. Sich für einen WM-Boykott auszusprechen, passt nämlich perfekt auf das Instagram-Profil der Rapperin. Gerade Shirins indirekte Verbindung zur WM ist so wohl der Hauptkritikpunkt. Aber auch die angesprochene Massentierhaltung und damit einhergehende Tierquälerei kritisierte Shirin schon 2020 in einer Instagram-Story. Ein Jahr zuvor das gleiche zum Thema Klimaschutz. Shirin gab 2019 sogar ihren AMG ab, um das Klima zu schützen, das erzählte sie zumindest in einem Interview bei 16BARS. "Mal gucken, was ich tun kann" – jetzt wissen wir es.
Aber ist das alles so verwunderlich? Zeilen wie "Wenn nicht mit Rap, dann mit hundert anderen Businesses" versprechen doch nichts anderes. Ein Douglas-Deal, ein eigener Eistee, jetzt eben McDonalds – passt doch. Wird man nicht mit Rap reich, dann halt mit anderen Mitteln. Dass Shirin die Problematik McDonalds' nicht kennt, ist unglaubwürdig. Die Aktion liest sich eher als ein "rotzfrecher, kompromissloser" Businessmove, der bald vergessen, aber lukrativ ist. Instagram-Aktivismus und Werbung schließen sich nicht aus, das beweisen Influencer:innen seit Jahren. Der Begriff "Girlboss" schießt einem in den Kopf. Shirin ist hier als Influencerin zu begreifen, die rappt. So fällt es schwer, die Enttäuschung der Anhänger:innen nachzuvollziehen. Vielleicht ist es ganz gut, dass der moralische Kompass von Shirin David jetzt mit Fish-Mac-Mayonnaise bekleckert ist.
Instagram-Aktivismus steht immer wieder vor einer Entscheidung: Moral oder Kapital?Solidarisierung mit den feministischen Protesten im Iran oder McDonalds-Werbedeal? Der Vergleich wird in den Kommentaren heiß diskutiert. Shirin David sensibilisiert ihre Fans also ungewollt für die moralischen Dilemmata der Aktivismus-Influencer:innen im Kapitalismus. Ein Satz, welchen man erst mal verarbeiten muss. Obwohl der Vergleich etwas krass ist, trifft er doch einen wahren Kern. "Zan, Zendegi, Azadi" in der Instagram-Biografie – aber Miss Monopoly in den Story-Highlights. Beides geht nicht. Shirin muss sich also entscheiden.
(Fejoso)
(Grafik von Daniel Fersch)